Elke Bräunling Tilla, die Weihnachtshexe Adventsmärchen für Kinder Für alle, die den Advent lieben Copyright 2008 Elke Bräunling/Verlag Stephen Janetzko
Inhalt Inhalt Inhalt...4 Tilla, die Weihnachtshexe... 5 Impressum... 12
Tilla, die Weihnachtshexe Hinten im Hellerwald, gleich neben der großen Distelwiese, lebte die Hexe Tilla. Tilla war mit ihren 77 ½ Jahren noch eine sehr junge Hexe. Von einem Menschenkind war sie nur schwer zu unterscheiden. Überhaupt schien Tilla etwas aus der Art geschlagen zu sein. Sie benahm sich nämlich gar nicht hexisch, und mit dem Zaubern klappte es auch nicht recht. "Du bist mir eine schöne Hexentochter!", seufzte ihre Mutter, die Giftkräuterhexe Pitrilla, immer sehr besorgt, wenn es mit dem Zaubern wieder mal nicht funktioniert hatte. "Wo soll das nur hinführen?" Tilla aber war die Hexenzauberei piepschnurz egal. Sie hatte keine große Lust, so richtig zaubern zu lernen. Viel lieber würde sie die kleine Stadt am Rande des Waldes besuchen. Noch nie war sie dort gewesen. Oft aber stand sie oben auf dem Hellerwaldgipfel und starrte sehnsüchtig in die Ferne, wo die Menschenhäuser standen und die Menschenkinder lebten. Die Menschen kannte Tilla gut. Oft genug war sie ihnen im Wald begegnet. Manchmal rasteten sogar welche auf der Distelwiese. Dann machten sich Tilla und ihre Freunde, die Distelwichtel Joki, Jon und Jakob, einen Riesenspaß daraus, diese Fremden zu belauschen. Alles wollten sie von ihnen wissen: wie sie dachten, wie sie fühlten, was ihnen Spaß machte und was sie ärgerte. Einfach alles. Und mit der Zeit hatten sie eine Menge von den Menschen, die so viele verschiedene Gesichter hatten, kennen gelernt. "Es sind schon komische Wesen, diese Menschen", sagte Tilla manchmal. Und Joki, Jon und Jakob nickten zustimmend. Ja ja ja, sagten sie. Wahnsinnig komisch. Wann Tilla und ihre Freunde zum ersten Mal von Weihnachten gehört hatten, wusste keiner so recht. Vergessen aber konnten sie dieses Wort nicht mehr. W e i h n a c h t e n, mhhh, dieses Wort klang sooo schön! Es zerging einem fast auf der Zunge. Viel wussten Tilla, Joki, Jon und Jakob nicht von diesem Weihnachten. Nur, dass es im Winter stattfand, dass es Kerzenlicht gab und Musik und süße Naschereien. Dass man Weihnachten manchmal fast ein bisschen riechen konnte und dass sich die Menschenkinder riesig darauf freuten. "Ich will auch Weihnachten haben", sagte Tilla eines Tages zu Pitrilla. Die aber starrte Tilla verständnislos und sehr erschrocken an. "Weihnachten?", schrie sie. "Das ist nicht hexisch. So etwas gibt es nicht für uns Hexen." Ihre Augen funkelten giftig. "Darüber solltest du sehr froh sein!" Tilla aber fühlte sich nicht froh darüber. Warum durfte sie kein Weihnachten haben? Je mehr sie darüber nachdachte, desto schöner stellte sie es sich vor. Weil sie beim vielen Grübeln noch neugieriger wurde, spitzte sie immer mehr die Ohren. Alles, wirklich alles, wollte sie über dieses Weihnachten wissen. Und es gab einiges, was Tilla und ihre Wichtelfreunde so nach und nach aufschnappten: Da waren Männer, die Weihnachts -Bäume fällten und Kinder, die Tannenzapfen für die Weihnachts -Krippe sammelten. Ja, und die Waldtiere freuten sich auf ihre Weihnachts Fütterung. Noch viele andere Dinge erfuhren sie über dieses seltsame Fest. Eines Tages hörten sie, es gäbe sogar Weihnachtswichtel. Die würden armen Menschen zur Weihnachtszeit eine Freude machen. Armen Leuten eine Freude machen? Das konnten sich Tilla und ihre Freunde gut vorstellen.
Vor allem die Wichtel Joki, Jon und Jakob freuten sich riesenwichtelmäßig darüber. "Juchhuu, wir haben etwas mit Weihnachten zu tun", jubelten sie. Dann hatten die drei Wichtel die Idee, in die Stadt zu gehen und armen Menschen Gutes zu tun. "Denn", sagten sie stolz und taten ungeheuer wichtig, "es ist schließlich unsere wichtelmäßige Aufgabe, Weihnachten zu machen." Tilla fühlte sich vernachlässigt. "Ich will auch Weihnachten machen", maulte sie. Davon aber wollten die Wichtel nichts wissen, denn von einer Weihnachtshexe hatten sie schließlich nichts gehört. "Das geht nicht", sagten sie hochmütig. "Du störst. Es gibt nämlich keine Weihnachtshexen." Tilla war sauer. Joki, Jon und Jakob aber hielten von nun an ihre Pläne vor Tilla geheim, und eines Tages, als der erste Schnee fiel, waren sie verschwunden. "Nun sind sie ohne mich zu den Menschen gegangen", heulte Tilla. "Es ist gemein, oh, so gemein. Ich will auch eine Weihnachtshexe sein und Gutes tun." Und weil sie so wütend war, rannte sie in den Schuppen und weckte Adilo, Pitrillas Hexenflugbesen, aus dem Winterschlaf. "Auf, Adilo", rief sie, "wir reiten in die Stadt!" Eins, zwei, drei schwang sie sich auf dem Besen und murmelte Pitrillas Flug-Zauberspruch: "Sise-plise-pling. Fliege-fliese-fling in die Lüfte hoch und weit, fliege los durch Raum und Zeit! Sise-plise-pling. Flieg zur Stadt schnell hin!" Wieder und wieder leierte Tilla den Flug-Spruch herunter, doch Adilo regte sich nicht. Es war eben so eine Sache mit Tillas Zauberkunst, die ihr ausnahmsweise - nun doch einmal sehr nützlich gewesen wäre. "Fauler Zauber!", knurrte sie schließlich, schleuderte Adilo wütend in den Schuppen zurück und machte sich zu Fuß auf den Weg. Irgendwie würde sie es bis zur Stadt auch so schaffen, ohne diesen blöden Zauber. Irgendwie bestimmt... Tilla hatte Glück. Am Fuße des Hellerwaldberges fällten Waldarbeiter kleine Tannen und Fichten. "Das sollen bestimmt Weihnachtsbäume werden", dachte Tilla, und obwohl es ihr um die Bäume weh tat, schlich sie zum Lager der Holzfäller und spitzte die Ohren. "Am Abend", sagte da einer, "bringen wir die Bäume in die Stadt zum Weihnachtsmarkt. Alles klar?" "Klar!", riefen die Männer. "Klar", flüsterte Tilla in ihrem Versteck. Weihnachtsmarkt! Was wollte sie mehr? Und so gelangte Tilla unter Tannen versteckt in die Stadt. Sie landete mitten auf dem Marktplatz zwischen hellen Lichterbäumen, Marktbuden, Weihnachtsreklame und Bratwurstständen. Am nächsten Morgen kroch sie aus ihrem Versteck. Es war eisig kalt, und Tilla stand frierend mitten auf dem bunten Platz. Doch die Kälte vergaß sie schnell. Was gab es hier nicht alles zu sehen! Mit großen Augen bestaunte sie die kleine Budenstadt mit dem glitzernden Weihnachtsschmuck, den Weihnachtsbäumen und dem Karussell, den Spielzeugbuden und den vielen anderen wunderherrlichen Verkaufsständen. Tilla wusste gar nicht, wohin sie zuerst blicken sollte. Was war das schön hier! Ob das dieses fremde "Weihnachten" etwa war?