Phil. 3,7-14 Predigt am 9. S. n. Trinitatis/Konfirmation Milena Buer 5. August 2012 in Crailsheim Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen. Was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwenglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, damit ich Christus gewinne und in ihm gefunden werde, dass ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt, sondern die durch den Glauben an Christus kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird. Ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleichgestaltet werden, damit ich gelange zur Auferstehung von den Toten. Nicht, dass ich s schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich s wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin. Meine Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht so ein, dass ich s ergriffen habe. Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus. Herr, segne dieses Wort an uns allen. Amen. Nur Müh und Arbeit war sein Leben, Ruhe hat ihm Gott gegeben, so heißt es manchmal in Sterbeanzeigen. Das klingt so selbstverständlich und richtig; das aber ist es mitnichten! Denn der arme Mensch, dem dieser Nachruf gilt, wird auch am Ende die Ruhe und den inneren Frieden nicht finden, nach
der sich alle sehnen, wenn er nicht schon in dieser Welt zur Ruhe in Gott gefunden hat! Wenn der Lebenslauf nur aus Getrieben werden und Stöhnen besteht und selbst die Rentner keine Zeit mehr haben - dann ist daran etwas grundsätzlich nicht in Ordnung. Natürlich gehören Mühe und Arbeit auch zum Leben dazu. Schließlich hat Gott uns ja Verstand und Kraft gegeben, damit wir das einsetzen für uns selbst und unsere Mitmenschen. Aber Müh und Arbeit allein machen ein erfülltes Leben nicht aus. Damit ist die Leere des Lebens nicht auszufüllen; denn niemand kann den Sinn seines Lebens machen. Der Apostel Paulus hatte das auch versucht, durch Müh und Arbeit, durch Leistung sein Leben vor Gott und den Menschen zu rechtfertigen. Und darin war er ausgesprochen gut. Wenn es einen Wettbewerb geben würde, wer am meisten gerannt ist und sich geplagt hat, dann hätte er im Hinblick auf seine Lebensarbeit einen vorderen Listenplatz verdient; denn er konnte sagen in Bezug auf sein Wirken: Ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle. Und das stimmt. Denn er hat ja nicht nur viel gearbeitet, sondern ist damit sogar noch außerordentlich erfolgreich gewesen. Schließlich war es sein Verdienst, dass die Botschaft von Jesus Christus seinen Siegeszug durch die damalige Welt antreten konnte. Ohne ihn, ohne seine Müh und Arbeit als Missionar Jesu Christi wäre die Geschichte der Kirche überhaupt nicht denkbar. Aber was heißt hier Verdienst? Von Gottes Gnaden bin ich, was ich bin - so stuft er sich ein. Alles, was er hier zu Wege bringen konnte, das geht nicht auf sein Konto: Gnade Gottes war es. Geschenk also. Nicht Verdienst! Gottes Gnade war es schon gewesen, die ihn vom hohen Ross der Selbstgerechtigkeit geholt hatte, damals bei seinem Sturz vom Pferde vor Damaskus. Damals fing er schmerzhaft an zu lernen: nicht meine Müh und Arbeit zählt, nicht meine Lebensleistung, sondern der Glaube an Jesus Christus; denn er hat dafür gesorgt, dass ich Gott recht bin, auch mit meinen Fehlern und Problemen,
sogar mit meiner Sünde. Ich bin Gott recht, weil Christus für mich einsteht durch seinen Tod am Kreuz. Seitdem gilt: Was mir Gewinn war, das habe ich für Schaden erachtet! Alle Aktivposten in der Bilanz seines bisherigen Lebens waren als ungedeckte Schecks entlarvt. Für das Erreichen seines Lebenszieles hatten sie ihm nichts gebracht. Sie hatten ihm Gott nicht näher gebracht, sie hatten ihm nicht die nötige Ruhe zum Leben gegeben. Sie hatten ihn nur getrieben und unruhig gehalten. Der Unfriede mit Gott und mit sich selbst und mit den Mitmenschen war trotz aller Müh und Arbeit geblieben. Jetzt aber war ihm durch Christus ein völlig anderer Weg zum Ziel seines Lebens eröffnet, den Frieden mit Gott zu finden. Er hatte erlebt und erfahren: Wer an Christus glaubt, der ist Gott recht, dem steht der Himmel offen. Dafür war er bereit, das alte Leben, das alte Selbstbewusstsein zurückzulassen, die alte Selbstrechtfertigung, all das, womit er sich selbst stabilisiert hatte. Das aber hatte einschneidende Konsequenzen für sein weiteres Leben: Ich möchte ihn erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und ihm gleichgestaltet werden. Ich möchte (Christus) erkennen Das Wort erkennen meint in der Sprache der Bibel oft: eine Lebens- und Liebesgemeinschaft beginnen. Beim Erkennen Christi geht es ihm also nicht darum, die Sache mit dem Kreuz intellektuell zu durchdringen und irgendwelche Wahrheiten zu verbreiten, sondern sein Leben dem zu widmen, dem sein Leben gehört. Wer in dieser lebendigen Beziehung zu Christus steht, der wird nicht nur und nicht erst am Ende der Zeit die Kraft der Auferstehung erleben, sondern schon hier, etwa, wenn das, was tot war zwischen Menschen, zu neuem Leben erweckt wird, z.b. wenn Menschen einander vergeben, oder wenn uns in der Beichte im Namen Gottes vergeben wird. Wer in einer lebendigen Beziehung zu Christus steht, der möchte
schließlich Christus gleichgestaltet werden. Das heißt nicht weniger als: in sein Bild hineinwachsen. Dies aber ist Geschenk und Aufgabe, mit der man ein Leben lang nie zu Ende ist. Paulus sagt: Ich möchte ihn erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleichgestaltet werden, damit ich gelange zur Auferstehung von den Toten. Paulus denkt dabei offenbar nicht nur an die allgemeine Totenauferstehung am jüngsten Tage, der sich kein Mensch wird entziehen können, auch wenn er darauf gar keinen Wert legt. Paulus meint damit auch schon die Auferstehung, die schon jetzt, mitten im Leben, geschehen kann: da, wo die Kraft Gottes das Leben eines Menschen trägt und verändert. Da, wo wir uns von Gott umgestalten lassen nach dem (Vor-)Bild Jesu. Mit diesem hohen Ziel vor Augen hat jeder Tag unseres Lebens seine Bedeutung. Da wird auch das Leiden sinnvoll, weil wir gerade auch darin dem Bild unseres Herrn ähnlicher werden. So aber wird unser Lebenslauf ein Glaubenslauf, auf dem alles - Freud und Leid - dazu dient, dass unser letzter Tag auf dieser Erde der Anfang der Ewigkeit wird. Noch sind wir nicht am Ziel, das wissen wir wie Paulus. Deshalb schreibt er weiter: Nicht, dass ich s schon ergriffen habe, oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich s wohl ergreifen könnte, nachdem ich von Christus ergriffen bin. Sein Lebenslauf ist also klar zielgerichtet. Es ist kein zielloses Abenteuer, keine nervöse Hetzjagd zwischen action und Stress, kein Schieben und Geschobenwerden, auch kein Glücksspiel oder eine belanglose Komödie. Er dreht sich auch nicht immer um die eigene Achse oder lässt sich einfach treiben wie ein Holzstückchen im Fluss. Sein Lebenslauf gleicht dem Sportler im Stadion, der mit dem Startschuss losläuft und sich ganz auf das Ziel konzentriert. Der Läufer im Stadion ist für Paulus hier und in anderen Briefen das Bild fürs eigene Leben. Seit Christus ihn ergriffen hat, ist er nur darauf bedacht, wie ein Läufer mit leeren Händen, aber mit
gesammelter Kraft den Kampfpreis zu erringen. So Paulus wörtlich: Ich vergesse, was dahinten ist und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus. So ausgerichtet wird auch dein Leben im wahrsten Sinne ein Lebens-Lauf, ein Glaubenslauf. Nicht, um dir den Siegespreis zu erlaufen. Denn den hat dir Jesus Christus ja längst reserviert. Und dass du ihn eines Tages in ganzer Fülle in den Händen halten wirst, das liegt, wie Paulus bezeugt, gerade nicht an deinem Wollen und Laufen, sondern allein an Gottes Barmherzigkeit. Deine himmlische Berufung Gottes in Jesus ist bereits geschehen in deiner Taufe, und sie gilt. Was dir da geschenkt wurde, ist nicht mehr zu überbieten. Durch keine Müh und Arbeit. Mehr als ewiges Leben in Fülle beim Schauen Gottes von Angesicht zu Angesicht geht gar nicht. Aber und darum geht es dem Apostel Paulus hier auch: Dass wir Christen, die wir von Christus ergriffen sind, unser Leben auf dieses Ziel hin ausrichten und zielgerichtet leben. Das dürfte dann manches, was uns Müh und Arbeit macht, als nebensächlich und unwichtig entlarven. Und uns helfen, das zu tun, was wirklich nötig und notwendig ist, um das Ziel im Auge zu behalten und andere auf den Weg dorthin mit zu nehmen. Und das ist dann wahrlich auch aller Müh und Arbeit wert. Amen. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.