Aquatische Neozoen in Fließgewässern des urbanen Raumes der Stadt Braunschweig

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Transkript:

Deutsche Gesellschaft für Limnologie (DGL) Erweiterte Zusammenfassungen der Jahrestagung 2012 (Koblenz), Hardegsen 2013 Aquatische Neozoen in Fließgewässern des urbanen Raumes der Stadt Braunschweig Thomas Ols Eggers 1, 2 1 Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, Betriebsstelle Süd, Standort Braunschweig, Rudolf-Steiner-Str. 5, 38120 Braunschweig, Deutschland, thomas-ols.eggers@nlwkn-bs.niedersachsen.de. 2 Abteilung Umweltsystemanalyse, Institut für Geoökologie der TU Braunschweig, Langer Kamp 19c, 38106 Braunschweig, Deutschland, t.eggers@tu-braunschweig.de Keywords: non-indigenous species, urban waterways, habitat characteristics, Braunschweig, Lower-Saxony Einleitung Aquatische Neozoen werden heute bereits in einer Vielzahl von Gewässern angetroffen. Von der systematischen Seite her sind es besonders Taxa mit einem geringen natürlichen Ausbreitungspotenzial, wie etwa Crustacea oder Mollusca, die einen Großteil der bei uns in aquatischen Habitaten als Neozoen auftretenden Taxa ausmachen (z.b. KINZELBACH 1995). Als Ausbreitungsvektoren spielen neben der Verknüpfung von Einzugsgebieten über Kanalverbindungen und dem Bereitstellen anthropogener Transportvektoren (Binnenschiffen) welches primär auf große Fließgewässer zutrifft bei den kleineren Gewässern auch die Verschleppung über Wasservögel oder eine Aussetzung durch Aquarianer eine Rolle (z.b. KINZELBACH 1995). Besonders für die für aquatische Organsimen nur in Ausnahmefällen barrierefrei zu erreichenden urbanen Gewässer werden die beiden letzten Neozoen-Quellen die Hauptrolle spielen. Hierbei kommt für die mögliche Immigration und Ansiedlung in diese Abschnitte die für urbane Gewässer typische Charakteristik zu tragen. Zum einen der bauliche Zustand mit z.t. wilden Verbau der Uferbereiche, verrohrten Abschnitten, regelmäßige Unterhaltung, einer in weiten Abschnitten kaum möglichen eigendynamische Entwicklung und auch hohem Nutzungsdruck durch Bevölkerung. Auch aus hydrologischer Sicht kommen einige eine Besiedlung mit Neozoen begünstigende Faktoren dazu. Die Speisung der Fließgewässer geschieht primär aus Regenwasservorflut, aufgrund des hohen Versiegelungsgrades der Flächen im Einzugsgebiet kommt es zu hohen Abflussschwankungen, einer geringen Wasserführung im Sommer, starken Temperaturschwankungen (z.b. Abregnung überhitzter Flächen) und auch starker Ionen-Schwankung (z.b. Schmelzwasser, Straßenabrieb). All diese auf die aquatische Lebensgemeinschaft wirkenden Stressoren sind Belastungen die zum einen ohnehin die Artengemeinschaft belasten und eher abundanzarm halten (PODRAZA 1991, MA- GER et al. 1992) und die aber auch aquatische Neozoen eher tolerieren können als viele einheimische Arten (z.b. KINZELBACH 1995). In der vorliegenden Arbeit soll anhand von Benthos-Daten aus dem Gebiet der Stadt Braunschweig dieses Wirkungsgefüge auch auf Artbasis näher untersucht werden. 191

Material und Methoden Untersuchungsgebiet Zur Untersuchung wurden Datensätze von Makrozoobenthosprobennahmestellen im Bereich der Stadt Braunschweig (52 16 N, 10 31 O) verwendet. Braunschweig liegt am Übergang zwischen dem ostbraunschweigischen Hügelland im Süden und dem norddeutschen Tiefland im Norden. Die kleineren Fließgewässer im südlichen Bereich der Stadt können demzufolge dem LAWA-Typ 18: löss-lehmgeprägte Fließgewässer zugeordnet werden, die Fließgewässer im nördlichen Bereich dem LAWA-Typ 14: sandgeprägte Fließgewässer. Die größeren Fließgewässer Schunter und Oker gehören zum Typ 15 bzw 15_g: (große) sand- und lehmgeprägte Tieflandflüsse. Methoden Zur Auswertung kamen nicht eigens erhobene Daten, sondern es wurden Benthos-Daten anderer Monitoringprojekte aus den Jahren 2010/2011 genutzt. Von Seiten des NLWKN wurden Erhebungsdaten im Rahmen des EG-WRRL-Monitoring genutzt (Erhebung gemäß PERLODES), von Seiten der TU Braunschweig waren es Daten aus einem Drittmittelprojekt zur quartalsmäßigen Überwachung an Regenwasservorflutern (Erhebung gemäß DIN 38410, EGGERS 2012). Es konnten insgesamt 471 Datensätze genutzt werden. Alle Daten wurden in eine einheitliche Datentabelle überführt und mittels Asterics 3.3.1 hinsichtlich Neozoenanteil und saprobielle Belastung hin ausgewertet. Als ergänzendes Datenmaterial standen noch aus vielen Gewässern die zeitgleich erhobenen chemischen Parameter Temperatur, ph, Leitfähigkeit, O 2, Nitrit, Nitrat und Phosphat, sowie eine Strukturgütekartierung nach dem für den urbanen Raum der Stadt Braunschweig modifizierten Detail-Verfahren zur Verfügung. Ergebnisse Von den verwendeten 471 Datensätzen enthielten 214 (45 %) Neozoen. Insgesamt konnten 10 Arten aquatischer Neozoen im Gebiet der Stadt Braunschweig festgestellt werden. Dreissena polymorpha (Bivalvia), Hypania invalida (Polychaeta), Jaera sarsi (Isopoda), Chelicorophium curvispinum (Amphipoda) und Dikerogammarus villosus (Amphipoda) wurden nur an einer Messstelle im Mittellandkanal nachgewiesen und wurden bei der übrigen Bewertung nicht weiter berücksichtig. In den übrigen Gewässern gelangen Nachweise von Physella acuta (Gastropoda) (Vorkommen in 13 Proben 2,8 % Stetigkeit), Physella heterostropha (Gastropoda) (Vorkommen in 46 Proben 9,8 % Stetigkeit), Potamopyrgus antipodarum (Gastropoda) (Vorkommen in 55 Proben 11,6 % Stetigkeit), Proasellus coxalis (Isopoda) (Vorkommen in 142 Proben 30,0 % Stetigkeit) und Orconectes limosus (Decapoda) (Vorkommen in 3 Proben 0,6 % Stetigkeit). Sicher wird es noch weitere Neozoen in Gewässern im Bereich der Stadt Braunschweig geben. Dies betrifft besonders den Bereich des Mittellandkanals und auch der Stillgewässer, die nicht näher untersucht wurden. Die weitere Auswertung beruht aber nur auf den Daten der einbezogenen Benthosproben. Da von P. acuta nur wenige und räumlich eingegrenzte Nachweise im Teileinzugsgebiet (TEZG) der Schölke vorliegen wird auch diese Art nicht weiter betrachtet. Dies trifft ebenso für O. limosus zu der nur an zwei Stellen im Bereich der Oker gefunden wurde. Deutlich ist erkennbar, dass die unterschiedlichen Teileinzugsgebiete (TEZG) unterschiedlich dicht mit Neozoen besiedelt sind (Abb. 1). Hier kann man deutlich die eher innenstädtisch geprägten 192

Systeme mit einem hohen Neozoenanteil (Abb. 1 links), von den etwas außerstädtisch gelegenen naturnahen Systemen trennen (Abb. 1 rechts). Das Gewässer mit dem höchsten Neozoenanteil ist allerdings der im Norden das Stadtgebiet querende Mittellandkanal (Abb. 1 & 2). Bei der Betrachtung nach Gewässertypen ist eine Häufung im Bereich des Gewässertyps 18 zu erkennen (Abb. 2). Dies kann aber auch auf die Häufung dieses Typs im stärker urban geprägten Bereich zurückzuführen sein. Abb. 1 & 2: Anteil der Neozoen an der Gesamtabundanz. Boxplot: dargestellt ist der Median (Querlinie), die 25-%- und 75-%-Perzentilie (Boxumrandung), die 10-%- und 90-%-Perzentilie (Querstrich), sowie der Maximalwert (kleiner Kreis). Linke Teilabbildung (Abb. 1): Verteilung auf die verschiedenen Teileinzugsgebiete im Bereich der Stadt Braunschweig. Rechte Teilabbildung (Abb. 2): Verteilung auf die verschiedenen Gewässertypen im Bereich der Stadt Braunschweig. Gewässer mit einer relativ schlechten Strukturgüte besitzen ebenfalls einen relativ höheren Anteil an Neozoen (Abb. 3). Weniger deutlich ist dabei aber der Einfluss einer Strukturschwäche im Bereich der Sohle zu sehen (Abb. 4), so dass hier auch von einem verstärkten Einfluss des gesamten Umfeldes auszugehen ist. In Bezug auf die abiotischen Parameter der Proben sind eine positive Temperaturdifferenz (die Gewässer sind wärmer als die mittlere Gewässertemperatur der jeweiligen Probenkampagne) (Abb. 5), eine verringerte Sauerstoffsättigung (Abb. 6) und eine erhöhte Leitfähigkeit (Abb. 7) zumindest tendenziell mit dem Anteil von Neozoen in den jeweiligen einzelnen Proben korreliert. Abb. 3 & 4: Anteil der Neozoen an der Gesamtabundanz. Boxplot: Erläuterung s. Abb. 1 & 2. Linke Teilabbildung (Abb. 3): Verteilung auf die Strukturgüteklassen, gesamt. Rechte Teilabbildung (Abb. 4): Verteilung auf die Strukturgüteklassen im Bereich Sohle. Bei Betrachtung auf Artebene zeigen sich hier aber deutliche Unterscheide zwischen den Arten. So ist auch die Verteilung in den einzelnen Teileinzugsgebieten sehr unterschiedlich. Während Proasellus coxalis relativ weit verbreitet ist (Abb. 8) sind Potamopyrgus antipodarum (Abb.9) und 193

Physella heterostropha (Abb. 10) nur lokal häufig anzutreffen. In Bezug auf abiotische Gewässerparameter konnte auch beobachtet werden, dass P. coxalis im Vergleich zu P. antipodarum und P. heterostropha am ehesten im Gewässerbereichen mit einer erhöhten ionischen Belastung im Gewässer (Parameter Leitfähigkeit) (Abb. 11, 12 & 13) und auch in Bereichen mit einer geringen Sauerstoffsättigung (Abb. 14, 15 & 16) erhöhte Abundanzen ausbilden kann. Abb. 5, 6 & 7: Anteil der Neozoen in den einzelnen Proben. Linke Teilabbildung (Abb. 5): Auftragung gegen die Temperaturdifferenz zum Temperaturmittelwert der jeweiligen Probenkampagne. Mittlere Teilabbildung (Abb. 6): Auftragung gegen die Sauerstoffsättigung der jeweiligen Probe. Rechte Teilabbildung (Abb. 7): Auftragung gegen die Leitfähigkeit der jeweiligen Probe. Proasellus coxalis Potamopyrgus antipodarum Physella heterostropha Abb. 8, 9 & 10: Abundanz einzelner Arten in den verschiedenen Teileinzugsgebieten im Bereich der Stadt Braunschweig. Boxplot: Erläuterung s. Abb. 1 & 2. Proasellus coxalis Potamopyrgus antipodarum Physella heterostropha Abb. 11, 12 & 13: Abundanz der Arten in den einzelnen Proben. Auftragung gegen die Leitfähigkeit der jeweiligen Probe. 194

Proasellus coxalis Potamopyrgus antipodarum Physella heterostropha Abb. 14, 15 & 16: Abundanz der Arten in den einzelnen Proben. Auftragung gegen die Sauerstoffsättigung der jeweiligen Probe. Diskussion & Fazit Manche Arten der aquatischen Neozoen können suboptimale Verhältnisse wie sie typischerweiser in städtischen Gewässern vorherrschen (geringe O 2- Gehalte, hohe Leitfähigkeit) eher tolerieren und sich dort verstärkt gegen einheimische Arten durchsetzten. Auch die stadtklimatisch bedingte Ü- berwärmung städtischer Gewässer im Vergleich zum Umland fördert Neozoen. So ist ein vermehrtes Vorkommen besonders in innerstädtischen Bereichen (in Braunschweig z.b. Westliches Ringgebiet) festzustellen. Vermehrt konnten auch an isoliert liegenden Oberläufen Vorkommen bestimmter Arten (z.b. Proasellus coxalis) festgestellt werden. Hier kann die unterhalb oft durch Verrohrungen u.ä. durchbrochene ökologische Durchgängigkeit die Wiederbesiedlung von unten her bremsen. Diese Barrierewirkung scheint aber nicht auf alle Arten zu wirken, auch hier wird die Verbreitung von P. coxalis wenig beeinflusst. Dennoch sind stark anthropogen überformte urbane Gewässer kein Garant für Neozoen. Auch in naturnahen Abschnitten kommen Neozoen vor, es bilden sich aber keine Dominanzbestände aus. Untereinzugsgebiete können trotz räumlicher Nähe und struktureller Ähnlichkeit sehr unterschiedliche Neozoen-Vorkommen haben. Es sind deutliche artspezifische Verbreitungsmuster erkennbar, die pauschale Bezeichnung Neozoe greift nicht. Die einzelnen Arten sind verschieden gut an ein Leben unter den vorherrschenden urbanen Bedingungen angepasst, besonders Proasellus coxalis scheint mit den Bedingungen in urbanen Gewässern gut zurechtzukommen. Da keine direkten Eintragspfade vorhanden sind treten besonders die sonst in großen Flüssen und Schifffahrtsstraßen oft dominierenden Ponto-Caspier (? vorerst?) nicht auf. Besonders die innerstädtische Oker mit einem stark potamalen Charakter würde sicher geeignete Habitate bieten. Mögliche Eintrittspfade nach Braunschweig für weitere Arten wären zum einen eine direkte Aussetzung, zum anderen die Einwanderung aus anderen benachbarten aquatischen Ökosystemen. Eine direkte Verbindung besteht über die Oker zur Aller hin, wo es z.b. Nachweise der Dikerogamamrus-Arten gibt. Hier könnte aber die relativ lange Zwischenstrecke von etwa 40 Flusskilometern mit naturnahen Abschnitten als Barriere wirken. Nähere massive Neozoenvorkommen bietet der Mittellandkanal, von wo aus es aber keine direkte Verbindung in die natürlichen Braunschweiger Gewässersysteme bestehen. Auch über den Fuhsekanal besteht theoretisch eine direkte aquatische Verbindung zum an dem Mittellandkanal direkt angeschlossenen Stichkanal Salzgitter. Hier konnten direkt im Mündungsbereich dieses Gewässers eine Vielzahl von Neozoen festgestellt werden (Atyaephyra 195

desmaresti, Chelicorophium curvispinum, Corbicula fluminea, Dendrocoelum romanodanubiale, Dikerogammarus haemobaphes, Dikerogammarus villosus, Dreissena polymorpha, Dreissena rostriformis bugensis, Hypania invalida, Limnomysis benedeni (Daten BfG und eigene Erhebung)). Aber auch hier wird eine direkte Einwanderung erschwert, da dieses künstliche Gewässersystem über eine Wasserscheide führt, der Bereich der Mündung in den Stichkanal regelmäßig trockenfällt und naturnahe Abschnitte ebenfalls als Barriere wirken können. Zusammenfassung Anhand der Datengrundlage verschiedener MZB-Erfassungsprogramme (Monitoring EG-WRRL, Überwachung Regenwasservorfluter, u.a,) in Fließgewässern im Gebiet der Stadt Braunschweig wurde das Arteninventar aquatischer Neozoen ermittelt. Über Abgleich mit anderen Gewässerdaten, wie z.b. Begleitfauna, Gewässertyp, Ausbauzustand, Strukturgüte, Saprobie oder chemische Parameter wurde untersucht was die Verbreitung und das Vorkommen der Arten beeinflusst. Im eigentlichen Stadtgebiet von Braunschweig konnten Physella heterostropha (Gastropoda), Potamopyrgus antipodarum (Gastropoda) und Proasellus coxalis (Isopoda) als häufigste Neozoen festgestellt werden. Besonders in den Gewässern des TEZG Schölke (westliches Ringgebiet der Stadt Braunschweig) wurden hohe Dichten festgestellt. Die möglichen Belastungen festgestellt über Strukturdefizite, hohe Leitfähigkeitswerte und niedrigere Sauerstoffwerte an den Probennahmestellen werden besonders von P. coxalis gut toleriert. Literatur Eggers, T. O. (2012): Gewässerstruktur- und Gewässergüteuntersuchungen in Fließgewässern im Gebiet der Stadt Braunschweig. Jahresbericht 2011. Institut für Geoökologie, Abt. Umweltsystemanalyse.- Gutachten im Auftrag von Stadtentwässerung Braunschweig GmbH, Braunschweig, 93 pp. Kinzelbach, R. (1995): Neozoans in European waters - Exemplifying the worldwide process of invasion and species mixing.- Experientia 51: 526-538, Basel Mager, T., R. Berg & F. Florack (1992): Gewässergüteuntersuchungen nach DIN und Artenarmut urbaner Bäche.- Wasser & Boden 44: 730-734, Berlin Podraza, P. (1991): Der Einfluß von Mischwasserabschlägen aus einem Regenüberlauf auf die Mazoobenthoszönose eines Stadtbaches. Erste Ergebnisse.- In: Schuhmacher, H. & B. Thiesmeier (eds.): Urbane Gewässer, 175-186, (Westarp) Essen Strasser, T. & R. A. Patzner (2005): Aquatische Neozoen im Stadtbereich, am Beispiel der Stadt Salzburg.- Mitteilungen der Zoologischen Gesellschaft Braunau 9: 1-17, Braunau a.l. 196