Impuls anlässlich der Mitgliederversammlung 2009 Solidarwerk der kath. Orden Deutschlands e. V. 6. November 2009, Frankfurt Sr. M. Basina Kloos Liebe Schwestern und Brüder, der Vorstand hat mich gebeten, diese Mitgliederversammlung mit einem spirituellen Impuls einzuleiten. Schon viele Jahre lasse ich mich vom Tagesevangelium ansprechen und an manchen Tagen ist es eine Botschaft, die dem Tagesanlass etwas zu sagen hat. Das Evangelium lädt uns zur persönlichen Reflexion ein. Für mich bedeutet Spiritualität eine vom Glauben getragene Lebensform, die immer wieder mit den Lebensvollzügen im Licht des Evangeliums reflektiert werden muss. Wenn ich heute anlässlich unserer Mitgliederversammlung mir die Frage stelle: Welche Lebensvollzüge verbinde ich damit?, dann ist es Verantwortung füreinander, Solidarität, Transparenz, Subsidiarität. Das Solidarwerk wurde gegründet, um gegenüber dem Staat füreinander einzustehen und eine Freistellung für bestimmte staatliche Anforderungen zu erhalten.
2 Immer war dabei den handelnden Personen die Subsidiarität nicht nur ein wichtiges Anliegen, sondern eine Forderung, die ganz den Dokumenten der katholischen Soziallehre entspricht. Dennoch gilt auch das, was das heutige Evangelium zur Sprache bringt nach Lukas, 16. Kapitel, 1. 8. Vers: Leg Rechenschaft ab über deine Verwaltung. Um füreinander einstehen zu können, braucht es die Transparenz. Ein Solidarwerk muss die Gewissheit haben, dass alle nach bestem Wissen und Gewissen zunächst für sich sorgen, um dann noch mit Weitblick in die Zukunft schauen zu können, wer der Hilfe bedarf. Der Vorstand gibt heute Rechenschaft über seine Verwaltung, Verantwortung werden Mitglieder des Solidarwerks übernehmen, die heute neu gewählt werden. Wenn Spiritualität heute auch viele Namen hat, so meint sie immer eine erfahrbare Lebensgestaltung. Wir können nicht ausklammern, dass es bei unserer in das Leben integrierten Spiritualität im Solidarwerk um Geld geht. Angesichts der gegenwärtigen globalen Finanzkrise, die sich längst zu einer Krise der Realwirtschaft ausgewachsen hat, rückt zusehends jenes Medium in den Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit, dass in beiden Bereichen das Funktionieren wesentlich gewährleistet und die vielfältigen Austauschprozesse untereinander steuert: das Geld.
3 Wir könnten sehr schnell zu dem Ergebnis kommen, dass wir persönlich als Ordenschristen über kein Geld verfügen und damit die Angelegenheit erledigt ist. Von Zeit zu Zeit bedarf auch der Umgang mit Geld einer Reflexion. Geld birgt in sich die Symbolik für Zukunftssicherheit, Einfluss, für alle individuellen und gesellschaftlichen Möglichkeiten, es gilt aber auch als Symbol für Macht. Weil das privat angeeignete und verfügbare Geld die Partizipation elementarer Lebensbereiche steuert und mehr denn je über die weitere Zukunft entscheidet, steigt notwendig seine Wertigkeit im Leben des Menschen, selbst wenn diese Entwicklung als problematisch durchschaut und mitunter auch tapfer bekämpft wird. Nach einer spirituellen Reflexion kann und will ich Geld nicht negieren, negativ darstellen. Die Finanzkrise stimmt jedoch nachdenklich und muss uns Ordenschristen im Hinblick auf den Umgang mit Geld auch auf den Plan rufen. Es war und ist seit jeher der Anspruch der Orden gegenüber den jeweiligen Fragen und Herausforderungen der Zeit, die Verheißungen und die Botschaften des Evangeliums zur Sprache zu bringen.
4 Die vielen Bezüge der Heiligen Schrift auf soziale und ökonomische Fragestellungen machen deutlich, dass der Glaube nicht bloß eine Summe kognitiv plausibler und reflexiv argumentierbarer Überzeugungen ist, sondern auch elementar in seinem pragmatischen Anspruch besteht, die Welt auf die Verheißungen Gottes hin zu betrachten und zu gestalten. Eine der großen Fragen unserer Zeit ist gewiss die Zukunft unserer Ökonomien. Weil in modernen Gesellschaften die unterschiedlichen gesellschaftlichen Funktionssysteme (Recht, Gesundheit, Bildung, Politik, Ökonomie, Religion, Medien, Wissenschaft, etc.) bei aller Autonomie stark ineinander greifen, führen Veränderungen in einem System stets auch zu neuen Konstellationen in einem anderen. Das gilt auch und besonders im Verhältnis von Religion und Ökonomie. Auch Ordensgemeinschaften und ihre Mitglieder und die Kirche insgesamt laufen Gefahr, sich einer Dominanz der Ökonomie zu unterwerfen und sich davon steuern zu lassen. Es entstehen markante Leerstellen, die es religiös neu zu kodieren gilt. Was heißt es, angesichts der Dominanz von Geld und Markt, an den Gott Jesu zu glauben? Worin zeigt es sich, dass es besser ist, sein Herz an Gott zu hängen als an das Geld?
5 Es mangelt weitgehend auch der Theologie und Kirche an glaubwürdigen Modellen und überzeugenden Beispielen, wie dies konkret gelingen könnte. Es geht dabei nicht um die Frage gutes Geld oder böses Geld, Zinsen ja oder Zinsen nein. Es geht um den Maßstab für uns, der seine Orientierung nur an der Gerechtigkeit und der Überfülle nimmt, die Gott für alle zur Verfügung stellt (Psalm 36,9; 65; 104; 145,15). Was gäbe es, das der Kultur förderlicher ist, als sich eine ehrenvolle Unabhängigkeit erarbeitet zu haben und was nutzt noch so viel Kultur demjenigen, der arm ist, außer dass sie ihm seine Lage umso schmerzlicher empfinden lässt. Der junge Mann, der geheißen wurde, sein Hab und Gut zu verkaufen und es den Armen zu geben, muss ein außergewöhnlicher Mensch gewesen sein, wenn der Rat wirklich klug war - sowohl für ihn wie für die Armen. Es ist unsere Pflicht, uns für unsere Dienste so gut wie möglich bezahlen zu lassen. Wenn es heißt: Geldgier sei die Wurzel alles Übels muss auch gesagt werden: Dasselbe lässt sich vom Geldmangel sagen. Denn Geld ist weder alles noch nichts. Mit Geld lassen sich Ungerechtigkeiten verfestigen und Illusionen von Sicherheit und Zukunft nähren. Unser Glaube stiftet dazu an, die Sensibilität zu schärfen, so komplex und widersprüchlich die Realitäten auch sein mögen.
6 Das gilt für uns alle als Mitglieder des Solidarwerks, weil wir füreinander Verantwortung tragen. Diese Verantwortung gilt es vor allem heute wahrzunehmen, wenn es um die Wahl des neuen Vorstandes geht und um die Bereitschaft, sich zur Wahl zu stellen und die Wahl anzunehmen. Dann stimmt für uns, was Teilhard de Chardin einmal so ausgedrückt hat: Gott ist mir auf eine gewisse Weise am Ende meiner Feder, meiner Hacke, meines Pinsels, meiner Nadel, meines Herzens und meiner Gedanken.