Mathematik und Gender

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Transkript:

Berichte und Beiträge des Arbeitskreises Frauen und Mathematik Laura Martignon (Hrsg.) Mathematik und Gender Herausgebergremium: Andrea Blunck, Helga Jungwirth, Gabriele Kaiser, Laura Martignon, Irene Pieper-Seier, Renate Tobies, Rose Vogel In der Schriftenreihe TRANSFER der Pädagogische Hoschschule Ludwigsburg Band 1 franzbecker hildesheim, berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available in the Internet at http://dnb.d-nb.de. Information bibliographique de la Deutsche Nationalbibliothek La Deutsche Nationalbibliothek a répertorié cette publication dans la Deutsche Nationalbibliografie; les données bibliographiques détaillées peuvent être consultées sur Internet à l adresse http://dnb.d-nb.de. Laura Martignon (Hrsg.) Mathematik und Gender Herausgebergremium: Andrea Blunck, Helga Jungwirth, Gabriele Kaiser, Laura Martignon, Irene Pieper-Seier, Renate Tobies, Rose Vogel ISBN 978-3-88120-483-5 Unterstützt durch die Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung und Übertragung auch einzelner Textabschnitte, Bilder oder Zeichnungen vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Zustimmung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert werden (Ausnahmen gem. 53, 54 URG). Das gilt sowohl für die Vervielfältigung durch Fotokopie oder irgendein anderes Verfahren als auch für die Übertragung auf Filme, Bänder, Platten, Transparente, Disketten und andere Medien. 2008 by Verlag Franzbecker, Hildesheim, Berlin

Inhalt Vorwort 3 Tagungsberichte Tagung des Arbeitskreises EUROPEAN WOMEN IN MATHEMATICS 4 vom 03. 06. September 2007 in Cambridge/England. Andrea Blunck Herbsttagung des GDM-Arbeitskreises FRAUEN UND MATHEMATIK 6 vom 30. November 02. Dezember 2007 in Ludwigsburg. Laura Martignon Artikel Mathematik und Gender Tendenzen seit 1900 7 Renate Tobies Frauen in der Wissenschaftsdisziplin Mathematik 23 Irene Pieper-Seier Das Wesen des Beweisens ist es, Überzeugung zu erzwingen. - Was 38 denken Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse über dieses Zitat von Fermat? Renate Motzer

Buchbesprechung Zu: Beate Curdes, Sabine Marx, Ulrike Schleier, Heike Wiesner (Hrsg.) 56 (2007). Gender lehren Gender lernen in der Hochschule. Konzepte und Praxisberichte. Andrea Blunck Autorinnen 61

Vorwort Mit dem vorliegenden Band setzen wir die Schriftenreihe zum Thema Mathematik und Gender fort. Diese Reihe ist ein Sammelpunkt des Arbeitskreises Frauen und Mathematik in der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik und wird von dem MWK -Forschungsprogramm zur Institutionalisierung der Frauen- und Geschlechterforschung an baden-württembergischen Hochschulen unterstützt. Die Pädagogische Hochschule Ludwigsburg beteiligt sich an der Herstellung des Bandes das in der Schriftenreihe Transfer aufgenommen wird. Jedes Heft der Reihe Mathematik und Gender enthält Berichte der Tagungen zu Mathematik und Gender innerhalb der GDM so wie innerhalb der EWM. Bücher über Mathematik und Gender werden rezensiert und wichtige Projekte angekündigt. Dazu werden Artikel von Autorinnen unseres Arbeitskreises publiziert. Wir danken allen beteiligten Autorinnen für ihre Mitarbeit und Unterstützung bei diesem Band. Dank gebührt auch dem Verlag Franzbecker für seine hilfreiche Kooperation bei der Einrichtung der neuen Schriftenreihe. Nicht zuletzt möchten wir Benjamin Ade Thurow danken für die sorgfältige Gestaltung der Textvorlage. Unseren Leserinnen und Lesern wünschen wir eine anregende Lektüre. Wir hoffen, dass wir bei der einen oder dem anderen Lust und Freude wecken können, sich an der Diskussion um Gender und Mathematik aktiv zu beteiligen. Laura Martignon Ludwigsburg im November2008 3

Tagungsberichte Tagung des Arbeitskreises EUROPEAN WOMEN IN MATHEMATICS vom 03. 06. September 2007 in Cambridge/England Andrea Blunck, Hamburg Vom 3. bis 6. September 2007 fand am Centre for Mathematical Sciences in Cambridge (England) die 13. Internationale Tagung von EWM (European Women in Mathematics) statt. Es nahmen 85 Frauen aus 25 Ländern teil. Sicher trug der Tagungsort Cambridge, mit Unterbringung in zwei Colleges, zur Attraktivität der Tagung bei. Für mich war es nach Triest 1997, Loccum 1999 und Malta 2001 die vierte Teilnahme an einer internationalen EWM-Tagung. Wie üblich standen mathematische Vorträge im Mittelpunkt. Als Vortragende konnten hochkarätige Mathematikerinnen aus aller Welt gewonnen werden, u.a. Dusa McDuff (USA, symplektische Geometrie), Cheryl Praeger (Australien, Gruppentheorie), Vera Sós (Ungarn, Kombinatorik), Ramdorai Sujatha (Indien, Zahlentheorie). Die Vorträge waren überdurchschnittlich gut; alle Vortragenden haben sich auf das sehr unterschiedliche Vorwissen des Publikums eingestellt und eine Vorstellung von der Faszination ihres jeweiligen Arbeitsgebiets vermittelt. Interessant war, dass die Vortragenden vorher von den Organisatorinnen gebeten worden waren, sich und ihren Werdegang am Anfang des Vortrags selbst vorzustellen. Diese Aufgabe wurde sehr unterschiedlich bewältigt, einige Frauen sprachen ausführlich über sich und auch über frauenspezifische Probleme in ihrer Karriere. Des weiteren gab es thematisch sortierte Kurzvorträge von meist jüngeren Teilnehmerinnen sowie eine Poster Session. Die Mathematikdidaktik war mit einem Abendvortrag von Toni Beardon (Cambridge) über The impact of computers and the internet on globalising mathematics education sowie mit drei Kurzvorträgen vertreten, darunter einem von Christine Scharlach (Berlin) über ihre Lehrveranstaltung Mathematik in der Gesellschaft (unter Berücksichtigung von Genderaspekten). Neben den mathematischen Fachvorträgen gibt es auf EWM-Tagungen immer auch Veranstaltungen zu Frauen und Mathematik. Diesmal berichteten einige der teilnehmenden nationalen EWM-Koordinatorinnen über die Situation von Frauen in der Mathematik in ihrem Land, z.b. über spezifische Probleme oder über Initiativen zur Förderung von Frauen. Es zeigte sich wieder einmal, dass die Lage in den verschiedenen Ländern recht unterschiedlich ist. Daraus ergab sich eine Diskussion über die unterschiedliche Wahrnehmung von Mathematik in verschiedenen Kulturen. In einer anderen Diskussionsveranstaltung wurde die Zukunft von EWM thematisiert, insbesondere die Möglichkeit einer intensiveren Zusammenarbeit mit dem neu geschaffenen Committee Women and Mathematics der EMS (European Mathematical Society). Diese Zusammenarbeit ist inzwischen bereits in einem recht aktiven Weblog sichtbar. 4

Neben den genannten Aktivitäten gab es auch ein schönes Rahmenprogramm mit Besuch mehrerer altehrwürdiger Colleges, Punting-Trip auf dem Cam, Empfang bei Cambridge University Press. Wie immer war es sehr beeindruckend, eine Tagung mit (fast) ausschließlich weiblichen Teilnehmenden zu besuchen. Informationen im Internet European Women in Mathematics: http://www.math.helsinki.fi/ewm/index.html EWM-Tagung 2007 in Cambridge: http://www.maths.cam.ac.uk/ewm/ Weblog Women and Mathematics: http://womenandmath.wordpress.com/ 5

Herbsttagung des GDM-Arbeitskreises FRAUEN UND MATHEMATIK vom 30 November 02. Dezember 2007 in Ludwigsburg. Laura Martignon, Ludwigsburg Auf der Herbsttagung des Arbeitskreises Frauen und Mathematik, die vom 30.11. bis 2.12. in Ludwigsburg stattfand, stand in den ersten Stunden des Nachmittags (30.11.) das Curriculum zu Gender und Mathematikdidaktik an der PH Ludwigsburg im Mittelpunkt. Dieses Curriculum ruht seit dem Jahre 2005 auf drei Säulen: dem Hauptseminar Gender und Mathematikdidaktik, das regelmäßig angeboten wird und in den letzten Semestern von Frau Dr. Kurz-Milcke betreut wurde, den wissenschaftlichen Hausarbeiten über Themen zu Gender und Mathematikdidaktik und schließlich der Aufnahme von Gender und Mathematikdidaktik als mündlichem Prüfungsfach für die Staatsexamenskandidaten. Am Abend des 30.11. stellte Frau Prof. Dr. Christine Bessenrodt Vorschläge für Aktivitäten zur Herstellung von Chancengleichheit innerhalb der Deutschen Mathematiker Vereinigung vor. Es ergab sich eine angeregte, spannende Diskussion über die Möglichkeit, im Rahmen der Tagungen der DMV einen Preis für hervorragende Mathematikerinnen zu etablieren. Am 1.12. berichteten eine Studentin und ein Student der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg über ihre wissenschaftlichen Hausarbeiten zum Thema Gender und Mathematikdidaktik. Die Studentin, Frau Anne-Katrin Morlok, stellte ihre Resultate über die Aufgabe von Wason in der fünften Klasse vor, während der Student, Herr Thomas Stegmüller, über seine Arbeit zum Einfluss von Stereotypen auf die Leistung von Jungen und Mädchen berichtete. Anschließend stellten Dr. Kurz-Milcke und Dr. Pawelec ihre neuen Forschungsergebnisse über kognitive Aspekte der Strategien zum Erstrechnen von Jungen und Mädchen vor. Herr Guntram Dierolf, Mathematiklehrer am Hölderlingymnasium in Stuttgart, verglich seine Erfahrungen im Mathematikunterricht in einer sechsten Mädchenklasse des Hölderlingymnasiums mit denen in gemischten sechsten Klassen der gleichen Schule. Am Abend trug Dr. Helga Stadler, Physikdidaktikerin der Universität Wien, über die Genderproblematik in der Physikdidaktik vor. Die anschließende Diskussion, die Frau Stadler leitete, war dem Vergleich der Genderproblematik in der Mathematikdidaktik und in der Physikdidaktik gewidmet. Am 2.12. traf sich der Arbeitskreis Frauen und Mathematik. Hauptthema war die Organisation des Heftes Mathematik und Gender. Acht Frauen wurden als Herausgeberinnen nominiert: Andrea Blunck, Helga Jungwirth, Gabriele Kaiser, Laura Martignon, Cornelia Niederdrenk-Felgner, Irene Pieper-Seier, Renate Tobies und Rose Vogel. Es wurden die Themen für das nächste Heft diskutiert, das im März 2008 erscheinen soll, und dem, im Jahr der Mathematik, eine besondere Bedeutung zugemessen wird! Die nächste Herbsttagung wird voraussichtlich in Frankfurt stattfinden, und zwar am vierten Wochenende im November. 6

Artikel Mathematik und Gender Tendenzen seit 1900 Renate Tobies Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den Zugang von Frauen zu mathematischer Hochschulbildung und Berufsfeldern für Mathematiker/innen in Deutschland. Dabei steht im Blickpunkt, wie sich Geschlechterordnungen seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts änderten, beeinflusst durch internationale Entwicklungen. Die Darstellung fußt auf Ergebnissen umfangreicher Forschungsprojekte zu Einflussfaktoren auf die Karrieren von Frauen in Mathematik, Naturwissenschaften und Technik (Tobies 2008) sowie zu den Berufswegen von Frauen und Männern in der Mathematik (Abele/Neunzert/Tobies 2004; Tobies 2006). 1 Ausländerinnen ebneten deutschen Frauen den Weg Während Frauen in anderen Ländern bereits studieren durften, war ihnen der reguläre Zugang zu deutschen Universitäten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts noch verwehrt (vgl. Costas 2003). Deutsche Hochschuleinrichtungen ermöglichten die Immatrikulation von Frauen erst im Zeitraum von 1900 bis 1909, beginnend mit dem Land Baden 1900 und endend mit dem Schlusslicht Mecklenburg 1909. Dennoch konnten Ausländerinnen bereits im 19. Jahrhundert an deutschen Hochschuleinrichtungen promovieren. Sie erhielten an verschiedenen nicht an allen deutschen Universitäten einen Gasthörerinnen-Status und konnten mit Ausnahmegenehmigung auch den Doktortitel erwerben. Warum strebten sie gerade nach Deutschland? Die Humboldtsche Universitätsreform von 1810 mit ihrer Einheit von Forschung und Lehre hatte insbesondere der mathematisch-naturwissenschaftlicher Forschung maßgebliche Impulse verliehen und dazu geführt, dass sich deren Schwerpunkt seit etwa 1830 von Frankreich nach Deutschland verlagerte. Somit kamen hierher Studenten aus Italien, Frankreich, Russland, aus weiteren europäischen Staaten und den USA. Sie studierten Chemie bei Justus von Liebig (1803-1873), Robert Bunsen (1811-1899), August Wilhelm von Hofmann (1818-1892), Physik bei Hermann von Helmholtz (1821-1894) u.a., Mathematik bei Karl Weierstraß (1815-1897), Felix Klein (1849-1925) u.a. So erwarben z.b. zehn US-Amerikaner unter Klein in Göttingen im Zeitraum von 1886 bis 1895 den Doktortitel. Was diese Zahlen bedeuten, können wir ermessen, wenn wir wissen, dass in den 1880er und 1890er Jahren bei Klein in Leipzig und Göttingen sowie bei seinem Nachfolger in Leipzig, dem norwegischen Mathematiker Sophus Lie (1842-1899), mehr US-Amerikaner als bei irgendeinem Mathematik-Professor in den USA studierten. Dadurch wurde die nachfolgende Mathematik-Entwicklung in den USA z.b. nachdrücklich beeinflusst (vgl. Parshall/Rowe 1994). Das fiel in eine Blütezeit der Göttinger Universität, die sich zu einem internationalen Zentrum von Mathematik und Naturwissenschaften entfalten konnte (vgl. Tobies 2002). Die ausländischen Studierenden strebten in der 7