Vorlesung für geographischen Studiengänge Modul MNF-Geogr. 14 Grundlagen und Elektromagnetische Strahlung I Prof. Dr. Natascha Oppelt Arbeitsgruppe Fernerkundung & Umweltmodellierung Geographisches Institut Christian-Albrechts-Universität zu Kiel oppelt@geographie.uni-kiel.de
Definitionen Salt Slat Lake City (Landsat (Utah, TM) USA) 2001 1965 Salt Lake City (Utah, USA) 2001 gsfc Remote sensing is the aquisition of physical data of an object without touch or contact. (Lintz & Simmonett 1976)
Definitionen Fernerkundung ist die Gesamtheit der Verfahren zur Gewinnung von Informationen über die Erdoberfläche durch Messung und Interpretation der von ihr ausgehenden (Energie-) Felder. Als Informationsträger dient dabei von der Erde reflektierte oder emittierte elektromagnetische Strahlung. (DIN 18716, Teil 3 Begriffe der Fernerkundung, 1997) The science of obtaining useful information about an object, area or phenomenon through the analysis of data, aquired by a device that is not in contact with the object, area or phenomenon under investigation. (Lillesand & Kiefer, 1994)
Definitionen Remote Sensing is the instrumentation, techniques and methods to observe the Earth s surface at a distance and to interpret the images or numerical values obtained in order to acquire meaningful information of particular objects on Earth. (Jansen, 2000) Remote Sensing is the most expensive way to make a picture! (Andrew Bashfield, Intergraph Corporation) Seeing what can t be seen, then convincing someone that you re right! (David Pairman, Landcare Research)
Definitionen Fernerkundung = Datenerfassung + Datenanalyse (Interpretation) - Messung der Veränderung von Energiefeldern: Druckfelder (z.b. Meteorologie), Schwerefelder (z.b. Geophysik), elektrostatische Felder (z.b. Geophysik, Planetologie), elektromagnetische Felder (Geologie, Geophysik, Geographie) - Die Variationen können vom Sensor physikalisch gemessen werden, wobei folgende Dimensionen eine wichtige Rolle für die Interpretation spielen: radiometrisch (Datentiefen), zeitlich (Variationen), räumlich (Variationen), spektral (Wellenlängen)
Wie funktioniert Fernerkundung?
Warum Fernerkundung in der Geographie? Fernerkundung liefert Antworten zu folgenden Fragen: Wie verteilt sich etwas im Raum? Wie kann man diese Verteilung erfassen? Wie funktionieren natürliche Prozesse im Raum? Wie stehen Objekte im Raum miteinander in Beziehung? Wie verändern sich Objekte oder deren Beziehung zueinander? Wie werden natürliche Prozesse, Objekte und deren Beziehungen durch den Menschen beeinflusst? Schlüsselrolle der Geographie
Arbeitsgebiete in der Geographie Monitoring von Umweltprozessen (räumlich, komplex, interagierend) und Stoffkreisläufen Monitoring von Umweltbelastungen Monitoring von Umweltveränderungen Aufbau und Erweiterung von Geographischen Informationssystemen (GIS) Krisen- und Katastrophenmanagement Raumplanung (Stadt, Land etc.) Landwirtschaft (Ernteabschätzung, Precision Farming) Meteorologie (Wetter) Lagerstättenexploration (Geologie)
Ablaufschema in der Fernerkundung Physikalische Objekte Sensordaten Information Anwendungen z.b. Gebäude, Vegetation, Boden, Wasser Sensor nimmt physikalische Eigenschaften (emittierte oder reflektierte Strahlung) der Objekte auf Analyse und Verarbeitung der Daten ermöglicht die Ableitung von Informationen (z.b. Reflexion, Temperatur) Landnutzung, Geologie, Hydrologie, Vegetation, Boden Informationen aus FE-Daten werden mit anderen Daten kombiniert zur Lösung spez. Problemstellungen
Punkt vs. Fläche Punktmessung: - Ausdehnung ungenau - räumliche Differenzierung nicht möglich - genaue Aussage über zeitliche Entwicklung - keine Aussage über räumliche Entwicklung - Messnetz verkleinert Problem (repräsentativ!) Flächenmessung = Fernerkundung - Ausdehnung ungenau - räumliche Differenzierung genau - zeitliche und räumliche Entwicklung genau Preis der Flächenmessung - kein direkter Kontakt zum Objekt
Fragestellungen und Möglichkeiten Welche Objekte kann man in verschiedenen Datensätzen erkennen? Welche räumlichen Skalen werden mit welchen Systemen abgedeckt? Wie sehen unterschiedliche Objekte (spektrale Signaturen) im Satellitenbild aus? Wie sehen Objekte in unterschiedlichen Satellitenbildern aus (spektrale Auflösung)? Kann man zeitliche Veränderungen erfassen? Räumliche Auflösung Spektrale Auflösung Zeitliche Auflösung
Wichtigste Parameter und Zusammenhänge Geometrische oder räumliche Auflösung ist die kleinstmögliche Fläche (Pixel), die vom Sensor erfasst werden kann (z.b. Landsat TM: 30 x 30m), bei photographischen Aufnahmen (Linienpaare/mm) IFOV (Instantaneous Field Of View, 'ω) bedingt die räumliche Auflösung auf der Erdoberfläche (Seitenlänge eines Pixels B) IFOV wird oft als Winkel angegeben, z.b. Landsat TM 42.5 µrad Berechnung der Pixelgröße B = IFOV * Flughöhe z.b. 6 3 B TM = 42. 5 10 705 10 = 29. 96 m B
Wichtigste Parameter und Zusammenhänge Räumliche Auflösung Sichtbarkeit von kleinen Objekten im Bild Kleiner IFOV, d.h. feine oder hohe räumliche Auflösung Nur große Objekte sind im Bild sichtbar Großer IFOV, d.h. grobe oder niedrige räumliche Auflösung
Wichtigste Parameter und Zusammenhänge Räumliche Auflösung Geometrische Auflösung normalerweise bezogen auf Nadir B Off-Nadir B Nadir B Off-Nadir > B Nadir FOV = Sensor-Blickwinkel = IFOV * N S
Wichtigste Parameter und Zusammenhänge Orbit ist die Bahn des Satelliten um die Erde geostationär: Satellit ist in einer Höhe von ca. 36 000 km genauso schnell wie Erde. Wenn über dem Äquator angebracht ist, bleibt er stationär und dreht sich mit der Erde er nimmt immer den gleichen Ausschnitt der Erde auf (Tag und Nacht), z.b. Meteosat. sonnensynchron: Satellit kreist in etwa von Pol zu Pol, mit einem best. Winkel zum Äquator (Inklination), um jeden Ort bei jedem Überflug unter den gleichen Beleuchtungsbedingungen aufzunehmen, z.b. Landsat, SPOT. Dabei wandert er mit dem Sonnenstand von Ost nach West.
Wichtigste Parameter und Zusammenhänge Spektrale Auflösung ist die Anzahl der Kanäle und welchen Wellenlängenbereich jeder Kanal wahrnehmen kann (Kanalbreite) d.h. Landsat TM 5 hat 7 Kanäle mit den Kanalbreiten TM 1 = 0.45 0.52 µm TM 2 = 0.52 0.60 µm
Wichtigste Parameter und Zusammenhänge Spektrale Auflösung
Wichtigste Parameter und Zusammenhänge Spektrale Auflösung 450nm = blau 680nm =rot 868nm =NIR
Wichtigste Parameter und Zusammenhänge Zeitliche Auflösung oder Repetitionsrate klärt auf, nach welchem Zeitintervall ein Punkt auf der Erdoberfläche vom Sensor wieder erfasst wird (z.b. Landsat 16 Tage) Tschernobyl, 1986 vor und nach der Katastrophe Landsat Aufnahmen, thermal (Bildmaterial: NASA)
Wichtigste Parameter und Zusammenhänge Zeitliche Auflösung - Jahreszeiten Veränderung des Landschaftsbildes am Beispiel Mischwald Herbst Sommer Frühjahr (Quelle: Haberäcker, Dig. Bildverarbeitung, 2002)
Wichtigste Parameter und Zusammenhänge Radiometrische Auflösung = Datentiefe beschreibt die Anzahl der Abstufungen an Intensitäten, die von einem Sensor für jedes Pixel unterschieden werden kann Die einfachste Datentiefe 2 1 = 2 Grauwerte (schwarz und weiß) 2 8 = 8 bit = 256 Grauwerte 2 16 =16 bit = 65 536 Grauwerte (oder 32 767 bis +32 767) usw. (z.b. Landsat 256 = 8 Bit)
Wichtigste Parameter und Zusammenhänge Radiometrische Auflösung = Datentiefe 2 1 = 1 Bit = 2 Grauwerte 2 2 = 2 Bit = 4 Grauwerte 2 8 = 8 Bit = 256 Grauwerte Anzahl [N] 0 Grauwert [DN] 1 0 4 0 255 (Quelle: www.scandig.de)
Wichtigste Parameter und Zusammenhänge Sender - Objekt Empfänger als Grundkomponenten Elektromagnetische Strahlung ist der Informationsträger (Quelle: Albertz, 2001)
Elektromagnetische Strahlung Jeder Körper mit einer Temperatur über dem absoluten Nullpunkt strahlt el. magn. Energie aus Hauptquelle der el. magn. Strahlung, die in der FE genutzt wird, wird von der Sonne emittiert und von Objekten an der Erdoberfläche reflektiert Viele Körper können diese Strahlung z.t. reflektieren Durch Messung der emittierten oder reflektierten Strahlung entwickelt man Kenntnisse über Charaktereigenschaften an der Erdoberfläche Alle Anwendungen der FE basieren auf dem Verständnis der el. magn. Strahlung und deren Interaktion mit Oberflächen, der Atmosphäre und Sensoren
Wichtigste Parameter und Zusammenhänge (Quelle: Albertz, 2001)
Elektromagnetische Strahlung besteht aus einem elektrischen Feld und einem rechtwinklig dazu angeordneten magnetischen Feld E Elektrische Feldkomponente M Magnetische Feldkomponente C Lichtgeschwindigkeit [3 10 8 m s -1 ]
Elektromagnetische Strahlung die wichtigsten Eigenschaften sind die Wellenlänge λ [µm] A Frequenz ν [Hz] = Durchgänge an einem bestimmten Punkt pro Zeiteinheit (= s -1 ) Amplitude A [W m - ²µm -1 ] = Energieniveau am Peak Polarisation p = Richtung des Feldvektors des el. Feldes
Elektromagnetische Strahlung wird in Lichtgeschwindigkeit in Form von Wellen übertragen c = λ * ν c Lichtgeschwindigkeit [m s -1 ] λ Wellenlänge [m] ν Frequenz [Hz] dabei gilt: Je kürzer die Wellenlänge, desto höher die Energie Q = h * ν Q h Energie eines Quantums [J] Plank sches Wirkunsquantum (= 6.626 *10-34 [Js])
Elektromagnetische Strahlung Längenmaße in der Fernerkundung Einheit Kilometer [km] 1000 m Meter [m] 1 m Zentimeter [cm] 0.01 m = 10-2 m Millimeter [mm] 0.001 m = 10-3 m Mikrometer [µm] 0.000001 m = 10-6 m Nanometer [nm] = 10-9 m Ångstrom [Å] =10-10 m
Elektromagnetische Strahlung Gammastrahlung Röntgenstrahlung <0.03 nm 0.03-300 nm UV 0.30 0.38 µm VIS 0.38 0.72 µm IR Mikrowellen Radio NIR 0.72 1.30 µm MIR 1.30 3.00 µm TIR 3.00 1000 µm 1 mm 30 cm > 30 cm
Elektromagnetische Strahlung - Entstehung Natürliche oder künstliche Umwandlung von anderen Energieformen (kinetisch, chemisch, elektrisch, molekular, etc.) Je organisierter der Umwandlungsprozess desto höher ist die Kohärenz der generierten Strahlung Periodische Ströme z.b. in Kabeln, Antennen - Elektronen in spez. Lampen erzeugen el. magn. Feld - Wechsel des Anregungszustands von Molekülen (Rotation) Wechsel des Anregungszustands von Molekülen (Vibration, Orbitalübergang) Orbitalübergänge der inneren Elektronen von Atomen - Natürl. Zerfall von U, Th und K erzeugt hochenergetische Strahlung - Künstliche Spaltung oder Anregung von Atomkernen
Elektromagnetische Strahlung - Entstehung Thermische (TIR) Strahlung Wärme = kinetische Energie durch Bewegung von Partikeln Chaotische Bewegung Abfall in energieärmeren Zustand Kollision von Teilchen Anregung (Elektronen, Vibration, Rotation) Erzeugung von el.magn. Strahlung Chaotischer Ausgangszustand führt zu einem breiten Spektrum an emittierter Strahlung
Elektromagnetische Strahlung - Entstehung Chaotischer Ausgangszustand führt zu einem breiten Spektrum an emittierter Strahlung Energy Black body radiation at 5800 K (sun) Solar radiation Black body radiation at 300 K (earth) 0.2 0.5 1.0 5.0 10 20 100 200 0.5mm (Quelle: abgeändert nach Kappas, 2001) Im Gegensatz dazu feine Emissionslinien z.b. bei Lasern
Elektromagnetische Strahlung - Entstehung Emission von schwarzen Körpern kann durch das Planck sche Strahlungsgesetz beschrieben werden E = spektrale Strahldichte [W m - ²] T = Temperatur [ K] h = Planck sches Wirkungsquantum (= 6.6 *10-34 [Js]) k = Boltzmann-Konstante (= 1.38 * 10-23 [JK -1 ]) Spektrale Strahldichte E ist abhängig von der Wellenlänge und der absoluten Temperatur des Körpers 1. Wie viel Energie wird insgesamt ausgestrahlt? 2. Wo liegt das Maximum?
Elektromagnetische Strahlung - Entstehung 1. Wie viel Energie wird insgesamt ausgestrahlt? Stefan-Boltzmann-Gesetz Die von einem schwarzen Körper abgestrahlte Energie E ist proportional zur 4. Potenz seiner absoluten Temperatur E = σ T E = spektrale Strahldichte [W m-²] T = Temperatur [ K] σ = Stefan-Boltzmann-Konstante (= 5.6697 10-8 [W m - ² K -4 ]) 4 Je heißer ein Schwarzkörper desto mehr Energie wird abgestrahlt
Elektromagnetische Strahlung - Entstehung 2. Wo liegt das Maximum der abgestrahlten Energie? Wien sches Verschiebungsgesetz Die Wellenlänge, an der das Maximum der von einem schwarzen Körper abgestrahlten Energie auftritt, ist alleine abhängig von seiner absoluten Temperatur λ max = λ max = Wellenlänge mit der maximal abgestrahlten Energie [µm] T = Temperatur [ K] a = 2897.8 [µm K] Mit zunehmender Temperatur verschiebt sich das Maximum der abgestrahlten Energie sich in Richtung kurzwelliger Wellenlängen a T
Elektromagnetische Strahlung - Entstehung (Quelle: abgeändert nach Elachi, 2006)
Elektromagnetische Strahlung - Entstehung Kirchhoff sches Strahlungsgesetz ε M M b ε = M M b = Emmissivität = Emission eines gegebenen Körpers = Emission eines Schwarzkörpers ε Schwarzkörper = 1 ε Weißkörper = 0 0 < ε Graukörper < 1
Elektromagnetische Strahlung - Entstehung Reale Körper absorbieren auftreffende el. magn. Strahlung Energy Black body radiation at 5800 K (sun) Solar radiation Black body radiation at 300 K (earth) 0.2 0.5 1.0 5.0 10 20 100 200 0.5 (Quelle: abgeändert nach Kappas, 2001) Kirchhoff postuliert ein für alle Körper konstantes Verhältnis von absorbierter zu emittierter Strahlung bei einer best. Temperatur
Elektromagnetische Strahlung - Detektion Kollektor Detektor Gemessene Größe Mikrowelle Antenne -> Waveguide Radio I, A, v, p Streuung TIR Linse MCT E, Emission MIR, NIR Linse InSb, InAs E, Reflexion, Streuung VIS Linse Si E, Reflexion, Streuung UV Linse Si, Ge E, Reflexion, Streuung
Literaturvorschläge I Albertz, J.: Grundlagen der Interpretation von Luft- und Satellitenbilden eine Einführung in die Fernerkundung. Wiss. Buchgemeinschaft, 1991. Campbell, J.B.: Introduction to Remote Sensing. 4th Edition, Taylor and Francis, 2006. Elachi, C. and Zyl, J.: Introduction to the Physics and Techniques of Remote Sensing. 2nd Edition, Wiley, 2006. Haberäcker, P.: Digitale Bildverarbeitung. Hanser Verlag, 2002. Hildebrandt, G.: Fernerkundung und Luftbildmessung für Forstwirtschaft, Vegetationskartierung und Landschaftsökologie. Wichmann, 1996 Jansen, J.R.: Introductory Digital Image Processing: a Remote Sensing Perspective, 3nd Edition, Wiley, 2000. Kraus, K.; Schneider, W.: Fernerkundung. Band 2: Auswertung photographischer und digitaler Bilder. Dümmler Verlag, 1988 Lillesand, T.K. and Kiefer, R.W.: Remote Sensing and Image Interpretation. Wiley, 2007 Mather, P.M.: Computer Processing of Remotely Sensed Images. 3rd Edition, Wiley, 2004 Richard, J.A. and Xiuping, J.: Remote Sensing Digital Image Analysis. Springer, 2006 Schowengerdt, R.A. : Remote Sensing Models and Methods for Image Processing. Academic Press, 2006.
Literaturvorschläge II Zeitschriften, z.b. Remote Sensing of Environment International Journal of Remote Sensing Canadian Journal of Remote Sensing IEEE Transactions on Geoscience and Remote Sensing Zeitschrift für Photogrammetrie und Fernerkundung Internet, z.b. Seiten von Raumfahrtbehörden wie www.nasa.gov, www.esa.int Space Daily www.spacedaily.com JPL www.jpl.nasa.gov DLR www.dlr.de
Literaturvorschläge III Nützliche Software - ERDAS: http://www.gi.leica-geosystems.com/products/imagine/ - IDRISI: http://www.clarklabs.org/ - ENVI: http://www.creaso.com/ - PCI: http://www.pcigeomatics.com/ - BEAM: http://www.brockmann-consult.de - LeoWorks: http://www.eduspace.esa.int und als Spielzeug : - Google Earth