Stellungnahme des DIW Berlin. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Familienförderung der Fraktionen SPD und Bündnis 90 / DIE GRÜNEN vom

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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Transkript:

Stellungnahme des DIW Berlin zur öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages am 20. Juni 2001 zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Familienförderung der Fraktionen SPD und Bündnis 90 / DIE GRÜNEN vom 29.05.2001 bearbeitet von Dr. Ellen Kirner, Dr. Stefan Bach und Dr. C. Katharina Spieß 1 Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) sieht schon seit langem in der Förderung von Familien eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe und begrüßt deshalb die konsequente Fortsetzung der wirkungsvollen Steuerpolitik der Koalition und der von ihr getragenen Bundesregierung zugunsten von Familien insbesondere mit niedrigem und mittlerem Einkommen 2. Mit den vorgeschlagenen Neuregelungen ist grundsätzlich ein Weg gefunden, den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu entsprechen und zugleich die teilweise konkurrierenden Ziele der Familien- und Sozialpolitik zu berücksichtigen. Die nur geringe Anhebung des Kindergelds ist angesichts kurzfristiger fiskalischer Zwänge vertretbar. Um die zahlreichen Familienhaushalte im unteren Einkommensbereich am Familienleistungsausgleich angemessen zu beteiligen, müssen jedoch auf mittlere Sicht die direkten Transfers an Eltern erhöht werden. Hier käme eine weitere Erhöhung des Kindergelds in Frage; vieles spricht auch dafür, zielgerichtete Transfers in Form von Betreuungsgutscheinen zu gewähren. Wie vom DIW Berlin bereits seit längerem gefordert wird, sollten die dafür notwendigen Finanzierungsspielräume auch durch eine grundlegende Neuordnung des Maßnahmenbündels zur Förderung von Ehe und Familie geschaffen werden. Eine Rückführung des Ehegattensplittings bei der Einkommensteuer auf das verfassungsrechtlich notwendige Maß würde es erleichtern, weitere Kindergelderhöhungen oder andere Formen geldwerter Leistungen für die Kinderbetreuung zu finanzieren. Das DIW nimmt zu ausgewählten Punkten des Gesetzentwurfs wie folgt Stellung: 1. Es entspricht familien- und sozialpolitischen Zielen, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Form einer Erhöhung des Kindergeldes umzusetzen. Das Kindergeld kommt allen Familien in gleicher Höhe zugute. Deshalb ist diese Form der Familienförderung geeignet, unter anderem die Leistungen der Kinderbetreuung und -erziehung zu berücksichtigen und damit 1 DIW Berlin, 14191 Berlin, ekirner@diw.de, sbach@diw.de, kspiess@diw.de 2 Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Familienförderung vom 29.05.2001. Bundestags-Drucksache 14/6160. 1

auch der ungünstigen Einkommenssituation entgegenzuwirken, in der Familien mit mehreren Kindern und Alleinerziehende häufig leben. 2. Die geplante Kindergelderhöhung fällt gering aus im Vergleich zu der vorgesehenen steuerlichen Entlastung, die sich aus der Erhöhung des Kinderfreibetrages und der Erweiterung des Betreuungsfreibetrags zu einem Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung ergibt. Da Steuerfreibeträge tendenziell umso stärker entlastend wirken, je höher das Einkommen ist, profitieren ärmere Haushalte davon wenig oder gar nicht: Im Jahre 2002 beträgt die steuerliche Entlastung der Freibeträge bei einem Ehepaar mit 150 000 DM Brutto-Jahreseinkommen im Monat 333 DM (zum Vergleich: Kindergeld 301 DM/Monat); die steuerliche Entlastung steigt bis auf 458 DM im Monat (Tabelle im Anhang). Die progressive Entlastungswirkung ist zwar problematisch vor dem Hintergrund des Zieles, Kinder in ungünstigen Einkommensverhältnissen zumindest nicht zu benachteiligen bzw. von Familienfördermaßnahmen nicht auszuschließen. Aber angesichts der inhaltlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und der von ihm gesetzten knappen Frist weist der Gesetzentwurf einen gangbaren Weg aus dem Dilemma verschiedener, teilweise einander widersprechender familien-, steuer- und fiskalpolitischer Ziele. Ein Kindergeld für alle Kinder, das hoch genug wäre, auch in den oberen Einkommensklassen Eltern und Kinderlose gleichzustellen ( horizontaler Lastenausgleich, wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert 3 ), könnten die öffentlichen Haushalte kurzfristig ohne Gefährdung anderer Aufgaben nicht finanzieren. Auf mittlere und längere Sicht sollte jedoch im System des dualen Familienleistungsausgleichs das Ziel verfolgt werden, das Kindergeld weiter anzuheben oder andere geldwerte Leistungen an Eltern für die Kinderbetreuung zu gewähren. Damit sollen diejenigen Haushalte an der Familienförderung (stärker) beteiligt werden, die von den steuerlichen Entlastungsmaßnahmen wenig oder nicht profitieren. 3. Problematisch ist, dass ein vermutlich nicht zu vernachlässigender Kreis unter den allein Erziehenden durch den geplanten Abbau des Haushaltsfreibetrags (heute 5 616 DM im Jahr, 32 EStG) nach der Reform schlechter gestellt würde, soweit dessen Entlastungswirkungen durch die Neuregelungen nicht kompensiert werden. Dieser besondere Haushaltsfreibetrag war nach einer früheren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eingeführt worden, um einen partiellen Ausgleich dafür zu schaffen, dass allein Erziehende von der Möglichkeit des Splittens von Einkommen und den damit verbundenen steuerlichen Vorteilen ausgeschlossen waren. Wenn vermieden werden soll, dass nun die allein Erziehenden insoweit wieder im Vergleich zu verheirateten Eltern benachteiligt werden und generell Kinder und ihre Eltern je nach Familien- 3 Das Kindergeld müsste den Steuerentlastungen durch die Kinderfreibeträge auch im Falle von hohen Grenzsteuersätzen entsprechen. Dies ist erforderlich aus Gründen der horizontalen Gleichbehandlung zwischen Steuerpflichtigen mit und ohne Kindern. 2

stand unterschiedlich an der Familienförderung teilhaben, wäre es sinnvoll, auf verfassungsrechtlich vertretbare Weise die Förderung der Ehe durch das Ehegattensplitting bei der Einkommensteuer zu vermindern (vgl. hierzu auch die Wochenberichte des DIW Nr. 8/1999 und Nr. 40/1999). Der dadurch entstehende Finanzierungsspielraum könnte verwendet werden, um das Kindergeld zu erhöhen, unter anderem auch mit dem Ziel, die besonderen Belastungen zu mildern, die für allein Erziehende mit der Betreuung und Erziehung von Kindern verbunden sind. Nach Auffassung des DIW Berlin müssen sowohl die Verfassungsgebote, Ehe und Familie besonders zu schützen als auch die staatlichen Maßnahmen zur Förderung von Ehe einerseits und Familie andererseits im Zusammenhang betrachtet werden. Sowohl die ursprüngliche Intention des Grundgesetzes als auch die Auswirkungen der konkreten Maßnahmen zur Förderung beider Sachverhalte betreffen die Ehe in ihrer Funktion als eine wichtige und heute noch immer die häufigste Lebensform für Familien. Daraus darf aber nicht folgen, dass die heute ebenfalls häufigen anderen Lebensformen gegenüber Ehepaarhaushalten benachteiligt werden, weil die knappen öffentlichen Mittel in unverhältnismäßig großem Umfang für die Förderung der Ehe auch der kinderlosen eingesetzt werden. 4. Das DIW Berlin sieht es nicht als problematisch an, dass nachgewiesene Kinderbetreuungskosten in erhöhtem Umfang nur dann steuerlich wirksam werden, wenn beide Eltern oder allein Erziehende berufstätig sind. Die Forderung des Bundesverfassungsgerichts, den Betreuungs- und Erziehungsbedarf für Kinder unabhängig vom Vorliegen tatsächlicher finanzieller Aufwendungen pauschaliert durch Freibeträge zu berücksichtigen, ist gleichermaßen steuerrechtlich wie sozial- und verteilungspolitisch problematisch. Die Einkommensteuer belastet grundsätzlich nur entstandene Einkommen, die durch Teilnahme am wirtschaftlichen Leben erwirtschaftet werden ( Markteinkommen ), also die tatsächliche Zahlungsfähigkeit und nicht die Soll- Leistungsfähigkeit im Sinne von Einkommenspotentialen. Entsprechend können auch nur entstandene Aufwendungen als Minderungen steuerlicher Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden (so auch BVerfGE 61, 319, 344). Sofern erwerbstätigen Eltern für die Kinderbetreuung finanzieller Aufwand entsteht, mindert dies die steuerliche Leistungsfähigkeit und ist durch Kinderfreibeträge oder Kindergeld zu berücksichtigen. Sofern Eltern für die Kinderbetreuung auf Erwerbsarbeit verzichten, führt der damit verbundene Einkommensausfall ohnehin zu einer geringeren Steuerbelastung. Gewährt man ihnen darüber hinaus einen Freibetrag für den Betreuungsaufwand, bevorzugt man sie gegenüber Eltern mit Betreuungsaufwendungen wegen Berufstätigkeit. 4 Hinzu kommt insbesondere der Vorteil des Ehegatten-Splittings, wenn ein Elternteil die Erwerbstätigkeit ganz aufgibt oder wesentlich reduziert, um die Kinderbetreuung zu übernehmen (zumeist ist dies die Frau). Insoweit diese Regelungen die klassische Hausfrau- 4 Hier ließe sich sogar die Ansicht begründen, dass dann die Kinderbetreuung als Eigenleistung das steuerpflichtige Einkommen erhöhen müsste. 3

enehe begünstigen, widersprechen sie auch den Zielen einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der Gleichstellung von Frauen und Männern im gesellschaftlichen Leben. Daraus ergibt sich, dass Freibeträge lediglich den tatsächlichen finanziellen Aufwand für Lebenssicherung, Betreuung und Erziehung/Ausbildung von Kindern berücksichtigen sollten. Im Falle von erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten handelt es sich streng genommen sogar um Erwerbsaufwendungen (Betriebsausgaben oder Werbungskosten) also Minderungen der objektiven Leistungsfähigkeit, die eigentlich bei der Einkommensermittlung in voller Höhe berücksichtigt werden müssten. Die im Gesetzentwurf gewählte Lösung erscheint grundsätzlich akzeptabel, nachgewiesene Kinderbetreuungskosten nur bis zu einer bestimmten Höhe anzuerkennen. Allerdings ist die vorgesehene Höchstgrenze von 1 500 Euro je Kind (für 1 548 Euro übersteigende Kinderbetreuungskosten) sachlich unangemessen niedrig gewählt. Auf mittlere Sicht sollte diese Grenze angehoben werden. Dies würde auch den allein Erziehenden, die in der Regel auf Berufstätigkeit angewiesen sind, zugute kommen. 5. Mittelfristig sollte der Gesetzgeber auch prüfen, ob er die steuerliche Entlastung der Familien mit einer Verbesserung der institutionellen Kinderbetreuung verbindet. Grundsätzlich sollte Familienpolitik sich nicht nur rein monetärer Instrumente bedienen, sondern auch bildungspolitische Ziele mit berücksichtigen, gegebenenfalls Marktversagen korrigieren und marktwirtschaftlichen Wettbewerb als Instrument ausnutzen. Konkret bedeutet dies, dass eine bessere Förderung und Gestaltung der institutionellen Kinderbetreuung anzustreben ist und dieses Politikfeld bei der Gestaltung des Kindergeldes mit zu berücksichtigen ist. Für eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie schlägt das DIW Berlin den Übergang von einer angebotsorientierten zu einer nachfrageorientierten Finanzierung der institutionellen Kinderbetreuung vor. Konkret bedeutet dies für den Gesetzgeber die Aufforderung, an der Umsetzung einer Subjektfinanzierung in Form von Kinderbetreuungsgutscheinen zu arbeiten (vgl. Wochenbericht des DIW, Nr. 18/2000). Kinderbetreuungsgutscheine hätten gegenüber einer steuerlichen Anrechnung von Kinderbetreuungskosten u.a. auch den Vorteil, dass auch nicht steuerpflichtige, sozialhilfebeziehende Haushalte davon profitieren können. 5 Hinzu kommt, dass eine steuerliche Anrechenbarkeit aller Kosten einer nicht-elterlichen Betreuung, unabhängig davon, ob sie durch die Betreuung von professionellen Kräften (wie z.b. Erzieherinnen in Kindertagsstätten) oder nicht einschlägig ausgebildeten Kinderfrauen oder Au-Pairs erbracht wird, aus sozial- und insbesondere auch bildungspolitischer Sicht grundsätzlich nicht sinnvoll ist (siehe das DIW-Diskussionspapier Nr.243/2001 von Spieß/Tietze): Eine Qualitätssicherung in diesem sogenannten grauen Be- 5 Der Vorschlag nur sozialhilfebeziehenden Haushalten einen Kinderbetreuungsgutschein zu gewähren, während alle anderen Haushalte von der steuerlichen Anrechenbarkeit der Kinderbetreuungskosten profitieren, scheint uns insbesondere auch aus sozialpolitischer Sicht nicht sinnvoll, da dies den mit der Sozialhilfe ohnehin verbunden Stigmaeffekt noch vergrößern würde. 4

reich der Kinderbetreuung (Kinderfrauen, Au-Pairs) ist kaum möglich. Von daher sind zweckgebundene Kinderbetreuungsgutscheine, die nur für eine Betreuung in lizenzierten Kindertagesstätten eingesetzt werden können, sinnvoll. Es sollte vom Gesetzgeber also geprüft werden, wie Kindergeld bzw. Betreuungsfreibeträge auch in Form von Kinderbetreuungsgutscheinen gewährt werden können, indem der Wert eines Gutscheins gegebenenfalls das Kindergeld bzw. den Freibetrag vermindert. 6. Die Abschaffung des Sonderausgabenabzugs von Aufwendungen für hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse Hausmädchenprivileg ist zu begrüßen. Eine Studie des DIW Berlin über Umfang und Entwicklung von personenbezogenen Dienstleistungen in Privathaushalten zeigt, dass beschäftigungsstimulierende Effekte, denen diese Maßnahme vornehmlich dienen sollte, bisher ausgeblieben sind (Wochenbericht des DIW Nr. 13/2001). Im Gegensatz zu früheren Fassungen setzt die Regelung inzwischen auch nicht mehr voraus, dass Kinder im Haushalt des Steuerpflichtigen leben. Vermutlich hat die Regelung in hohem Maße zu Mitnahmeeffekten bei gut verdienenden Haushalten geführt. Berlin, 15. Juni 2001 5

Wirkung von Kinderfreibeträgen und Kindergeld im Jahr 2002 Freibeträge Entlastungswirkung Nachrichtlich: Bruttoeinkommen Kinderfreibetrag 1) insgesamt... für Betr., Kindergeld Einkommenst.+Soli Freibeträge 2) Steuerbelast. Grenzbelast. Erz., Ausb. DM/Jahr DM/Monat DM/Jahr DM/Monat DM/Jahr % a) Ehepaar, 1 Kind 25 000 2 083 7 135 4 225 11 360 0 301-3 614 0,0 30 000 2 500 7 135 4 225 11 360 0 301-3 614 20,6 40 000 3 333 7 135 4 225 11 360 27 301-3 288 23,6 50 000 4 167 7 135 4 225 11 360 174 301-1 526 25,0 60 000 5 000 7 135 4 225 11 360 225 301 402 26,4 80 000 6 667 7 135 4 225 11 360 244 301 4 482 30,9 100 000 8 333 7 135 4 225 11 360 268 301 9 334 33,9 120 000 10 000 7 135 4 225 11 360 296 301 15 060 36,9 150 000 12 500 7 135 4 225 11 360 333 301 24 832 41,4 175 000 14 583 7 135 4 225 11 360 367 301 33 914 45,1 200 000 16 667 7 135 4 225 11 360 401 301 43 846 48,9 225 000 18 750 7 135 4 225 11 360 435 301 54 714 51,2 250 000 20 833 7 135 4 225 11 360 458 301 66 424 51,2 275 000 22 917 7 135 4 225 11 360 458 301 78 576 51,2 300 000 25 000 7 135 4 225 11 360 458 301 90 676 51,2 b) Allein Erziehende/r, 1 Kind 25 000 2 083 7 135 4 225 11 360 0 301-3 614 25,0 30 000 2 500 7 135 4 225 11 360 57 301-2 929 26,4 40 000 3 333 7 135 4 225 11 360 216 301-1 019 29,2 50 000 4 167 7 135 4 225 11 360 246 301 1 283 33,9 60 000 5 000 7 135 4 225 11 360 272 301 3 998 36,9 80 000 6 667 7 135 4 225 11 360 324 301 10 330 42,9 100 000 8 333 7 135 4 225 11 360 380 301 17 432 48,9 120 000 10 000 7 135 4 225 11 360 432 301 25 694 51,2 150 000 12 500 7 135 4 225 11 360 458 301 39 890 51,2 175 000 14 583 7 135 4 225 11 360 458 301 52 016 51,2 200 000 16 667 7 135 4 225 11 360 458 301 64 142 51,2 225 000 18 750 7 135 4 225 11 360 458 301 76 268 51,2 250 000 20 833 7 135 4 225 11 360 458 301 88 394 51,2 275 000 22 917 7 135 4 225 11 360 458 301 100 520 51,2 300 000 25 000 7 135 4 225 11 360 458 301 112 646 51,2 1) Für sächliches Existenzminimum. 2) Ohne zusätzliche nachgewiesene Kinderbetreuungskosten in erhöhtem Umfang. Quelle: Berechnungen des DIW auf der Basis des Gesetzentwurfes eines Zweiten Gesetzes zur Familienförderung; Bundestags-Drucksache 14/6160. 6