Fachgebiet Schienenfahrzeuge an der Technischen Universität Berlin Die Eisenbahn-Ingenieursausbildung an der Technischen Universität Berlin hat eine lange Geschichte. Bereits seit 1975 werden hier Studierende für das Gesamtsystem Bahn ausgebildet. Seit 1997 leitet Prof. Dr.-Ing. Markus Hecht das Fachgebiet Schienenfahrzeuge. Die Technische Universität (TU) Berlin ist eine der führenden Technischen Universitäten Deutschlands. Über 33 000 Studierende werden in weit gefächerten Disziplinen der Ingenieurs-, Natur-, Wirtschaftsund Geisteswissenschaften ausgebildet. An sieben Fakultäten mit 40 Instituten gibt es etwa 100 Studienangebote. Der Hauptcampus der TU Berlin liegt zentral im Westteil der deutschen Hauptstadt. Das Fachgebiet Schienenfahrzeuge ist in das Institut für Land- und Seeverkehr eingegliedert. Hier finden sich insgesamt noch zehn weitere Fachgebiete aus den Bereichen Fahrzeugtechnik und Verbrennungskraftmaschinen, Schiffs- und Meerestechnik sowie Verkehrsplanung und Verkehrssystemtechnik. In letztgenanntem Bereich findet sich außerdem das Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Jürgen Siegmann. Ausbildung von Eisenbahn- Ingenieurinnen und -Ingenieuren Die Eisenbahn-Ingenieursausbildung geschieht insbesondere im Bachelor-Studiengang Verkehrswesen und darauf aufbauend in den Master-Studiengängen Fahrzeugtechnik und Planung und Betrieb im Verkehrswesen. Darüber hinaus stehen die eisenbahnspezifischen Module an der TU Berlin natürlich auch interessierten Studierenden der Elektrotechnik, des Maschinenbaus und des Wirtschaftsingenieurwesens offen, was rege genutzt wird. Bachelor-Studiengang Verkehrswesen Bereits im Bachelor besteht neben den ingenieurwissenschaftlichen Grundlagen die Möglichkeit, sich in Richtung des Verkehrsträgers Schiene zu spezialisieren. Bei Forschung und Lehre am Fachgebiet Schienenfahrzeuge steht dabei der mechanische Teil der Schienenfahrzeuge im Vordergrund. Nichtsdestotrotz werden im Sinne eines ganzheitlichen, systemweiten Ansatzes auch Fragestellungen der elektrischen Energieversorgung und des elektrischen Antriebs der Schienenfahrzeuge behandelt. Die Module des Bachelorstudium vermitteln den Studierenden die Grundlagen und spezifischen Besonderheiten des Systems Eisenbahn. Nach einer umfassenden allgemeinen Einführung in die Schienenfahrzeugtechnik werden in Fahrzeuge im System Eisenbahn die Grundlagen der Spurführung, die Unterschiede verschiedener Antriebsarten sowie die Akustik von Schienenfahrzeugen behandelt. In Konstruktionsgrundlagen Schienenfahrzeuge wird den Studierenden ein Überblickt über die Systematik und die genutzten Tools bei der Entwicklung und Konstruktion von Schienenfahrzeugen vermittelt. Im Rahmen der systemweiten Betrachtung werden hier zusätzlich aber auch Fragestellungen der Rechtsgrundlagen, des Zulassungsprozesses sowie der Lebenszykluskosten (LCC) betrachtet. Die Module Schienenfahrzeugtechnik I und Schienenfahrzeugtechnik II behandeln den Aufbau und die Funktionsweise von Komponenten der Schienenfahrzeuge in detaillierter Weise. Diese beiden Module können sowohl von Studierenden im Bachelor- wie auch im Masterstudium gehört werden. Sie bilden den Übergang von der Spezialisierung auf Schienenfahrzeuge allgemein hin zu Spezialisierungen innerhalb der Schienenfahrzeugtechnik, die vorrangig im Masterstudium stattfindet. Vertiefungsrichtungen im Master Eine dieser Vertiefungsrichtungen ist die Schienenfahrzeugdynamik. In den Veranstaltungen Dynamik von Schienenfahrzeugen Theorie, Dynamik von Schienenfahrzeugen Anwendungen und Schienenfahrzeug-Systemdynamik wird dieses umfassende Feld von verschiedenen Seiten betrachtet. Im Anwendungsmodul lösen die Studierenden im Rahmen eines Projektes weitestgehend selbstständig Fragestellungen der Schienenfahrzeugdynamik mit Hilfe des Mehrköpersimulationsprogramms SIMPACK. Das dafür erforderliche Know-how haben sie vorher im Theoriemodul erworben. Der Name der Veranstaltung lässt bereits erkennen, dass bei der Schienenfahrzeug-Systemdynamik erneut der Systemgedanke zum Tragen kommt. Dabei geht es sowohl um das Fahrzeug als dynamisches Gesamtsystem als auch um die Interaktion Fahrzeug-Fahrweg. 1
Eine weitere Vertiefungsrichtung ist die Akustik von Schienenfahrzeugen. Hier spielt das Modul Messungen an Fahrzeugen und Fahrwegen im Schienenverkehr Theorie und Praxis eine tragende Rolle. Neben dem Erwerb von theoretischem Wissen über Messtechnik, die im Eisenbahningenieurwesen verwendet wird, führen die Studierenden vornehmlich akustische Messungen an Schienenfahrzeugen und -infrastruktur während des laufenden Betriebs unter Aufsicht von Sicherungsposten durch. Weitere Veranstaltungen zur Vertiefung der Schienenfahrzeugtechnik sind Fahrdynamik und Bremstechnik im Schienenverkehr, Lifecycle-Costing und Lifecycle-Engineering im Schienenverkehr, womit die ersten Grundlagen aus Konstruktionsgrundlagen Schienenfahrzeuge weiter vertieft werden können, und Neuorganisation des öffentlichen Personen- und Schienengüterverkehrs in Deutschland, wo auch politische und organisatorische Aspekte behandelt werden. Detaillierte Kenntnisse elektrischer Bahnen und ihrer Energieversorgung werden im Rahmen der Vorlesung Elektrische Bahnen vermittelt, die von Prof. Dr.-Ing. Arnd Stephan von der TU Dresden als Gastdozent gelesen wird. Weiter abgerundet wird die ganzheitliche Ausbildung der Eisenbahn-Ingenieurinnen und -Ingenieure durch das Lehrangebot am Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb von Prof. Dr.-Ing. habil. Jürgen Siegmann. Hier seien die Lehrveranstaltungen Grundlagen des Schienenverkehrs, Bahnbetrieb, Konstruktion von Schienenfahrwegen, Leit- und Sicherungstechnik und Systembetrachtung des Schienenfahrwegs exemplarisch aufgeführt. Tiefgreifendes Verständnis Der Anspruch an die Lehrveranstaltungen am Fachgebiet Schienenfahrzeuge besteht darin, den Studierenden im ersten Schritt ein fundiertes Wissen in der jeweiligen Thematik zu vermitteln. Wissen meint dabei ein tiefgreifendes Verständnis für die Zusammenhänge im System Eisenbahn. Das bedeutet, es wird nicht in erster Linie vermittelt, dass die Dinge so sind, wie sie sind, sondern warum sie so sind. Im zweiten Schritt werden den Studierenden dann Werkzeuge und Methoden an die Hand gegeben, mit denen sie Fragestellungen beantworten und Herausforderungen in der Schienenfahrzeugtechnik lösen können. Dies ist etwa der Umgang mit entsprechender Software oder die Handhabung von Technik. Damit sind bei den Studierenden die Grundlagen für Weiterentwicklung und Innovation beim Verkehrsträger Schiene gelegt. Die Lehrveranstaltungen finden in Gruppengrößen von etwa zehn bis 30 Studierenden statt. Neben der Betreuung durch Prof. Hecht stehen zwei Wissenschaftliche Mitarbeiter für den Lehrbetrieb zur Verfügung. Darüber hinaus unterstützen einige externe Dozenten von anderen Forschungsinstituten, Eisenbahn-Ingenieurbüros, Schienenfahrzeugherstellern und Aufgabenträgern mit großem Praxisbezug die universitäre Ausbildung der Studierenden. Die Studierenden sind frei in der Zusammenstellung ihres Studiums. So können sie sich ihr eigenes Portfolio aus den genannten Lehrveranstaltungen wählen und mit dem breiten Spektrum der allgemeinen ingenieurtechnischen Grundlagen und Methoden kombinieren. Dieses Spektrum reicht von Analysis III für Ingenieure über Numerische Simulationsverfahren im Ingenieurwesen bis hin zu Virtual Engineering in Industry, um nur drei Module aus der Vielzahl von Modulen in diesem Bereich zu nennen. Auf diese Weise können die Studierenden die Werkzeuge und Methoden, die sie zur Beantwortung der Fragestellungen in der Schienenfahrzeugtechnik benötigen, weiter ergänzen und verfeinern. In jedem Semester finden Exkursionen zu Herstellern, Instandhaltern, Betreibern oder Versuchseinrichtungen der Schienenfahrzeugbranche statt, bei denen die Studierenden gelerntes Wissen direkt anwenden und eisenbahnspezifische Problemstellungen vor Ort erfassen und erleben können (Bild 1). Alle drei bis vier Jahre werden eisenbahnspezifische Besonderheiten und Ziele der europäischen Länder in Rahmen einer großen einwöchigen Exkursion beleuchtet (Bild 2). Viele Veranstaltungen bestehen aus Vorlesung und Übung, in der Wissen praktisch angewandt wird. Der Hörsaal, in dem die Vorlesungen stattfinden, gleicht eher einer Werkstatt als einem klassischen Hörsaal: Um die Vorlesung anschaulich zu gestalten und Konstruktionszeichnungen Leben einzuhauchen, sind im Hörsaal zahlreiche Schienenfahrzeug- und -infrastrukturkomponenten als Anschauungsobjekte Bild 1: Prof. Hecht erläutert Studierenden die Funktionsweise einer Komponente an einem Straßenbahndrehgestell (Foto: TU Berlin). 2
Abschlussarbeiten und Forschungsprojekte Bild 2: Studierende und Wissenschaftliche Mitarbeiter der TU Berlin auf einer Fachtagung im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern (Foto: TU Berlin). Längsdruckkraft Fl_10m 3 350 kn 250 200 150 100 50 0 vorhanden. Dies reicht bis hin zu mehreren realen Drehgestellen eines davon mit vollständiger und funktionsfähiger bremstechnischer Ausrüstung eines gesamten Schienenfahrzeugs. Zahlreiche Grundlagen können an Modellen erklärt werden. So sind beispielsweise eine Modell-Crash-Anlage zur Demonstration und messtechnischen Erfassung von Deformationselementen sowie ein Prüfstand zur Untersuchung von Einflussgrößen auf den Kraftschluss im Rad-Schiene-Kontakt vorhanden. All dies sorgt dafür, dass die Absolventen des Fachgebiets Schienenfahrzeuge über fundierte theoretische Kenntnisse, wissenschaftliches Methodenwissen und ein Gespür für die Belange der Praxis verfügen. 2 x 150 2 x 240 2 x 300 150, 240 Bremskraft in kn 150, 300 240, 300 Bild 3: Sich einstellende Längsdruckkräfte für einen Zugverband mit zwei Triebfahrzeugen und 39 Wagen in Abhängigkeit der elektrodynamischen Bremskraft der Triebfahrzeuge [1] (Grafik: Leiste/TU Berlin). grün Zug 1: 1 Triebfahrzeug vorn, 1 Triebfahrzeug Mitte violett Zug 2: 1 Triebfahrzeug vorn, 1 Triebfahrzeug hinten orange Zug 3: wie 2, 1. Triebfahrzeug bremst 5 s später blau Zug 4: wie 2, 2. Triebfahrzeug bremst 5 s später Zum Abschluss des Bachelor-Studiums sowie zum Abschluss des Master-Studiums wird von den Studierenden jeweils eine Abschlussarbeit geschrieben. In dieser werden von den Studierenden Fragestellungen mit Bezug zu laufenden Forschungsprojekten am Fachgebiet Schienenfahrzeuge behandelt. Diese Projekte sind in aller Regel sehr anwendungsorientierte Forschungsund Entwicklungsarbeiten in verschiedenen Bereichen der Schienenfahrzeugtechnik. Diese Drittmittelprojekte werden von mehreren Wissenschaftlichen Mitarbeitern und ausländischen Gastwissenschaftlern bearbeitet. Durch die Verknüpfung von Lehre und Forschung im Bereich der Abschlussarbeiten entsteht eine Win-Win- Situation: Der Studierende bekommt die Möglichkeit, an einer praxisnahen und aktuellen Fragestellung mitzuwirken und wird dabei von einem Wissenschaftlichen Mitarbeiter betreut, der ebenfalls tief in der jeweiligen Thematik steckt. Der Wissenschaftliche Mitarbeiter wiederum bekommt Zuarbeit und neue Impulse für sein Forschungsthema und seine Promotion. Systemgedanke Auch bei den Forschungsprojekten und Abschlussarbeiten spielt der Systemgedanke eine tragende Rolle. So ist etwa ein Forschungsbereich die weitere Erhöhung der Energieeffizienz des Verkehrsträgers Schiene. Ein Ansatz dabei ist die verstärkte Nutzung der elektrodynamischen Bremsen der Triebfahrzeuge. Insbesondere eine Erhöhung der elektrischen Bremskraft kann jedoch nicht ohne Betrachtung weiterer Systemparameter erfolgen. So spielen vor allem bei Güterzügen die durch Bremsvorgänge entstehenden Längsdruckkräfte eine sicherheitskritische Rolle. Mirko Leiste hat dazu in seiner Masterarbeit [1] verschiedene Möglichkeiten des verstärkten Einsatzes der elektrodynamischen Bremse und deren Auswirkungen auf die Zuglängsdynamik mit Hilfe einer Mehrkörpersimulation untersucht. Das Ergebnis der Arbeit ist, dass die Höhe der elektrischen Bremskraft bei einer Einfachtraktion vorne am Zug auch unter Berücksichtigung der Vorgänge der pneumatischen Bremse die Höhe des maximalen Längsruckkraftniveaus im Zug definiert. Die Parameter pneumatische Bremsaufbauzeit, Zuglänge und Längsneigung haben nur einen untergeordneten Einfluss. Die Parameter Kupplungsspiel und Beladungszustand hingegen haben einen deutlicheren Einfluss. Großes Potential wurde bei der Verwendung von verteilter Traktion identifiziert. Die Arbeit zeigt hier, dass die insgesamt wirkende elektrische Bremskraft bei verteilter Traktion mit zwei Triebfahrzeugen auf bis zu 480 kn erhöht werden könnte, ohne dass es zu einer Überschreitung der für vierachsige Wagen kritischen Längsdruckkraft von 240 kn käme (Bild 3).
Forschungsprojekt Swiftly Green Ebenfalls mit der Thematik der Energieeffizienzsteigerung verbunden ist das europäische Forschungsprojekt Swiftly Green. In diesem wurden verschiedene Ansätze zur Erhöhung der Energieeffizienz und damit auch der Verringerung der Treibhausgasemissionen der Verkehrsträger auf europäischen Korridoren untersucht. Am Fachgebiet Schienenfahrzeuge wurde dabei unter anderem untersucht, welche Möglichkeiten eine Hybridlokomotive bietet, die den 538 km langen Hauptlauf eines Güterzuges mit elektrischer Traktion mit 7 MW Antriebsleistung bewältigt und für kürzere nicht-elektrifizierte Strecken über einen leistungsstarken Dieselmotor mit 2 MW Antriebsleistung verfügt. Heute werden Zugläufe, bei denen am Anfang oder Ende keine Fahrleitung zur Verfügung steht, häufig komplett mit einer Diesellokomotive gefahren, weil das Vorhalten und Umspannen von mindestens zwei Lokomotiven unwirtschaftlich ist. Die genannte Hybridlokomotive ist in der Lage, den spezifischen CO 2 -Ausstoß auf der betrachteten Relation Röderau Nüttermoor signifikant zu reduzieren (Bild 4). Dies gilt auch dann, wenn der derzeitige Energiemix im Bahnstromnetz berücksichtigt wird. Im Falle grüner Energie im Bahnstromnetz sinkt der spezifische CO 2 -Ausstoß auf etwa ein Vierzigstel des Wertes einer modernen diesel-hydraulischen Lokomotive. Dass eine Hybridlokomotive auch wirtschaftliche Vorteile bietet, zeigt Bild 5. Telematik an Güterwagen 10 g/tkm 9,26 CO2-Ausstoß Spezifische Traktionskosten 8 6 4 2 0 Bild 4: Spezifische CO 2 -Emissionen auf der Relation Röderau Nüttermoor einer dieselhydraulischen Lokomotive und einer Hybridlokomotive in Abhängigkeit der Anzahl der Halte und der elektrodynamischen Bremskraft [2] (Grafik: Hecht, Leiste, Götz/TU Berlin). Count of stops (energy type): dunkelblau 21 stops, (DB energy mix/diesel) Nutzung der dynamischen Bremse dunkelgrün 2 stops (DB ernergy mix) a) = 150 kn hellblau 21 stops (green) b) = 400 kn hellgrün 2 stops (green) c) = 400 kn (nur dynamische Bremse) 7 EUR/tkm 6 5 4 3 2 1 0 7,73 0,24 0,17 0,23 0,17 0,22 0,17 Dieselhydraulik Hybrid a) Hybrid b) Hybrid c) 6,59 5,31 Dieselhydraulik 5,69 4,76 4,01 3,92 3,20 3,19 3,34 3,13 Hybrid a) Hybrid b) Hybrid c) Bild 5: Spezifische Traktionskosten auf der Relation Röderau Nüttermoor einer dieselhydraulischen Lokomotive und einer Hybridlokomotive in Abhängigkeit der Anzahl der Halte und der elektrodynamischen Bremskraft [2] (Grafik: Hecht, Leiste, Götz/TU Berlin). Count of stops: Nutzung der dynamischen Bremse: blau 21 stops a) = 150 kn grün 2 stops b) = 400 kn c) = 400 kn (nur dynamische Bremse) Ein weiteres Forschungsgebiet am Fachgebiet Schienenfahrzeuge ist die Telematik an Güterwagen. Nicht erst in der jüngsten Zeit, wo praktisch überall von Digitalisierung die Rede ist, stellt sich die Frage, wie man Güterwagen mit Sensorik ausstatten kann. Eine Herausforderung dabei ist die Energieversorgung, da Güterzüge heute standardmäßig nicht über eine elektrische Energieversorgung verfügen. In diesem Zusammenhang leistete das Fachgebiet Schienenfahrzeuge einen maßgeblichen Anteil zur Entwicklung eines sich selbst mittels piezoelektrischem Energy Harvesting versorgenden Condition Monitoring Systems für den Einsatz am Güterwagen. Dies geschah im Rahmen des vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekts Energieautarke Sensorsysteme zur Zustandsüberwachung von Güterwagen (ES- ZüG). In diesem im Februar 2016 abgeschlossenen Projekt wurde unter der Projektträgerschaft des VDI/VDE-IT durch das angetretene Konsortium, bestehend aus BASF SE, Cognidata GmbH, The smart system solution GmbH, Invent GmbH, Fraunhofer LBF und dem Fachgebiet Schienenfahrzeuge der TU Berlin hierfür ein prototypisches energieautarkes Sensorsystem (EASS) zur Anbringung am Radsatzlager entwickelt, welches gegenwärtig eine Flachstellendetektion und Heißläufererkennung realisieren kann, aber perspektivisch um weitere Funktionalitäten erweiterbar ist [3]. Die Energieversorgung wird durch Energy Harvesting und Wandlung der mechanischen Schwingungsbeziehungsweise Vibrationsenergie in elektrische Energie gewährleistet, wohingegen die Datenübertragung mit Hilfe eines passiven RFID Transceivers erfolgt. Die erzeugten Daten werden schließlich in ein ebenfalls im Rahmen des Projekts entwickeltes Monitoring-Backend zur computergestützten In- 5,53 4,74 4,90 4,68 4
standhaltungsplanung Computerized Maintenance Management System (CMMS) eingespeist [4]. Für die notwendige Auslegung des EASS wurden seitens der Projektpartner unter anderem Betriebslasten am Güterwagen messtechnisch aufgezeichnet, Mehrkörpersimulationen zur Untersuchung der Einflüsse der Randbedingungen durchgeführt sowie Laborversuche zur Optimierung der Piezokeramiken und Harvester-Schaltungen realisiert. Im Rahmen der abschließenden Validierungsmessung im ersten Quartal 2016 konnte die zufriedenstellende und korrekte Funktionsweise des gefertigten EASS-Prototypens hinsichtlich Energiekonzept und Messdatengewinnung nachgewiesen werden (Bild 6). Somit konnte die Machbarkeit eines EASS zur Sammlung von Zustandsinformationen am Güterwagen als primäres Projektziel verifiziert werden. Auch bei diesem Forschungsprojekt haben studentische Abschlussarbeiten wichtigen Input für das Projekt geliefert und damit zum Gesamterfolg des Projekts beigetragen. Systemverständnis als Schlüssel zum Erfolg Die vorangegangenen Beispiele der Abschlussarbeiten und Forschungsprojekte zeigen die Bedeutung des Systemverständnisses bei Forschung und
Bild 6: Feldtest der EASS-Prototypen am Kesselwagen im Rahmen der durchgeführten Validierungsmessung (Foto: TU Berlin). Entwicklung aber auch beim alltäglichen Betrieb des Verkehrsträgers Schiene. Ansätze zur Lösung von Problemstellungen, Verbesserungen bestehender Systeme und Innovationen haben in aller Regel Rückwirkungen auf andere Aspekte im Gesamtsystem Eisenbahn. Technische Lösungen sind nur dann gut, wenn sie sich auch eisenbahnbetrieblich und wirtschaftlich abbilden lassen. Die Vermittlung dieses Systemverständnisses an angehende Eisenbahn- Ingenieurinnen und -Ingenieure ist das Ziel der Lehre am Fachgebiet Schienenfahrzeuge. Die Anwendung des Systemverständnisses ist die Vorgehensweise bei der erfolgreichen Forschung und Entwicklung im Eisenbahnbereich am Fachgebiet Schienenfahrzeuge. Literatur [1] Leiste, M.: Bewertung und Analyse von Möglichkeiten zur Erhöhung der elektrodynamischen Bremskraft von Güterzügen mittels MKS-Simulationsrechnungen, Masterarbeit, Technische Universität Berlin, 2015. [2] Hecht, M.; Leiste, M.; Götz, G.: Energy savings with hybrid locomotives on TEN-T corridors, Swiftly Green Report, Technische Universität Berlin, 2015. [3] Hecht, M.; Krause,P.: Instandhaltung automatisch und energieautark planen, Privatbahn-Magazin, 01/2014, S. 88-90. [4] Krause, P.: ESZüG Energieautarke Sensorsysteme zur Zustandsüberwachung von Güterwagen, Präsentation, Öffentliches Statusmeeting VDI/VDE-IT, 19.- 20.05.2014, Berlin. 6