Landtagswahl im Saarland

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Transkript:

Hauptabteilung Politik und Beratung Berlin, März 2012 Landtagswahl im Saarland Landtagswahl im Saarland am 25. März 2012 Wahlanalyse Endgültiges Wahlergebnis Viola Neu ANSPRECHPARTNER: Dr. Viola Neu Dr. Michael Borchard Leiterin Team Empirische Sozialforschung Hauptabteilungsleiter Hauptabteilung Politik und Beratung Politik und Beratung Konrad-Adenauer-Stiftung e.v. Konrad-Adenauer-Stiftung e.v. Klingelhöferstr. 23 Klingelhöferstr. 23 10785 Berlin 10785 Berlin 030 26996 3506 030 26996 3550 viola.neu@kas.de michael.borchard@kas.de

1. Die Landtagswahl im Saarland Seite 3 1.1 Das Wahlergebnis im Saarland Seite 3 1.2 Wesentliche Bestimmungsgründe des Wahlergebnisses Seite 4 Im Saarland 1.3 Wählerwanderungsbilanz und das Wahlverhalten in Seite 8 verschiedenen Bevölkerungsgruppen im Saarland 2

1. Die Landtagswahl im Saarland 1 1.1 Das Wahlergebnis im Saarland Die CDU erreicht 35,2 Prozent der Stimmen (+0,7 Punkte) und entsendet 19 der insgesamt 51 Abgeordnete ins Parlament. Sie bleibt damit die stärkste Partei. Mit Ausnahme der Wahlen von 1999 und 2004, bei denen die CDU jeweils über 45 Prozent kam, bewegt sich das Ergebnis etwa auf einem durchschnittlichen Niveau. Die SPD gewinnt 6 Punkte hinzu und erreicht 30,6 Prozent. Sie gewinnt 4 Mandate hinzu, wodurch die Fraktion 17 Mitglieder haben wird. Trotz des Zugewinns kann die SPD nicht mehr an die Ergebnisse früherer Wahlen anknüpfen. Bereits 2004 als die PDS noch nicht im Landtag vertreten war, hatte die SPD mit 30,8 Prozent einen erheblichen Verlust ihrer Wählerschaft zu verzeichnen. Die Linke wird von 16,1 Prozent der Wähler unterstützt. Damit verliert sie 5,1 Punkte und wird 9 Abgeordnete stellen (-2). Nachdem Oskar Lafontaine 2005 aus der SPD austrat hat er bei der Landtagswahl 2009 mit 21,3 Prozent das mit Abstand beste Ergebnis für die Linke erreicht. Vorher hatte die Partei im Saarland keinerlei Bedeutung. Die Piraten ziehen mit 7,4 Prozent und 4 Abgeordneten erstmals in den Landtag ein. Nach Berlin (September 2011) ist dies der zweite Einzug in ein Parlament. 1 Wir danken Infratest dimap sowie der Forschungsgruppe Wahlen herzlich für die vorab Überlassung der Daten der Wahltagsbefragung. 3

Die Grünen erhalten 5 Prozent der Stimmen (-0,9 Punkte) und werden mit 2 Abgeordneten im Landtag vertreten sein (-1). Den Grünen gelang seit 1980 jetzt zum vierten Mal der Einzug ins Parlament und dies jeweils mit Ergebnissen unter 6 Prozent. Die FDP erreicht 1,2 Prozent (-8,0 Punkte) und verliert ihre fünf Mandate. Das Saarland zählt nicht zu den Stammlanden der FDP. Die FDP blieb in den 90er Jahren (1994 und 1999) unter der 5-Prozent-Hürde. Die Familienpartei kommt auf 1,7 Punkte und die NPD erzielt 1,2 Prozent. Das Saarland genau die Region um St. Ingbert Wohnsitz des ehemaligen Vorsitzenden kann als Hochburg der Partei bezeichnet werden. Die NPD verpasst 2004 mit 4,0 Prozent knapp den Einzug ins Parlament. Mit 1,2 Prozent kann sie an dieses Ergebnis nicht mehr anknüpfen und erreicht etwa das Ergebnis der Vorwahl (1,5 Prozent). Die Wahlbeteiligung ist um 6 Punkte auf 61,6 Prozent gesunken. Dies ist angesichts des hohen Anstiegs um 12,1 Punkte bei der vorherigen Landtagswahl, die vor der Bundestagswahl stattfand, eine Stabilisierung. 1.2 Wesentliche Bestimmungsgründe des Wahlergebnisses im Saarland Nachdem im Januar die erste sogenannte Jamaika -Koalition aus CDU, FDP und Grünen scheiterte, fand am 25. März die Neuwahl zum Landtag statt. CDU und SPD gingen mit der Koalitionsaussage in den Wahlkampf, eine Große Koalition anzustreben. Die SPD gab zu erkennen, dass sie nicht mit der Linken koalieren werde. Damit ergab sich keine andere wahrscheinliche Machtkonstellation 2, wodurch für die Wähler der Linken, 2 Rot-Rot hätte eine äußerst knappe Mehrheit von einem Mandat. 4

Grünen und der FDP eine Regierungsbeteiligung höchst unwahrscheinlich war. Dies führte zu einem kaum polarisierenden Meinungsklima, das sich auf SPD und CDU positiv auswirkte. Zusätzlich konnten die Piraten von dieser Situation profitieren, da vor dem Hintergrund eines vermeintlich sicheren Wahlausganges sich viele Wähler experimentierfreudig zeigten. So sagten 85 Prozent der Wähler der Piraten, dass man unter diesen Bedingungen auch mal eine andere Partei wählen könne, die sonst nicht in Frage käme (alle Befragten 35 Prozent). Als weiteres Wahlmotiv geben 85 Prozent der Anhänger der Piratenpartei die Unzufriedenheit mit anderen Parteien an (Forschungsgruppe Wahlen). Für die Wahlentscheidung spielte die Bewertung der gescheiterten Jamaika-Koalition eine große Rolle. 70 Prozent bewerteten die Arbeit der Koalition kritisch. Die Große Koalition war die Wunschkonstellation der Saarländer. Dabei gab es keinen klaren Trend zugunsten einer CDU- oder SPD-geführten Koalition. 34 Prozent bewerteten eine Große Koalition unter CDU-Führung positiv und 39 Prozent unter SPD-Führung. Auch unter der Bedingung, dass die SPD schwächer als die CDU abschneiden werde sprachen sich 70 Prozent der Saarländer für eine Große Koalition aus. Die FDP wurde von 50 Prozent der Saarländer die Schuld am vorzeitigen Ende zugeschrieben, was ihre Wahlchancen minderte (Forschungsgruppe Wahlen). Innerhalb der SPD-Anhängerschaft sprachen sich im Vorfeld der Wahl 68 Prozent dafür aus, dass die SPD auch als Juniorpartner in die Große Koalition gehen soll. Nur eine Minderheit von 23 Prozent plädierte für ein Bündnis mit den Linken (Infratest dimap). Diese Bewertung schlug sich auch in den Images der Parteien nieder. Während CDU und SPD im Vergleich zu 2009 ihr Ansehen verbessern konnten, mussten FDP und Grüne Einbußen hinnehmen. Die CDU verbesserte sich von 0,6 (auf einer von +5 bis -5 reichenden Skala) auf 1,1 die SPD von 0,8 auf 1,6. Erhebliche Einbußen hatten die FDP und 5

Grüne. Die FDP sank von 0,3 auf -2,1 ab und die Grünen von 0,2 auf -0,2. Etwa unverändert im negativen Bereich bleibt die Linke mit -0,9 (2009: - 1,1; Forschungsgruppe Wahlen). Auch in der wahrgenommenen Glaubwürdigkeit der Parteien spiegelt sich dies wider. Die SPD galt 65 Prozent und die CDU 55 Prozent als glaubwürdig, was ein sehr hohes Niveau ist, da damit beiden Parteien auch jenseits der eigenen Anhängerschaften Glaubwürdigkeit attestiert wird. Während die Grünen mit einem Wert von 35 Prozent noch ein mittleres Niveau erreichen, haben die Linke mit 24, die Piraten mit 18 und die FDP mit 14 Prozent auf dieser für Wahlentscheidungen wichtigen Dimension Ansehensverluste zu verzeichnen (Infratest dimap). Im Vorfeld der Wahl fielen die Unterschiede zwischen der CDU und SPD sowohl bei den Themen- als auch bei den Kandidatenprofilen eher schwach aus. In den Umfragen rangierten beide Parteien etwa auf einem gleich hohen Niveau. Fast gleichauf lagen CDU und SPD in der Problemlösungskompetenz in den Bereichen Arbeitsplätze, Wirtschaft sowie der Zukunftskompetenz (jeweils ca. 30 Prozent nennen CDU und SPD, Infratest dimap, Forschungsgruppe Wahlen). Einen Vorsprung hatte die CDU im Themenfeld Finanzen, die SPD im Bereich Soziale Gerechtigkeit und Schule/Bildung (Forschungsgruppe Wahlen). Als die beiden wichtigsten Probleme nannten jeweils etwa ein Drittel der Saarländer die Themen Arbeitsmarkt und Verschuldung. Für 17 Prozent standen bildungspolitische Fragen oben auf der Agenda. Andere Themen spielten so gut wie keine Rolle (Nennungen von unter 10 Prozent). Im Vergleich zur Vorwahl hat sich die Themenagenda massiv verschoben. Die Bedeutung der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat sich halbiert, die Relevanz der Bildungspolitik ist deutlich gesunken, dafür hat sich das Thema Schulden/Finanzen fast an die Spitze der Agenda geschoben. 89 Prozent der Saarländer hielten die Einführung der Schuldenbremse für wichtig (Forschungsgruppe Wahlen). 6

Die Spitzenkandidaten von CDU und SPD hatten darüber hinaus auch eine ähnliche Imagestruktur und stießen über die jeweiligen Parteigrenzen hinaus auf hohes Ansehen. Die Ministerpräsidentin Annegret Kramp- Karrenbauer erreichte einen Wert von 1,8, der Spitzenkandidat der SPD, Heiko Maas kam auf 1,9. Dabei genossen beide nicht nur in der eigenen Anhängerschaft Spitzenwerte, sondern auch in den jeweils anderen Lagern. Die Imageprofile der beiden Spitzenkandidaten ähneln sich stark. In fast allen Eigenschaftsfeldern liegen sie etwa Kopf an Kopf bzw. werden von den Wählern so gut wie keine Unterschiede wahrgenommen (Forschungsgruppe Wahlen). Beide mobilisieren etwa in gleichem Maße die eigenen Anhänger. Für die Ministerpräsidentin sprachen sich 84 Prozent und für den Herausforderer 78 Prozent der jeweils eigenen Anhänger aus (Infratest dimap). Während die Mehrheit der Saarländer mit den Spitzenkandidaten von CDU und SPD sehr zufrieden ist, kann nur noch die Linke von einem Kandidateneffekt profitieren. Der ehemalige Ministerpräsident ist der bekannteste Politiker im Saarland, gleichermaßen polarisiert er die Wähler. Lediglich in der Anhängerschaft der Linken (und mit größerem Abstand der Piraten) genießt er Zufriedenheit, alle anderen Anhängerschaften zeigen sich eher zurückhaltend. Dieser Effekt ist jedoch nicht neu und zeigte sich bereits 2009. Die Zufriedenheit mit der ehemaligen Ministerin und Spitzenkandidatin der Grünen, Simone Peter, lag mit 41 Prozent deutlich über den 30 Prozent, die Lafontaine erreichte. Der Kandidat der FDP, Oliver Luksic, der als Bundestagsabgeordneter zum Spitzenkandidaten gekürt wurde (nachdem die bisher im Lande aktiven nicht erneut antraten) litt unter einer geringen Bekanntheit. 63 Prozent der Saarländer sagten im Februar spontan, dass er ihnen unbekannt sei (Infratest dimap). 7

Im Vorfeld der Wahl wurde deutlich, dass die Wahlentscheidung für die überwiegende Mehrheit der Wähler (74 Prozent, Forschungsgruppe Wahlen) aus landespolitischen Erwägungen getroffen wurde. Der Wahlerfolg der Piraten speist sich aus mehreren Quellen: Zum einen gibt es einen Anti-Establishment-Effekt, von dem regelmäßig im Parteiensystem nicht verankerte Parteien profitieren. Von diesem Effekt haben bereits eine Reihe sehr heterogener Parteien profitiert. Viele sind wieder in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwunden (Schill-Partei, die Statt-Partei, Arbeit für Bremen, DVU, Republikaner, NPD). Zum anderen hatten die Wähler den Eindruck, dass man durchaus mit der Stimme experimentieren könne, da die Wahl im Vorfeld als schon entschieden galt. Dennoch ist das Saarland mit seiner ländlichen Struktur mit dem urbanen Milieu in Berlin nicht vergleichbar, welches dort den Wahlerfolg der Piraten begründete. Auch wenn das Saarland außer Saarbrücken (mit ca. 180.000 Einwohnern) keine urbanen Zentren aufweist, fällt auf, dass die Verteilung der Wähler recht homogen verläuft. In Gemeinden mit einer Ortsgröße von unter 10.000 Einwohnern wählen 6,8 Prozent die Partei in Saarbrücken 8,4 Prozent. Schwer abzuschätzen ist derzeit, ob nur diffuse Unzufriedenheiten mit den etablierten Parteien maßgeblich zum Wahlerfolg beitragen. Grundsätzlich andere politische Präferenzen einer Generation-Internet können für das Wahlverhalten maßgeblich sein. Doch fehlt es zur Beurteilung an empirisch belastbaren Daten. 8

1.3 Wählerwanderungsbilanz 3 und das Wahlverhalten in verschiedenen Bevölkerungsgruppen im Saarland Durch die gesunkene Wahlbeteiligung haben alle Parteien außer den Piraten Verluste gegenüber dem Nichtwählerlager zu verzeichnen. Am stärksten (proportional zum Wahlergebnis der Vorwahl) haben Linke und FDP Wähler durch Demobilisierung verloren. Die Linke gibt 17.000 und die FDP 9.000 Stimmen ab. Die Piraten gewinnen hingegen 8.000 ehemalige Nichtwähler. Dieser Effekt, dass nicht-etablierte Parteien (unabhängig von ihrer ideologischen Positionierung) überdurchschnittlich stark aus dem Nichtwählerreservoir Zuspruch finden, findet sich regelmäßig und hat aber in den letzten Jahrzehnten vor allem rechtspopulistischen wie rechtsextremen Parteien genutzt. Die CDU hat Gewinne von den Liberalen (+12.000 Stimmen) wie von der Linken (+2.000 Stimmen) zu verzeichnen. Verluste hat sie vor allem durch die gesunkene Wahlbeteiligung (-12.000) sowie gegenüber der SPD (-7.000). In geringem Umfang verliert sie auch an die Piraten (-4.000 Stimmen). Die SPD hat ebenfalls leichte Verluste durch den Wechsel zu den Piraten verzeichnen (-3.000 Wähler). 7.000 ehemalige SPD Wähler gingen nicht zur Wahl. Von allen anderen Parteien kann die SPD Wähler hinzugewinnen: FDP +8.000; CDU und Linke jeweils 7.000 und 6.000 Wähler kamen von den Grünen. Die Linke hat, außer einem kleinen Zugewinn von der FDP (+3.000), Wähler in alle Richtungen verloren. 17.000 ehemalige Wähler blieben den Urnen fern, 7.000 wechselten jeweils zur SPD und den Piraten und weitere 2.000 wählten die CDU. 3 Infratest dimap, Wahlanalyse, Landtagswahl Saarland 2012,Zusammenfassender 9

Die FDP hatte Abwanderungen in alle Richtungen zu verzeichnen. Zur CDU wechselten 12.000 Wähler, 9.000 blieben zu Hause, 8.000 entschieden sich für die SPD, 4.000 für die Piraten, 3.000 für die Linke und 2.000 für die Grünen. Die Grünen verloren 6.000 Wähler an die SPD und 3.000 an die Piraten. Mit einem Minus von 1.000 Stimmen fallen die Verluste gegenüber dem Nichtwählerlager moderat aus. Hinzu gewinnen konnten sie 2.000 Stimmen der FDP. Von den Wählern der Piraten kommen 8.000 aus dem Nichtwählerlager und 7.000 von der Linken. CDU und FDP haben jeweils 4.000 Wähler verloren, die Grünen und die SPD jeweils 3.000. Bei der Landtagswahl im Saarland haben Alter und Geschlecht einen großen Einfluss auf das Wahlverhalten. Die CDU hat weit überdurchschnittlich ältere Wählerinnen angesprochen. So stimmten 49 Prozent der über 60jährigen Frauen für die CDU. Die Piraten finden bei 18-24jährigen Männern mit 26 Prozent überproportionalen Rückhalt. Je älter die Wähler sind, desto rückläufiger ist die Zustimmung zu den Piraten. Sie haben den Grünen damit den Rang der Jungwählerpartei abgelaufen, auch wenn die Grünen nach wie vor ihre Schwerpunkte trotz Verlusten von 4 Punkten bei den 18-24jährigen bei jüngeren Wählern haben. Die Wählerschaft der SPD ist in den unterschiedlichen Altersgruppen recht homogen zusammengesetzt. Außer bei Jung- und Erstwählern hat sie in allen Altersgruppen Zugewinne. Die Linke hat ihren Schwerpunkt in mittleren Altersgruppen der 45-59jährigen, bei denen sie jedoch gleichermaßen am stärksten vor allem Männer verliert (-9 Punkte). Die Bericht von Infratest dimap, Berlin/Saarbrücken, 26. März. 10

Wählerstruktur der FDP weist keine Besonderheiten mehr auf (Infratest dimap). In der Gruppe der Beamten, der Selbständigen und der Rentner hat die CDU ihre Hochburgen, wo sie über 40 Prozent der abgegebenen Stimmen erhält. Die SPD hat bei den Arbeitern mit über 30 Prozent zwar den stärksten Rückhalt, doch kann hier auch die Linke auf eine weit überproportionale Unterstützung setzen. Die Piraten schneiden bei Beamten eher unterdurchschnittlich ab, was als Folge des geringen Alters der Wähler der Piraten gewertet werden kann (Forschungsgruppe Wahlen, Infratest dimap). Bei Infratest dimap werden sie von Arbeitern und Selbständigen leicht überdurchschnittlich unterstützt. In den Daten der Forschungsgruppe Wahlen ist dieser Effekt nicht sichtbar. Starke Verluste hat die Linke bei Gewerkschaftsmitgliedern zu verzeichnen. Gleichermaßen schneidet sie dort überdurchschnittlich gut ab. Die Wahlentscheidung der Wähler unterscheidet sich zudem deutlich anhand der konfessionellen Prägung. Die CDU wird von etwa zwei Drittel der Katholiken mit einer hohen Kirchgangsfrequenz gewählt. Auch bilden die Piraten den Gegenpol, die bei Konfessionslosen doppelt so viel Rückhalt finden wie im Durchschnitt. Die Konfessionslosen entscheiden sich auch überdurchschnittlich häufig für die Linke (Infratest dimap, Forschungsgruppe Wahlen). 11