Factsheet Gebärmutterhalskrebs und Kondylome Humane Papillomviren (HPV) sind weltweit stark verbreitet: 1 75 bis 80 % aller sexuell aktiven Menschen machen im Laufe ihres Lebens eine HPV-Infektion durch. 2 Die Ansteckung erfolgt über Haut- und Schleimhautkontakte, und in erster Linie beim Geschlechtsverkehr 2 andere Übertragungswege sind möglich, aber selten. Kondome können die Ansteckungsgefahr bei konsequenter Verwendung zwar verringern, bieten aber keinen vollständigen Schutz. 2 Gebärmutterhalskrebs Gebärmutterhalskrebs ist weltweit der häufigste maligne Genitaltumor der Frau. 3 In Deutschland erkranken jedes Jahr ca. 4.600 Frauen an einem Zervixkarzinom, 1.500 versterben daran. 4 Etwa 80 % der Zervixkarzinome sind Plattenepithelkarzinome, 20 % Adenokarzinome. 3 Gebärmutterhalskrebs wird in über 99 % aller Fälle durch eine persistierende Infektion mit onkogenen Hoch-Risiko-Genotypen des humanen Papillomvirus (HPV) verursacht. 3 Hochrisiko-HPV-Typen: Auslöser anogenitaler Karzinome Die neoplastische Progression zum Zervixkarzinom dauert i.d.r. über viele Jahre an 5 und erfolgt über nicht-invasive, präkanzeröse Epithelveränderungen, die als zervikale intraepitheliale Neoplasien (CIN, Grade 1-3) bezeichnet werden: 6 CIN 1 = leichte Dysplasie CIN 2 = mittelschwere Dysplasie CIN 3 = schwere Dysplasie oder auch Carcinoma in situ. Unter den mindestens 13 Hoch-Risiko-HPV-Genotypen sind die HPV-Typen 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58 für ca. 90 % der Zervixkarzinome und 75 bis 85 % der hochgradigen intraepithelialen Neoplasien der Zervix (CIN 2/3) verantwortlich. 7 Psychische Belastung durch Hoch-Risiko-HPV-Genotypen assoziierte Erkrankungen Die Beobachtungsstudie von Nagele et al. (2016) untersuchte die sexuelle Aktivität, die psychosexuelle Belastung und die Angst vor der Progression von Frauen mit präkanzerösen Läsionen der Zervix, Vagina oder Vulva zum Zeitpunkt der
Diagnosestellung. 8 In die Studie wurden Frauen ab einem Alter von 18 Jahren mit einer Überweisung zur Abklärung von verdächtigen präkanzerösen genitalen Läsionen eingeschlossen, die keine vorausgegangenen oder gleichzeitigen malignen Tumore hatten. 8 Im Zeitraum von 2012 bis 2014 wurden Informationen von 209 Frauen 8 mittels verschiedener Fragenbögen zur sexuellen Aktivität (SAQ: Sexual Activity Questionnaire), 8 zur Wahrnehmung von diagnostischen Maßnahmen und von Sorgen und Bedenken hinsichtlich der sexuellen Funktion bei präkanzerösen Läsionen (CDDQ: Cervical Dysplasia Distress Questionnaire) 8 sowie zur Angst des Patienten vor einer Progression der Erkrankung (FoP-Q: Fear of Progression Questionnaire) analysiert. 8 Die Ergebnisse des CDDQ-Fragebogens zeigten, dass in der Studienpopulation der Anteil der Frauen mit Läsionen der Vulva die meisten Bedenken in Bezug auf mögliche sexuelle Konsequenzen wie z. B. einer geringeren sexuellen Attraktivität oder der Infizierung des Partners hatte (Vulva: 1,2 ± 0,8; Zervix und Vagina beide 0,8 ± 0,6; p = 0,04). 8 Zudem fielen psychosexuelle Belastungen generell geringer aus im Vergleich zu einer Referenzpopulation amerikanischer Frauen mit einem abnormalen Abstrichbefund (Spannung und Unbehagen, 1,2 ± 0,9 vs. 2,1 ± 0,7; p < 0,001; Verlegenheit, 0,6 ± 0,8 vs. 1,5 ± 0,8; p < 0,01; sexuelle Konsequenzen, 0,9 ± 0,6 vs. 1,5 ± 0,6; p < 0,001). Darüber hinaus waren 70 % der Studienpopulation darüber besorgt, dass die HPV-Läsionen die Freude am Sex beeinflussen könnten, 53 %, dass der Sex nun schmerzhafter sein könnte und 50 % hatten Bedenken, dass der Sex die Probleme möglicherweise verschlimmern könnte. Sorgen bezüglich einer sexuellen Übertragung waren in der Studienpopulation häufig. 55 % der Frauen waren beunruhigt, dass sie ihren Partner infizieren könnten und 45 % waren besorgt, dass der Partner eine Ansteckung befürchten könnte. 8 Obwohl die Angst vor Progression gemessen anhand des FoP-Q-Fragebogens weniger ausgeprägt war im Vergleich zu einer Referenzpopulation von Krebspatienten (8,1 ± 2,5 vs. 9,4 ± 2,8; p < 0,05), waren die partnerspezifischen und familienbezogenen Bedenken der Studienpopulation ähnlich zu denen dieser Referenzpopulation (hinsichtlich Diagnose: 2,3 ± 0,9 gegenüber 2,4 ± 0,8; p = 0,28 und hinsichtlich Strategien zum Umgang mit Stress-Situationen: 3,6 ± 0,6 gegenüber
3,6 ± 0,6; p = 1). Auch war das sexuelle Unbehagen vergleichbar mit einer Referenzpopulation von Frauen nach einer Gebärmutterhalskrebs-Behandlung. 8 HPVvermittelte präkanzeröse Genitalläsionen heilen zwar unter Umständen von alleine aus, rufen allerdings Bedenken im Hinblick auf sexualgesundheitliche Konsequenzen und Ängste bezüglich einer Krankheitsprogression hervor, so das Resümee der Studienautoren. 8 Diagnostik und Therapie Benigne Veränderungen der Zervix und Vorstadien des Zervixkarzinoms sind meist symptomlos und werden oftmals durch die routinemäßigen Vorsorgeuntersuchungen (PAP-Abstrich) entdeckt. 3 Ein auffälliger Befund erfordert die weitere Untersuchung mittels Kolposkopie einschließlich Essig- und Iodprobe. Von verdächtigen Arealen können dann gezielt Knipsbiopsien entnommen werden. 3 Da sich präkanzeröse Läsionen häufig zurückbilden, ist bei einer CIN I und II eine abwartende Haltung gerechtfertigt. Voraussetzung ist, dass die Läsionen alle 3 bis 6 Monate kontrolliert und durch Kolposkopie gut eingesehen werden können. Bei Persistenz über ein Jahr sollte dann das erkrankte Epithel durch eine Konisation entfernt werden. Eine CIN III muss durch eine Konisation im Gesunden entfernt werden. 3 Überschreitet die intraepitheliale Neoplasie die Basalmembran und wächst invasiv in das subepitheliale Bindegewebe hinein, spricht man von einem Zervixkarzinom. 3 Die Therapie des Zervixkarzinoms richtet sich neben der Diagnosestellung nach der Stadieneinteilung des Tumors, die auf der UICC/TNM-Klassifikation von 2010 und fakultativ zusätzlich auf der FIGO-Klassifikation basiert. 9 Im Gegensatz zur CIN zeigen Karzinome, insbesondere in fortgeschrittenem Stadium, Symptome wie abnormale Blutungen, übel riechender Fluor und Schmerzen im Unterleib. 3 Die Diagnosestellung erfolgt über die gynäkologische Untersuchung. Besteht Verdacht auf ein Karzinom, wird eine Biopsie für eine histologische Befundung durchgeführt. 3 Weitere Untersuchungen, um das Ausmaß der Tumorausbreitung bei Karzinomen zu beurteilen, bestehen unter anderem aus: 3 Sonografie von Leber und Nieren Röntgenaufnahmen der Lunge Zystoskopie Rektoskopie Computertomographie oder Magnet-Resonanz-Tomographie des kleinen Beckens (ab Stadium FIGO IB)
Die Standardtherapie früher Stadien (FIGO IA-IIB) des Zervixkarzinoms besteht aus einer Operation, wie beispielsweise einer Konisation, Hysterektomie oder Exenteration. 3 In fortgeschrittenen Stadien ist in der Regel eine Radiochemotherapie angezeigt. 3 Kondylome Anogenitale Condylomata acuminata werden in 90 % der Fälle durch die Niedrig-Risiko-HPV- Typen 6 und 11 verursacht. 10 Meist stellt sich das klinische Aussehen der spitzen Kondylome (Condylomata acuminata) als einzeln liegende oder hahnenkamm- und beetartig angeordnete papilläre, hyperkeratotische Hautwucherungen mit einer Höhe von wenigen Millimetern dar. Sie können aber auch eine Größe von mehreren Zentimetern erreichen oder als sogenannte flache Kondylome auftreten. 3 Beschwerden sind meist Juckreiz, vermehrter Fluor sowie durch die leichte Verletzbarkeit der Kondylome bedingte Blutungen. Am häufigsten treten Genitalwarzen bei Frauen an Vulva, Introitus und Perineum auf. 3 Bei Männern zählen Condylomata acuminata zu den häufigsten HPV-assoziierten, gutartigen Läsionen des Urogenitaltrakts. 11 Psychosoziale Belastung durch HPV-assoziierte Kondylome Feigwarzen (Condylomata acuminata) verursachen zumeist kaum körperliche Beschwerden, 3 können jedoch erhebliche Auswirkungen auf die Psyche der Betroffenen haben. Dies zeigen Daten der multizentrischen Beobachtungstudie von Dominiak-Felden et al. (2013), die den Einfluss von HPV-assoziierten Erkrankungen, wie z. B. Feigwarzen oder anogenitale Neoplasien, auf die Lebensqualität und das psychosoziale Wohlbefinden der Patienten evaluierten. 12 Zwischen Mai 2008 und März 2009 füllten 842 Studienteilnehmer mindestens einen Fragebogen aus. 12 Der HIP-Fragebogen (HPV-Einflussprofil-Fragebogen) wurde entwickelt, um die psychosoziale Belastung von Frauen mit einer HPV-assoziierten Erkrankung zu untersuchen. Über diesen Fragebogen wurden den Frauen 29 Fragen zu 7 psychosozialen Aspekten einer HPV-assoziierten Erkrankung gestellt, welche die Teilnehmerinnen jeweils mit einem Wert von 0-100 bewerten sollten: Sorgen und Bedenken Emotionaler Einfluss Sexueller Einfluss Selbstbild Partner-Fragen und Transmission
Interaktion mit dem Arzt Gesundheitskontrolle und Einfluss auf das Leben Je höher der HIP-Score war, umso stärker waren die psychosozialen Auswirkungen einer HPV-Erkrankung. 12 Es zeigte sich, dass alle Patientinnen mit HPV-bedingten Erkrankungen einen signifikant höheren mittleren HIP-Score gegenüber Frauen mit normaler zervikaler Zytologie hatten (p < 0,001). 12 Dabei empfanden Patientinnen mit Condylomata im Vergleich zu Frauen mit normaler Zytologie die größte psychosoziale Belastung (HIP- Score von 50,9; SD: 18,3 gegenüber 22,3; SD: 11,5). Selbst gegenüber Patientinnen, die an mittelschweren oder schweren vaginalen intraepithelialen Neoplasien (VIN) erkrankt waren, war der mittlere HIP-Score von Condylomata-Patientinnen erhöht (50,9; SD: 18,3 gegenüber 43,8; SD: 20,2; p = 0,044). 12 In einem weiteren Fragebogen (European Quality of Life Index Version 5D, EQ-5D), einem Fragebogen zum Einfluss einer Erkrankung auf den allgemeinen Gesundheitsstatus, wurde die Lebensqualität in Bezug auf die Mobilität, Selbstversorgung, gewöhnliche Aktivitäten, Schmerzen/Unwohlsein und Angst/Depressionen beurteilt. 12 Die Ergebnisse zeigten, dass Patientinnen mit Feigwarzen signifikant häufiger über Ängste und Depressionen berichteten als die Allgemeinbevölkerung in Großbritannien (41 % [95 % KI: 32,7-49,3] gegenüber 19 %, p < 0,001). 12 Die Autoren vermuten, dass der hohe psychosoziale Einfluss auf die Sichtbarkeit der Feigwarzen zurückgeht, was für die Patientinnen besorgniserregend und unangenehm ist und zu Gefühlen der Ängstlichkeit, Depression, Wut, Angst vor Ansteckung, Scham und Verlegenheit führt. Diagnostik und Therapie Anhand der typischen hahnenkammartigen Erscheinungsform sind Kondylome meist bereits makroskopisch zu diagnostizieren. In manchen Fällen können aber auch Probeexzisionen zum histologischen Ausschluss maligner oder prämaligner Veränderungen nötig sein. 3 Bisher ist noch keine kausale Therapie verfügbar. 3 Die symptomatische Behandlung besteht aus einer mechanischen Entfernung der Kondylome und erfolgt mittels Kryotherapie, Betupfen mit Trichloressigsäure, chirurgischer Abtragung oder Vaporisation mit einem CO2-Laser. Bei diesen Methoden werden Rezidivraten von bis zu 75 % beschrieben. 3
Impfen als Primärprävention Die Impfung gegen HPV wird sowohl von der S3-Leitlinie zur Impfprävention HPVassoziierter Neoplasien 13 als auch von der Ständigen Impfkommission am Robert Koch- Institut (STIKO) 14 für Mädchen im Alter von 9 bis 14 Jahren empfohlen. Zur Prävention von bestimmten anogenitalen HPV-assoziierten Erkrankungen stehen unterschiedliche HPV- Impfstoffe zur Verfügung: 14 ein bivalenter HPV-Impfstoff (Cervarix ), der virusähnliche Partikel der HPV-Typen 16 und 18 enthält 15 ein nonavalenter HPV-Impfstoff (GARDASIL 9), der virusähnliche Partikel der HPV- Typen 6, 11, 16 und 18 sowie 31, 33, 45, 52 und 58 enthält. 7 GARDASIL 9 GARDASIL 9 ist ein nonavalenter HPV-Impfstoff, der in Deutschland seit 2016 zur aktiven Immunisierung von Personen ab einem Alter von 9 Jahren vertrieben wird, um folgenden anogenitalen Erkrankungen vorzubeugen, die durch die HPV-Typen 6, 11, 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58 verursacht werden: 7 Vorstufen maligner Läsionen und Karzinome, die die Zervix, Vulva, Vagina und den Anus betreffen Genitalwarzen (Condylomata acuminata) GARDASIL 9 ist ein adjuvantierter, nicht infektiöser, rekombinanter, 9-valenter Impfstoff. Er enthält hochgereinigte virusähnliche Partikel (VLPs1) des Hauptkapsidproteins L1 der neun HPV-Typen 6, 11, 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58. 7
Literatur 1. World Health Organization. http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs380/en/; zuletzt aufgerufen am 10.10.2017. 2. Deutsches Krebsforschungsinstitut - Krebsinformationsdienst. HPV. https://www.krebsinformationsdienst.de/vorbeugung/risiken/hpv2.php#inhalt4; zuletzt aufgerufen am 30.10.2017 3. Gätje R et al. Kurzlehrbuch Gynäkologie und Geburtshilfe. Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, 2015 4. Robert Koch-Institut. http://www.rki.de/de/content/infekt/impfen/forschungsprojekte/hpv- Praevalenzstudie/HPV_node.html; zuletzt aufgerufen am 17.11.2017 5. Vink MA et al. Am J of Epid 2013;178:1161 1169. 6. Deutsches Krebsforschungsinstitut - Krebsinformationsdienst. Gebärmutterhalskrebs. https://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/gebaermutterhalskrebs/vorstufen.php#c in; zuletzt aufgerufen am 17.11.2017 7. Fachinformation GARDASIL 9. Stand: Januar 2017. 8. Nagele E et al. J Sex Med 2016;13(2):253-259. 9. AMWF. 032/033OL - S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Zervixkarzinom. Stand: September 2014. 10. National Cancer Institute. https://www.cancer.gov/about-cancer/causesprevention/risk/infectious-agents/hpv-fact-sheet; zuletzt aufgerufen am 17.11.2017 11. Rodríguez-Pinilla SM et al. Virchows Archiv 2003;442:601 604. 12. Dominiak-Felden G et al. BMC Public Health 2013;13:1065 13. AMWF. 082/002 S3-Leitlinie zur Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien. Stand: 12/2013. 14. Robert Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin 34/2017. 15. Fachinformation Cervarix. Stand: Februar 2017.