Anhörung des Kindes im Scheidungsverfahren



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Merkblatt Amt für Jugend und Berufsberatung Kanton Zürich Dörflistrasse 120 8090 Zürich Jugend- und Familienhilfe Telefon 043 259 96 50 Fax 043 259 96 08 jfh@ajb.zh.ch Anhörung des Kindes im Scheidungsverfahren Gilt analog für Anhörungen im Auftrag vormundschaftlicher Behörden im Zusammenhang mit dem Erlass von Kindesschutzmassnahmen (Art. 314 Ziff. 1 ZGB) Inhalt A B C D E F G Rechtliche Grundlagen Bedeutung, Zweck und Abgrenzung Auftraggeber und Zuständigkeit Entgegennahme des Auftrags und Vorbereitung der Anhörung Durchführung der Anhörung Protokoll Anforderungen an die Anhörenden

2 A Rechtliche Grundlagen UNO-Konvention über die Rechte der Kinder vom 20. November 1989 Art. 12 Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äussern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife. Zu diesem Zweck wird dem Kind insbesondere Gelegenheit gegeben, in allen das Kind berührenden Gerichts- und Verwaltungsverfahren entweder unmittelbar oder durch einen Vertreter oder eine geeignete Stelle im Einklang mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften gehört zu werden. Schweizerisches Zivilgesetzbuch ZGB Art. 144 Sind Anordnungen über Kinder zu treffen, so hört das Gericht die Eltern persönlich an. Die Kinder werden in geeigneter Weise durch das Gericht oder durch eine beauftragte Drittperson persönlich angehört, soweit nicht ihr Alter oder andere gewichtige Gründe dagegen sprechen. Verfahrensrechtliche Bestimmungen Gerichtsverfassungsgesetz vom 13. Juni 1976 141 Abs. 2 Für die Anhörung von Kindern zur Regelung der elterlichen Sorge und des persönlichen Verkehrs kann auf ein Handprotokoll und eine nachträgliche Ausfertigung verzichtet werden. Statt dessen können die Ergebnisse der Anhörung unmittelbar nach der Anhörung schriftlich festgehalten werden. Zivilprozessordnung vom 13. Juni 1976 201b Die Anhörung der Kinder erfolgt durch den Einzelrichter oder durch den Referenten des Gerichts. Er kann damit eine Fachperson für Kinderfragen beauftragen. Die Anhörung erfolgt in der Regel ohne Beisein der Eltern und deren Prozessvertretungen. Wurde dem Kind eine Vertretung bestellt, so nimmt sie in der Regel an der Anhörung teil. Die Anhörung wird in der dem Alter und der Reife des Kindes angemessenen Form durchgeführt; sie kann auch ausserhalb des Gerichtsgebäudes stattfinden. Den Eltern und der mit der Kindervertretung betrauten Person wird vom Gericht Gelegenheit gegeben, zum Ergebnis der Anhörung Stellung zu nehmen.

3 B Bedeutung, Zweck und Abgrenzung Bedeutung Für das Kind Die Anhörung ist ein Persönlichkeitsrecht des Kindes und soll im Scheidungsverfahren deshalb die Regel sein. Es darf nur in begründeten Ausnahmefällen darauf verzichtet werden. Für das Gericht Das Gericht nimmt die Meinung des Kindes durch eigene Anhörung oder aus dem schriftlichen Protokoll als dritte Meinung neben den Meinungen der zwei Elternparteien zur Kenntnis und gewichtet sie nach seinem Ermessen bei den gerichtlichen Entscheidungen. Zweck Für das Kind Das Kind kann sich zu jenen Scheidungsbelangen äussern, von denen es betroffen ist. Die anhörende Instanz erfährt, was das Kind über die Scheidung und deren Folgen weiss, und kann falsche Informationen korrigieren und fehlende ergänzen. Die Anhörung dient schliesslich dem Zweck, einen allfälligen, im Interesse des Kindes liegenden Bedarf nach vertiefter Untersuchung oder Begutachtung bzw. nach Bestellung eines Prozessbeistands zu klären. Für das Gericht bzw. die anhörende Instanz Das Gericht bzw. die anhörende Instanz erfährt die Bedürfnisse und Vorstellungen des Kindes hinsichtlich jener Belange, von denen es selbst betroffen ist. Abgrenzung Eine Anhörung ist weder eine Beratung noch eine Begutachtung. (Sie kann aber den Bedarf an Beratung des Kindes bzw. der Eltern oder die Notwendigkeit einer Begutachtung deutlich machen. Dies ist im Protokoll im Sinne einer Empfehlung zu vermerken.) Im Gegensatz zur Begutachtung ist nur das Kind Gesprächspartner der anhörenden Person. Seine Meinung bzw. seine Äusserungen sind Inhalt des Protokolls.

4 C Auftraggeber und Zuständigkeit Auftraggeber Gerichte. Zuständigkeit Sowohl Fachkreise der Rechtsprechung wie der Jugendhilfe empfehlen zur Durchführung der Anhörung die folgende Regelung: Anhörung durch das Gericht Schulkinder bis 11 Jahre in unstrittigen Verfahren; Kinder über 11 Jahre in allen Verfahren. Anhörung durch eine Fachstelle Kinder im Vorschulalter (durch Erziehungsberater/in Kleinkindberatung [KKB] 1 ). Schulkinder bis 11 Jahre in strittigen Verfahren (durch Sozialarbeiter/in Jugend- und Familienberatung [JFB] 1 ). Behinderte oder kranke Kinder oder wenn mit besonderen Schwierigkeiten zu rechnen ist (Erziehungsberater/in KKB bzw. Sozialarbeiterin JFB, je nach Alter des Kindes 1 ). 1 JS-interne Aufgabenzuteilung

5 D Entgegennahme des Auftrags und Vorbereitung der Anhörung Entgegennahme des Auftrags Das den Anhörungsauftrag erteilende Gericht muss dem Jugendsekretariat nebst einem schriftlichen Auftrag zumindest die für die Kinderbelange massgeblichen Gerichtsakten zustellen, z.b. die Konvention und das Protokoll über die Anhörung der Eltern. (Siehe dazu das Kreisschreiben des Obergerichtes vom 29. September 1999: "Die Anhörung setzt Vorbereitung und damit Kenntnis der elterlichen Standpunkte voraus.") Die Eltern müssen das Kind über die bevorstehende Anhörung informiert haben. Aus den Unterlagen oder aus telefonischen Auskünften des Gerichts muss hervorgehen, dass diese Information erfolgt ist. Fehlen Akten oder Angaben oder sind sie unvollständig, so hat sie das Jugendsekretariat beim Gericht einzufordern. Anhand der zur Verfügung stehenden Akten und Informationen prüft das Jugendsekretariat, ob die Voraussetzungen für eine Anhörung gegeben sind oder ob nicht eher eine Abklärung durchgeführt werden sollte; z.b. bei kranken oder behinderten Kindern. Trifft Letzteres zu, nimmt das Jugendsekretariat mit dem auftraggebenden Gericht Rücksprache. Vorbereitung der Anhörung Die mit der Anhörung betraute Person nimmt telefonisch Kontakt auf mit dem Elternteil, bei dem das Kind lebt. Achtung: Bei diesem Telefongespräch geht es lediglich um Informationen, nicht um Beratung oder um Erörterung irgendwelcher Probleme. Der Elternteil ist zu informieren über die mit der Anhörung beauftragte Stelle sowie über Ort, Zeit und Durchführung der Anhörung; das zuhanden des Gerichts zu erstellende Anhörungsprotokoll, über welches das Gericht die Eltern informieren wird; das Recht des Kindes, eine Person seines Vertrauens - nicht aber Vater oder Mutter - zu bezeichnen, die bei der Anhörung anwesend ist. Der Elternteil ist telefonisch zu Folgendem zu befragen: Informationsstand des Kindes: Was weiss es über die Scheidung seiner Eltern und die Scheidungsfolgen? Was weiss es über die bevorstehende Anhörung? Wer hat das Kind darüber informiert? Wer bringt das Kind zur Anhörung? (Es sollte eine Person sein, zu der das Kind Vertrauen hat, z.b. die Mutter, der Vater, die Patin.) Schriftliche Einladung des Kindes zur Anhörung. Die Einladung ist an die Adresse jenes Elternteils zu schicken, bei dem das Kind lebt. Kopie der Einladung an den Prozessvertreter bzw. die Prozessvertreterin des Kindes. Örtlichkeiten und Setting Die Anhörung soll in einem für Beratungen eingerichteten Büro in einem Jugendsekretariat stattfinden. Dem Kind müssen altersgerechte Spielsachen, eine passende Sitzgelegenheit und evtl. ein Tisch zur Verfügung stehen. Es sollte sich während des Gesprächs mit Zeichnen oder einer einfachen Beschäftigung etwas ablenken können. Die anhörende Person ist während der Anhörung in der Regel mit dem Kind allein. Als Zuhörende können teilnehmen:

6 auf Wunsch des Kindes eine von ihm bezeichnete Person seines Vertrauens - nicht aber Vater oder Mutter; der Prozessvertreter bzw. die Prozessvertreterin des Kindes. Fremdsprachige Kinder sollten möglichst von einer Person angehört werden, die ihre Sprache versteht und spricht. Kann dies nicht eingerichtet werden, ist eine Übersetzerin oder ein Übersetzer beizuziehen. Bei der Anhörung von Kindern aus anderen Kulturkreisen ist die Konstellation Kind - anhörende Person zu prüfen; z.b. sollten muslimische Mädchen nicht durch einen Mann allein angehört werden. Anhörung von Geschwistern: Eine gemeinsame Anhörung hat den Vorteil, dass sich die Geschwister gegenseitig unterstützen können; Kinder im Vorschulalter sollten deshalb in der Regel gemeinsam angehört werden. Die getrennte Anhörung bringt demgegenüber die individuellen Bedürfnisse des einzelnen Kindes besser zur Geltung. Übergabe/Übernahme des Kindes Entweder wird das Kind von der Begleitperson in den Anhörungsraum gebracht und dort übergeben oder die Übergabe findet in einem Vorraum oder einem Wartezimmer statt. Wichtig ist, dass sich die anhörende Person über die Übergabemodalitäten im Voraus Gedanken macht - und dass sie beweglich ist, die vorgesehene Variante bei Bedarf anzupassen. Das Kind bzw. die begleitende Person bei der Übergabe fragen nach: wichtigen Vorkommnissen der letzten Zeit und des heutigen Tages; aktuellen Befindlichkeiten des Kindes wie Gesundheit, Schlaf. Eine Anhörung sollte in der Regel nicht länger als 1 Stunde dauern. Die Begleitperson ist anzuhalten, das Gebäude während dieser Zeit zu verlassen, und es wird mit ihr vereinbart, wann sie zur Übernahme des Kindes wieder zurück sein soll.

7 E Durchführung der Anhörung Die Anhörung ist ein einmaliges Gespräch. Sie konzentriert sich thematisch auf die für das Kind mit der Scheidung der Eltern verbundenen Folgen wie Kinderzuteilung und Kontakt zum nicht mit dem Kind zusammenwohnenden Elternteil. Die Anhörung bietet dem Kind Gelegenheit, über die Auswirkungen der elterlichen Scheidung auf seine künftige Lebenssituation zu sprechen. Das Kind hat ein Recht auf freie Meinungsäusserung, kann aber auch auf eine Aussage verzichten. Einstieg und Beginn Im Sinne einer "Anwärmphase" dem Kind Gelegenheit geben, sich mit dem Raum und der anhörenden Person vertraut zu machen. Durch Fragen zum aktuellen Alltag, zu Freizeit, Kindergarten oder Schule einen lockeren Beziehungsrapport herstellen. Dem Kind sich selbst und das Jugendsekretariat kurz vorstellen. Dem Kind erklären, dass es hier ist, weil das Gericht eine Anhörung angeordnet hat, und dass alle Kinder, deren Eltern sich scheiden, das Recht auf Anhörung haben; beide Eltern über die Anhörung informiert sind und wissen, dass das Kind in diesem Rahmen seine Meinung kundtun darf; jetzt mit ihm über wichtige Fragen gesprochen werden soll und dass es für die anhörende Person wichtig ist, seine Antworten zu verstehen; es mitteilen kann, wenn es etwas nicht weiss oder nicht sagen will, dass es nachfragen darf, wenn es etwas nicht versteht. Fragen zur Wohn- und Familiensituation stellen: Mit wem wohnst du jetzt zusammen? Wer gehört auch noch zur Familie? Gibt es noch jemand, der wichtig ist für dich oder der bei dir wohnt? Keine testologischen Methoden anwenden und besser auch kein testologisches Material einsetzen! Das Gespräch aber evtl. durch spielerische Methoden und Hilfsmittel unterstützen. Das Kind darüber orientieren, dass über die Anhörung ein summarisches Protokoll erstellt wird; das Gericht das Protokoll erhält und die Eltern darüber orientiert; es sich dazu äussern darf, ob es Dinge gibt, die nicht an die Eltern weitergegeben, d.h. nicht ins Protokoll aufgenommen werden sollen. Fragestellungen Das Gericht stellt keinen Fragenkatalog auf, sondern erteilt lediglich einen Auftrag zur Anhörung des Kindes. Es weist jedoch bei Bedarf auf besondere Probleme oder eine sensible Fragestellung hin, welche bei der Anhörung zu berücksichtigen ist. Die Anhörenden legen die Fragestellungen somit selber fest. Dabei sind zu berücksichtigen: Alter und Entwicklungsstand des Kindes; seine Fähigkeiten im sprachlichen Ausdruck und in der Vorstellung von Zeiträumen. Das Kind ist anzuhören zu seiner aktuellen Befindlichkeit: Wie geht es ihm in der gegenwärtigen Lebenssituation? Gibt es etwas, das es bedrückt, ihm Sorgen macht jetzt oder für die Zeit, wenn die Eltern getrennt sind? Gibt es Dinge, die jetzt oder später besonders wichtig sind?

8 seinem Informationsstand über das Scheidungsverfahren: Was weiss es über das Verfahren und dessen aktuellen Stand? Wie interessiert ist es daran? Welche Bedeutung hat das Verfahren für das Kind? den nach der Scheidung vorgesehenen, bereits vereinbarten Regelungen: Kennt es die von den Eltern geplanten Regelungen? (Z.B. Bei wem lebt das Kind? Wie ist der Kontakt zum andern Elternteil geplant? Zu den Geschwistern? Zu Verwandten, Bekannten, Freundinnen, Schulkollegen?) seiner Einstellung zu diesen Regelungen. Das Kind darf nicht über die möglichen Gründe, die seine Eltern zur Scheidung bewogen haben, befragt werden. Dem Kind erklären, dass das Gericht an seinen Aussagen interessiert ist und sie in seine Überlegungen einbeziehen wird; es für den nachmaligen Entscheid des Gerichtes aber keine Verantwortung trägt. Mögliche Schwierigkeiten Will das Kind keine (weiteren) Aussagen machen, so ist es nach den Gründen seines Verhaltens zu fragen. Sind es sich "äussere" Gründe wie Blockade oder Instruktion, die dem Kind im Moment eine Aussage verwehren, so soll eine zweite Anhörung in Betracht gezogen und vorgeschlagen werden; evtl. an einem anderen Ort und/oder in Anwesenheit einer vom Kind bestimmten Person (nicht Mutter oder Vater). Über das weitere Vorgehen entscheiden: Entweder zweite Anhörung organisieren. Oder Ergebnisse der ersten Anhörung protokollieren und begründen, weshalb eine zweite Anhörung nicht sinnvoll ist. Abschluss Der Abschluss der Anhörung muss dem Kind eine Abrundung der Situation ermöglichen. Es soll ihm eine möglichst grosse Gewissheit vermittelt werden. Dazu gehören: Feedback über sein Verhalten. Information zum Protokollinhalt. Information über die Fortsetzung des Verfahrens: Protokoll an das Gericht, Information der Eltern und Würdigung der Anhörungsergebnisse durch das Gericht.

9 F Protokoll Protokollierung Die Anhörung ist durch die anhörende Person zu protokollieren (keine elektronischen Aufnahmen, keine zusätzliche Protokollführerin). Die Protokollführung darf weder die anhörende Person noch das Kind ablenken; deshalb nicht mitschreiben oder stenographieren, lediglich gelegentlich Notizen machen. Summarisches Protokoll (siehe vorne, Gerichtsverfassungsgesetz Art. 141, Abs. 2) Kein Wort-, sondern ein summarisches Protokoll, umfassend Beteiligte, Zeit, Datum, Ort; Inhalt der Anhörung (Fragen der/des Anhörenden; verbale Antworten und nonverbale Äusserungen des Kindes); Verlauf und besondere Vorfälle; Eindrücke und Einschätzung z.b. der Glaubwürdigkeit und des Gehalts der Anworten. Hinweise auf allfällige Belastungen des Kindes und Empfehlung notwendiger Massnahmen wie z.b. Begutachtung. Das Protokoll ist unmittelbar nach Beendigung der Anhörung zu erstellen; sein Umfang soll in der Regel eine Seite A4 nicht übersteigen.

10 G Anforderungen an die Anhörenden Die anhörende Person muss über eine Grundausbildung in Beratung, entwicklungspsychologisches Fachwissen und Sachkompetenz über Trennung und Scheidung, Gerichts-, speziell Scheidungsverfahren und Scheidungsrecht verfügen. Sie darf nicht bereits mit dem Kind bzw. seiner Familie gearbeitet haben. Kinder im Vorschulalter sind in der Regel durch Erziehungsberaterinnen KKB, Schulkinder durch Sozialarbeiter/innen JFB anzuhören. Gutgeheissen am 21. Januar 2000 von der Stellenleiter-/Delegierten-Konferenz JFB Fassung nach Korrekturen durch V. Bräm 7. Februar 2000