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Transkript:

65 lauterbomia H. 9: 65-72, Dinkelscherben, Februar 1992 Ein bemerkenswerter Fundort von Corbicula fluminalis MÜLLER 1774 im Rhein - mit Anmerkungen zur Ökologie und zu weiteren Vorkommen der Art in Baden-Württemberg [A remarkable locality of Corbicula fluminalis MÜLLER 1774 in the river Rhine. with notes on ecology and additional presence of the species in Baden-Württemberg] Axel Alf Mit 3 Abbildungen und 1 Karte Schlagwörter: Corbicula, Bivalvia, Mollusca, Neozoen, Rhein, Neckar, Baden- Württemberg, Deutschland, Faunistik, Ausbreitung, Einwanderung, Ökologie, Taxonomie, Schalenmißbildung Im Bereich der Kühlwasserfahne des Kernkraftwerkes Philippsburg wurde im Rhein die Muschel Corbicula fluminalis in großer Siedlungsdichte gefunden. Weitere dominante Arten waren Dreissena polymorpha, Gammarus tigrinus und Dugesia tigrina. Die ökologischen Ansprüche von Corbicula werden nach den bisherigen Fundorten charakterisiert. Es wird auf eine bei Dreissena und Corbicula auftretende Schalenmißbildung hingewiesen, mögliche natürliche Feinde werden diskutiert. Das Auftreten einer weiteren Corbicula-Art (Corbicula fluminea MÜL LER 1774) im Rhein und im Neckar wird angezeigt. In the cooling water stream of the nuclear power plant Philippsburg Corbicula fluminalis was found in great colonies. Other species found dominantely were Dreissena polymorpha, Gammarus tigrinus and Dugesia tigrina. The ecological demand of Corbicula is characterized on the locations the species was found. There are notes on a malformation of the shells of Dreissena and Corbicula, natural enemies were discussed. The appearance of another Corbicula-species (Corbicula fluminea MÜLLER 1774) in the Rhine and the Neckar river is announced. 1 Fundumstände Anläßlich einer limnologischen Untersuchung des Rheins zwischen Rheinsheim und Herrenteich (Baden-Württemberg, s. Karte 1) wurde im September 1991 auf einem abgegrenzten Ufer- und Flachwasserabschnitt die Muschel Corbicula fluminalis (s. Abb. 1) in großer Siedlungsdichte gefunden. Das Vorkommen beginnt

66 N Karte 1: Lage der Cort/cu/a-Population. R = Rheinhausen, A = Altlußheim, OR = Oberhausen-Rheinhausen, 1 = Kühlwassereinleitung des KKW Philippsburg, 2 = Untersuchungsstelle Rheinhausen, 3 = Untersuchungsstelle Herrenteich, Entfernung 1 bis 2 etwa 4,2 km. genau unterhalb der Einleitung aufgeheizten Kühlwassers aus dem Kernkraftwerk Philippsburg und endet zwischen Rheinshausen (etwa 4 km unterhalb der Einleitungsstelle) und Herrenteich (etwa 15 km unterhalb der Einleitungsstelle). Direkt oberhalb der Zuleitung konnte - trotz günstiger Substratbedingungen - kein Exemplar der Art nachgewiesen werden, ebenso war eine sorgfältige Nachsuche bei Herrenteich vergeblich. Als weitere dominante Arten des durch das Vorkommen von Corbicula bezeichneten Warmwasserbereichs wurden Dreissena polymorpha (Bivalvia), Gammarus tigrinus (Amphipoda) und Dugesia tigrina (Turbellaria) gefunden. Einheimische Arten traten abgesehen von Bithynia tentaculata in weitaus geringerer Siedlungsdichte auf. Somit lag eine deutlich subtropisch geprägte Fauna vor. Bedingt durch die extreme Niedrigwasserführung des Rheins im September 1991 waren Bereiche des Flußbetts zugänglich, die um diese Jahreszeit in den meisten Jahren 0.5 bis 1 m hoch mit Wasser bedeckt sind und somit bei herkömmlichen limnologischen Untersuchungen vom Ufer aus ohne aufwendigen Geräteeinsatz nicht erfaßt werden können. Corbicula fand sich sowohl im Ufersubstrat als auch auf den Buhnen, die aus Schüttsteinen bestehen. Durch das teilweise Trockenfallen des Flußbodens war es möglich, anhand von Schalenfunden

67 Abb. 1: Corbicula fluminalis MÜLLER 1774 und von Funden lebender Tiere einige Beobachtungen zu machen, aus denen Informationen über die ökologischen Ansprüche von Corbicula fluminalis abzuleiten sind. Die Siedlungsdichte der Art war beträchtüch, es fanden sich fast durchgehend mehrere Tiere je Quadratdezimeter; häufig waren Nester (vor allem unter Steinen), wo die Muscheln dicht an dicht lagen. Die Größe der gefundenen Schalen lag zwischen 2 und 19.7 mm. Das von Corbicula besiedelte Substrat war weitgehend schlickfreier, gröberer Sand, gemischt mit Kies. In reinem Kies, der stellenweise vorliegt, kam die Art nicht vor. Lose aufliegende Steine scheinen eine Ansiedlung (wie bei fast allen Arten) zu begünstigen. So fanden sich auf den Buhnen Exemplare, die zwischen den losen Steinen (ohne feinkörniges Substrat) siedelten. Die dicht schließenden Schalen ermöglichen offensichtlich ein Überleben der Art bei nur gelegentlichem Überspülen der Tiere z.b. durch den Wellenschlag vorbeifahrender Schiffe. Die unter feuchtliegenden Steinen (teilweise über 0.5 m über dem Wasserspiegel) und im Spritzwasserbereich gefundenen Muscheln lebten alle, obwohl der Niedrigwasserstand schon mehrere Wochen anhalten hatte. Durch vorbeifahrende Schiffe werden die Tiere - zumindest tagsüber - je nach Entfernung von der Wasserlinie ein- bis mehrmals in der Stunde überspült. Wie aus Baggerungen im Neckar bekannt ist (ALF 1991), kommt Corbicula bis in mehrere Meter Wassertiefe vor.

68 2 Ökologische Ansprüche von Corbicula fluminalis Das besiedelte Substrat bestand sowohl im Neckar (Fundorte bei Kilometer 3,16,100) als auch im Rhein überwiegend aus Grobsand mit erheblichem Kiesanteil. Schlick lag nie vor, Detritus war nicht oder nur wenig vorhanden (s.o.). Die Gewässergüte liegt an den Fundorten im Neckar bei II oder - wie auch im Rhein - im besseren Bereich der Güteklasse II-III; ebenso sind die Sauerstoffverhältnisse an allen Fundorten relativ günstig. Die Art wurde im Neckar bisher nur unterhalb der Mündung von Kocher und Jagst (die beide nur mäßig belastetes, sauerstoffreiches Wasser einspeisen) gefunden, obwohl Temperatur- und Salinitätsverhältnisse oberhalb der Mündungen ähnlich sind. Das Kühlwasser aus dem KKW Philippsburg wird vor der Einleitung mit Luft gesättigt. Sowohl im Neckar als auch im Rhein ist durch Kühlwassereinleitungen eine höhere T e m p e r a tur gegeben. Die Fließgeschwindigkeit im Neckar ist durch Aufstau sehr gering; im Rhein findet sich die Art hauptsächlich in den Buhnenfeldern. Die Einleitung von Salinenabwässern stellt in beiden Flüssen einen höheren Salzgehalt ein. Nach den Befunden im Rhein und im Neckar sind die ökologischen Ansprüche von Corbicula fluminalis folgendermaßen zu charakterisieren: - Siedlungssubstrat ist gröberer Sand, weitgehend schlick- und detritusfrei, oft mit erheblichem Kiesanteil; auch lose aufliegende Steine Gewässergüte II bis in den besseren Bereich der Güteklasse II-III hineinreichend Wassertemperatur meistens über 20 Grad (subtropische Art) - Sauerstoffgehalt relativ hoch - Fließgeschwindigkeit gering - ein gewisser Salzgehalt muß vorhanden sein (nach MOUTHON 1981 zwischen 4 und 18 Promille) Es ist natürlich nicht auszuschließen, daß diese Angaben nach der Untersuchung weiterer Populationen präzisiert bzw. revidiert werden müssen. 3 Sonstige Beobachtungen, Schalenmißbildungen Bemerkenswert waren einige Funde von offenen Schalen, an denen noch Fleischreste hingen. Offensichtlich waren die Schalen ausgefressen worden. Da die Schalen nicht sichtbar beschädigt waren, können hierfür Vögel kaum in Frage kommen, eher ist zu vermuten, daß Exemplare der am Fundort nicht seltenen (ebenfalls eingewanderten/eingeschleppten) Krebsart Orconectes limosus entweder abgestorbene Tiere gefressen, oder Schalen geöffnet haben, um an den Weichkörper zu gelangen. Da die Muscheln, wenn sie ungestört sind, die Schale etwas öffnen, wäre ein solcher Zugriff durchaus möglich. Sollten diese Vermutungen zu

69 treffen, hätte Corbicula fluminälis hier einen natürlichen Feind, wobei fraglich ist, ob Orconectes imstande wäre, die Bestände wirksam zu kontrollieren. Bereits bei früheren Untersuchungen zwischen Rheinsheim und Herrenteich waren Tiere von Dreissena aufgefallen, die durch eine bemerkenswerte Schalenmißbildung gekennzeichnet sind (s. Abb. 2). Solche Mißbildungen kommen bei Dreissena-Beständen immer wieder vor, sind aber in dem genannten Rheinabschnitt relativ häufig. Als Ursache hierfür kommen sowohl Erkrankungen, als auch Parasitenbefall in Betracht. Bei einigen der gefundenen Corbicula-Exemplare konnte ebenfalls eine derartige Schalenmißbildung festgestellt werden. Offensichtlich ist der verursachende Erreger nicht an eine bestimmte Art gebunden. Nicht auszuschließen, jedoch weniger wahrscheinlich ist, daß die Mißbildungen durch eine plötzliche Änderung chemischer Parameter hervorgerufen wird. Wäre dies die einzige Ursache, müßten mehr Tiere derartige Schalendeformationen aufweisen. Denkbar wäre, daß parasitierte oder infizierte Exemplare besonders empfindlich auf Änderungen der Ökofaktoren reagieren. Abb. 2: Schalenmißbildungen bei Corbicula fluminälis und Dreissena polymorpha

4 Corbicula als Einwanderer 70 Das Massenvorkommen von Corbicula führt zu der Frage, ob einheimische Arten hierdurch verdrängt werden könnten. Einwanderer - speziell aus subtropischen Regionen - sind in größeren Gewässern Südwestdeutschlands nicht selten: Physa acuta, Potamopyrgus antipodarum, Dreissena polymorpha (Mollusca), Dugesia tigrina (Turbellaria), Gammarus tigrinus (Amphipoda), sind abundante und frequente Arten. Die Einbürgerung verüef (übrigens ebenso wie die Wiederbesiedlung mit einheimischen Arten - z.b. Theodoxus fluviatilis in der Tauber nach der Sanierung der Abwassereinleitungen) nach dem gleichen Muster: Nach einer zunächst nahezu explosionsartigen Verbreitung der Art innerhalb weniger(l-3) Jahre fast über das gesamte Gewässer erhält sich eine Besiedlung letztlich hauptsächlich an wenigen, für die Art offensichtlich besonders geeigneten Stellen. So fand sich Dugesia tigrina 1983 im Neckar häufig und in großer Siedlungsdichte, die einheimische Dugesia lugubris trat demgegenüber kaum noch in Erscheinung. Heute ist Dugesia tigrina zwar im Neckar allgemein verbreitet, jedoch ist die Siedlungsdichte nicht sehr groß. Größere Kolonien finden sich heute nur noch an einzelnen Stellen, wie z.b. bei Lauffen. Dugesia lugubris ist wieder allgemein die am häufigsten anzutreffende Art. Ebenso hat sich im Neckar die Besiedlung mit Gammarus tigrinus auf einem niedrigeren Niveau eingependelt, als es in den ersten Jahren der Einwanderung vorlag. Corbicula fluminalis gehört - wie aus verschiedenen Ländern bekannt - zu den sehr verbreitungstüchtigen Arten. Da sie relativ spezielle Biotopansprüche (Wärme, Salzgehalt) hat, sind einer allgemeinen Ausbreitung bei den hiesigen Klimaverhältnissen wohl Grenzen gesetzt. Die Art wird sich lediglich in aufgewärmten Gewässerabschnitten halten können. Eine Verdrängung einheimischer Arten ist demzufolge kaum zu erwarten. 5 Corbicula fluminalis und C. fluminea Zum Schluß soll noch auf zwei bemerkenswerte Funde eingegangen werden. Sowohl im Neckar (bei km 3.0, Mannheim) als auch im Rhein bei Philippsburg wurde unter zahlreichen Corbicula fluminalis je ein Exemplar einer weiteren Corbicula- Art gefunden. Es handelt sich dabei mit großer Sicherheit um Corbicula fluminea MÜLLER 1774, eine ebenfalls weltweit verbreitete Art, die in Asien beheimatet ist. Die Unterscheidung der beiden Corbicula-Aiiten kann nach folgender Tabelle erfolgen (s. auch Abb. 3):

71 C. fluminalis C. fluminea Form höher als breit selten so breit wie hoch breiter als hoch Skulptur 13-15 Rippen/cm 7-8 Rippen/cm Area oft dunkler meistens hell abgesetzt BIJ DE VAATE & GREIJDANUS-KLAAS (1990) diskutieren die Taxonomie von Corbicula fluminalis MÜLLER 1774 und C. fluminea MÜLLER 1774. Aus dieser Darstellung geht hervor, daß sowohl bezüglich fossiler als auch rezenter Exemplare bis heute noch keine eindeutige Zuordnung der Arten möglich ist, vielmehr widersprechen sich verschiedene Autoren in der Beschreibung der einzelnen Spezies. Auch scheint bei Museumsmaterial die Determination nicht einsinnig zu sein. MORTON (1986) charakterisiert C. fluminalis durch tief eingeschnittene Wachstumslinien bei weit auseinanderliegenden Furchen auf der Außenseite, während C. fluminea engere Furchen und undeutliche Wachstumslinien haben soll. BIJ DE VAATE & GREUDANUS-KLAAS ordnen nach dieser Beschreibung alle beschriebenen Funde (aus Holland und aus dem Rhein) der Art Corbicula fluminea zu. Die in der Arbeit abgebildeten Schalen zeigen diese Art. Ein Schalenfund mit engerem Spiralen wird als durch Aufwärmung des Gewässers bedingte Variante klassifiziert. Abb. 3: Corbicula fluminea MÜLLER 1774 (links) und Corbicula fluminalis MÜLLER 1774 (rechts) im Vergleich.

72 Das Vorkommen von Corbicula fluminälis und C. fluminea nebeneinander (bei der Untersuchung von mehreren tausend Exemplaren wurden keine Übergangsformen gefunden!) widerspricht dieser Ansicht. Es handelt sich bei den in europäischen Gewässern gefundenen CorMcu/a-Exemplaren mit großer Sicherheit um zwei verschiedenen Arten, die nebeneinander Vorkommen. Welcher Name nun welcher Art zuzuordnen ist, ist derzeit noch strittig. Bis zu einer endgültigen Klärung erscheint eine nach der obigen Tabelle vorgenommene Zuordnung sowohl nach der vorliegenden Literatur als auch nach der Durchsicht von Museumsmaterial am Naturkundemuseum Stuttgart noch am plausibelsten. Hier kann und soll die unter Malakologen sehr kontrovers diskutierte Frage, ob Corbicula fluminea und C. fluminälis tatsächlich zwei Arten oder nur Subspecies bzw. Formen einer Art sind, nicht entschieden werden. Es wird aufgrund des parallelen Vorkommens beider Formen vom Vorhandensein zweier Arten ausgegangen unter dem Vorbehalt, daß sich zu einem späteren Zeitpunkt eine andere Klassifizierung als korrekt erweisen könnte. Die gleichzeitige Einwanderung zweier Corbicula-Arten in Mitteleuropa stellt ein bemerkenswertes faunistisches Ereignis dar. Ob die Zuwanderung aus einer Quelle stammt, oder ob beide Arten parallel aus verschiedenen Quellen einwanderten ist eine interessante Frage, die wohl erst dann zu entscheiden ist, wenn mehr über die Verbreitung der beiden Arten bekannt ist. Dank Ich danke meinem Mitarbeiter, Herrn H. Weller, für seine Mithilfe bei den Aufsammlungen. Mein Dank gilt auch Herrn H.-J. Niederhöfer, Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart, und Herrn Dr. H. Schütt. Literatur ALF, A. (1991): Neu- und wiedergefundene Arten des Makrozoobenthon im Neckar.- Lauterbomia 8:71-76, Dinkelscherben. BIJ DE VAATE, A. & M. GREIJDANUS-KLAAS (1990): The Asiatic Clam, Corbicula fluminea (MÜLLER 1774) (Pelecypoda, Corbiculidae), a new Immigrant in the Netherlands.- Bull. Zool. Mus. 12:173-177, Amsterdam. MORTON, B. (1986): Polymorphism in Corbicula fluminea (Bivalvia: Corbiculoidea) from North America.- Malacol. Rev. 19:1-43, Ann Arbor and Boulder. MOUTHON, J. (1981): Sur la presence en France et au Portugal de Corbicula (Bivalvia, Corbiculidae) origjnaire d Asie.- Basteria 45:109-116, Leiden. Anschrift des Verfassers: Dr. Axel Alf, Carl-Maria-v. Weber-Straße 26, D-7140 Ludwigsburg Manuskripteingang: 11.11.1991