Walhalla Rechtshilfen. Gewaltschutzgesetz. So wehren Sie sich erfolgreich gegen Nötigung, Stalking und Mobbing. Bearbeitet von Finn Zwißler

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Walhalla Rechtshilfen Gewaltschutzgesetz So wehren Sie sich erfolgreich gegen Nötigung, Stalking und Mobbing Bearbeitet von Finn Zwißler 1. Auflage 2005. Taschenbuch. 128 S. Paperback ISBN 978 3 8029 3793 4 Format (B x L): 12,5 x 18,7 cm Gewicht: 192 g Recht > Öffentliches Recht > Polizeirecht, Sicherheitsrecht, Waffenrecht > Polizeirecht, Ordnungsrecht, Versammlungsrecht schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

Nutzen Sie das Inhaltsmenü: Die Schnellübersicht führt Sie zu Ihrem Thema. Die Kapitelüberschriften führen Sie zur Lösung. Vorwort... 7 Abkürzungen... 10 1 Gewalt im häuslichen Bereich... 11 2 Stalking (Nachstellen)... 63 3 4 5 Mobbing und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz... 79 Gewalt gegen Kinder und Jugendliche... 97 Gewalt von bzw. zwischen Kindern und Jugendlichen....105 Schnellübersicht

Schnellübersicht 6 Gewalt und Nötigung im Straßenverkehr....113 Hilfreiche Adressen...121 Literaturhinweise...124 Findex....125

Vorwort Vielfältige Fallkonstellationen in der anwaltlichen Praxis zeigen, dass unter Opfern von Gewalt große Unsicherheit hinsichtlich der rechtlichen Möglichkeiten vorherrscht. Dieser Fachratgeber soll in entscheidenden Fragen weiterhelfen. Häufig katapultiert Gewalt die Betroffenen in eine ihnen ausweglos erscheinende Situation. Sie fühlen sich hilflos und allein gelassen. Oft hindert Scham über die eigene Hilflosigkeit und die mit der zugefügten Gewalt verbundene Erniedrigung Opfer von Gewalt daran, sich mit Hilfe von außen aus dieser Lage zu befreien. Das vorliegende Buch soll den Betroffenen als Anleitung zur Selbsthilfe dienen und ihnen aufzeigen, welche rechtlichen Möglichkeiten ihnen zur Verfügung stehen. Weiter soll dem Hilfesuchenden vermittelt werden, wo er in der konkreten Gefahrensituation professionelle Hilfe in Anspruch nehmen kann, etwa bei Polizei, Anwälten, Beratungsstellen, Frauenhäusern etc. Der Gesetzgeber gibt Opfern von Gewalt vielfältige Mittel an die Hand, um sich effektiv gegen Gewalt zur Wehr zu setzen und sich auch zukünftig vor Gewalt zu schützen. Das am 1. 1. 2002 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung verbessert die Handlungsmöglichkeiten zum Schutz vor Gewalt erheblich. So wurde ein Katalog von Schutzmaßnahmen in das Gesetz eingefügt, der von der Wohnungszuweisung über das Betretungs- und Näherungsverbot bis zum Kontakt- und Belästigungsverbot reicht. Zwar bestand auch schon vor Erlass des Gewaltschutzgesetzes die Möglichkeit, vergleichbare zivilrechtliche Verbote bei Gericht zu erwirken. Jedoch erleichtert der konkrete Maßnahmenkatalog des Gewaltschutzgesetzes nicht nur den Opfern von Gewalt, sondern auch Anwälten und Richtern ein wirksameres Vorgehen gegen die Täter. Zudem ist mit den gerichtlichen Schutzanordnungen auch eine Strafandrohung für den Fall der Zuwiderhandlung verbunden, welche von der Geld- bis zur www.walhalla.de 7

Vorwort Haftstrafe reicht. Darüber hinaus gibt das Gesetz den Opfern von Gewalt Beweiserleichterungen an die Hand. Einen besonderen Schwerpunkt des Buches bildet das Thema Stalking (Nachstellen). Dass gerade hier ein besonders großes Bedürfnis an Aufklärung besteht, zeigt sich zunehmend an Fällen aus der anwaltlichen Praxis. Vielen Stalking-Opfern ist nicht bewusst, dass Abhilfe durch eine gerichtliche Schutzanordnung schnell und unbürokratisch erreicht werden kann. Häufig haben die Betroffenen schon einen langen Leidensweg hinter sich: Die andauernde Bedrohung durch den ihnen ständig und überall auflauernden Stalker ist mit erheblichen psychischen Belastungen verbunden. Oft können sich die Betroffenen nicht einmal in ihren eigenen vier Wänden des Stalkings erwehren, weil hier Kommunikationsterror mittels Telefon, Post etc. ausgeübt wird. Mobbing am Arbeitsplatz ein weiteres Thema des Buches ist das systematische Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander bzw. durch Vorgesetzte oder durch den Arbeitgeber, oder, kürzer gefasst, das schikanöse, tyrannisierende oder ausgrenzende Verhalten am Arbeitsplatz. Unter den neudeutschen Begriff Mobbing fallen alle Aktivitäten einer Person, die in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte Rechte, so z. B. die Ehre oder die Gesundheit des anderen, verletzen. Vernachlässigung, körperliche und seelische Misshandlung von Kindern sowie sexueller Missbrauch sind nicht erst ein Problem unserer Zeit. Ein fortschrittlicher und demokratischer Rechtsstaat möchte und muss gerade seine schwächsten und unschuldigsten Mitbürger besonders schützen. Deswegen wurde mit dem 1. 1. 2001 das Recht des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung in 1631 Abs. 2 BGB verankert. Mit diesem gesetzlich normierten Anspruch des Kindes will der Gesetzgeber nicht die Erziehungsberechtigten pönalisieren, sondern einen Bewusstseinswandel in der Gesellschaft bewegen. Das Buch zeigt auf, wie mit dem Problem der Gewalt gegen Kinder umgegangen werden kann. 8 www.walhalla.de

Vorwort Gewalt von bzw. zwischen Kindern und Jugendlichen gab und gibt es nicht erst seit heute. Neu dagegen ist ihre zunehmende Intensität. Während es immer schon Raufereien gab, sind blutige Prügeleien zwischen Schülern und räuberische Erpressung unter Androhung von Gewalt an Schulen oder auf dem Schulweg gegenwärtig leider keine Ausnahme mehr. An den Schulen wird bereits viel vorbeugend gegen dieses Phänomen getan. Ein Maßnahmenkatalog hilft auch den Opfern im Einzelfall. Zahlreiche Autofahrer meinen, die Straße sei eine Rennstrecke. Da wird gedrängelt, genötigt und häufig kracht es. Manchmal geht es so weit, dass Verkehrsteilnehmer sich bisweilen sogar wegen kleiner Fahrfehler prügeln. Das kann für den zurückhaltenden Autofahrer und insbesondere Frauen direkte und beängstigende Gewaltwirkung haben. Einige trauen sich nicht mehr auf die Autobahn. Die Polizei ist nicht immer präsent, so dass gemäßigte oder schwächere Personen den Tätern oft schutzlos ausgeliefert sind. Dieser Ratgeber zeigt Ihnen, wie Sie sich in einer Gefahrensituation verhalten und welche Maßnahmen Sie als Geschädigter ergreifen können. Das Buch greift die Gewaltproblematik der modernen Gesellschaft in ihren vielschichtigen Formen auf und zeigt den Betroffenen Maßnahmen, wie sie sich zur Wehr setzen können. Den Gang zum Fachmann kann es nicht ersetzen. Mein Dank gilt besonders der fachlich fundierten Unterstützung und Mitwirkung von Frau Rechtsanwältin Dorothee Wisselmann. Finn Zwißler Finn Zwißler, Rechtsanwalt Prielmayerstraße 3, 80335 München Tel. 0 89/55 02 73 11, Fax: 089/55 02 73 13 E-Mail: kanzlei@rechtsanwalt-zwissler.de Internet: www.rechtsanwalt-zwissler.de www.walhalla.de 9

Gewalt im häuslichen Bereich 1 Das Gewaltschutzgesetz....12 Wo bekomme ich Hilfe?...12 Gewalt in der Ehewohnung...18 Gewalt in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft....30 Gewalt in der (gleichgeschlechtlichen) Lebenspartnerschaft nach dem LPartG. 39 Gewalt in anderen Formen häuslicher Gemeinschaft...51

Gewalt im häuslichen Bereich Das Gewaltschutzgesetz Kommt es in einer Beziehung im Rahmen einer häuslichen Gemeinschaft zu einer Gewalttat oder wird Gewalt angedroht, so besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Wohnungszuweisung an das Opfer. Früher sah das Gesetz außerhalb einer ehelichen Beziehung oder einer eingetragenen Lebenspartnerschaft eine Wohnungszuweisung nicht vor. Mit dem Gewaltschutzgesetz (Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung vom 11. 12. 2001 BGBl. I S. 3513) hat der Gesetzgeber die Möglichkeiten der Bekämpfung von Gewalt im häuslichen Bereich entscheidend verbessert. Auch bei nicht verheirateten und nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Paaren sowie bei anderen Formen häuslicher Gemeinschaft ist in Fällen häuslicher Gewalt seither eine Wohnungszuweisung möglich. Daneben eröffnet das Gewaltschutzgesetz die Möglichkeit, die Wohnungszuweisung durch diverse Schutzmaßnahmen zu ergänzen und dem Opfer von Gewalt auch außerhalb des häuslichen Bereichs einen geschützten Freiraum zu verschaffen. Wo bekomme ich Hilfe? Der erste Schritt heraus aus dem Gewaltkreislauf von Misshandlung, Bedrohung und Demütigung ist für Opfer von Gewalt, aktiv Hilfe und Unterstützung von außen in Anspruch zu nehmen. Polizei Vor einer Kontaktaufnahme mit der Polizei scheuen viele Betroffene zunächst zurück. 12 www.walhalla.de

Wo bekomme ich Hilfe? Häufig geschieht dies aus Scham oder aus dem Gefühl heraus, im familiären bzw. häuslichen Bereich für die vom Täter ausgeübte Aggression mitverantwortlich zu sein oder weil Zweifel bestehen, ob der Täter die Grenze des Strafbaren schon überschritten hat. Jedoch hindert gerade diese Zurückhaltung im sozialen Nahbereich die Betroffenen daran, sich aus ihrer machtlosen Position zu befreien. Die Polizei sollte deshalb auf jeden Fall auch bei gewalttätigen Konflikten innerhalb der Familie oder innerhalb anderer häuslicher Gemeinschaften eingeschaltet werden. Der Kontakt mit der Polizei ermöglicht neben schneller und unbürokratischer Hilfe auch die Dokumentation der Angriffe auf das Opfer. Die polizeilichen Aufzeichnungen werden auf Anfrage den Gerichten zur Verfügung gestellt, was nicht nur für ein Strafverfahren, sondern auch für den Erlass zivilrechtlicher Anordnungen zum Schutz des Opfers von entscheidender Bedeutung sein kann. In akuten Gefahrensituationen sollte die Polizei umgehend über den Notruf 110 herbeigerufen werden. Auf einen Notruf hin ist die Polizei verpflichtet, sofort zu kommen. Daneben besteht aber die Möglichkeit, die örtliche Polizeidienststelle aufzusuchen, um dort Hilfe in Anspruch zu nehmen auch bei den speziell hierfür eingerichteten polizeilichen Beratungsstellen. Dies kann auch in Begleitung einer vertrauten Person geschehen. Strafanzeige Wenn eine strafbare Handlung, wie beispielsweise eine Körperverletzung, eine Nötigung, eine sexuelle Nötigung, eine Vergewaltigung, eine Freiheitsberaubung oder eine Bedrohung, verübt wurde, muss die Polizei eine Anzeige aufnehmen. www.walhalla.de 13

Gewalt im häuslichen Bereich Wird die Polizei an den Tatort gerufen, muss sie die Anzeige vor Ort aufnehmen. Die Betroffenen können aber auch bei der örtlichen Polizeidienststelle eine Anzeige aufgeben. Die Polizei wird dann ihre Ermittlungen aufnehmen. Die Anzeige wird im Rahmen eines Strafverfahrens an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, die über eine Anklageerhebung entscheidet. Platzverweis Geht von einer Person eine Gefahr für andere aus, kann die Polizei diese sofort aus der Wohnung und aus der unmittelbaren Umgebung der gefährdeten Person verweisen, d. h. sie kann gegenüber dem Aggressor einen sog. Platzverweis aussprechen. Die Polizei wird in einem solchen Fall den räumlichen Schutzbereich festlegen und dem Aggressor mitteilen, an welchen Orten er sich nicht mehr aufhalten darf. Steht zu befürchten, dass ein gefährlicher Angriff bevorsteht, beispielsweise, weil es schon in der Vergangenheit zu Misshandlungen gekommen ist, wird die Polizei der gewalttätigen Person sofort den Wohnungsschlüssel abnehmen, das Packen der notwendigen persönlichen Sachen abwarten, das Verlassen der Wohnung überwachen und sich eine neue Anschrift nennen lassen. Gewahrsam Ist die gewalttätige Person nicht bereit, die Wohnung freiwillig zu verlassen oder steht zu befürchten, dass sie dem Verbot, die Wohnung zu betreten, zuwiderhandeln wird, kann die Polizei sie auch vorübergehend in Gewahrsam nehmen, sprich, mit Gewalt aus der Wohnung entfernen und in polizeiliche Verwahrung nehmen. Nachdem der polizeiliche Platzverweis ebenso wie der polizeiliche Gewahrsam aus verfassungsrechtlichen Gründen jeweils nur von 14 www.walhalla.de

Wo bekomme ich Hilfe? kurzer Dauer sein kann, ist in den meisten Fällen eine zivilrechtliche Schutzanordnung unerlässlich und damit der Gang zum Gericht. Die kurze Atempause, die der polizeiliche Platzverweis bzw. der polizeiliche Gewahrsam verschaffen, sollten Opfer von Gewalt daher keinesfalls ungenutzt verstreichen lassen. Beratungsstellen und Rechtsanwälte können darüber informieren, welche Schutzmaßnahmen im Einzelfall sinnvollerweise beantragt werden sollten. Gericht Mit dem Gewaltschutzgesetz hat der Gesetzgeber die Möglichkeiten der Bekämpfung von Gewalt im häuslichen Bereich entscheidend verbessert. Das Gewaltschutzgesetz mit der Wohnungszuweisung und seinen vielfältigen Schutzanordnungen folgt dem Grundsatz: Das Opfer bleibt, der Täter geht. Den Opfern von Gewalt soll ihre vertraute Wohnung und Umgebung verbleiben, sie sollen sich nicht noch zusätzlich zu den erlittenen Misshandlungen und Demütigungen um eine Zuflucht kümmern müssen. Dem Aggressor dagegen soll signalisiert werden, dass Staat und Gesellschaft Gewaltausübung nicht dulden und sein Verhalten einschneidende Konsequenzen für ihn hat. Praxis-Tipp: Bei akuter Gefährdung empfiehlt es sich, wegen der Dringlichkeit Wohnungszuweisung und Schutzanordnungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu beantragen, um möglichst rasch Abhilfe zu schaffen. Von Gewalt Betroffene können Wohnungszuweisung und Schutzanordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz bei Gericht beantragen. Zuständig ist das Amtsgericht am Wohnort von Täter und www.walhalla.de 15

Gewalt im häuslichen Bereich Opfer und im Besonderen die beim Amtsgericht für Familiensachen eingerichtete Abteilung, das Familiengericht. Das gilt immer dann, wenn Täter und Opfer einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führen und innerhalb von sechs Monaten vor der Antragstellung geführt haben, unabhängig davon, ob sie verheiratet sind oder nicht. Betroffene können sich auch direkt an die Rechtsantragstellen der Gerichte wenden. Rechtsanwalt Bei Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz vor dem Familiengericht ist eine anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben, so dass Betroffene selbst Anträge stellen und vor Gericht auftreten können. Jedoch empfiehlt es sich in schwieriger gelagerten Fällen, einen Rechtsanwalt einzuschalten, um alle im konkreten Fall erforderlichen Schritte einzuleiten und für eine effektive Umsetzung der Maßnahmen Sorge zu tragen. Häufig sind neben der Beantragung von gerichtlichen Anordnungen zum Schutz des Opfers auch noch andere Maßnahmen zu ergreifen, beispielsweise, wenn Kinder von häuslicher Gewalt betroffen sind. Entweder sie werden selbst Opfer von Gewalt oder sie erleben Gewalt gegenüber der Mutter. Häufig wird dann das Sorgeund Umgangsrecht neu zu regeln sein. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass das Opfer neben der Beantragung von Wohnungszuweisung und diversen Schutzanordnungen unter Umständen auch Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen den Täter geltend machen kann. 16 www.walhalla.de

Wo bekomme ich Hilfe? Beratungsstellen und Selbsthilfeinitiativen Informationen über Beratungsstellen und Selbsthilfeinitiativen erhalten Betroffene hier: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, www.bmfsfj.de/politikbereiche/gleichstellung/gewalt.html, Tel. 0 18 88/55 50 Berliner Interventionszentrale bei häuslicher Gewalt e. V., www.big-interventionszentrale.de, Tel. 0 30/61 70 91 00 die kommunale Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragte bei den jeweiligen Stadtverwaltungen Bundesverband autonomer Frauennotrufe e. V., www.frauennotrufe.de, Tel. 04 31/9 87 72 90 Deutsches Forum für Kriminalprävention, www.kriminalpraevention.de, Tel. 02 28/28 04 40 Weißer Ring e. V., Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern und zur Verhütung von Straftaten, www.weisser-ring.de, Tel. 0 61 31/8 30 30 Frauenhaus Wenn dem subjektiven Sicherheitsempfinden des Opfers in der eigenen Wohnung, d. h. an einem dem Täter bekannten Ort, trotz aller nach dem Gewaltschutzgesetz zur Verfügung stehenden Schutzmöglichkeiten nicht genügend Rechnung getragen werden kann, empfiehlt es sich für das Opfer, in einem Frauenhaus Zuflucht zu suchen. Das örtliche Frauenhaus ist im Telefonbuch häufig unter dem Eintrag Frauen helfen Frauen zu finden, kann aber auch über den Dachverband Deutscher Frauenhäuser bei der Frauenhauskoordinierung e. V., www.frauenhauskoordinierung.de, Tel. 0 69/6 70 63 07 erfragt werden. www.walhalla.de 17

Gewalt im häuslichen Bereich Zivilrecht Bei Wohnungszuweisungen und Schutzanordnungen, die Opfer häuslicher Gewalt nach dem Gewaltschutzgesetz beantragen können, handelt es sich um sog. zivilrechtliche Anordnungen zum Schutz des Opfers. Im Zivilrecht streiten verschiedene Personen untereinander auf gleicher Ebene. Klagt eine Partei, so steht das Gericht unparteiisch zwischen den Streitenden und spricht Recht. Es wird nur auf Antrag tätig, d. h. bei Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz nur auf Antrag der verletzten Person. Strafrecht Im Straf- und Polizeirecht steht auf einer Seite die Staatsgewalt und auf der anderen der einer Straftat Verdächtige bzw. der Täter. Sieht die Polizei eine Gefahr für Leib oder Leben, muss sie einschreiten, und zwar unabhängig vom Willen des Opfers. Bei entsprechender Beweislage wird die Staatsanwaltschaft Anklage erheben und das Strafgericht den Täter verurteilen auch dies unabhängig vom Willen des Opfers. Die Polizei kann also auch gegen den Willen des Opfers einen sog. Platzverweis aussprechen bzw. den Täter in Gewahrsam nehmen. Ist zivilrechtlich eine Wohnungszuweisung, ein Betretungs- und ein Kontaktverbot durch ein Gericht angeordnet worden, so macht sich der durch die Anordnung Verpflichtete im Falle der Missachtung der Schutzanordnung strafbar. Gewalt in der Ehewohnung Anzeige und polizeiliche Maßnahmen Die Strafanzeige dient nicht nur der Einleitung eines Strafverfahrens, sondern hat gerade auch im Hinblick auf die polizeiliche Dokumentation entscheidende Bedeutung für spätere gerichtliche Anordnungen zum Schutz des Opfers. Im Übrigen sollte auch ihre psychologische Wirkung für Täter und Opfer nicht unterschätzt werden, denn durch diesen Schritt signalisiert das Opfer ganz klar: Bis hierher und nicht weiter! 18 www.walhalla.de

Gewalt in der Ehewohnung Die oben beschriebenen polizeilichen Maßnahmen wie Platzverweis und Gewahrsam eröffnen dem Opfer häuslicher Gewalt die Möglichkeit, ungefährdet Hilfe in Anspruch zu nehmen und weitere Schritte einzuleiten. Anträge auf gerichtliche Anordnungen sollten insbesondere bei drohender akuter Gefahr möglichst noch während der Fortdauer der polizeilichen Maßnahmen bei Gericht eingereicht werden. Gerichtliche Anordnungen zum Schutz des Opfers Wohnungszuweisung Verhält sich in einer Ehe ein Partner gegenüber dem anderen gewalttätig oder droht er ihm an, Gewalt auszuüben, so kann das Opfer die Zuweisung der Ehewohnung beantragen. Achtung: Wird Gewalt erst angedroht, ist eine Wohnungszuweisung allerdings an strengere Voraussetzungen geknüpft, als wenn Gewalt bereits ausgeübt wurde. Hier muss abgewogen werden, ob die Wohnungszuweisung erforderlich ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden, 2 Absatz 6 Satz 1 Gewaltschutzgesetz. Ein solcher Härtefall ist beispielsweise dann gegeben, wenn das Wohl von im Haushalt lebenden Kindern beeinträchtigt ist oder wenn davon auszugehen ist, dass den Drohungen tatsächlich Gewalttaten folgen. Die Zuweisung einer von Ehepartnern bewohnten Wohnung kann nach 1361 b Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches sowie nach 2 des Gewaltschutzgesetzes erfolgen. Besteht bei einem der Ehepartner Trennungsabsicht, so kommt eine Wohnungszuweisung nach 1361 b des Bürgerlichen Gesetzbuches in Betracht: www.walhalla.de 19

Gewalt im häuslichen Bereich 1361 b BGB: (1) Leben die Ehegatten voneinander getrennt oder will einer von ihnen getrennt leben, so kann einer der Ehegatten verlangen, dass ihm der andere die Ehewohnung oder einen Teil zur alleinigen Benutzung überlässt, soweit dies auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Eine unbillige Härte kann auch dann gegeben sein, wenn das Wohl von im Haushalt lebenden Kindern beeinträchtigt ist. ( ) (2) Hat der Ehegatte, gegen den sich der Antrag richtet, den anderen Ehegatten widerrechtlich und vorsätzlich am Körper, der Gesundheit oder der Freiheit verletzt oder mit einer solchen Verletzung oder der Verletzung des Lebens widerrechtlich gedroht, ist in der Regel die gesamte Wohnung zur alleinigen Benutzung zu überlassen. Der Anspruch auf Wohnungsüberlassung ist nur dann ausgeschlossen, wenn keine weiteren Verletzungen und widerrechtlichen Drohungen zu besorgen sind, es sei denn, dass dem verletzten Ehegatten das weitere Zusammenleben mit dem anderen wegen der Schwere der Tat nicht zuzumuten ist. (3) Wurde einem Ehegatten die Ehewohnung ganz oder zum Teil überlassen, so hat der andere alles zu unterlassen, was geeignet ist, die Ausübung dieses Nutzungsrechtes zu erschweren oder zu vereiteln. ( ) Beispiel: Die Ehefrau F will sich von ihrem Ehemann M auf jeden Fall trennen, weil sie und ihr Mann seit Jahren streiten und die Auseinandersetzungen immer heftiger werden. Nachdem sie M mitgeteilt hat, dass sie die Trennung und langfristig auch die Scheidung will, ohrfeigt M sie heftig und droht ihr, dass er sie grün und blau schlagen werde, wenn sie es wagen sollte, die Scheidung einzureichen oder auch nur einen Anwalt aufzusuchen. Notfalls werde er sie einsperren, er wisse schon, wie er sie kleinkriegen könne. F kann bei Gericht einen Antrag auf Wohnungszuweisung nach 1361 b BGB stellen. Wenn keiner der beiden Ehepartner sich langfristig trennen möchte, einer der Ehepartner aber vorübergehend Schutz vor der Gewalttätigkeit des anderen sucht, so kommt eine Wohnungszuweisung 20 www.walhalla.de

Gewalt in der Ehewohnung nach 2 des Gewaltschutzgesetzes in Betracht. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn das Opfer hofft, dass der andere Ehepartner nach einer kurzen Trennung wieder zur Vernunft kommt und von seiner Gewalttätigkeit ablässt. 1 GewSchG: (1) Hat eine Person vorsätzlich den Körper, die Gesundheit oder die Freiheit einer anderen Person widerrechtlich verletzt, hat das Gericht auf Antrag der verletzten Person die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Anordnungen sollen befristet werden; die Frist kann verlängert werden. ( ) (2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn 1. eine Person einer anderen mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit widerrechtlich gedroht hat ( ) (3) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 oder des Absatzes 2 kann das Gericht die Maßnahmen nach Absatz 1 auch dann anordnen, wenn eine Person die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen hat, in den sie sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel vorübergehend versetzt hat. 2 GewSchG: (1) Hat die verletzte Person zum Zeitpunkt einer Tat nach 1 Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Absatz 3 mit dem Täter einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt geführt, so kann sie von diesem verlangen, ihr die gemeinsam genutzte Wohnung zur alleinigen Benutzung zu überlassen. (2) ( ) (3) Der Anspruch nach Absatz 1 ist ausgeschlossen, 1. wenn weitere Verletzungen nicht zu besorgen sind, es sei denn, dass der verletzten Person das weitere Zusammenleben mit dem Täter wegen der Schwere der Tat nicht zuzumuten ist oder 2. wenn die verletzte Person nicht innerhalb von drei Monaten nach der Tat die Überlassung der Wohnung schriftlich vom Täter verlangt oder 3. soweit der Überlassung der Wohnung an die verletzte Person besonders schwerwiegende Belange des Täters entgegenstehen. (4) Ist der verletzten Person die Wohnung zur Benutzung überlassen worden, so hat der Täter alles zu unterlassen, was geeignet ist, die Ausübung dieses Nutzungsrechts zu erschweren oder zu vereiteln. www.walhalla.de 21

Gewalt im häuslichen Bereich Beispiel: In der Ehe von F und M kriselt es. M hat seine Stelle verloren und bekommt Alkoholprobleme. Zunehmend wird er leicht aggressiv und ausfallend. Mehrfach schlägt er in betrunkenem Zustand F und auch die gemeinsamen Kinder. F hofft, dass es für ihre Ehe mit M noch eine zweite Chance gibt, wenn M eine Therapie gemacht hat, und will sich vorerst nicht von M trennen. Auf jeden Fall will sie sich und die Kinder aber vor weiteren Gewalttätigkeiten durch M schützen, die Kinder aber keinesfalls aus ihrer vertrauten Umgebung reißen. F kann bei Gericht einen Antrag auf Wohnungszuweisung nach 2 Gewaltschutzgesetz stellen. Das Gericht trifft sowohl im Fall einer Wohnungszuweisung nach 1361 b Bürgerliches Gesetzbuch als auch im Fall einer Wohnungszuweisung nach 2 Gewaltschutzgesetz nur eine vorläufige befristete Entscheidung. Nur bei einer nachfolgenden Scheidung kann der Richter nach den Vorschriften der Hausratsverordnung anlässlich der Scheidung eine endgültige Entscheidung über die Ehewohnung treffen und auf Antrag einem der Ehepartner die Wohnung endgültig zuweisen. Grundsätzlich hat jeder Ehepartner, unabhängig von der mietvertraglichen Ausgestaltung bzw. unabhängig vom Eigentum an der Wohnung, ein Recht auf Mitbesitz an der Ehewohnung. Dies folgt aus dem Prinzip der ehelichen Lebensgemeinschaft: 1353 Absatz 1 BGB: Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung. Ist anlässlich der Trennung der Ehepartner der eine Ehepartner aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und hat er nicht innerhalb von sechs Monaten nach seinem Auszug dem anderen gegenüber 22 www.walhalla.de

Gewalt in der Ehewohnung eine ernstliche Rückkehrabsicht bekundet, so stellt die Vorschrift 1361 b Absatz 4 Bürgerliches Gesetzbuch die unwiderlegliche Vermutung auf, dass er dem in der Ehewohnung verbliebenen Ehepartner das alleinige Nutzungsrecht an der Wohnung überlassen hat. Im Falle einer Wohnungszuweisung nach 2 Gewaltschutzgesetz ist die Dauer der Zuweisung gemäß Absatz 2 auf höchstens sechs Monate zu befristen, sie kann unter bestimmten Voraussetzungen um weitere sechs Monate verlängert werden. Achtung: Der verletzte oder bedrohte Ehepartner muss die Wohnungszuweisung nach 2 Gewaltschutzgesetz innerhalb von drei Monaten nach der Tat, deretwegen er Überlassung der Wohnung begehrt, schriftlich vom gewalttätigen Ehepartner verlangt haben. Ist dies nicht geschehen, so kann eine Wohnungszuweisung gemäß 2 Absatz 3 Nr. 2 Gewaltschutzgesetz nicht mehr beantragt werden. Unter Umständen ist der verbleibende Ehepartner verpflichtet, für die Zeit, in der ihm die Wohnung zur alleinigen Nutzung überlassen wird, gemäß 2 Absatz 5 Gewaltschutzgesetz bzw. gemäß 1361 b Absatz 3 Satz 2 eine Vergütung an den anderen Ehepartner zu zahlen, und zwar dann, wenn dies der Billigkeit entspricht. Das ist dann der Fall, wenn der Verlust des Wohnanteils an der Ehewohnung eine Entschädigung erforderlich macht und dem verbleibenden Ehepartner die Zahlung einer solchen Nutzungsentschädigung auch zugemutet werden kann. Ausnahmsweise ist der Anspruch des Opfers auf Wohnungsüberlassung ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Belange des Täters entgegenstehen, beispielsweise, weil dieser wegen einer schweren Erkrankung oder einer Behinderung im Hinblick auf die Beschaffenheit der Wohnung auf den Verbleib in derselben dringend angewiesen ist. Gemäß 2 Absatz 4 Gewaltschutzgesetz sowie gemäß 1361 b Absatz 3 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch muss derjenige, der geht, www.walhalla.de 23

Gewalt im häuslichen Bereich alles unterlassen, was das Nutzungsrecht desjenigen, der bleibt, erschwert oder vereitelt. Steht zu befürchten, dass der Täter sich hieran nicht halten und dem anderen zudem auch im außerhäuslichen Bereich nachstellen wird, ist es ratsam, den Antrag auf Wohnungszuweisung durch flankierende Anträge auch für den außerhäuslichen Bereich zu ergänzen: Betretungsverbot Gemäß 1 Absatz 1 Satz 3 Nr. 1 Gewaltschutzgesetz kann vom Gericht ein sog. Betretungsverbot angeordnet werden, d. h. dem gewalttätigen Ehepartner wird untersagt, die dem anderen Ehepartner zugewiesene Ehewohnung zu betreten. Näherungsverbot Gemäß 1 Absatz 1 Satz 3 Nr. 2 Gewaltschutzgesetz kann vom Gericht ein sog. Näherungsverbot angeordnet werden, d. h. dem gewalttätigen Ehepartner wird untersagt, sich in einem bestimmten Umkreis der dem anderen Ehepartner zugewiesenen Ehewohnung aufzuhalten. Diese Bannmeile gibt dem verbleibenden Ehepartner die Möglichkeit, sich gefahrlos in der Nähe der Ehewohnung aufhalten und bewegen zu können, ohne sich ständig bedroht zu fühlen. Beispiel: Der Ehefrau F ist durch gerichtliche Schutzanordnung die Ehewohnung zugewiesen worden, weil ihr Ehemann M sie wiederholt misshandelt und bedroht hat. Nun lauert er ihr an fast jedem Nachmittag auf dem Rückweg von der Arbeit an der heimischen Bushaltestelle auf und verfolgt sie unter wüsten Beschimpfungen und Drohungen bis nach Hause vor die Eingangstür. Der kurze Weg zwischen Bushaltestelle und Haustür ist für F jedes Mal ein Spießrutenlauf. Sie leidet zunehmend unter Angstzuständen und ist verzweifelt. 24 www.walhalla.de

Gewalt in der Ehewohnung F kann bei Gericht einen Antrag nach 1 Absatz 1 Satz 3 Nr. 2 Gewaltschutzgesetz auf Anordnung eines Näherungsverbotes stellen, und zwar dergestalt, dass M untersagt wird, sich auf 300 Meter der Ehewohnung zu nähern. Erweitertes Näherungsverbot Gemäß 1 Absatz 1 Satz 3 Nr. 3 Gewaltschutzgesetz kann vom Gericht ein sog. erweitertes Näherungsverbot angeordnet werden, d. h. dem gewalttätigen Ehepartner wird untersagt, andere näher zu bestimmende Orte aufzusuchen, an denen sich der verletzte oder bedrohte Ehepartner regelmäßig aufhält. Das erweiterte Näherungsverbot kann damit auch auf vom betroffenen Ehepartner häufig besuchte Orte erstreckt werden, und zwar unabhängig, ob es sich dabei um öffentlich zugängliche Orte handelt. Beispiel: Der Ehefrau F ist durch gerichtliche Schutzanordnung die Ehewohnung zugewiesen worden, weil ihr Ehemann M sie wiederholt misshandelt und bedroht hat. Nun lauert er ihr jeden Morgen und jeden Nachmittag vor dem Bürogebäude, in dem sie arbeitet, auf und läuft die Strecke zwischen Bushaltestelle und Eingangstür auf dem Heimweg umgekehrt neben ihr her. An einem Tag beschimpft er sie dabei lautstark, am anderen folgt er ihr in einem Meter Entfernung, ohne ein Wort zu sagen, am nächsten beleidigt er die sie zum Schutz begleitenden Arbeitskollegen. F kann sich bei der Arbeit kaum noch konzentrieren. Sie leidet unter Angstzuständen. F ist verzweifelt. F kann bei Gericht einen Antrag nach 1 Absatz 1 Satz 3 Nr. 3 Gewaltschutzgesetz auf Anordnung eines erweiterten Näherungsverbotes stellen, und zwar dergestalt, dass dem M untersagt wird, sich auf 300 Meter der Arbeitsstelle der F sowie der der Arbeitsstelle nächstgelegenen Bushaltestelle zu nähern. www.walhalla.de 25

Gewalt im häuslichen Bereich Praxis-Tipp: Wenn damit zu rechnen ist, dass der der Wohnung verwiesene Ehepartner dem anderen auch an anderen Orten auflauern wird, wie etwa im üblicherweise frequentierten Einkaufszentrum, am üblichen Treffpunkt mit Freunden, in einer bestimmten Gaststätte, im regelmäßig an bestimmten Wochentagen besuchten Fitnesscenter oder etwa am Kindergarten, den die Kinder besuchen, so ist es ratsam, das erweiterte Näherungsverbot auch auf diese Orte zu erstrecken. Kontaktverbot Gemäß 1 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4 Gewaltschutzgesetz kann vom Gericht ein sog. Kontaktverbot angeordnet werden, d. h. dem gewalttätigen Ehepartner wird untersagt, zu dem anderen Ehepartner in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen. Neben der persönlichen Kommunikation durch Ansprechen oder Telefonate sind vom Kontaktverbot auch das Übersenden von Post sowie die Kontaktaufnahme via Telefax, E-Mail oder SMS umfasst. Verbot, ein Zusammentreffen herbeizuführen Gemäß 1 Absatz 1 Satz 3 Nr. 5 Gewaltschutzgesetz kann das Gericht dem gewalttätigen Ehepartner auch generell verbieten, Zusammentreffen herbeizuführen. Das bedeutet, dass dem gewalttätigen Ehepartner auferlegt werden kann, eine bestimmte Abstandszone zum anderen Ehepartner einzuhalten. Bei zufälligen Zusammentreffen muss sich dann der gewalttätige Ehepartner unverzüglich vom Ort des zufälligen Zusammentreffens entfernen und den angeordneten Abstand wiederherstellen. 26 www.walhalla.de

Gewalt in der Ehewohnung Praxis-Tipp: Wenn damit zu rechnen ist, dass der der Wohnung verwiesene Ehepartner versuchen wird, die Näherungsverbote zu umgehen, sollten diese in jedem Fall durch das Verbot, Zusammentreffen herbeizuführen, und das Gebot, generell eine bestimmte Abstandszone zum anderen Ehepartner einzuhalten, ergänzt werden. Ein umfassender Schutz für das Opfer lässt sich häufig nur durch eine Kombination der oben beschriebenen Schutzanordnungen gewährleisten. Es sollte daher bei Antragstellung gründlich überdacht werden, welche Reaktionen auf einzelne Anordnungen vom gewalttätigen Ehepartner zu erwarten sind, um diesen Reaktionen durch eine entsprechende Kombination der Schutzanordnungen vorzubeugen oder durch weitere Anträge den Schutz des Opfers zu verbessern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Täter die Wahrnehmung berechtigter Interessen möglich bleiben muss, 1 Absatz 1 Satz 3 Halbsatz 2 Gewaltschutzgesetz. Das bedeutet, dass dem Täter durch die Schutzanordnungen etwa Einkaufsmöglichkeiten, Behördengänge und Arztbesuche, Freizeitbetätigungen etc. nicht verbaut werden dürfen. Häufig lässt sich dies durch bestimmte zeitliche Vorgaben der Anordnungen angemessen regeln. Räumungsantrag Um einen reibungslosen Vollzug der beantragten Wohnungszuweisung zu gewährleisten, sollte auch eine sog. Räumungs- bzw. Herausgabeanordnung beantragt werden, die dem gewalttätigen Ehepartner aufgibt, die Ehewohnung unter Mitnahme seiner persönlichen Sachen und gegen Übergabe sämtlicher Haus- und Wohnungsschlüssel zu räumen und an den verbleibenden Ehepartner herauszugeben. www.walhalla.de 27

Gewalt im häuslichen Bereich Zwangsgeldandrohung Meist empfiehlt es sich, die beantragten Schutzanordnungen zur Abschreckung mit einem Antrag auf Zwangsgeldandrohung zu verbinden, und zwar dergestalt, dass dem gewalttätigen Ehepartner für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld angedroht wird. Zwar ist der rechtswidrige und vorsätzliche Verstoß gegen die Schutzanordnungen des 1 des Gewaltschutzgesetzes gemäß 4 Gewaltschutzgesetz strafbar und kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden. Jedoch kann ein Zwangsgeld häufig zeitnah zum Verstoß verhängt werden, während die Verhängung einer Geld- oder Haftstrafe im Strafverfahren oft erst mit einiger Verzögerung erfolgen kann. Eine Zwangsgeldandrohung hat insofern oft die abschreckendere Wirkung auf den Täter. Wenn eine Zwangsgeldandrohung wegen der Vermögenslosigkeit des gewalttätigen Ehepartners ins Leere läuft, kommt auch die Androhung einer Zwangshaft in Betracht. Kündigungsverbot/Veräußerungsverbot Ist der gewalttätige Ehepartner der alleinige Mieter bzw. Alleineigentümer der Ehewohnung, so ist es sinnvoll, zusätzlich ein Kündigungsverbot bzw. ein Veräußerungsverbot zu beantragen. Der zur Überlassung verpflichtete Ehepartner hat gemäß 1361 b Absatz 3 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch bzw. gemäß 2 Absatz 4 Gewaltschutzgesetz alles zu unterlassen, was geeignet ist, das Nutzungsrecht des anderen zu beeinträchtigen oder zu vereiteln. Das Gericht kann dem gewalttätigen Ehepartner, der Alleinmieter bzw. Alleineigentümer der Wohnung ist, untersagen, das Mietverhältnis gegenüber dem Vermieter zu kündigen, bzw. die Wohnung zu veräußern. Das Verbot gilt für denjenigen Zeitraum, für den dem anderen Ehepartner die Wohnung durch gerichtliche Anordnung zugewiesen wurde. 28 www.walhalla.de