Association of the Scientific Medical Societies in Germany



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Transkript:

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften Association of the Scientific Medical Societies in Germany AWMF S Arbeitskreis "Ärzte und Juristen" Referate der Sitzung des Arbeitskreises Ärzte und Juristen am 27. und 28. März 2009 in Würzburg unter der Leitung von Prof. Dr. H.-D. Saeger, Dresden Geschäftsstelle office: Ubierstraße 20 D-40223 Düsseldorf Tel. (0211) 31 28 28 FAX (0211) 31 68 19 e-mail: awmf@awmf.org AWMF online: http://www.awmf-online.de/ Begrüßung und Einführung: Prof. Dr. H.-D. Saeger, Dresden 1. Thema: Nikolaus-Urteil 2005 des Bundesverfassungsgerichts: Alternative Behandlungsmethoden bei lebensbedrohlichen Erkrankungen - Aus Sicht des Bundessozialgerichts: Dr. iur. E. Hauck, Kassel I. Das Problem Das BVerfG hat mit Beschluss vom 6.12.2005 1 entschieden: Es ist mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Der Maßstab, anhand dessen die Erfüllung der drei Voraussetzungen zu überprüfen ist, sind die Regeln der ärztlichen Kunst 2. Es fragt sich, was sich für Ansprüche gesetzlich Krankenversicherter auf alternative Behandlungsmethoden bei lebensbedrohlichen Erkrankungen hieraus ergibt. Dieser Einstieg über das Leistungsrecht stellt zugleich den Schlüssel für die Ansprüche der Leistungserbringer dar: Was der Versicherte beanspruchen kann, soll ihm der Leistungserbringer verschaffen und vergütet erhalten 3. Hierzu sind zunächst die von der Alternativmedizin und dem BVerfG-Beschluss betroffenen Leistungsbereiche in den Blick zu nehmen (dazu II.), bevor die Systemgrenzen unter dem Aspekt der Mindestqualifikation der Leistungserbringer (dazu III.) und der allgemeinen Anforderungen an die Leistungen (dazu IV.) erörtert werden. Das erlaubt es, zu einem Gesamtergebnis zu kommen (dazu V.). II. Betroffene Leistungsbereiche 1. Gegenstand alternativer Behandlungsmethoden a) Behandlungsmethoden Behandlungsmethoden setzen als therapeutische Mittel nicht nur ärztliche Behandlung ein, sei sie ambulant oder stationär, sondern insbesondere auch Arznei-, Heil- und Hilfsmittel. Sie sind deshalb hier in einem weiten Sinne zu verstehen. Sie betreffen in einem umfassenden Sinne medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grunde liegt, das sie von anderen 1 BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 27 Nr 5 = NJW 2006, 891 = NZS 2006, 84 = SozR 4-2500 27 Nr. 5; vgl. dazu z.b. Liebler, jurispr-bverwg 5/2006 Anm. 1; Bruns, Die Ersatzkasse (ErsK) 2006, 78; Koch, jurispr-sozr 6/2006 Anm. 2; Gödicke, ArztuR 2006, 28; Rümler, Generationengerechtigkeit (G+G) 2006, Nrn. 2, 42; Dettling, GesR 2006, 97; Kingreen, NJW 2006, 877; Gödicke, PatientenRechte (PatR) 2006, 9; Koch, Zeitschrift für Arzneimittelrecht und - politik (A&R) 2006, 85; Francke/Hart, MedR 2006, 131; Dietermann, NJW-aktuell Heft 18/2006, S. XIV; Kuhlen, ArztuR 2006, 11; Löffler, Sozialrecht und Praxis (SuP) 2006, 184; Huster, JZ 2006, 463, 466; Wölk, ZMGR 2006, 3; Nahnhauer, BKK 2006, 202; Diehl, ZfS 2006, 141; Wenner, SozSich 2006, 174; Heinig, NVwZ 2006, 771; Gödicke, NVwZ 2006, 774; Goecke, NZS 2006, 291; Schimmelpfeng-Schütte, ZRP 2006, 180; Güdicke, PatR 2006, 9; v. Wulffen, GesR 2006, 385; Schmidt-De Caluwe, SGb 2006, 611, 619; Hess, G+G Beil. 2006 Wissenschaft, Nr. 4, S. 7; Heinemann, A&R 2006, 223; Wasem, G+G Beil. 2006 Wissenschaft, Nr. 4, S. 15; Schneider, RPG 2006, 67; Deutsch, VersR 2006, 1472; Platzer, RPG 2006, 59; Schimmelpfeng-Schütte, NZS 2006, 567; Hauck, NJW 2007, 1320; Schlottmann, Haag, NZS 2008, 524; Ramm, VSSR 2008, 203. 2 Vgl. Hauck, NJW 2007, 1320, 1321 mwn. 3 Zum Zusammenhang vgl. BSG, Beschluss vom 7.11.2006 - B 1 KR 32/04 R - RdNr. 18, GesR 2007, 276 ff; BSG, Großer Senat, Beschluss vom 25.9.2007 - GS 1/06 - RdNr. 10, BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 39 Nr. 10. Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 27.und 28. März 2009 - Seite 1

Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll 4, etwa die interstitielle Brachytherapie mit Permanent-Seeds zur Behandlung des Prostatakarzinoms 5. b) Alternativmedizinische Methoden Alternativmedizin ist kein Rechtsbegriff des SGB V. Vielmehr handelt es sich um eine Sammelbezeichnung des allgemeinen Sprachgebrauchs für unterschiedliche Behandlungsmethoden, Scheintherapien und diagnostische Konzepte, die sich als Alternative oder Ergänzung (im Sinne des Begriffs Komplementärmedizin) zur wissenschaftlich begründeten Medizin verstehen. Letztere wird in diesem Zusammenhang oft abgrenzend und teilweise abwertend als Schulmedizin bezeichnet. Die in Europa bekanntesten alternativen Behandlungsmethoden sind die Homöopathie und die Akupunktur. Die Deutschen geben nach Lit.-Angaben pro Jahr für nicht schulmedizinsche Verfahren rund neun Milliarden Euro aus. Fünf Milliarden Euro davon zahlen die Patienten aus eigener Tasche. Vier Milliarden Euro erstatten angeblich die Krankenkassen 6. Fast immer beruhen alternativmedizinische Verfahren auf einem Axiom, d.h. auf einem keines Beweises bedürfendem Grundsatz und sind daher nicht in üblicher Weise reproduzierbar. Zusammen mit Begriffen wie natürlich, biologisch, ganzheitlich, alternativ, die Selbstheilungskräfte aktivierend etc., meist verbunden mit von Körper, Geist und Seele wird unterschwellig ein emotionaler oder magischer Appell suggeriert. Andere Merkmale sind die (Wieder-) Entdeckung des Verfahrens im Alleingang durch einen Erfinder, der sich oft auf "jahrtausendealtes Wissen" beruft, das angebliche Fehlen von Kontraindikationen und Nebenwirkungen sowie die angebliche Wirksamkeit bei vielen verschiedenen Krankheiten und in unterschiedlichen Krankheitsstadien 7. Alternativmedizinische Methoden können von Ärzten angeboten werden, von Angehörigen anderer Heilberufe, zum Beispiel Heilpraktikern, aber auch von Laien. Nicht selten werden die Therapierichtungen von sozialen Bewegungen oder bestimmten gesellschaftlichen Gruppen getragen. Solche Bewegungen grenzen sich insbesondere kritisch von der evidenzbasierten Medizin ab. Teilweise zielen sie auf eine grundlegende Änderung des medizinischen Systems. Anwender alternativmedizinischer Verfahren berufen sich bei der Frage nach einer Wirksamkeit häufig lediglich auf ihre eigene Erfahrung, die sich auf die selektive Auswahl bestimmter eigener Wahrnehmungen in der Vergangenheit bezieht. Derartige retrospektive Betrachtungen haben jedoch keinen beweisenden Charakter. Dort, wo die Methoden einer wissenschaftlichen Überprüfbarkeit zugänglich sind und überprüft wurden, wurde ihre Wirkung widerlegt oder es konnten keine ausreichenden Hinweise für eine Wirksamkeit gefunden werden bzw. sie ging nicht signifikant über einen Placeboeffekt hinaus. Je nach Möglichkeit und Stand der Falsifizierbarkeit sind die einzelnen alternativmedizinischen Methoden aus wissenschaftlicher Sicht als pseudo- oder parawissenschaftlich einzustufen. Die Ablehnung von Seiten der wissenschaftlichen Medizin beruht darum gegenwärtig meist darauf, dass solche Verfahren keine naturwissenschaftliche Basis haben, weder vorklinisch noch klinisch bezüglich der Wirkungen und Nebenwirkungen ausreichend geprüft sind und dass ihre Erfolge weder mit den üblichen statistischen Methoden noch mit anderen objektiven Kriterien belegt sind. Kann ein Wirksamkeitsnachweis für eine Methode erbracht werden, findet diese Eingang in die wissenschaftlich begründete Medizin. Für die hier interessierende Problematik ist zunächst von einem weit verstandenen Arbeitsbegriff der Alternativmedizin auszugehen, der Überlappungen mit wissenschaftlicher Medizin - etwa im Rahmen der Phytotherapie 8 - mit einschließt. Das Verhältnis der - weit verstandenen - Alternativmedizin zur Wissenschaftlichkeit lässt sich dann insgesamt damit umschreiben, dass - je nach Ausrichtung - die jeweiligen Methoden einer Skala abnehmender Evidenz zugeordnet werden können, die von den höchsten Ebenen bis hin zur offenen Scharlatanerie und Wunderheilungen reicht. Die abnehmenden Grade objektivierbarer Wissenschaftlichkeit sind im Folgenden zu berücksichtigen. 2. Vom BVerfG-Beschluss betroffene Leistungsbereiche Das BVerfG hat mit seinem Beschluss ein Urteil des BSG aufgehoben, das einem an Duchenne scher Muskeldystrophie leidenden jungen Versicherten den Anspruch darauf absprach, zu Lasten der GKV von einem Arzt mit Thymuspeptiden, Zytoplasma, homöopathischen Mitteln und hochfrequenten Schwingungen ( Bioresonanztherapie ) behandelt zu werden 9. Das BSG hatte darin insgesamt eine ärztliche Behandlungsmethode gesehen 10. Daraus kann nicht abgeleitet werden, der Beschluss des BVerfG betreffe lediglich die ärztliche Behandlung als solche 11. Sachliche Gründe dafür, danach zu differenzieren, ob der krankenversicherungsrechtliche Anspruch des Versicherten auf eine bestimmte Art der ärztlichen Behandlung oder auf die Versorgung mit einem Arzneimittel gerichtet ist, sind nicht ersichtlich. Die verfassungsrechtliche Problematik stellt sich vielmehr unabhängig davon, welche konkrete Leistungsart des SGB V im Streit ist 12, also prinzipiell für alle Leistungsarten. Denkmöglich können danach auch alle alternativmedizinischen Methoden vom BVerfG-Beschluss profitieren. III. Systemgrenzen - Mindestqualifikation der Leistungserbringer 15 Abs 1 SGB V stellt klar: Ärztliche oder zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt (Zahnarzt) angeordnet und von ihm verantwortet werden. Das PsychotherapeutenG (vom 16.6.1998, BGBl I 1311) hat dieses sog Arztmonopol lediglich um approbierte psychologische Psy- 4 Vgl. etwa die Definition der ärztlichen Untersuchungs- und Behandlungsmethode isv 135 SGB V durch die BSG-Rspr., zb BSGE 82, 233, 237 = SozR 3-2500 31 Nr 5 - Jomol; BSGE 88, 51, 60 = SozR 3-2500 27a Nr 2 mwn; BSG SozR 3-5533 Nr 2449 Nr 2 S 9 f; BSG SozR 4-2500 27 Nr 10, RdNr 16 mwn. 5 vgl. BSG SozR 4-2500 27 Nr 8 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 116b Nr 1, RdNr 14. 6 so Spielberg, Dtsch Arztebl 2007; 104(46): A-3148 / B-2770 / C-2672. 7 Vgl. Wikipedia, 18.3.09, "Alternativmedizin". 8 Vgl. z.b. Sewing, NJW 1995, 2400, 2401; zur die Möglichkeit wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweise bei homöopathischen Arzneimitteln einschließenden Konzeption des Zulassungs- und Registrierungsrechts des AMG vgl. z.b. Zu den - nicht mit einer Registrierung nach 38, 39 AMG zu verwechselnden - Anforderungen vgl. z.b. BVerwG, Urteil vom 16.10.2008-3 C 23/07 - RdNr. 15 m. w. N., juris. 9 Vgl. BSGE 81, 54 = NJW 1999, 1805 = NZS 1998, 331 = SozR 3-2500 135 Nr. 4. 10 Vgl. BSGE 81, 54 = NJW 1999, 1805 = NZS 1998, 331 = SozR 3-2500 135 Nr. 4. 11 Vgl. bereits Hauck, A&R 2006, 147, 150. 12 Vgl. BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 31 Nr. 4 = NJW 2007, 1380, jeweils Rdnr. 22 - Tomudex; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 27 Nr 12 RdNr 21 ff mwn.; BSG, Urteil vom 28.7.2008 - B 1 KR 5/08 R - Benediktusquelle RdNr. 54, demnächst in BSGE und SozR 4-2500 109 Nr. 6. Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 27.und 28. März 2009 - Seite 2

chotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten erweitert. Hinzu kommen noch Erweiterungen im Rahmen von Modellvorhaben nach 63 Abs. 3c SGB V 13. Das dient der Gewährleistung einer effektiven und auf hohem medizinisch-wissenschaftlichen Niveau stehenden Krankenbehandlung der Krankenkassenmitglieder. Die Statuierung des Arztvorbehaltes bewirkt den Ausschluss anderer Heilberufe von der selbständigen und eigenverantwortlichen Behandlung von Versicherten der KK. So ist es ausgeschlossen, Kosten eines Heilpraktikers, Geist- oder Wunderheilers erstattet zu bekommen. Das gilt auch, wenn Leistungen im Ausland betroffen sind 14. Alternativmedizin von Personen, die nicht dem Arztvorbehalt genügen, unterfällt nicht dem Leistungskatalog der GKV. Daran hat der BVerfG-Beschluss nichts geändert 15. Vielmehr setzt er gerade eine "ärztlich angewandte Behandlungsmethode" voraus. IV. Systemgrenzen - Allgemeine Anforderungen an die Leistungen 1. Materielle Kriterien a) Grundsatz Alle Leistungen, die in den GKV-Katalog fallen, haben gesetzlich und vielfach untergesetzlich bestimmten materiellen Kriterien zu genügen: Den speziellen Anforderungen für die jeweilige Leistungsart und generell dem Wirtschaftlichkeits- sowie dem Qualitätsgebot. Speziell für den Bereich der Leistungen bei Krankheit regelt etwa 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V: Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Damit werden ua die zulässigen Therapieziele umschrieben. Leistungen zum erreichen anderer Ziele, etwa der bloßen Erzeugung von "Wellness", lösen keine Ansprüche der GKV-Versicherten aus, seien sie auch alternativmedizinisch verbrämt. Das Wirtschaftlichkeitsgebot 16 bedeutet: Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Nach dem Qualitätsgebot haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen 17. Das wiederum ist der Fall, wenn die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein 18. Es entspricht allgemeinem Wissenschaftsverständnis, dass die Wissenschaftlichkeit einer Studie weder vom Ort ihrer Entstehung noch von der Stelle ihrer Publikation abhängt. Folglich können als Basis für die Herausbildung eines Konsenses alle international zugänglichen einschlägigen Studien dienen. In ihrer Gesamtheit kennzeichnen sie den Stand der medizinischen Erkenntnisse. Indem 2 Abs 1 Satz 3 SGB V auf den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse abstellt, soll dasjenige erfasst werden, was sich im internationalen wissenschaftlichen Diskurs ob seiner wissenschaftlichen Überzeugungskraft durchgesetzt hat 19. Zur Ermittlung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse genügt es, inländische Institutionen zu befragen 20. Dem Anspruch einer Sonderrolle der besonderen Therapierichtungen trägt das SGB V nur begrenzt Rechnung: Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nach 2 Abs 1 Satz 2 SGB V lediglich "nicht ausgeschlossen" 21. Der GBA hat beim Erlass von Arzneimittelrichtlinien bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen auch Stellungnahmen von Sachverständigen dieser Therapierichtungen einzuholen. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen 22. Selbst beim Verordnungsausschluss von Arzneimitteln durch Rechtsverordnung ist bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen 23. 135 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V verlangt schließlich Empfehlungen des GBA über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung. Eine zusätzliche Komponente schafft 53 Abs. 5 SGB V 24. Danach kann die Krankenkasse in ihrer Satzung die Übernahme der Kosten für Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen regeln, die nach 34 Abs 1 Satz 1 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen sind, und hierfür spezielle Prämienzahlungen durch die Versicherten vorsehen. Dagegen fordern 2 Abs 1 Satz 3 SGB V, 70 Abs 1 Satz 1 SGB V und 92 Abs 1 Satz 1 SGB V ohne Einschränkung hinsichtlich irgendwelcher Leistungsgruppen, für Qualität, Wirksamkeit, medizinischen Nutzen und medizinische Notwendigkeit auf den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse abzustellen. Damit erzeugen die gesetzlichen Vorgaben für die besonderen Therapierichtungen ein Spannungsfeld, das nach richterlicher Klärung verlangt. Zur denkbaren Absenkung des Evidenzniveaus in Grenzbereichen, insbesondere bei besonderen Therapierichtungen, ergibt sich aus der BSG-Rspr Folgendes: Die Zulässigkeit einer Niveauabsenkung für besondere Therapierichtungen hat das BSG zunächst als offen angesehen 25, in jüngerer Zeit aber selbst bei Fällen grundrechtsorientierter Leistungsausweitung Untergrenzen benannt, die in jedem Fall Minimalbedingungen kennzeichnen 26. Danach fordern und akzeptieren Gesetzes- und Verfassungsrecht, dass GKV-Leistungen allein 13 Erweiterungen auf gemäß 4 Abs. 7 des Krankenpflegegesetzes oder nach 4 Abs. 7 des Altenpflegegesetzes Qualifizierte. 14 vgl. BSG SozR 4-2500 13 Nr. 3 RdNr 13 f. mwn. 15 vgl. BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 27 Nr 12 = NJW 2007, 1385, RdNr 24, LITT. 16 Vgl. 12 Abs. 1 SGB V. 17 Vgl. 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V. 18 Vgl. BSGE 84, 90, 96f = SozR 3-2500 18 Nr. 4 S. 18f. - Kozijavkin I; BSG SozR 3-2500 18 Nr. 6 S. 23ff. - Kozijavkin II; BSG SozR 4-2500 18 Nr. 5 RdNr. 22 mwn. - Kozijavkin III. 19 Vgl. BSG SozR 4-2500 18 Nr. 5 RdNr. 29 - Kozijavkin III. 20 Vgl. EuGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - Rs C-157/99, EuGHE I-2001, 5473 ff. = SozR 3-6030 Art 59 Nr 6, S 32f - Smits/Peerbooms, RdNr. 92ff. 21 vgl. dazu auch von Wulffen, SGb 1996, 250 ff. 22 vgl. 92 Abs 2 Satz 5 Hs 2 und Satz 6 SGB V. 23 vgl. 34 Abs 2 Satz 3 und Abs 3 Satz 3 SGB V. 24 idf durch Art 1 Nr 33 GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378. 25 vgl. BSGE 94, 221, 234 f, RdNrn 28 ff = BSG SozR 4-2400 89 Nr 3 RdNr 29 ff mwn. 26 vgl. BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 27 Nr 12 = NJW 2007, 1385, RdNr 23, LITT. Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 27.und 28. März 2009 - Seite 3

nach Maßgabe der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zu beanspruchen und zu erbringen sind 27. Zudem müssen die Erkenntnisse wissenschaftlicher Art, also objektivierbar sein 28. Diesen speziellen und generellen materiellen Kriterien muss grundsätzlich jede Therapie genügen, mithin auch eine "alternative Therapie". Alternative Therapien, deren Wirksamkeit nicht objektivierbar ist, sind danach grundsätzlich kein Gegenstand des GKV-Leistungskatalogs. b) Ausnahmen Soweit eine Krankenkasse nach 53 Abs. 5 SGB V in ihrer Satzung die Übernahme der Kosten für Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen geregelt hat, die nach 34 Abs 1 Satz 1 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen sind, und hierfür spezielle Prämienzahlungen durch die Versicherten verlangt, wäre es nach allgemeinen Grundsätzen treuwidrig, dass sie sich auf einen Ausschluss aus dem Leistungskatalog der GKV beruft. Hierüber hatte das BSG zwar bisher noch nicht zu entscheiden. Es dürfte aber keinem ernsthaften Zweifel unterliegen, dass es rechtlich ausgeschlossen ist, sich auf den Ausschluss genau derjenigen Leistungen zu berufen, die gerade durch eine Zusatzprämie erlangt werden sollen. Ein weiterer Ausnahmebereich ist derjenige, in dem es trotz lebensbedrohlicher Erkrankung keine spezifische Behandlungsmöglichkeit nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse gibt. Einen plakativen Grenzfall bildet die Behandlung mit Placebos nach Maßgabe der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft, "ut aliquid fiat": Darüber hatte das BSG bisher noch nicht zu entscheiden. Seiner Rspr. sind aber die anzuwendenden Grundlinien zu entnehmen: Gerade wenn eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorliegt, bezüglich dieser Krankheit eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht und bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf wenigstens eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht, kommt - allerdings nur unter Achtung der allgemeinen Regeln ärztlichen Handelns 29 - die Behandlung mit Placebos 30 in Betracht 31. So entspricht es wohl den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft, dass die Teilnehmer an medizinischen Studien, auch wenn sie lediglich Placebos erhalten, damit in aller Regel eine bessere Prognose haben als die Nichtteilnehmer 32. Ist eine Placebobehandlung danach indiziert, konkurriert Alternativ- mit wissenschaftlicher Medizin. Für diese Konkurrenzsituation gilt: Erforderlich ist, dass unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes 33 sowohl die abstrakte als auch die konkret-individuelle Chancen-/Risikoabwägung ergeben, dass der voraussichtliche Nutzen die möglichen Risiken überwiegt 34. Soweit danach eine solche Behandlungsmethode in Betracht kommt, ist zu prüfen, ob bei Anlegen des gleichen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes auch andere (anerkannte) Methoden diesen Anforderungen genügen. Ist dem so, sind diese Methoden untereinander hinsichtlich Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit zu vergleichen 35. Bei gleicher Eignung betreffend nicht nur die Wirksamkeit, sondern auch das Fehlen oder die Geringfügigkeit von unerwünschten Nebenwirkungen und bei gleicher Erforderlichkeit besteht Anspruch nur auf das wirtschaftlich Günstigere. Dieser Konkurrenz haben sich alternativmedizinische Methoden zu stellen, um Leistungsgegenstand der GKV sein zu können. c) Bedeutung des Patientenwillens (1.) Kein Eingriff ohne Einwilligung entsprechend den allgemeinen Regeln. Dem Schutz der Patienten und ihrem Selbstbestimmungsrecht ist bei jeder Therapie, erst recht aber bei nicht nach allgemeinem Standard abgesicherten Therapien durch ausreichende ärztliche Information als Basis wirksamer Einwilligung Rechnung zu tragen 36. Versicherte müssen der konkreten Heilbehandlung in Kenntnis ihrer Art und Bedeutung zugestimmt haben. Bei der Frage der Notwendigkeit der Behandlung einer lebensbedrohlichen bzw tödlich verlaufenden Krankheit ohne bestehende schulmedizinische Behandlungsalternative geht es nämlich darum, aus übergeordneten Gründen ein Arzneimittel bei Patienten zur Anwendung zu bringen, dessen Wirkungen und Risiken noch nicht in dem an sich dafür vorgesehenen Verfahren ausreichend wissenschaftlich erforscht sind. Die mit dem Arzneimitteleinsatz verbundene Risiko-Nutzen-Abwägung erfordert neben der ständigen Überwachung des Arzneimitteleinsatzes auch, dass die Patienten nach umfassender Aufklärung über die Tragweite der Behandlung darin eingewilligt haben 37. 27 vgl. 2 Abs 1 Satz 3; 15 Abs 1; 70 Abs 1; 72 Abs 2; 135 ff SGB V; BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 27 Nr 5 RdNr 28; BSG SozR 4-2500 27 Nr 10, RdNr 35. 28 vgl. BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 27 Nr 12 = NJW 2007, 1385, RdNr 24, LITT. 29 Die Gesamtproblematik kann an dieser Stelle nicht abgehandelt werden; der Widerspruch zwischen notwendiger Aufklärung und Placebowirkung kann etwa in Fällen wirksamer Verzichtserklärung des Patienten entschärft werden. 30 Zum Problem einer Definition vgl. z. B. Windeler, Was ist der Placebo-Effekt? Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 8/2006 S. 32, Nachdruck aus Skeptiker, der Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken, Ausgabe 3/98, m. w. N. 31 Zum Zusammenhang zwischen Alternativmedizin und Placebowirkung vgl. z.b. R. Happle, The Essence of Alternative Medicine, Arch Dermatol. 1998;134:1455-1460: Placebo Effect Is an Important Factor in Regular Medicine, and the Exclusive Therapeutic Principle in Alternative Medicine. 32 Vgl. Wikipedia, "Placebo", recherchiert am 23.3.09; Studie an Patienten mit Reizdarmsyndrom, die drei verschieden intensive Placebobehandlungen erhielten. Die erste Gruppe wurde nur untersucht, die zweite erhielt eine Scheinakupunktur und die letzte Scheinakupunktur in Verbindung mit empathischen, aufmerksamen, vertrauensvollen Gesprächen. In der Gruppe mit Scheinakupunktur besserte sich die Symptomatik signifikant gegenüber der unbehandelten Gruppe und in der Gruppe mit Scheinakupunktur und zusätzlichen Gesprächen war die Besserung der Symptomatik noch einmal signifikant größer, als in der Gruppe, die nur mit Scheinakupunktur behandelt wurde: Components of placebo effect: randomised controlled trial in patients with irritable bowel syndrome, Ted J Kaptchuk et al, BMJ 2008;336:999-1003 (3 May), doi:10.1136/bmj.39524.439618.25 (published 3 April 2008); zur Analyse von 198 placebokontrollierte Studien mit Arthrosepatienten durch britische Rheumatologen vgl. W. Zhang et al., The placebo effect and its determinants in osteoarthritis - meta-analysis of randomised controlled trials. Annals of the Rheumatic Diseases. 2008 Jun 9;67:1716-1723. doi:10.1136/ard.2008.092015; kritisch zum Erfolg von Placebos gegenüber Nichtbehandlung Hrobjartsson A, Gotzsche PC. Is the placebo powerless? An analysis of clinical trials comparing placebo with no treatment. N Engl J Med. 2001 May 24;344(21):1594-602. Review. Erratum in: N Engl J Med 2001 Jul 26;345(4):304; Hrobjartsson A, Gotzsche PC: Is the placebo powerless? Update of a systematic review with 52 new randomized trials comparing placebo with no treatment. J Intern Med. 2004 Aug;256(2):91-100. 33 Zur Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz: je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation bei vertretbaren Risiken der Behandlung, desto geringere Anforderungen sind an die ernsthaften Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg zu stellen vgl. Hauck, NJW 2007, 1320, 1323 m. w. N. 34 BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 31 Nr. 4, Tomudex, RdNr 38-48 35 vgl. BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 27 Nr 12 = NJW 2007, 1385, RdNr 26, LITT. 36 BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 31 Nr. 4, Tomudex, RdNr 28; 53 f. 37 vgl. BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 27 Nr 12 = NJW 2007, 1385, RdNr 35, LITT Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 27.und 28. März 2009 - Seite 4

(2.) Keine Erweiterung des GKV-Leistungskatalogs durch Patientenwillen. Aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten 38 folgt kein grundrechtlicher Anspruch gegen seine Krankenkasse auf Bereitstellung oder Finanzierung bestimmter Gesundheitsleistungen 39. Das gilt auch dann, wenn sich ein Patient auf seine Glaubensfreiheit beruft. Die durch das Grundgesetz gewährleistete Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses (Art 4 Abs 1 GG) führen nicht dazu, dass etwa die religiös motivierte Ablehnung von Bluttransfusionen einer medizinisch notwendigen Verlegung des Versicherten von einem KH in ein anderes gleichzustellen ist. Sie begründen keine krankenversicherungsrechtlichen Leistungsansprüche 40. Zwar ist nach 2 Abs 3 Satz 2 SGB V bei der Auswahl der Leistungserbringer den religiösen Bedürfnissen der Versicherten Rechnung zu tragen. Das Rücksichtnahmegebot bzgl religiöser Bedürfnisse lässt aber weder das tatbestandliche Erfordernis eines z.b. allein aus medizinischen Gründen erforderlichen Krankentransports noch das Wirtschaftlichkeitsgebot des 12 SGB V entfallen 41. Eine leistungsrechtliche Privilegierung krankenversicherter Angehöriger einer bestimmten Glaubensgemeinschaft - hier: der Zeugen Jehovas -, die im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG der Rechtfertigung bedürfte, kann aus Art 4 Abs 1 GG als einem klassischen Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat nicht hergeleitet werden 42. (3.) Maßgeblichkeit des Patientenwillens innerhalb der gesetzlichen Vorgaben. Welche Leistungen die Versicherten beanspruchen können, bestimmt das SGB V unter Einbeziehung untergesetzlichen Rechts nur in einem durch unbestimmte Rechtsbegriffe geprägten Rahmen. Er ist deshalb auf Rechtskonkretisierung angelegt, insbesondere durch untergesetzliches Recht und die Regeln der ärztlichen Kunst 43. Das bedeutet aber nicht, dass die Leistungsansprüche der Versicherten nur allgemein, dem Grunde nach konzipiert sind. Vielmehr führt die Konkretisierung zu unmittelbar dem Einzelnen zustehenden Rechten, die im Streit gerichtlich durchsetzbar sind 44. Besteht medizinisch die Möglichkeit, verschiedene Wege zu gehen, sind diese krankenversicherungsrechtlich auf ihre Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen 45. Genügen mehrere verschiedene in Betracht kommende Maßnahmen ärztlichen Handelns diesen Anforderungen, muss der versicherte Patient hierüber aufgeklärt werden und hat die Auswahl zu treffen 46. Eine lediglich faktische Schlüsselstellung kommt demgegenüber bei der Konkretisierung der Leistungsansprüche der Versicherten den ärztlichen Leistungserbringern zu 47. Ob dem Versicherten ein bestimmter Anspruch auf Krankenbehandlung zusteht, hat im Rechtssinne nicht der Leistungserbringer - etwa Vertragsarzt oder Krankenhaus - zu entscheiden, sondern vielmehr allein - allerdings gerichtlich voll überprüfbar - die Krankenkasse 48. Diese für alle Leistungen geltenden Grundsätze führen im Hinblick auf den unterschiedlich ausgestalteten Schutz in verschiedenen Leistungsbereichen zu divergierenden Ansatzpunkten und Reichweiten der grundrechtsorientierten Leistungsausdehnung, damit aber auch zu unterschiedlichen Räumen für Alternativmedizin. 2. Formelle Kriterien Typologie Zu unterscheiden sind Fertigarzneimittel (dazu a), vertragsärztliche und vergleichbare Behandlungsmethoden (dazu b) sowie stationäre, nicht vertragsärztliche Methoden (dazu c). a) Nicht gkv-bezogene Verfahren Fertigarzneimittel Eine generelle nicht gkv-bezogene Vorabprüfung, die für GKV-Leistungen maßgeblich ist, bildet das zentralisierte, ex ante erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassungsverfahren für Fertigarzneimittel: Es schafft eine institutionelle Sicherung im Interesse des Patientenschutzes, die nicht unterlaufen werden darf. Der Anspruch auf die für die Krankenbehandlung benötigten Arzneimittel besteht nur für solche Pharmakotherapien, die sich bei dem vorhandenen Krankheitsbild als zweckmäßig und wirtschaftlich erwiesen haben und die dem Qualitätsgebot genügen. Bedarf das verabreichte Medikament nach den Vorschriften des Arzneimittelrechts der Zulassung, muss es aufgrund des deutschen oder europarechtlichen Anerkennungsverfahrens 49. grundsätzlich für das Indikationsgebiet zugelassen sein, in dem das Arzneimittel im konkreten Fall eingesetzt werden soll. Soll ein zugelassenes Arzneimittel hingegen außerhalb des von der Arzneimittelzulassung umfassten Indikationsgebietes eingesetzt werden, ist es im Grundsatz nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig, soweit kein zulässiger Off Label Use vorliegt 50. Off label Use erfordert wissenschaftliche Erkenntnisse in Arzneimittel-Zulassungsqualität 51, öffnet mithin kein Sonderrecht für Alternativmedizin. Eine vereinfachte Zulassung 52 für Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen führt in aller Regel 53 zum Ausschluss von der 38 vgl.bverfge 89, 120, 130. 39 strspr, vgl. BVerfG - Kammer - NJW 1998, 1775 und NJW 1997, 3085; zur Grundrechtsrelevanz eines möglichen Systemversagens vgl. BVerfG - Kammer - NZS 2004, 527 RdNr 8 f; BVerfG - 3. Kammer des 1. Senats - Beschluss vom 2. Mai 2006-1 BvR 817/06 - mwn.; siehe auch BSG, Urteil vom 18.6.2006 - B 1 KR 10/05 R - RdNr. 13, USK 2006-139. 40 Vgl. BSG SozR 4-2500 60 Nr. 3 RdNr. 18. 41 Vgl. auch BSGE 81, 189, 198f = SozR 3-2500 111 Nr 1 S 11f zum fehlenden Zulassungsanspruch einer Vorsorge- und Rehabilitations-Einrichtung bei Berufung allein auf besondere religiöse Bedürfnisse von Versicherten einer bestimmten Glaubensrichtung. 42 zum Abwehrcharakter des Art 4 GG vgl. BSG SozR 4-2200 589 Nr. 1 RdNr. 16 mwn betreffend die Verweigerung einer notwendigen Fremdbluttransfusion nach Arbeitsunfall; siehe auch BVerfGE 93, 1, 16; BVerfGE 32, 98, 106. 43 vgl. 2 Abs 1 Satz 3; 15 Abs 1; 28 Abs 1; 70 Abs 1; 72 Abs 2; 135 ff SGB V; BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 27 Nr 5 RdNr 28; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 27 Nr 12 = NJW 2007, 1385, 1388, jeweils RdNr 23. 44 vgl. Hauck in Peters, Hdbuch der KV, bd. 1, Stand 1.7.2008 13 RdNr. 53 f. 45 12 Abs 1 SGB V. 46 vgl. BSG, Beschluss vom 7.11.2006 - B 1 KR 32/04 R - RdNr 54, GesR 2007, 276 ff. 47 vgl näher zb 1. Senat des BSG, Anfragebeschluss an den 3. Senat vom 4. 4. 2006 - B 1 KR 32/04 R - RdNr 34 mwn., auch zu z.t. abweichenden Ansichten, insbesondere BSGE 73, 271, 281 = SozR 3-2500 13 Nr 4 - Arzt als "Beliehener" - und BSG SozR 3-2500 39 Nr. 4 S. 20 - "Ermächtigung "der Krankenhausärzte; siehe auch BSG, Beschluss vom 7.11.2007 - B 1 KR 32/04 R - RdNr. 48, GesR 2007, 276. 48 In diesem Sinne auch Großer Senat, Beschluss vom 25.9.2007 - GS 1/06 -, BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 39 Nr. 10, jeweils RdNr. 28 mwn. 49 vgl. BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 31 Nr. 1 Immucothel 50 Grundlegend BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 31 Nr. 8, Sandoglobulin; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 31 Nr 5 RdNr 19 mwn - Ilomedin; zur Entwicklung vgl. Hauck, A & R 2006, 147 ff, 148 f.mwn. 51 BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 31 Nr. 5, jeweils RdNr. 24 mwn. - Ilomedin 52 Zu den - nicht mit einer Registrierung nach 38, 39 AMG zu verwechselnden - Anforderungen vgl. z.b. BVerwG, Urteil vom 16.10.2008-3 C 23/07 - juris. 53 Aber nicht zwingend, vgl. deshalb 25 Abs. 6 und 7 AMG. Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 27.und 28. März 2009 - Seite 5

Verschreibungspflicht und damit aus dem GKV-Leistungskatalog, soweit weder nach der Entscheidung des GBA ein bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen zum Therapiestandard zählendes Arzneimittel betroffen ist 54 noch Satzungsrecht einen einschlägigen Wahltarif vorsieht 55. Versicherte können unter den engen Voraussetzungen grundrechtsorientierter Auslegung die Versorgung mit Arzneimitteln im Rahmen des Einzelimports nach 73 AMG verlangen, die arzneimittelrechtlich weder in Deutschland noch EU-weit zugelassenen sind, so dass es eines Import-Fertigarzneimittels aus dem Ausland bedarf 56. Eine weiter gehende, besondere Öffnung für Alternativmedizin ergibt sich daraus nicht. Die insgesamt erzielte Öffnung ist begrenzt: Die verfassungsrechtlichen Schutzpflichten sollen die Versicherten auch davor bewahren, auf Kosten der GKV mit zweifelhaften Therapien behandelt zu werden, wenn auf diese Weise eine nahe liegende, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht wahrgenommen wird. Ebenso wenig darf die Rechtsprechung des BVerfG dazu missbraucht werden, institutionelle Sicherungen auszuhebeln, die der Gesetzgeber gerade im Interesse des Gesundheitsschutzes der Versicherten und der Gesamtbevölkerung errichtet hat. Der Schutz durch das Arzneimittelrecht darf deshalb nicht unterlaufen werden 57. Der Beschluss des BVerfG ermöglicht es alternativmedizinischen Pharmakotherapien danach nicht, trotz Unterschreitung des arzneimittelrechtlichen Schutzniveaus zum GKV-Leistungskatalog zu gehören. b) Formalisierte, zentralisierte gkv-bezogene Prüfverfahren - Vertragsärztliche Behandlung uä. - Durchbrechung des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt Ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, ohne Empfehlung des GBA Therapieinnovationen anzuwenden, besteht für die Untersuchung und Behandlung durch Vertragsärzte oder Vertragszahnärzte einschließlich der von ihnen nach 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V eingeschalteten unselbstständigen Hilfspersonen 58, für die ärztliche Verordnung neuer Rezepturarzneimittel 59, für den Bereich der nichtärztlichen Psychotherapie 60 durch selbstständige Psychologische Psychotherapeuten 61 sowie für die Gewährung neuer Heilmittel nach 138 SGB V 62. Unter Beachtung des Beschlusses des BVerfG 63 kommt in dem Zeitraum bis zur rechtmäßigen Entscheidung des GBA 64 in notstandsähnlichen Extremsituationen 65 eine Durchbrechung des Verbots aufgrund grundrechtsorientierter Auslegung in Betracht. Es müssen hierzu nach den Regeln der ärztlichen Kunst 66 die drei vom BVerfG geforderten Voraussetzungen 67 erfüllt sein. Die in erster Linie fachärztlich durchzuführende Behandlung muss abgesehen davon, dass ihre Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit durch den Bundesausschuss nicht anerkannt ist, im Übrigen entsprechend den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgen und ausreichend dokumentiert werden 68. Dazu gehört es, jedenfalls soweit es in der jeweiligen ärztlichen Berufsordnung 69 entsprechend der Deklaration von Helsinki vorgesehen ist, bei beabsichtigten Heilversuchen zuvor die zuständige Ethikkommission einzuschalten und ihre (ggf positive) Beurteilung abzuwarten 70. Soweit danach eine solche Behandlungsmethode in Betracht kommt, ist zu prüfen, ob bei Anlegen des gleichen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes auch andere (anerkannte) Methoden diesen Anforderungen genügen. Ist dem so, sind diese Methoden untereinander hinsichtlich Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit zu vergleichen 71. Das wird im praktischen Ergebnis zur oben beleuchteten Konkurrenz zwischen nach wissenschaftlicher Medizin indiziertem Placebo und Alternativmedizin führen. c) Stationäre, nicht vertragsärztliche Behandlung Verbotsvorbehalt 137c SGB V bewirkt für den stationären, nicht vertragsärztlichen Bereich, dass nicht in einem generalisierten, zentralisierten formellen Prüfverfahren vor Einführung neuer Behandlungsmethoden im Krankenhaus deren Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit formalisiert überprüft wird, sondern die Prüfung der eingesetzten Methoden im zugelassenen Krankenhaus grundsätzlich präventiv durch die Zulassungsbehörden und das Krankenhaus selbst und retrospektiv lediglich im Einzelfall anlässlich von Beanstandungen ex post erfolgt. Bereits auf der Ebene der Zulassung als Vertragskrankenhaus ist darauf zu achten, dass das Krankenhaus nach seiner Konzeption den Anforderungen des Qualitätsgebots 72 genügt. Zu unterscheiden sind die Situationen vor und nach Erlass einer rechtmäßigen Verbotsrichtlinie gemäß 137c Abs. 1 SGB V. Vor Erlass einer solchen Richtlinie ist individuell die Beachtung der speziellen Anforderungen für die jeweilige Leistungsart und generell des Wirtschaftlichkeits- sowie des Qualitätsgebots zu prüfen. Hier kann es zur Konkurrenz von nach wissenschaftlicher Medizin indiziertem Place- 54 vgl. BSG, Urteil vom 6.11.2008 - B 1 KR 6/08 R - Gelomyrtol forte, demnächst in BSGE und SozR 4-2500 34 Nr. 4 = A&R 2009, 44 ff. 55 Vgl. 53 Abs. 5 SGB V. 56 BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 31 Nr. 4 Tomudex; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 31 Nr. 5 mwn. - Ilomedin. 57 Vgl. BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 31 Nr. 4, jeweils RdNr. 24 ff., Tomudex; das gestufte Schutzkonzept der Rspr. des BSG verfassungsrechtlich akzeptierend: BVerfG NJW 2008, 3556 zu BSG USK 2007-25. 58 Vgl. 92 I 2 Nr 1 ivm 135 I SGB V. 59 Vgl. BSGE 86, 54, 60 = SozR 3-2500 135 Nr. 14. 60 Vgl. 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V, 92 Abs. 6a SGB V. 61 Vgl. ferner Beschluss des G-BA vom 20. 4. 2004, BAnz 2004 S. 15119. 62 Vgl. BSG SozR 3-2500 138 Nr 2 S 26, 28 <Hippotherapie>; BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 89 Nr 3 RdNr 25; zuletzt BSG, Urteil vom 26. 9. 2006 - B 1 KR 3/06 R - RdNr 15; vgl auch II Nr 14 der RL über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung <HeilmittelRL> idf vom 16. 10. 2000/6. 2. 2001, BAnz Nr 118a bzw idf vom 1. 12. 2003/16. 3. 2004, BAnz 2004 Nr 106a. 63 Vgl. BVerfGE 115, 25 ff. = SozR 4-2500 27 Nr. 5. 64 Vgl. dazu BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 27 Nr 12 = NJW 2007, 1385, RdNr 21 ff., LITT; Hauck in NJW 2007, 1320 ff. 65 VgI. z. B. BSG SozR 4-2500 27 Nr. 7 RdNr. 31-32. 66 Vgl. dazu BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 27 Nr 12 = NJW 2007, 1385, RdNr 23. 67 Lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung, Alternativlosigkeit und auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf wenigstens eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. 68 Zum Arztvorbehalt vgl BVerfG, Beschluss vom 6. 12. 2005, BVerfGE 115, 25 ff. = SozR 4-2500 27 Nr. 5 RdNr. 26; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 31 Nr. 4: Tomudex, RdNr. 50 zu den Regeln der ärztlichen Kunst und Dokumentationspflichten, NZS 2007, 144. 69 Vgl. dazu auch die nicht als solche rechtsverbindliche <Muster->Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte - MBO-Ä 1997, DÄBI 1997 <94>, A-2354; inzwischen 15 IV MBO-A, DÄBI 2004 <101>, A-1578, A-1580. 70 Vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 27 Nr 12 = NJW 2007, 1385, RdNr 28; zur Deklaration von Helsinki, die grundsätzliche Aussagen zur medizinischen Forschung am Menschen enthält und bzgl. deren Planung und Durchführung die Beratung durch eine Ethikkommission empfiehlt, vgl z.b. Quaas/Zuck, Medizinrecht, 2005, 74 III, RdNr 8ff; Taupitz, MedR 2001, 277, 280 f.; Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl 2002, 4 RdNr 18f, jeweils mwn. 71 vgl. BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 27 Nr 12 = NJW 2007, 1385, RdNr 26, LITT. 72 2 Abs 1 Satz 3 SGB V. Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 27.und 28. März 2009 - Seite 6

bo und Alternativmedizin kommen. Nach Erlass einer rechtmäßigen Verbotsrichtlinie, die - etwa aufgrund der Schädlichkeit der betroffenen Methode keinen "Nikolausvorbehalt" enthält, ist die Anwendung der Methode aus deren Geltungsbereich der RL unzulässig, mithin auch der Einsatz von Alternativmedizin zu Lasten der GKV. V. Ergebnis Alternativmedizin ist grundsätzlich nur insoweit in die GKV einbezogen, als ihre Wirksamkeit objektivierbar ist, im Regelfall also nicht. Strafbare Scharlatanerie ist kein Teil des GKV-Leistungskatalogs, auch wenn sie sich in alternativmedizinischem Gewande präsentiert. Alternativmedizin dispensiert nicht von der Mindestqualifikation der Leistungserbringer und den allgemeinen und speziellen Anforderungen an GKV-Leistungen. Der Patientenwille vermag aus dem Leistungskatalog ausgeschlossene Alternativmedizin nur im Rahmen von Wahlleistungen einzubeziehen. Alternativmedizinische Pharmakotherapien, die das arzneimittelrechtliche Schutzniveau unterschreiten, können nicht zum GKV-Leistungskatalog gehören. Soweit alternativmedizinische Behandlung nicht durch rechtmäßige RL des GBA ausgeschlossen ist, kommt sie als Konkurrenz zu nach wissenschaftlicher Medizin indizierten Placebos in Betracht. Folie 1 Folie 2 Folie 3 Folie 4 Folie 5 Folie 6 Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 27.und 28. März 2009 - Seite 7

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Folie 23 Folie 24 Folie 25 Folie 26 Folie 27 - Aus Sicht der gesetzlichen Krankenversicherung: Dr. A. Meeßen, Berlin Folie 1 Folie 2 Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 27.und 28. März 2009 - Seite 10

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Folie 11 Folie 12 Folie 13 Folie 14 - Aus Sicht des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen: Dr. Ch. Kreck, Oberursel Folie 1 Folie 2 Folie 3 Folie 4 Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 27.und 28. März 2009 - Seite 12

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Folie 21 - Aus Sicht des Gemeinsamen Bundesausschusses: Dr. iur. D. Roters, Siegburg Folie 1 Folie 2 Folie 3 Folie 4 Folie 5 Folie 6 Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 27.und 28. März 2009 - Seite 15

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2. Thema: Orientierung des modernen Arztbildes: Am gesellschaftlichen und ärztlichen Idealbild oder an juristischen Vorgaben und Entscheidungen? - Aus Sicht des Patientenanwalts: RA M. Teichner, Hamburg Folie 1 Folie 2 Folie 3 Folie 4 Folie 5 Folie 6 Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 27.und 28. März 2009 - Seite 18

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Folie 23 Folie 24 - Aus Sicht und Erfahrung des Klinikers: Prof. Dr. T. Schwenzer, Dortmund Folie 1 Folie 2 Folie 3 Folie 4 Folie 5 Folie 6 Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 27.und 28. März 2009 - Seite 21

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- Aus Sicht der Gutachter: Prof. Dr. H.-F. Kienzle, Köln Folie 1 Folie 2 Folie 3 Folie 4 Folie 5^ Folie 6 Folie 7 Folie 8 Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 27.und 28. März 2009 - Seite 24

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Folie 17 Folie 18 - Aus Sicht des Anwalts: Prof. Dr. iur. K. O. Bergmann, Hamm Folie 1 Folie 2 Folie 3 Folie 4 Folie 5 Folie 6 Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 27.und 28. März 2009 - Seite 26

Folie 7 Folie 8 Folie 9 Folie 10 Folie 11 Folie 12 Folie 13 Folie 14 Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 27.und 28. März 2009 - Seite 27

Folie 15 Folie 16 Die nächste Sitzung des Arbeitskreises Ärzte und Juristen findet am 13. + 14. 11. 2009 in Münster(Westf.) statt. Die Themen werden mit der Einladung bekanntgegeben. Protokoll Arbeitskreis Ärzte und Juristen - 27.und 28. März 2009 - Seite 28