Das Fachmagazin für die Blech-bearbeitung Sauber getrennt Lohnfertiger investiert in eine Fertigungshalle, in der nur Edelstahl und Aluminium bearbeitet werden Sonderdruck aus Heft 2, April 2007 www.blechonline.de
Flexible Blechbearbeitung Unternehmen investiert in eine Fertigungshalle, in der nur Edelstahl und Aluminium bearbeitet werden Sauber getrennt von Günter Kögel Wenn Baustahl und Edelstahl in der gleichen Halle womöglich sogar noch auf den gleichen Maschinen bearbeitet werden, sind Probleme vorprogrammiert. Um seine Kunden mit Edelstahlteilen höchster Qualität beliefern zu können, investierte das Augsburger Unternehmen Nusser deshalb in eine neue, komplett von der normalen Blechbearbeitung getrennte Edelstahl- und Aluminiumfertigung. Für Normalstahl verboten dies steht zwar nicht explizit auf der neuen Fertigungshalle der W. Nusser GmbH in Neusäß bei Augsburg, trifft aber genau die Philosophie des Unternehmens. Dass in dem 1.600 m 2 großen Gebäude nur Edelstahl und Aluminium bearbeitet werden, begründet Geschäftsführer Wilhelm Nusser so: Korrosion ist in jeder Stahlfertigung ein Thema. Vor allem beim Schleifen und Schweißen werden Stahlpartikel freigesetzt, die trotz Absauganla- Die beiden Brüder Stephan (links) und Wilhelm Nusser setzen voll auf eine sortenreine Fertigung, um Korrosionsprobleme von vornherein auszuschließen. 36 BLECH 2/2007
gen in der Luft enthalten sind. Wenn diese ferritischen Partikel in Kontakt mit Chrom-Nickel-Stahl kommen, gehen sie eine Verbindung ein und können zusammen mit der Feuchtigkeit der Luft zu Korrosion auf den Edelstahlteilen führen. Gerade im Lebensmittel- und Medizintechnik-Bereich ist dies absolut unerwünscht. Die einzige Möglichkeit, dies mit Sicherheit auszuschließen, ist eine sortenreine Verarbeitung der Materialien. Gesagt getan: Nachdem durch zwei längerfristige Großaufträge für Edelstahlund Aluminiumteile der nötige finanzielle Spielraum gegeben war und gleichzeitig durch die Insolvenz eines benachbarten Betriebs schräg gegenüber eine geeignete Produktionshalle leer stand, nahm das schon lange durch die Köpfe von Stephan und Wilhelm Nusser geisternde Projekt einer sauber getrennten Edelstahlfertigung seinen Lauf. Die beiden Brüder, die seit 1998 in dritter Generation das heute rund 65 Mitarbeiter zählende Familienunternehmen leiten, investierten rund 1,4 Mio Euro mit dem erklärten Ziel, dass so Stephan Nusser das neue Werk in keinster Weise mit normalen Stahlteilen zu tun hat. Alle Maschinen und Einrichtung sind einzig auf die Bearbeitung von Edelstahl und Aluminium ausgerichtet. Andere Materialien werden dort grundsätzlich nicht bearbeitet, um jegliche Korrosionsprobleme von vornherein zu vermeiden. Wie groß die Korrosionsgefahr ist, wenn Edelstahl, ferritische Partikel, Wärme und Feuchtigkeit negativ zusammenarbeiten, erklärt Stephan Nusser: Durch unsere Kunden, die unter anderem Autowaschanlagen herstellen, haben wir immer schon viel mit Edelstahl zu tun. Wir haben dabei die Erfahrung gemacht, dass unter ungünstigen Bedingungen schon eine Nacht im Freien ausreicht und die gesamte Oberfläche der Edelstahlbleche ist mit kleinen Rostpunkten übersät. Ein zwar seltenes, aber für Nusser nicht akzeptables Problem, das mit der neuen Halle der Vergangenheit angehört. Zudem kann sich Nusser mit der sauber getrennten Edelstahlfertigung vom Wettbewerb klar differenzieren und verfügt über eine hervorragende Ausgangsbasis, um neue Märkte verstärkt anzugehen neben der Lebensmittelindustrie und der Kommunikationstechnik, aus denen die beiden großen Aufträge kommen, steht bei Nusser insbesondere die Medizintechnik ganz oben auf der Prioritätenliste. Bei unserem Besuch Ende letzten Jahres waren bereits fast alle benötigten Blechbearbeitungssysteme installiert. Das Spektrum reicht von einer Trumatic 5000 R Stanzmaschine mit automatischer Be- und Entladung über eine Roboter- Schweißzelle und eine CNC-Bolzenschweißanlage bis zur Glasperlenstrahlanlage und zu drei Einpressmaschinen. Dazu kommen noch mehrere Handarbeitsplätze zum Schweißen, Verputzen und Polieren. Kernstück der Investition ist für Wilhelm Nusser eindeutig die Roboter- Schweißanlage, eine Fanuc Arcmate 120, die speziell auf die Produktion der Edelstahlwannen und die dafür benötigten Taktzeiten ausgelegt worden ist. Die Anlage verfügt über zwei Wendepositionierer, auf denen die zwei verschiedenen Wannentypen gefertigt werden können. Der Fanuc-Roboter wurde dazu verfahrbar auf einer 8,8 m langen Schiene montiert und kann dadurch zwischen den beiden Vorrichtungen hin- und herfahren. Während der Bediener auf einer Seite belädt, wird auf der anderen Seite Kernstück der Investition ist die Roboterschweißanlage mit zwei Wendepositionierern und automatischem Brennerwechsel, die WIG- und MIG-Schweißen beherrscht. Die Trumatic 5000 R fungiert bei Nusser als Edelstanze, denn bearbeitet werden auf der automatisierten Stanz-Nibbel-Maschine nur Edelstahl- und Aluminium-Bleche. Rund 1,4 Mio Euro investierte das Familienunternehmen in den Umbau der Halle und die verschiedenen Blechbearbeitungsmaschinen für die Edelstahl- und Aluminium-Fertigung. BLECH 2/2007 37
Flexible Blechbearbeitung Stenogramm: Nusser Als mittelständisches Unternehmen im Bereich Metall- und Blechbearbeitung bietet die W. Nusser GmbH seit über 50 Jahren kundenorientierte, technisch hochwertige Lösungen an. Durch langfristige Investitionen in innovative Fertigungstechnologien und Automation von Prozessen kann Nusser individuelle Aufgabenstellungen zielgerichtet und wirtschaftlich lösen. Die qualifizierten Mitarbeiter des Familienunternehmens begleiten die Kunden in allen Phasen der Produkterstellung. Der Variantenvielfalt und kürzeren Typenlaufzeiten begegnet Nusser mit hoher Flexibilität und kann als Systemlieferant schnell auf veränderte Beschaffungsstrategien reagieren. Dank CNC-gesteuerter Bolzenschweißanlage passt die Position jedes einzelnen Bolzens perfekt und die Qualität der Schweißverbindungen ist über jeden Zweifel erhaben. www.nusser-metall.de geschweißt. Nachdem der Schweißprozess rund 30 Minuten dauert, bleibt dem Bediener genügend Zeit, bei der anderen Vorrichtung das geschweißte Bauteil zu entnehmen und die neuen Einzelteile einzulegen und zu spannen. Die doch recht lange Schweißzeit begründet Wilhelm Nusser mit der Vielzahl der Nähte, die zudem sehr fein verschweißt werden müssen. Die Bauteile werden zuerst außen mit Drahtzuführung MIG-geschweißt, um die hohen Festigkeitsanforderungen zu erfüllen, und anschließend nach einem automatischen Wechsel des Schweißbrenners innen ohne Drahtzuführung WIGgeschweißt, um an den Stellen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, absolut prozesssicher eine extrem hohe Schweißqualität sicherzustellen. Sowohl der 6-Achs-Roboter, dessen Tragkraft von 10 kg für diesen Zweck völlig ausreicht, als auch das Merkle-Schweißgerät, das durch eine hohe Einschweißtiefe und eine geringe Wärmeeinbringung überzeugt, beherrschen heute beide Verfahren aus dem Effeff. Stephan Nusser macht aber keinen Hehl daraus, dass für das Erreichen der hohen Anforderungen ein erheblicher Optimierungsaufwand betrieben werden musste. Details wollte er zwar keine nennen. Nur so viel: Ganz wichtig ist das exakte Einhalten der Spaltbreite und das genau auf den sehr speziellen Werkstoff angepasste Schweißgas. Für den Neusäßer Familienbetrieb, der bislang im 2- und 2,5D-Bereich tätig war, bedeutete das Roboterschweißen übrigens auch den Einstieg in die 3D-Welt für Wilhelm Nusser eine Herausforderung, der sich ein erfolgreicher Blechverarbeiter heute einfach stellen muss. Man braucht schon eine gewisse Zeit, um sich an die Prozesse heranzutasten und zu lernen, wie eine Schweißvorrichtung aussehen muss, wie und wo gespannt werden muss. Dieses Know-how haben wir uns zusammen mit dem Vorrichtungsbauer erarbeitet und können es künftig auch für andere Aufträge nutzen. Gleiches gilt für die Glasperlenstrahlanlage von Sapi, die Nusser zwar für die Herstellung der Wannen angeschafft hat, die damit allein aber nicht ausgelastet ist. Wilhelm Nusser: Zuerst haben wir schon überlegt, ob wir das Glasperlenstrahlen nicht über einen externen Lieferanten abdecken können. Dies ist aber von der Logistik her nicht möglich. Zudem war es uns wichtig, auch diesen Arbeitsschritt im eigenen Haus zu haben, um auf eventuelle Steigerungen der Stückzahlen schnell reagieren zu können. Dass die Anlage derzeit noch nicht ausgelastet ist, sieht Wilhelm Nusser nicht als Problem, sondern als Chance: Für uns ist das Glasperlenstrahlen eine längerfristige Investition und wir haben deshalb in eine sehr leistungsfähige Anlage investiert, die das Potenzial für weitere Aufträge hat. Wobei eines klar ist: Es muss sich um Edelstahlteile handeln. Wie Stephan Nusser erklärt, ist gerade im Bereich der Strahlanlage ein ganz akribischer Umgang gefragt: Wir haben Fein säuberlich gestapelt: Zentral in der Hallenmitte warten angearbeitete Teile auf den nächsten Bearbeitungsschritt und Fertigteile auf die Auslieferung. Um verschiedene Verbindungselemente schnell und zuverlässig einpressen zu können, wurden drei Einpressautomaten in Linie aufgestellt und zum kratzerfreien Transport über einen langen Bürstentisch verbunden. 38 BLECH 2/2007
uns im Vorfeld der Investition sehr genau mit dem Glasperlenstrahlen beschäftigt und sind dabei auf kuriose Fälle gestoßen. So hatte ein Anwender mit einer unerklärlichen Korrosion der gestrahlten Edelstahlteile zu kämpfen. Als Ursache wurde nach langer Suche schließlich eine Stahlschaufel identifiziert, mit der die Kabine gereinigt wurde. Dadurch kamen ferritische Partikel ins Strahlgut, die dann mit den Glasperlen auf die Teile geschossen wurden und die Korrosion auslösten. Wir achten deshalb auf jedes noch so kleine Detail und haben normalen Stahl komplett aus dem neuen Werk verbannt. Wie beim Stanzen, Schweißen und Glasperlenstrahlen setzt Nusser auch beim Bolzenschweißen auf hochwertige Maschinentechnik. Nachdem der bisherige Lieferant immer wieder Probleme mit der Position und der Festigkeit der Bolzen hatte, wurde speziell eine CNC-gesteuerte KTS-Bolzenschweißanlage von Soyer angeschafft mit durchschlagendem Erfolg. Wilhelm Nusser: Die Position der Bolzen passt immer perfekt und von den mehr als 35.000 Bolzen, die wir bislang gesetzt haben, ist nur ein einziger abgebrochen. Sehr zur Freude des Kunden, der das Produkt in Großküchen auf der ganzen Welt installiert und deshalb an minimalen Fehlerquoten sehr interessiert ist. Den gleichen Anspruch haben natürlich auch die Abnehmer der Aluminium-Geräteträger, die Nusser in großer Zahl für UMTS-Sendestationen produziert. Zum Einpressen der Verbindungselemente entschieden sich Stephan und Wilhelm Nusser deshalb für drei Einpressautomaten Pem-Serter 2000, die in Linie aufgestellt wurden und auf denen die verschiedenen Elemente eingepresst werden; und die wie alle anderen Anlagen noch genügend Kapazität für andere Aufträge bieten. Schließlich soll das kontinuierliche Wachstum, das die beiden Brüder in den letzten Jahren realisieren konnten, auch weiterhin beibehalten werden. Zum perfekten Durchlauf der Aluminiumteile fehlte dem neuen Werk bei unserem Besuch nur noch eines: eine automatisierte Abkantpresse, die im 1,4 Mio Euro umfassenden Investitionsplan für 2006 beim besten Willen keinen Platz mehr hatte. Doch 2007 wird auch diese letzte Lücke geschlossen. Stephan Nusser: Die nächste Investition, die wir planen, ist eine roboter-automatisierte Abkantpresse, die auch große Teile automatisch kanten kann. Wir haben uns schon einige Systeme angesehen und werden uns demnächst entscheiden. Bis dahin werden die Aluminiumteile noch im Stammwerk gekantet allerdings mit Werkzeugen, die nur für Edelstahl eingesetzt werden und die bei Nusser in einem speziellen, abgedichteten Werkzeugschrank aufbewahrt werden, um einen Kontakt mit Ferrit auszuschließen. www.nusser-metall.de Trotz weitreichender Automation: Ohne Handarbeit mit viel Fingerspitzengefühl lässt sich die geforderte Qualität nicht erreichen. BLECH 2/2007 39