DSM-5-Neuerungen/Veränderungen



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Transkript:

DSM-5-Neuerungen/Veränderungen

Allgemeines DSM 5= Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5. Auflage der American Psychiatric Association (APA) im Mai 2013 nach insgesamt 14-jährigen Entstehungsprozess veröffentlicht (englische Fassung), seit Dezember 2014 deutsche Fassung verfügbar 400 Personen unterschiedlicher Fachgruppen, 39 verschiedene Länder daran beteiligt Aufgabe der römischen Ziffern von DSM-V zu DSM-5 trotz wiederholter Kritik gilt es als neues Standardwerk für die Diagnose seelischer Erkrankungen/psychischer Störungen

Ziele: - Nützlichkeit in klinischer Forschung und Praxis weiter verbessern - stärkere Berücksichtigung dimensionaler und entwicklungsbezogener Aspekte - Integration neuer Befunde psychologischer und genetischer Forschung - für einzelne Störungsbilder: Informationen zu diagnostischen Merkmalen, Entwicklung, Verlauf, Prävalenz, Risiko-, prognostischen Faktoren, kultur- und geschlechtsspezifischen Besonderheiten, funktionellen Folgen, zur Differenzialdiagnose, Komorbidität zentrale Unterschiede zu DSM-IV: Aufgabe des multiaxialen Systems und Neuordnungen der Störungen in Deutschland zur offiziellen Diagnosestellung das ICD-10 (WHO) verwandt, DSM-V für Forschungszwecke

Kurzüberblick zu Neuerungen und neuen Diagnosen mehrere Störungsbilder wurden neu aufgenommen: zwanghaftes Horten (Hoarding Disorder) Binge-Eating-Disorder Dermatillomanie (Excoriation disorder -Skin-picking) prämenstruelle Dysphorische Störung disruptive Stimmungsdysregulationsstörung zwei neue Kapitel: Trauma- und belastungsbezogene Störungen (Trauma- and Stress-Related Disorders) Zwangsstörungen und verwandte Störungen (Obsessive-Compulsive and Related Disorders)

Veränderungen im Einzelnen Autismusspektrumstörung neuen Gruppe der sogenannten Autismusspektrumstörungen (Autism Spectrum Disorders): Asperger-Syndrom gemeinsam mit Autismus und weiteren Erkrankungen, die mit Veränderung in der sozialen Kommunikation und Interaktion verbunden sind ADHS Veränderungen bei den Diagnosekriterien: Erstmanifestation von 7 Jahren jetzt auf 12 Jahre angehoben auch Komorbidität mit Autismusspektrumstörung möglich ADHS wird den ZNS-Entwicklungsstörungen zugeordnet Aufteilung in die beiden Symptomkategorien "Unaufmerksamkeit" und "Hyperaktivität/ Impulsivität" bleibt bestehen Subtypen entfallen - ersetzt durch sogenannte "Specifier" Aufmerksamkeitsdefizite überwiegend: "vorwiegend unaufmerksame Präsentation" Hyperaktivität überwiegend: "vorwiegend hyperaktive/impulsive Präsentation" "kombinierte Präsentation" damit auch reine Aufmerksamkeitsstörungen oder Hyperaktivitätsprobleme als ADHS diagnostizierbar besser berücksichtigt wird ADHS bei Erwachsenen

Angststörungen entlang einer entwicklungsbezogenen Achse nach Erstmanifestationsalter geordnet z.b. die pathologische Trennungsangst (separation anxiety disorder) und selektiver Mutismus jetzt auch in diesem Kapitel wichtigste Veränderung: Klassifikation der Panikstörung und Agoraphobie radikal vereinfacht: Panikstörung und Agoraphobie nicht mehr miteinander verbunden frühere Diagnosen: Panikstörung mit Agoraphobie, Panikstörung ohne Agoraphobie, Agoraphobie ohne Panikstörung in der Vorgeschichte ersetzt durch getrennte Diagnosen (Panikstörung oder Agoraphobie) Überlappung als komorbide Doppeldiagnose ausgewiesen Panikattacken: nur noch Einteilung in unerwartete/ erwartete Panikattacken Spezifische Phobien, Soziale Phobie: Kriterium gestrichen, dass Betroffene erkennen müssen, dass Ängste übertrieben und unbegründet sind Zwangsstörungen, PTBS, dissoziative Störungen eigene Kapitel

Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) gemeinsam mit akuter Belastungsstörung und Anpassungsstörungen im neuen Kapitel: Trauma- und belastungsbezogene Störungen auch Diagnosekriterien für PTBS unterscheiden sich vom DSM-IV: d.h. Kriterium A1 (Stressor-Kriterium) in Bezug darauf, wie ein Betroffener das traumatische Ereignis erlebte, deutlich ausgearbeitet; Kriterium A2 (subjektive Reaktion auf das Ereignis) wurde gestrichen Zwangsstörungen im neuen Kapitel: Zwangsstörungen und verwandte Störungen aufgeführt ebenfalls in diesem Kapitel folgende Diagnosen: pathologisches Horten (Hoarding Disorder) Trichotillomanie (Hair-Pulling-Disorder) Dermatillomanie (Skin-Picking-Disorder)

Affektive Störungen in den Kapiteln Bipolare und Verwandte Störungen sowie Depressive Störungen enthalten: Kapitel Depressive Störungen bei Major Depression Ausschlusskriterium: Symptome innerhalb von 6 Monaten nach Tod einer nahen Bezugsperson gestrichen Begründung: Trauer = gewichtiger Risikofaktor für eine Depression übermäßig intensive Trauer meist bei Personen die noch andere Depressions- Risikofaktoren zeigten (z.b. familiäre Häufung; bestimmte Persönlichkeitsmerkmale) trauerbedingte Depression spreche ebenso gut auf psychosoziale und medikamentöse Therapien an wie andere Formen neu eingefügt: "Prämenstruelle Dysphorische Störung" als eine schwere Form des prämenstruellen Syndroms "Disruptive Stimmungsdysregulationsstörung (Disruptive mood dysregulation disorder -DMDD)" DMDD viel kritisiert: Einführung um Überdiagnose, -therapie von bipolaren Erkrankungen bei Kindern zu verhindern

Kapitel Bipolare und Verwandte Störungen darin enthalten Bipolar-I und -II Störung, zyklothyme Störung gibt diagnostische Erweiterungen, einige Kriterien für bipolare Störungen verändert im Kapitel ebenfalls subsummiert: Krankheitsbilder, die Kriterien für bipolare Störungen erfüllen, aber im Rahmen von Substanzkonsum oder körperlichen Erkrankungen auftreten keine gemischten Episoden mehr, dafür mixed specifiers Zunahme zielgerichteter Aktivität/Energie nunmehr ein obligatorisches Symptom für (hypo-) manische Episoden

Essstörungen Kapitel erweitert: auch Störungsbilder, die im DSM-IV als Fütter- und Essstörungen im Säuglingsund Kleinkindalter im Kapitel Störungen, die gewöhnlich zuerst im Kindes- und Jugendalter diagnostiziert werden (z.b. Pica, Ruminationsstörung) hier erfasst neu: Binge-Eating-Disorder

Schizophrenie und andere psychotische Störungen durch verstärkte Berücksichtigung dimensionaler Aspekte Versuch einer genaueren Krankheitsbeschreibung Erfassung von Anzahl unterschiedlicher Symptome, Ausmaß, Dauer dadurch bessere Abgrenzung psychotischer Symptome und Entitäten zugehöriges Kapitel (Schizophreniespektrum und andere psychotische Störungen) umfasst: wahnhafte Störung kurze psychotische Störung (mehr als einen Tag) schizophreniforme Störung (entspricht symptomatisch Schizophrenie aber kürzer als 6 Monate) Schizophrenie schizoaffektive Störung substanz-/medikamenteninduzierte psychotische Störung psychotische Störung aufgrund einer anderen (medizinischen) Ursache Katatonie andere psychotische Störung unspezifische schizophrene Störung bzw. psychotische Störung

Schizophrenie statt nur einem Symptom müssen künftig zwei Symptome für die Diagnose vorliegen: Wahn Halluzinationen desorganisierte Sprechweise desorganisiertes Verhalten negative Symptome Schizophrenie- Subtypen (z.b. paranoid, desorganisiert oder kataton) gestrichen Katatonie als diagnoseunabhängiges Merkmal erfasst ("Specifier") zudem auch als eigenständige Diagnose möglich ("unspecified catatonia")

Somatoforme Störungen im DSM-V neues Kapitel: Somatische Belastungsstörung und verwandte Störungen (Somatic Symptom and Related Disorders) Abschaffung des Konzeptes der somatoformen Störung keine Unterscheidung mehr zwischen somatoformen (medizinisch unerklärt) und körperlichen Symptomen (organmedizinisch begründet) Stigmatisierung!! neu eingeführte Diagnose: somatische Belastungsstörung (SBS)- somatic symptom disorder (SSD)- eine Art Sammeltopf für die unterschiedlichsten Störungsvarianten zentrales Merkmal lediglich Vorhandensein von körperlichen Symptomen einhergehend mit klinisch bedeutsamer subjektiver Belastung durch die Beschwerden Hypochondrie nicht mehr als Diagnose aufgeführt (wegen negativer Besetzung) jetzt Krankheitsangststörung - Illness Anxiety Disorder neu: Diagnose nur, wenn neben Krankheitsängsten keine körperlichen Symptome oder in geringem Ausmaß mit Diagnose SBS keine gezielte Differenzialdiagnostik, störungsspezifische Therapieplanung möglich

Delir, Demenz, Amnestische und andere kognitive Störungen klassischer Begriff Demenz nicht mehr explizit angeführt unter neuer, umfassender Kategorie: Neurokognitive Störungen (neurocognitive disorders- NCDs) subsumiert diesen auch amnestische Störungen und leichtere Vorstadien von Demenzen (derzeit unter MCI- mild cognitive impairment) zugeordnet auch Delir darunter gefasst (hier lediglich Specifier reformuliert, um Kategorien persistierend/akut und hyperaktiv/hypoaktiv erweitert) Kernsymptom der NCDs sind erworbene kognitive Beeinträchtigungen leichte Neurokognitive Störung (NCD minor): geringe Abnahme kognitiver Fähigkeiten Ausführung alltäglicher Aktivitäten, Selbständigkeit nicht behindert diagnostische Schwelle dadurch deutlich gesenkt

ausgeprägte Neurokognitive Störung (NCD major): - ausgeprägte kognitive Leistungseinbußen, die Unselbständigkeit hervorrufen (Abhängigkeit von Hilfe bei komplexen Aufgaben) ist Nachfolgebegriff zur Demenz weitere Spezifizierung: Vorhandensein oder Fehlen von Verhaltensstörungen Probleme: - begleitende psychologische und Verhaltensstörungen zwar kodierbar, aber nicht näher charakterisiert - diagnostische Kriterien für einzelne Syndrome fehlen, - diese Störungsgruppen nicht ausreichend differenziert, was für pflegerische und psychiatrische Versorgung wichtig wäre - Grenze zwischen physiologischem Altern und neurokognitiver Störung nicht überzeugend formuliert - Befürchtung: unnötige, kostspielige Diagnostik

Kapitel zu Substanzbezogenen und Abhängigkeitsstörungen für Suchtbereich zwei wesentliche Änderungen: bisherige Kategorie: schädlicher Substanzgebrauch aufgehoben neue Kategorie: Substanzgebrauchsstörung (substance use disorder) eingebracht diese beinhaltet auch die bisherige Abhängigkeitserkrankung d.h. jetzt eine Diagnose bezüglich des schädlichen Gebrauchs entfällt das Symptom: Probleme mit dem Gesetz (legal problems) als neues Kriterium: Substanzverlangen (Craving) 2 Symptome genügen für Diagnose Substanzgebrauchsstörung Unterscheidung in leichte, mittelschwere und schwere Abhängigkeit ebenfalls entfällt Unterscheidung mit/ohne körperliche Abhängigkeit und zwischen Voll- und Teilremission

im Unterkapitel Nicht-substanzabhängige Störungen: Verhaltenssüchte z.b. pathologisches Glücksspiel (bei Vorliegen von mind. 4 Kriterien) da Leitkriterien der Diagnosestellung: Toleranzentwicklung, Entzugssymptomatik bei Wegfall des Glücksspiels, Kontrollminderung, starke Eingenommenheit vom Glücksspiel den Leitkriterien typischer Suchterkrankungen entsprechen Störungen im Zusammenhang mit Substanzen: Cannabis- und Koffeinentzug ergänzend aufgenommen Störungen mit Amphetaminen und Kokain unter Störungen im Zusammenhang mit Stimulantien gefasst Störungen im Zusammenhang mit multiplen Substanzen haben im DSM-5 keinen Fortbestand

Section 3 Disorders (Forschungsdiagnosen) hier Störungsbilder aufgenommen, bei denen weitere Forschung erforderlich ist dazu zählen: attentuiertes Psychosesyndrom (Attenuated Psychosis Syndrome)= Prodromalstadium mit abgeschwächt auftretenden psychotischen Symptomen depressive Episode mit kurzzeitiger Hypomanie (Depressive Episodes With Short- Duration Hypomania) Persistierende komplexe Trauerstörung (Persistent Complex Bereavement Disorder) Koffeinkonsumstörung (Caffeine Use Disorder) Internet-Spielsucht (Internet Gaming Disorder) (siehe Kriterien Hr. Rehbein) Neurobehaviorale Störung im Zusammenhang mit pränataler Exposition zu Alkohol (Neurobehavioral Disorder Associated with Prenatal Alcohol Exposure) Suizidale Verhaltensstörung (Suicidal Behavioral Disorder) Nicht- Suizidale Selbstverletzung (Nonsuicidal Self-Injury)

V-Kodierungen jetzt im DSM-5 zu: Andere Bedingungen, die im Fokus Klinischer Aufmerksamkeit stehen können, verschoben: dieser Bereich ergänzt durch: z.b. Wohn- und finanzielle Probleme Probleme im Zusammenhang mit psychosozialen, persönlichen oder Umweltbedingungen (ungewollte Schwangerschaft, Terrorismus) und andere Umstände der persönlichen Geschichte (Selbstverletzung in der Vergangenheit) auch der Abschnitt zu Missbrauch und Vernachlässigung deutlich differenzierter: z.b. Unterscheidung einmaliger, mehrmaliger Missbrauch oder psychologischer Missbrauch

Kritik am DSM-5 durch neue Diagnosen und Verringerung von Schwellen mögliche Überbehandlung (z.b. medikamentös) fehlerhafte Verteilung knapper Ressourcen des Gesundheitssystems zunehmende Stigmatisierung der Bevölkerung Ausweitung des Krankheitsbegriffes befürchtet (Pathologisierung normaler psychischer Zustände) an Aufhebung von Trauer als Ausschlusskriterium für Major Depression an Einführung leichter neurokognitiver Störungen und der Diagnose Disruptive Stimmungsdysregulations-störung Ergebnis der jahrelangen Arbeit eher ernüchternd und enttäuschend kein Rückgriff auf Befunde biologischer und neurowissenschaftlicher Forschungsarbeiten war ein Ziel rasche Revision wird erwartet angesichts unterschiedlicher Interessenlagen und Funktionen des DSM sind anhaltende Diskussionen, Bewertungen zu erwarten abzuwarten bleibt Einfluss das DSM-5 auf die Arbeit am ICD-11

Kriterien der Internet Gaming Disorder (nach DSM 5, Section 3) 1. gedankliche Vereinnahmung (ständiges Denken daran, auch in Phasen, wo nicht gespielt wird, z.b. in Schule, am Arbeitsplatz) 2. Entzugserscheinungen psychische nicht physische oder pharmakologische Entzugssymptome: wie Gereiztheit, Unruhe, Traurigkeit, erhöhte Ängstlichkeit, Konzentrationsprobleme, wenn nicht gespielt werden kann 3. Toleranzentwicklung: mehr und mehr Zeit wird mit Computerspielen verbracht 4. Kontrollverlust: Häufigkeit und Dauer des Spielens und Aufnahme und Beendigung des Spielens kann nicht mehr selbstregulativ begrenzt bzw. reguliert werden 5. Fortsetzung trotz negativer Konsequenzen: trotz nachteiliger psychosozialer Auswirkungen 6. Verhaltensbezogene Vereinnahmung: Interessenverlust des Spielers für vormalige Hobbys und Freizeitaktivitäten, Interesse nur noch für Computerspielen

7. Dysfunktionale Stressbewältigung: Computerspielen wird zur Regulation negativer Gefühle eingesetzt sowie zum Vergessen der Probleme 8. Dissimulation: Spieler belügt Familienmitglieder, Therapeuten, andere Personen über tatsächliches Ausmaß des seines Spielverhaltens 9. Gefährdungen und Verluste: wegen seines Computerspielens werden wichtige Beziehungen, Karrierechancen oder Arbeitsplatz riskiert oder verloren oder den eigenen Werdegang in anderer Weise gefährdet 5 Kriterien müssen erfüllt sein Diagnose darf nur für die pathologische Nutzung von Online- und Offlinespielen (nicht private oder berufliche Internetnutzung) vergeben werden

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit