Inhalt 1. Definition... 2 1.1. Epidemiologie der CMD... 3 1.1. Ätiologie der CMD... 4 2. Hintergrund... 5 3. Einleitung... 6 3.1. Was ist Osteopathie?... 6 3.2. Zusammenhang zum Kiefer... 7 4. Beschreibende Anatomie... 10 4.1. Embryologie... 10 4.2. Funktion... 11 5. Das Kiefergelenk als Gleichgewichtsorgan... 14 6. Diagnostik des Kiefergelenkes... 15 6.1. Zahnhalteapparat als Führung... 16 6.2. Postkranielles System... 17 6.3. Schienentherapie... 19 6.4. Ventilfunktion des Kiefergelenkes... 20 6.6. Testung Gleichgewicht... 24 6.7. Testung am Kranium... 26 6.8. Testung in der Peripherie... 42 7. Behandlung... 43 8. Ziele... 58 1
1. Definition Craniomandibuläre Dysfunktion(CMD) ist ein Überbegriff für strukturelle, funktionelle, biochemische und psychische Fehlregulationen der Strukturen, die die Kiefergelenkfunktion beeinflussen können. Craniomandibuläre Dysfunktion, setzt sich aus den Worten Cranio (lateinisch=cranium, griechisch=kranion) = Schädel, Mandibula (aus dem lateinischen) = Unterkiefer und Dysfunktion (lateinisch=dysfunctio) = Fehlfunktion zusammen und wird in der gängigen Abkürzung CMD benutzt. Für die CMD gibt es keine klare einheitliche Definition, somit ergibt sich, dass mehrere Symptome sie entstehen lassen können. Die CMD wird also als ein Sammelbegriff genutzt für strukturelle, funktionelle, biochemische und psychische Fehlregulationen der Muskel- oder Kiefergelenkfunktion, die schmerzhaft oder nicht schmerzhaft sein können (Köneke, 2010). Der Begriff craniomandibuläre Dysfunktionen (CMD)" umfasst eine Reihe klinischer Symptome der Kaumuskulatur und/oder des Kiefergelenks sowie der dazugehörenden Strukturen im Mund- und Kopfbereich. Der Begriff Myoarthropathie sowie die englischsprachigen Ausdrücke Temporomandibular Disorders" (TMDs) und Craniomandibular Disorders" (CMD) entsprechen im Wesentlichen der oben genannten Bezeichnung. (Deutsche Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie in der Zahn-, Mund und Kieferheilkunde). 2
1.1. Epidemiologie der CMD Die Prävalenz der CMD bei Erwachsenen wird international zwischen 14% und 40% angegeben. Je nach Land gibt es unterschiede (Korff et al., 1992). In Deutschland haben ungefähr 44-54 % der 35- bis 74- jährigen leichte klinische Dysfunktionen der Kiefergelenke, laut dem statistischen Jahrbuch der Bundeszahnärztekammer aus dem Jahr 2010/2011. Dazu kommt noch, dass Frauen häufiger betroffen sind als Männer und zwar ungefähr doppelt so viel (Le Resche, 1997). Diese Zahlen findet man ungefähr wieder, wenn man nach der Aussage einer internen Statistik der Gesellschaft für Zahngesundheit, Funktion und Ästhetik (GZFA) geht. Es wurden 100 Patientenfälle erfasst und ausgewertet, aus den Jahren 2003/2004. Von diesen Fällen hatten 79,2% der Frauen eine CMD mit Beschwerdeanzeichen (wie Kopf- und Schulterschmerzen, Migräne, Verspannungen und Schluckbeschwerden), 19,8% waren Beschwerdefrei (wiesen aber Symptome wie Zähneknirschen und abradierte Zähne auf) und 1% hatte ein harmonisches Gleichgewicht zwischen Zähnen und Kiefergelenk. Bei den Männern wiesen 40,6% der Fälle auf Beschwerden (wie Kopf- und Schulterschmerzen, Migräne, Verspannungen und Schluckbeschwerden), 58,4% waren beschwerdefrei (zeigten aber Symptome wie Zähneknirschen und abradierte Zähne) und bei 1% bestand ein harmonisches Gleichgewicht zwischen Zähnen und Kiefergelenk (GZFA, 2004). 3
1.1. Ätiologie der CMD Eine erklärende Ursache zur Genese der CMD gibt es noch nicht, da noch wissenschaftliche Erkenntnisse fehlen. Viele Faktoren fördern nach jetzigem Verständnis die Pathogenese einer CMD, aber es ist wahrscheinlich, dass mehrere Faktoren gleichzeitig die CMD bilden (Mueller, Mueller and Schulze-Mosgau, 2011) (Pausenberger, Bernhardt and Meyer, 2010). Laut der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) sind traumatische, anatomische, neuromuskuläre und psychosoziale Faktoren an der Entstehung, Erhaltung und der Anfälligkeit der Erkrankung maßgeblich beteiligt (Hirsch, John and Reiber, 2001). Ein entscheidender Faktor, der die Entstehung der CMD anscheinend fördert, ist die Malokklusion (stehen die Zähne nicht in korrekter Verbindung zueinander, verschiebt sich der Unterkiefer beim schließen automatisch in eine neue Position, um die Fehlstellung der Zähne auszugleichen (GZFA, n.d.)) durch Zahnfehlstellungen, Zahnextraktionen und Kieferorthopädische Behandlungen sowie Bruxismus (Dawson, 2005). Eine große Rolle scheint auch die jeweilige Konstitution zu spielen. Der Mensch hat die Möglichkeit mit einem ausgeglichenen Organismus seine täglichen Umwelteinflüsse und seine psychischen Einflüsse zu kompensieren, aber auch nur bis zu einem gewissen Punkt. Wenn man diesen Punkt überschreitet, kann es im Falle einer CMD zu Dysfunktionen und den daraus resultierenden Schmerzen kommen (Bumann and Lotzmann, 1999). 4
2. Hintergrund Es gibt viele Betrachtungsweisen des Kiefergelenkes und seiner Störmechanismen. Wir haben uns in diesem Buch auf angewandte Anatomie, Embryologie und klinische Erfahrung bezogen. Häufig findet man in den Konzepten zur CMD nur die rein biomechanische Betrachtungsweise oder den Ansatz die Betrachtungsweise der craniosacralen Therapie. Dieses Buch soll das Kiefergelenk in seinen Kontext mit dem gesamten Körper, der Seele und des Geistesbringen - genauso wie heute verstanden wird dass jede Behandlung einer Herzdysfunktion die Untersuchung und Einbindung des Herzens in das gesamte System inklusive Thorax, Lunge und Nieren sowie der Psyche (Seele)des Patienten bedarf. Ergo soll auch das Kiefergelenk nicht isoliert betrachtet werden da dies zu Fehldiagnosen und in der Konsequenz zu falschen Therapien führen wird. Wir möchten Ihnen in diesem Buch zeigen wie vielschichtig dieses Gelenk in seiner Funktion ist. 5
3. Einleitung 3.1. Was ist Osteopathie? Die Osteopathie wurde von dem amerikanischen Arzt Andrew Taylor Still (1828-1917) gegründet. Der Begriff kommt aus dem altgriechischen und bedeutet osteon = Knochen und pathos = leiden und steht für ein Diagnose- und Therapiekonzept. Es gibt derzeit noch keine einheitliche Begriffsdefinition für die Osteopathie in Deutschland. Entsprechend der zu behandelnden Strukturen, wird die Osteopathie in drei Bereiche unterteilt: die parietale (Gelenke, Bindegewebe, Muskeln), viszerale (Organe, ihre Umhüllung und ihre Aufhängung) und kraniosakrale (inhärente Rhythmen des Körpers) Osteopathie. Diese drei Bereiche wurden und werden, seit der Gründung der Osteopathie, immer weiter entwickelt. Nichts desto trotz, wird der Körper in seiner Gesamtheit betrachtet und nicht nur auf diese einzelnen Bereiche reduziert. Durch eine Anamnese und eine klinische Untersuchung, wird die osteopathische Diagnose ermittelt. Je nach Befund, ergibt sich ein individueller Therapieansatz für jeden Patienten. Um einen ganzheitlichen Effekt in der Osteopathie zu erreichen, wird auch versucht psychosomatische Reizungen zu beseitigen oder zu verringern. Dazu gehört das Erörtern der Problemsituation mit möglichen Lösungsvorschlägen und Veränderungen des Alltags, durch Bewegungs-, Ernährungs- und Entspannungsberatungen, jeweils dem Individuum angepasst. 6
3.2. Zusammenhangzum Kiefer Die Menschen leiden derzeit immer mehr unter schmerzhaften Beschwerden. Diese können sich in chronischen Rückenschmerzen oder Kopf-, Gesichts- und Nackenschmerzen ausdrücken (Kares et al., 2011). Es kommt auch zu Beschwerden, die sich als Tinnitus, Bewegungsstörungen in der Kieferumgebung und Bruxismus bemerkbar machen können (Köneke, 2010). Noch häufig genannte Symptome, die bei der CMD auftreten, sind Schmerzen in der Kaumuskulatur, Gelenkgeräusche wie z.b. ein Knacken und Krepetation bei Bewegungen des Unterkiefers (De Leeuw, 2008). Diese und noch mehr Symptome können auch durch den Kiefer in Erscheinung treten. Das Kiefergelenk ist ein sehr komplexes Gelenksystem im menschlichen Körper, denn die Bewegung des Unterkiefers wird in allen Dimensionen koordiniert (Schupp et. al., 2008). Heutzutage suchen die Menschen, die an Kiefergelenksschmerzen leiden auch Rat im Internet. Es gibt mehrere Foren, in denen ein großer Austausch stattfindet. In vielen Eröffnungstexten wird Schmerz genannt, aber die als am häufigsten vermutete Ursache, sei der Bruxismus (Zähneknirschen). Vier von zehn Teilnehmern übten Kritik an den durchgeführten Behandlungen und drei von vier waren auch gereizt und enttäuscht. In den Diskussionen wurden orale Schienen, Physiotherapie, physikalische Maßnahmen und Analgetika erwähnt. Einige Äußerungen waren fehlerhaft, selbst die von Zahnärzten, passten nicht zu dem aktuellen Stand, der Fachliteratur. (Türp et Ohla, 2012). Die Diagnose, die sich nach bestimmten Symptomen in der Kieferumgebung meist vom Zahnarzt oder vom Kieferorthopäden ergibt, ist die Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD), die im englischsprachigen Raum Temporomandibular-Joint-Disorder (TMJ) genannt wird. Nachdem die CMD diagnostiziert wird, geht man in der Zahnheilkunde so vor, dass der Einsatz einer Okklusionsschiene die Primärmaßnahme darstellt (Ash et al., 1999). Es kommt auch vor, dass Analgetika gegeben 7
werden oder in der Kieferorthopädie invasiv an der Okklusion gearbeitet. Natürlich kommt es auch vor, dass chirurgisch an dem Kiefergelenk gearbeitet wird. Die CMD besteht häufig aus einem komplexen Befund und ist ein pathologischer Zustand des gesamten Bewegungsapparates (Korbmacher et al., 2004; Schupp, 2005; Kopp et al., 1999; Kopp et al., 1997). In den meisten Studien, in denen es um die CMD geht, wurden Auswirkungen auf die Schmerzen und Bewegungsstörungen im Kiefergelenk untersucht, doch die Osteopathie ist noch nicht so häufig genannt und getestet worden. Da sich die Beschwerden, bei einer Craniomandibulären Dysfunktion, auf mehrere Bereiche verteilen können, liegt es nahe, interdisziplinär tätig zu werden und eine Zusammenarbeit zwischen den Zahnärzten, Kieferorthopäden und Therapeuten, die manuell arbeiten, zu gewährleisten (Hülse et al., 2005). Ohne so eine Zusammenführung, des gemeinsamen Wissens und der Erfahrung auf verschiedenen Gebieten würde es nur schwieriger werden, um die beste Therapiemöglichkeit zu finden und den leidenden Patienten zu helfen. Bisherige Studien, die im konservativen Bereich durchgeführt wurden, wie der Physiotherapie, der Elektrotherapie und der Manuellen Therapie, ebenso wie Entspannungstherapie, hatten am Ende eine unzureichende Aussagekraft, da die methodische Qualität der meisten Studien nicht ausreichend war (Manfredini et al., 2012). Es gibt Studien über den Behandlungserfolg der wenig invasiven Techniken, die direkt an Dysfunktionen ansetzen und auch Erfolge des osteopathischen Therapieansatzes dokumentieren, diese sind jedoch wissenschaftlich nicht anerkannt (Cuccia et al., 2010). Es werden verschiedene Therapiemodelle herangezogen, um Relationen des Kiefergelenkes mit der Körperstatik zu verdeutlichen (Liem, 2010). Der vorgehende Therapeut muss die Gesamtfunktion des Körpers 8
verstanden haben, die Interventionen beziehen sich im Wesentlichen auf die Strukturen (Ledermann, 2010). Die Osteopathie wirkt durch spezielle Techniken auf mehrere Strukturen. Unteranderem wird der Schädel mit seinen Suturen (Schädelnähten), Membranen und dem Liquor behandelt. Es werden Gefäße, die Arterien und Venen mit einbezogen. Faszienstrukturen gehören auch dazu, das zentrale Nervensystem (ZNS) wird beeinflusst, der Kiefer und die Muskulatur, die sich lokal befindet oder auch über Muskelketten wirkt behandelt. Einige Behandlungsvarianten, die in der Osteopathie genutzt werden, sind Still-, Muskel-Energie (MET), Strain-counterstrain-, Highvelocity-low-amplitude- (HVLA), Sutherland-, myofaszial release Techniken (Nicholas & Nicholas, 2008). 9