Medinfo Mitteilungen zu Themen der Lebensversicherung



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Transkript:

Medinfo Mitteilungen zu Themen der Lebensversicherung Der Arzt und die Lebensversicherung 2007/1 Beilage der Schweizerischen Ärztezeitung Nr. 26, 27. Juni 2007

2 Impressum Herausgeber: Schweizerischer Versicherungsverband SVV C.F. Meyer-Strasse 14 Postfach 4288 CH-8022 Zürich 2007 Schweizerischer Versicherungsverband SVV Zuständiges Gremium: Kommission medizinische Risikoprüfung Peter A. Suter, AXA-Winterthur, Präsident Dr. Beatrice Baldinger, Swiss Re Karl Groner, Zürich Dr. med. Thomas Mall, Basler Dr. med. Bruno Soltermann, SVV Redaktion: Dr. Jörg Kistler, SVV C.F. Meyer-Strasse 14 8022 Zürich Tel. 044 208 28 28 joerg.kistler@svv.ch Druck: RITZ AG Print und Media, 3018 Bern Auflage: 12 000 Exemplare Bestelladresse: www.svv.ch

Inhaltsverzeichnis 3 André Chuffart Prof. Philippe Maeder Informationsasymmetrie bei Abschluss einer Personenversicherung: Auswirkungen, Folgen und Lösungsvorschläge.............................................................. 6 Kevin Somerville Evidenzbasierte Risikobewertung und ihre Anwendung........................................... 34 Dr. med. W. Forster Begriffe aus der Lebensversicherung............................................................................. 55 Dr. med. Thomas Mall Was ist die Rolle des Gesellschaftsarztes bei einer Versicherung?......................... 62 Dr. med. Bruno Soltermann Bedürfnisse und Bildungsmöglichkeiten der Ärzteschaft im versicherungsmedizinischen Bereich........................................................................ 66 Josef Kreienbühl Die Sicht des untersuchenden Arztes in der Lebensversicherung........................... 74 Dr. med. Oliver Stich Der praktische Fall............................................................................................................... 77 ASA SVV Medinfo 2007/1 Der Arzt und die Lebensversicherung

4

Vorwort 5 Liebe Leserinnen, liebe Leser Auch enge Beziehungen benötigen Pflege. Lebensversicherer und Ärzte leben in einer solch engen Beziehung. Darum ist die der heutigen Ausgabe der Ärztezeitung beiliegende Ausgabe der Medinfo, die zweimal jährlich erscheinenden Mitteilungen der Lebensversicherer an die Ärzteschaft, diesem Thema gewidmet. Ohne die ärztliche Gesundheitsprüfung wäre dem Lebensversicherer eine Tarifikation der Risiken gar nicht möglich. Für den Arzt sind diese Gesundheitsfragen nicht immer ganz einfach zu beantworten. Es kann vorkommen, dass er sich in einem Konflikt fühlt zwischen den Interessen des Kunden einerseits und dem Anspruch des Versicherers auf umfassende Information andererseits. Wie relevant sind denn die einmal aufgetretenen Rückenschmerzen, wenn doch der dem Arzt bestens bekannte Patient schon lange geheilt ist. Die vorliegende Ausgabe der Medinfo unternimmt den Versuch einer indirekten Antwort. In ihrer Untersuchung über die Informationsasymmetrie bei der Annahme von Lebensversicherungen weisen André Chuffart und Philippe Maeder überzeugend nach, wie Fehler bei Produktegestaltung und Antragsfragen zu schwerwiegenden finanziellen Verlusten führen können. In seinem Artikel zeigt Kevin Somerville auf, wie anforderungsreich das Erarbeiten von Annahmerichtlinien geworden ist. Gerade weil in der Öffentlichkeit das Recht des Versicherers auf Annahmefragen zunehmend unter Druck gerät, schreibt der Rückversicherer seinem Kunden vor, welche Fragen er stellen kann. In weiteren Artikeln werden Begriffe aus der Lebensversicherung erläutert und Bildungsmöglichkeiten für Versicherungsärzte aufgezeigt. Schliesslich wird das Verhältnis Arzt-Lebensversicherung aus Sicht eines Gesellschaftsarztes einerseits und von Hausärzten andererseits dargestellt. Enge Beziehungen bedürfen der Pflege. Ich hoffe, die heutige Ausgabe der Medinfo leistet einen Beitrag dazu. Dr. Jörg Kistler

6 Informationsasymmetrie bei Abschluss einer Personenversicherung: Auswirkungen, Folgen und Lösungsvorschläge André Chuffart, Zurich Prof. Philippe Maeder, Université de Lausanne Die Autoren haben nicht die Absicht, einen Artikel über die Entwicklung der Wirtschaftstheorie der Informationen oder über die ökonometrischen Anwendungen der Vertragstheorie zu verfassen. Vielmehr wollen sie den Leser, durch sorgfältig ausgewählte Beispiele, auf die praktischen Folgen einer Informationsasymmetrie bei Antragsunterzeichnung hinweisen und ihm ein breites Spektrum an Lösungsvorschlägen unterbreiten. Aus Effizienzgründen beschränken wir unsere Lösungsvorschläge auf die Einzelversicherungen und ananlysieren dort eine der Auswirkungen der Informationsasymmetrie: die Antiselektion. Vorbemerkung Wir legen grossen Wert darauf, Frau Joëlle Rolland von der Zeitschrift Risques, Herrn David Heeney von Scottish Re und Herrn Professor Pierre André Chiappori von der Columbia University zu danken, die uns freundlicherweise erlaubt haben, einige Passagen der am Schluss dieses Artikels aufgeführten Publikationen wiederzugeben. Wir möchten uns ebenso bei Herrn Lawrence Tsui von der Swiss Re in Hong Kong bedanken, der uns auf verschiedene relevante Statistiken aus den Vereinigten Staaten und Taiwan hingewiesen hat. 1 Einführung Das Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) regelt die privatrechtlichen Beziehungen zwischen Versicherern und Versicherten. Dieses Gesetz ist seit seinem Inkrafttreten nur teilrevidiert worden, zum letzten Mal im Jahre 2004. Auf Antrag des Bundesrates wurde eine Expertenkommission für eine Totalrevision des VVG unter der Leitung von Herrn Professor Anton K. Schnyder gebildet. Diese Kommission legte im August 2006 einen Vorentwurf für das Bundesgesetz und einen erläuternden Bericht vor. Das Eidgenössische Finanzdepartement beauftragte das Bundesamt für Privatversicherungen (BPV), gestützt auf den von den VVG-Experten ausgearbeiteten Entwurf, eine Totalrevision des VVG zu erarbeiten, für die

7 bis Ende 2007 das Vernehmlassungsverfahren durchgeführt werden soll. Diese soll insbesonders den Anliegen des Konsumentenschutz Rechnung tragen, soweit dies nicht bereits in der Teilrevision 2004 geschehen ist, sowie in angemessener Weise die Empfehlungen der Wettbewerbskommission berücksichtigen. Der zweite Abschnitt des Vorentwurfs, von dem bislang nur eine deutsche Version vorliegt, befasst sich ausschliesslich mit der Informationspflicht. Im Falle der Verletzung dieser Informationspflicht, sei es seitens des Versicherers oder des Antragstellers (oder seines Vertreters), kann der Vertrag gekündigt werden. In einigen Fällen kann der Versicherer sogar von der Verpflichtung zur Leistung für bereits eingetretene Schadensfälle befreit werden. Der aufmerksame Leser wird feststellen, dass der Vorentwurf, verglichen mit dem geltenden VVG ein besonderes Augenmerk auf die vor Abschluss eines Versicherungsvertrages abzugebenden Informationen legt. Dies zeigt die Relevanz des vorliegenden Artikels. Eine detaillierte Analyse der Praktiken der Lebensversicherer auf verschiedenen Märkten bringt ein interessantes Phänomen zum Vorschein. Aufgrund des hohen Konkurrenzdrucks, vereinfachen die Lebensversicherer ihre Risikoprüfung und ihre Tarifgestaltung: Die im Versicherungsantrag gestellten Fragen sind in Bezug auf die medizinischen und finanziellen Aspekte weniger zahlreich. Versicherungsabschlüsse ohne ärztliche Untersuchung sind immer häufiger anzutreffen und eine immer grössere Anzahl von Anträgen wird nicht mehr von qualifiziertem Personal bearbeitet usw. Anstatt ihre Tarife zu erhöhen, um diese Liberalisierung der Annahmebedingungen wieder auszugleichen, zogen es die Versicherer unter dem starkem Konkurrenzdruck vor, die Tarife unverändert zu lassen und dafür ihre Schadensregulierungspraktiken zu verschärfen. Diese Verschiebung der Risikoprüfung auf den Zeitpunkt der Schadensregulierung, die im angelsächsischen Raum als underwriting at claim stage bezeichnet wird, führt unter anderem zu einer signifikanten Erhöhung der Fälle von Ablehnungen der Schadensübernahme durch den Versicherer. Auch wenn diese Ab-

8 lehnungen in den allermeisten Fällen gerechtfertigt sind und lediglich das von Versicherern in den letzten Jahren beobachtete, immer häufiger auftretende Vorkommen falscher und unterlassener Angaben widerspiegeln, so ändert das nichts an der Tatsache, dass dies extrem nachteilig für alle beteiligten Parteien ist. Tatsächlich kann die Versicherungsbranche nur dann wirkungsvoll funktionieren, wenn ein Gleichgewicht zwischen den drei folgenden Zielsetzungen herrscht 1.1 : Die Konsumenten haben leichten Zugang zu konkurrenzfähigen Versicherungsprodukten, die ihren Bedürfnissen entsprechen, die Versicherungsprodukte sind tariflich so gestaltet, dass sie für die Konsumenten attraktiv sind und gleichzeitig dem Versicherer einen Gewinn einräumen, und die Konsumenten haben Vertrauen in die Fähigkeit des Versicherers, seinen Verpflichtungen nachzukommen und alle gerechtfertigten Schadensfälle schnell zu regulieren. Festzustellen ist jedoch, dass dieses Gleichgewicht in vielen Märkten nicht mehr gegeben ist und dass Neuregelungen notwendig sind. Möchte man die Zahl der Ablehnungen der Schadensübernahme reduzieren (im Jahr 2005 haben Versicherer in Grossbritannien in mehr als 20% der Fälle die Schadensübernahme bei Critical Illness- Versicherungen hauptsächlich wegen unterlassener und falscher Angaben abgelehnt) 2, ist es zwingend notwendig, dass die Versicherer eine entsprechende Risikoprüfung zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses und nicht erst zum Zeitpunkt der Schadensregulierung wieder einführen. Es geht hier nicht nur um die Interessen der Konsumenten, sondern ebenso um den Ruf und die Glaubwürdigkeit der Versicherungsbranche. 2 Auswirkung der Informationsasymmetrie Die Informationsasymmetrie tritt in zwei Formen auf : Antiselektion und subjektives Risiko. Bevor wir auf die Wichtigkeit dieser Begriffe eingehen, erscheint es uns sinnvoll, eine Definition vorangehen zu lassen.

9 2.1 Antiselektion (Adverse Selection) Dem Wörterbuch der Versicherungswirtschaft zufolge ist der Begriff Antiselektion ein «Mechanismus, der aus der Informationsasymmetrie zwischen Versicherern und Versicherten entsteht und durch welchen, in einer heterogenen Bevölkerung, die schlechtesten Risiken diejenigen sind, für die die grösste Nachfrage nach bestimmten Versicherungsverträgen besteht... Wenn (die Versicherer) allen Mitgliedern (einer bestimmten) Bevölkerung einen bestimmten Versicherungsvertrag vorschlagen und angenommen, dass die Risikoaversion aller Personen gleich ist, dann sind es vor allem die schlechten Risiken, d. h. Personen mit hohem Risiko, die diese Versicherung kaufen werden. Die effektive Schadenhäufigkeit wird folglich höher sein als die geschätzte durchschnittliche Schadenhäufigkeit der gesamten Bevölkerung... Zusammengefasst bedeutet das, dass die Antiselektion ein Phänomen ist, bei dem die schlechten Risiken als gute Risiken durchgehen können, da der Versicherer nicht alle Merkmale ihrer Schadenswahrscheinlichkeit erfassen kann 3.1». Mit anderen Worten, die Antiselektion tritt dann auf, wenn eine der Vertragsparteien im Allgemeinen der Versicherungsnehmer oder der Versicherte das Risiko besser kennt als die andere Partei der Versicherer dem dieses Risiko vorgelegt wird. Antiselektion gibt es in allen Versicherungsbereichen: Leben, Invalidität, Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Automobil, Arbeitsunfall, Haftpflicht. Das Problem der Informationsasymmetrie findet sich gleichermassen auf dem Arbeitsmarkt wie auf dem Kreditmarkt. 2.2 Subjektives Risiko (Moral Hazard) P. A. Chiappori, ein bekannter französischer Ökonometriker sagt: «Man spricht von subjektivem Risiko, wenn eine Besonderheit des Vertrages bei dem (Versicherten) ein Verhalten auslöst, das (durch den Versicherer) nicht überprüfbar und gegenläufig zum Gemeinwohl ist. Der Begriff subjektives Risiko weist also bedeutungsmässig einen Unterschied zum Begriff Antiselektion auf. Jedoch ist es oft sehr schwierig, diese beiden Begriffe konkret zu unterscheiden. Man wird zum

10 Beispiel empirisch feststellen können, dass die Schadenhäufigkeit bei bestimmten Verträgen höher ist. Aber ist dies die Auswirkung eines durch eine besondere Bestimmung hervorgerufenen perversen Anreizes? Oder ist es vielmehr die spezifische Bevölkerung, für die dieser Vertrag attraktiv ist, die von Natur aus risikogefährdeter ist? 4.1» «Eine Anmerkung könnte sich jedoch als nützlich erweisen. Letztendlich reduziert sich der Unterschied zwischen subjektivem Risiko und Antiselektion auf ein Kausalitätsproblem, wiederum ein Begriff aus der Ökonometrie. Ein typisches Beispiel: Das Bestehen einer Versicherung kann den Anreiz zur Vorsicht senken und folglich das Risiko, gegen das sie den (Versicherten) schützt, erhöhen. Wichtig ist hierbei, dass der Vertrag vor der Erhöhung des Risikos das ursprünglich der eigentliche Grund für den Vertragsabschluss war bereits bestand. Im Gegenteil dazu bestehen im Falle einer Antiselektion die Merkmale des (Versicherten, zum Beispiel ein erhöhtes Risiko) vor der vertraglichen Bindung, denn sie sind es, die die Auswahl des Vertrages veranlassen. Die Kausalität zwischen Vertrag und Risiko ist also genau entgegengesetzt. 4.2» Man kann ebenso von subjektivem Risiko sprechen, wenn die Besonderheit eines Vertrages nicht beim Versicherten, sondern beim Verkäufer (Versicherungsagent oder Makler) ein nicht überprüfbares Verhalten auslöst, das gegenläufig zum Gemeinwohl ist. Wir werden weiter unten nochmals auf diese Thematik zurückkommen. 3 Praktische Folgen der Informationsasymmetrie 3.1 Individuelle Lebensversicherung a) Nach Produkttyp Ein typisches Beispiel hierfür ist die Leibrente: Nehmen wir an, dass die Versicherungsmathematiker eines Lebensversicherers die durchschnittliche Sterbetafel einer bestimmten Bevölkerung berechnet haben, die allen Lebensversicherungsprodukten zugrunde gelegt wird. Die Antiselektion bewirkt, dass die Antragsteller einer Leibrente nicht repräsentativ für diese Bevölkerung sind, sondern vielmehr eine

11 Tabelle 1 Lebenserwartung im Alter von Nach der Sterbetafel EKM 1995 Nach der Sterbetafel ERM 2000 für die Temporären Todesfall- für die Leibrenten- Versicherungen Versicherungen 60 Jahren 21,69 29,27 70 Jahren 14,50 19,08 Untergruppe von ihr bilden, die vermutlich die Personen mit einer höheren Lebenserwartung mit umfasst. Die durchschnittliche Sterberate der Rentner wird also im Prinzip niedriger sein als die der Tarifgestaltung des Produktes zugrunde gelegte Sterberate der gesamten Bevölkerung und der Versicherer wird somit die Rentabilität der Leibrente überbewerten; folglich sind finanzielle Verluste vorprogrammiert. Die Versicherer sind sich dieses Phänomens bewusst und kalkulieren deshalb Margen in den Sterbetafeln der Kapital- und Rentenversicherungen ein. In der Schweiz, zum Beispiel, nimmt die Lebenserwartung eines Mannes mit 60 und 70 Jahren, kalkuliert nach der Sterbetafel EKM 1995, die den Temporären Todesfallversicherungen zugrunde gelegt wird und nach der Generationstafel ERM 2000, die den Leibrentenversicherungen zugrunde gelegt wird, für das Jahr 2000 Werte wie in Tabelle 1 aufgelistet an. In Grossbritannien und in den USA ist die Lebenserwartung der Rentner von 65 Jahren um mehr als 20% höher als die der Bevölkerung gleichen Alters 5.1. Diese Studie hat nicht nur die Antiselektion seitens der Rentner bestätigt, sondern auch eine neue Tatsache ans Licht gebracht, nämlich den systematischen Zusammenhang zwischen beobachteter Sterblichkeit und den Merkmalen der einzelnen Leibrentenprodukte 5.2. Um dies zu verdeutlichen, haben die Autoren dieser Studie die Leibrenten in die zwei folgenden Gruppen eingeteilt: Gruppe A: Rentenversicherungen, von denen einzelne Leistungen in den Nachlass des Versicherten fliessen können,

12 zum Beispiel, wenn die Dauer der Rentenauszahlungen für einen bestimmten Zeitraum 5 oder 10 Jahre garantiert ist und der Versicherte während dieses Zeitraumes stirbt, oder Fälle, bei denen bei Ableben des Versicherten mit einer Rente mit Rückerstattung die Differenz zwischen der einbezahlten Prämiensumme und der bereits entrichteten Rentensumme positiv ist. In beiden Fällen erfolgt eine Restzahlung an das Vermögen (Nachlass) des Versicherten. Gruppe B: Wachsende oder indexierte Rentenversicherungen (annuities with back-loaded payment streams); der Versicherte bezieht die Rentenzahlungen, so lange er lebt. Aus dieser Studie ergibt sich: Die Sterblichkeit der Versicherten der Gruppe A ist höher als diejenige der Versicherten der Gruppe B; in Gruppe A steigt die Sterblichkeit der Versicherten mit einer garantierten Rente entsprechend der Garantiezeit; die Differenz zwischen der Sterblichkeit der Versicherten der Gruppe B und der der anderen Rentner ist höher als die Differenz zwischen der Sterblichkeit der männlichen Rentner und der der weiblichen Rentner; die Sterblichkeit der Versicherten mit einer Standard-Leibrente hängt nicht von der Höhe der Rente ab; diese Beobachtungen resultieren vielmehr aus einer Antiselektion als aus Gründen des subjektiven Risikos. Ein im März 2007 6 in Grossbritannien erschienener Artikel gibt andererseits eine Vorstellung von den finanziellen Folgen eines veränderten Verhaltens seitens der Versicherten, die eine Leibrente abgeschlossen haben (Erscheinungsform des subjektiven Risikos): Die Aviva Gruppe gab im März 2007 bekannt, dass sie eine zusätzliche Rückstellung in Höhe von 224 Mio. bilden muss, um in ihrem Obligations- 6.1 und Rentenportfolios 6.2 die Zahl an Vertragsrücktritten ausgleichen zu können, die viel höher ausgefallen war als erwartet. Nach dieser Ankündigung sackte die Aviva Aktie um 5% ab. Aviva zufolge ist es eine Änderung der Pensionsregelung, die am 1. April 2006 (A-Day) erfolgt ist, die die hauptsächliche Ursache dieses Problems ist. Der Kommentar von Mark Hodges, CEO der Norwich Union, eine der Gesellschaften

13 Tabelle 2 Todesalter Versicherungsjahre 1 2 < 3 < 30 120% 105% 195% 31 40 200% 194% 101% 41 50 162% 164% 141% 51 60 251% 177% 162% Alle Altersgruppen 169% 157% 132% des Aviva Konzerns spricht eine deutliche Sprache: «Die Versicherten kündigen verstärkt ihre Policen auf 6.3 ihre Risikobereitschaft 6.4 und auch ihre Kaufgewohnheiten 6.5 haben sich verändert». Ein weiteres Beispiel für Antiselektion aus Grossbritannien: Tabelle 2: Beobachtete Sterblichkeit im Verhältnis zur erwarteten Sterblichkeit (Sterblichkeitsrate) der Versicherten mit Gemischten Versicherungen zur Deckung einer Hypothek, die zwischen 1982 und 1984 in Grossbritannien ohne Gesundheitsprüfung abgeschlossen wurden. Beobachtungszeitraum: 1983 1986. Da es Ziel des Versicherungsabschlusses war, eine Hypothek durch eine Gemischte Versicherung abzudecken, haben die Versicherer damals gedacht, dass die Police auch ohne medizinische Risikoprüfung abgeschlossen werden könnte. Die Erfahrung zeigte schnell, dass eine ausgeprägte Antiselektion bereits ab einem Alter von 30 Jahren in Erscheinung trat und selbst über die gesamte Laufzeit der Police für die Altersgruppe ab 40 Jahre anhielt. Die beobachteten Sterblichkeitsraten für Personen, die in einem Alter zwischen 41 und 50 Jahren gestorben sind, entsprachen 162% im Laufe des ersten Versicherungsjahres, 164% im Laufe des zweiten Jahres und 141% ab dem dritten Jahr. Mit anderen Worten, für diese Altersschicht lag die Zahl der tatsächlich beobachteten Todesfälle um 62%,

14 Tabelle 3 In Taiwan zwischen 1994 und 2002 beobachtete Todesfälle durch Unfall (in Promille) für Versicherte im Alter von 15 bis 74 Jahren Unfallzusatzversicherungen Hauptversicherungen Männer Frauen Männer Frauen 0,419 (100%) 0,132 (100%) 0,737 (176%) 0,218 (165%) bzw. 64% und 41% über der Zahl der erwarteten Todesfälle laut der der Tarifgestaltung zugrunde gelegten Sterbetabelle. Unnötig zu erwähnen, dass die Versicherer daraufhin recht schnell Vertragsabschlussregeln eingeführt haben! In Taiwan können die Versicherungen, die eine Kapitalauszahlung im Falle eines Unfalltodes vorsehen, von den Lebensversicherern sowohl als Hauptversicherung wie auch als Zusatzversicherung ausgestellt werden. Tabelle 3 zeigt die Erfahrungswerte, die zwischen 1994 und 2002 in Bezug auf Versicherte im Alter zwischen 15 bis 74 Jahren gesammelt werden konnten. Anmerkung: Ein beträchtlicher Unterschied bei der Sterblichkeit besteht selbst nach der Anpassung der beiden Portfolio-Modelle nach Geschlecht, Alter und Beschäftigungsklasse. Aus diesen Beobachtungen geht klar hervor, dass die Antragsteller, die bewusst entscheiden, eine Unfallversicherung in Form einer Hauptversicherung abzuschliessen, sehr wohl wissen, dass sie einem erhöhten Unfallrisiko ausgesetzt sind. b) Nach der Höhe der Versicherungssumme im Todesfall Der Versicherungsmarkt der USA liefert wichtige Informationen. Vor allem die Society of Actuaries veröffentlicht regelmässig zahlreiche Statistiken. Die Grafik 1 ist sehr aussagekräftig und zeigt insgesamt, dass die Sterblichkeit zuerst abnimmt und dann ansteigt in dem Masse, wie die Versicherungssumme zunimmt. Diese Beobachtung ist jedoch nicht immer richtig, da man aufzeigen kann, dass das Alter eine sehr wichtige Rolle spielt, vor allem ab dem 60. Lebensjahr.

15 Grafik 1 Sterblichkeitsrate (mortality ratio) bei Einzelversicherungen in den USA 100% 80% 60% 40% 20% 0% 1 9999 10 000 25000 50000 100000 250 000 500 000 1000 000 2500 000 Alle 24 999 49 999 99 999 249 999 499 999 999 999 2 499 999 und mehr Verträge Versicherte Summe (USD) Grafik 1: Sterblichkeitsrate (mortality ratio) bei Einzelversicherungen in den USA. Beobachtungszeitraum: 1996 2001. Grundsterblichkeit: 1975 1980 Basic Tables. Wir verfügen auch über eine von Scottish Re 1.2 durchgeführte Studie, deren nicht veröffentlichte Ergebnisse uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurden. Die Beobachtungen erstrecken sich auf temporäre Todesfallversicherungen mit einer Laufzeit von unter oder genau 10 Jahren. Die Sterblichkeitsraten (mortality ratio) im Laufe der ersten 5 Versicherungsjahre entsprechend der Versicherungssummen sind in Grafik 2 dargestellt. Das Ergebnis dieser Beobachtungen entspricht nicht den von der Society of Actuaries gesammelten Informationen (Grafik 1). Was den starken Anstieg der Sterblichkeitsraten nach zwei Jahren ASA SVV Medinfo 2007/1 Der Arzt und die Lebensversicherung

16 Grafik 2 Veränderung der Sterblichkeit gemäss versicherte Summe 180% 160% 140% 120% 100% 80% 60% 40% 20% 0% 1 2 3 4 5 Versicherungsjahr Versicherte Summen 1 Mio. USD oder mehr Alle versicherten Summen betrifft, so ist dieser auf das Bestehen einer obligatorischen Klausel in den USA (contestability clause) zurückzuführen, die vorschreibt, dass eventuelle unterlassene oder falsche Aussagen innerhalb von höchstens zwei Jahren nachzuweisen sind. Aus dieser Studie geht klar hervor, dass es sinnvoll wäre, die Dauer dieser Zeitspanne auf Prüfung der Anfechtbarkeit auszuweiten. Dennoch ist die Beobachtung der Sterblichkeit der Versicherten, die eine Versicherung mit hohen Versicherungssummen abgeschlossen haben, sehr informativ. Einerseits gibt es das Risiko der Antiselektion (die höchste Nachfrage kommt im Prinzip gerade von denjenigen, die sich einem Todesfallrisiko besonders ausgesetzt fühlen) oder eventuell des subjektiven Risikos (der Versicherungsagent oder der Makler möchte unbedingt eine Police ab-

17 Grafik 3 Veränderung der Sterblichkeit gemäss Dauer der Police 180% 160% 140% 120% 100% 80% 60% 40% 20% 0% 1 2 3 4 5 Versicherungsjahr Temporäre Todesfallversicherung von 10 Jahren oder weniger Alle Todesfallversicherungen schliessen, deren Versicherungssumme in keiner Weise im Verhältnis zum versicherbaren Interesse steht), andererseits gibt es das gesamte Spektrum der Massnahmen, die ein Versicherer ergreift, um das Risiko bis ins kleinste Detail analysieren zu können (gründliche Gesundheitsprüfung, Analyse der finanziellen Situation, Bericht des Versicherungsagenten usw.). Ein ausgewogenes Gleichgewicht kann nicht immer gefunden werden, was gewisse Beobachtungen erklärt, die a priori überraschen könnten. c) Nach der Policenlaufzeit Grafik 3, die uns ebenfalls von Scottish Re 1.2 zur Verfügung gestellt wurde, zeigt wenn die versicherten Summen höher als oder gleich 1 Mio. USD eine Tendenz der schlechten Risiken zum Abschluss temporärer Todesfallversicherungen mit einer Laufzeit von weniger als 10 oder genau 10 Jahren.

18 Tatsächlich ist in den ersten vier Versicherungsjahren die Sterblichkeitsrate der Policen mit kurzer Laufzeit höher als die, die bei der Gesamtheit der Policen beobachtet werden konnte. Hier ist besonders auf den deutlichen Anstieg der Sterblichkeitsraten im Verlauf des dritten Versicherungsjahres hinzuweisen. d) Nach der Art der Risikoprüfung Versicherungsabschlüsse mit oder ohne Gesundheitsprüfung, so genannte «paramedizinische» Geschäfte (speziell ausgebildete Krankenschwestern erfragen die medizinischen Informationen direkt beim Antragsteller; diese Praxis kommt vor allem in den angelsächsischen Ländern häufig vor). Auf den meisten Versicherungsmärkten werden die Mehrheit der Versicherungspolicen auf der Grundlage eines einfachen Versicherungsantrages ausgestellt, eine Gesundheitsprüfung ist erst dann erforderlich, wenn die Ver- Tabelle 4a Sterblichkeitsrate bei Einzelversicherungen nach Art der Risikoprüfung Art der Versicherung Versicherungsjahre 1 2 3 4 5 6 10 11 15 16 20 21 25 Gesamte Laufzeit Paramedizinisch 43% 53% 51% 52% 61% 71% 67% 71% 61% Ohne ärztliche Prüfung 66% 59% 57% 65% 70% 71% 72% 78% 70% Mit ärztlicher Prüfung 45% 51% 44% 43% 66% 72% 65% 65% 62% Total dieser Abschlüsse 47% 53% 50% 51% 65% 71% 67% 69% 63% Tabelle 4b Sterblichkeitsrate bei Einzelversicherungen nach Art des Vertrages Art der Versicherung Versicherungsjahre 1 2 3 4 5 6 10 11 15 16 20 21 25 Gesamte Laufzeit Paramedizinisch 163% 168% 70% 70% 84% 86% 78% 84% 81% Ohne ärztliche Prüfung 181% 183% 78% 82% 86% 86% 85% 91% 87% Mit ärztlicher Prüfung 120% 107% 90% 76% 88% 84% 72% 76% 80% Total dieser Abschlüsse 179% 180% 77% 75% 85% 86% 79% 84% 83% Alle Angaben entsprechend den Versicherungssummen. Beobachtungszeitraum: 1996 2001. Grundsterblichkeit: 1975 80 Basic Tables.

19 Tabelle 5a Todesalter 1 2 Versicherungsjahre 3 5 Versicherungsjahre HIV Andere Ursachen HIV Andere Ursachen 20 24 17,7% 18,2% 15,4% 18,6% 25 29 25,6% 11,0% 12,8% 19,2% 30 34 14,0% 15,6% 19,3% 12,9% 35 39 14,8% 13,7% 14,8% 11,6% 40 44 17,7% 14,1% 10,3% 19,5% Alle Altersgruppen 18,5% 14,8% 10,3% 11,1% Die Summen der Spalten «Andere Ursachen» wurden angepasst (age adjusted), um der Altersverteilung zum Zeitpunkt des Todes von HIV-positiven Personen zu entsprechen. sicherungssumme relativ hoch ist (zwischen 3% und 10% der Anträge sind normalerweise mit ärztlicher Untersuchung verbunden). Die Sterblichkeit bei Versicherungen ohne ärztliche Untersuchung ist im Allgemeinen höher als die bei Versicherungen, bei denen sich der Antragsteller einer ärztlichen Untersuchung unterziehen musste. Die USA bilden hier keine Ausnahme. Die Tabellen 4a und 4b zeigen, dass die Sterberaten bei «paramedizinischen» Versicherungen und bei Versicherungen mit ärztlicher Untersuchung insgesamt nahe beieinander liegen, während diese bei Versicherungen ohne ärztliche Untersuchung deutlich höher ist. Man sollte jedoch darauf hinweisen, dass diejenigen Antragsteller, die im Versicherungsantrag oder im Fragebogen der «paramedizinischen» Dienste Unregelmässigkeiten aufweisen, automatisch an einen Arzt verwiesen werden und unter «Versicherungsabschlüsse mit ärztlicher Untersuchung» verbucht werden, was zumindest einige der gemachten Beobachtungen erklären kann. e) Nach der Erkrankung: HIV-Infektion Im Laufe der 80er Jahre haben die Gesetzgeber einiger US-Staaten Massnahmen ergriffen, um die Versicherer daran zu hindern, HIV-positive Antragsteller, die Träger von HIV-Antikörpern sind, ausfindig zu machen. Ein grosser Versicherer beobachtete eine ausgeprägte ASA SVV Medinfo 2007/1 Der Arzt und die Lebensversicherung

20 Tabelle 5b Todesalter 1 2 Versicherungsjahre 3 5 Versicherungsjahre HIV Andere Ursachen HIV Andere Ursachen 20 24 11,3% 24,5% 39,5% 35,5% 25 29 41,7% 28,5% 22,4% 31,3% 30 34 36,4% 20,0% 30,8% 29,6% 35 39 30,1% 19,3% 18,5% 39,0% 40 44 28,2% 10,8% 18,0% 27,8% Alle Altersgruppen 27,3% 13,7% 26,5% 27,3% Die Summen der Spalten «Andere Ursachen» wurden angepasst (age adjusted), um der Altersverteilung zum Zeitpunkt des Todes von HIV-positiven Personen zu entsprechen. Antiselektion (Tabelle 5a); dazu bildete er zwei verschiedene Gruppen: Die erste bestand aus Versicherten, die an den Folgen einer HIV-Infektion gestorben sind und die zweite aus allen Versicherten, die aus anderen Gründen gestorben sind. Das Ergebnis ist sehr deutlich: Unter Versicherten die im Alter zwischen 30 und 34 Jahren gestorben sind, sind 14% der Todesfälle aufgrund einer HIV- Infektion innerhalb der ersten zwei Versicherungsjahre erfolgt, während dieser Prozentsatz bei Versicherten, die aus anderen Gründen gestorben sind, lediglich bei 5,6% lag. Bei einer Betrachtung aller Altersgruppen zusammen, lagen diese Prozentsätze bei 8,5% bzw. 4,8%. Tabelle 5a: Quelle: ein grosser amerikanischer Versicherer. Vergleich der beobachteten Todesfälle während der ersten fünf Versicherungsjahre nach Ursache unterteilt: HIV-Infektion vs. andere Ursachen (Männer). Die angegebenen Prozentsätze repräsentieren die Prozentsätze der Gesamtheit der Todesfälle, die in der angegebenen Altersschicht innerhalb des erwähnten Zeitraumes eingetreten sind. Dieser Versicherer war jedoch noch nicht am Ende seiner Überraschungen angelangt: Indem er anstelle der Zahl ASA SVV Medinfo 2007/1 Der Arzt und die Lebensversicherung

21 der Todesfälle die Versicherungssummen der verstorbenen Personen berücksichtigte, konnte er feststellen (Tabelle 5b), dass die beobachteten Prozentsätze während der ersten beiden Versicherungsjahre, die den beiden aufgestellten Versichertengruppen entsprechen, wie folgt aussehen: Altersstufe 30 34 Jahre: 36,4% beziehungsweise 20,0%, alle Altersgruppen zusammen: 27,3% und 13,7%. Tabelle 5b: Quelle: ein grosser amerikanischer Versicherer. Vergleich der beobachteten Todesfälle innerhalb der ersten fünf Versicherungsjahre nach Ursache unterteilt: HIV-Infektion vs. andere Ursachen (Männer). Die angegebenen Prozentsätze repräsentieren die Prozentsätze aller Versicherungssummen, die aufgrund von eingetretenen Todesfällen in der angegebenen Altersstufe innerhalb des erwähnten Zeitraumes ausgezahlt wurden. Grafik 4 Sterblichkeitsrate der Versicherten, die in den USA zwischen 1967 und 1977 ihr Anrecht auf Weiterversicherung ausgeübt haben 1200% 1000% 800% 600% 400% 200% 0% 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Versicherungsjahr Quelle: Transactions SOA, 1979 Reports Number, Table 2, 1965 70 Basic Tables Alle Jahre Beobachtungszeitraum: zwischen 1967 und 1977 Grundsterblichkeit: 1965 1970 Basic Tables