Europas Flugsicherung auf dem Weg zu Voice over IP

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Transkript:

Europas Flugsicherung auf dem Weg zu Voice over IP Sprachkommunikationssysteme sind auch in Zukunft für die sichere Abwicklung des Flugverkehrs in Europa unverzichtbar. Doch eröffnet die rasante technische Entwicklung den Flugsicherungen völlig neue Wege, die sie mit Bedacht erproben, denn es sind hohe Sicherheitsanforderungen zu erfüllen. Diese sorgfältige Migration ermöglichen die Funkgeräte der R&S Serie 4200, weil sie mehrere Kommunikationstechnologien unterstützen und per Software erweiterbar sind. Bewährtes im Wandel Alle Flüge nach Instrumentenflugregeln (Instrumental Flight Rules IFR) bedingen eine ständig verfügbare Sprechverbindung zwischen Pilot und Fluglotse. Sprachkommunikation gehört deshalb zu den wichtigsten Arbeitsgrundlagen in der Flugsicherung. Die technische Basis dafür ist ein Funknetz, das die landesweite und höhenunabhängige Abdeckung während aller Flugphasen sicherstellt. Dazu sind an funktechnisch geeigneten Standorten, z. B. an Flughäfen oder auf Bergkuppen, Funkstationen mit Funkgeräten und die dazugehörigen HF-Komponenten wie Sende- / Empfangsfilter, Koppler und Antennen installiert. Abhängig von den operationellen Anforderungen stehen pro Standort eine größere Anzahl an Funkkanälen zur Verfügung, denen entsprechend viele Geräte-Installationen gegenüberstehen. Um bei einem Ausfall einer Komponente die Verfügbarkeit der Funkanlage sicherzustellen, sind zusätzliche Geräte als Redundanz installiert. Die Funkanlagen sowie die Fluglotsen mit ihren Arbeitsplätzen (Controller Working Position CWP) sind an das terrestrische Sprachkommunikationssystem (Voice Communication System ) angebunden. Das verbindet die Lotsenarbeitsplätze dynamisch oder semipermanent mit den zugehörigen Funkanlagen, sodass der Lotse auf der Frequenz arbeiten kann, die seinem Sektor zugeordnet ist. Die Zuordnung einer CWP zu einem Funkkanal kann sich je nach Tageszeit und Verkehrsaufkommen ändern. Technisch und organisatorisch ist es auch möglich, dass Sektoren von Lotsen übernommen werden, die an einem anderen Standort arbeiten. 42

Die Anbindung der Funkanlagen und Lotsenarbeitsplätze bzw. die Anbindung der einzelnen Sprachvermittlungsknoten untereinander erfolgt über analoge Telefonleitung oder über digitale Übertragungsleitungen mit 2 Mbit/s nach dem Standard ITU-T G.703. Die Übertragungsleitungen für die Anbindung der Funkstandorte mietet die Flugsicherung meist bei einem Telekommunikationsanbieter. Viele Provider in Europa bieten jedoch seit einigen Jahren keine analogen Leitungen mehr an, da sie kaum noch wirtschaftlich zu betreiben sind. Auch die seit vielen Jahren eingesetzten digitalen Übertragungstechniken wie Plesiochrone Digitale Hierarchie (PDH) und Synchrone Digitale Hierarchie (SDH) werden in naher Zukunft nicht mehr für die Anbindung der abgesetzten Funkstationen an das Sprachvermittlungssystem zur Verfügung stehen. Alternativen sind also gefragt und auch in Sicht: Voice over IP (VoIP) bietet sich wegen seiner weiten Verbreitung und aufgrund der langjährigen Erfahrungen mit dieser Technik im klassischen Telekommunikationsumfeld an. VoIP ist nicht nur ein Ersatz für analoge oder PDH-Übertragungstechnik, sondern bringt auch einige signifikante Vorteile mit sich. VoIP: Kommunikationstechnik der Zukunft für die Flugsicherung VoIP-Systeme übertragen die Sprache nicht mehr über ein leitungsvermitteltes Sprachnetz, sondern über ein IP-basiertes paketvermitteltes Datennetz. Dazu wird das Sprachsignal an der Quelle digitalisiert und in IP-Datenpakete zerlegt. Das Software-basierte Funkgeräte Serie4200 Die Serie4200 ist die neueste Generation digitaler softwarebasierter Funkgeräte für den stationären Einsatz bei der zivilen und militärischen Flugsicherung. Die möglichen Anwendungen reichen von kleinen Notfunksystemen mit nur wenigen Kanälen bis hin zu landesweiten Funkkommunikationssystemen mit mehreren hundert Kanälen. VHF-Frequenzbereich von 112 MHz bis 156 MHz UHF-Frequenzbereich von 225 MHz bis 400 MHz 50 W Sendeleistung im VHF- und UHF-Bereich Automatische Main- / Standby-Ablösung USB-Service-Schnittstelle für Konfiguration und Software-Download Fernsteuerung und Fernüberwachung über Ethernet-Schnittstelle Geeignet für Datenübertragung im VDL-Mode-2-Standard Anbindung über E1-Schnittstelle Voice over IP per Software-Upgrade Datennetz besteht aus Routern, die anhand der IP- Adresse die Vermittlung (Routing) der Sprachpakete sowie der Datenpakete übernehmen. An der Informationssenke werden die digitalen Sprachpakete wieder in ein analoges Signal umgewandelt. Kostenersparnis durch integrierte Sprach- und Datennetze Die Flugsicherungen betreiben bereits umfangreiche Datennetze, z.b. für die Übertragung von Radar- und Flugplan daten. Es liegt also nahe, Sprache und Daten in Zukunft über ein einziges Netz zu übertragen, so wie es mit VoIP möglich ist. An abgesetzten Standorten ist die Integration der Sprache und der Daten in ein gemeinsames Netz von besonderem Vorteil, denn es spart obendrein Kosten, da nur noch ein einziges Netzt geplant, installiert und betrieben werden muss. Datennetze, die auch digitale Sprachinformationen übertragen sollen, müssen besonderen Anforderungen genügen. Denn diese Informationen müssen in Echtzeit und mit absoluter Zuverlässigkeit übermittelt werden. Die Fernüberwachung und Fernsteuerung der Funkgeräte läuft soweit vorhanden über eine IP-basierte Datenverbindung. In Zukunft erfolgt sowohl die Sprachübertragung als auch die Fernüberwachung über die gleiche IP-Schnittstelle am Funkgerät. Einfacher Aufbau Zwar ist die technische Planung der Datennetze wie oben beschrieben komplexer, die Installation der Komponenten des VoIP-Netzes dafür aber einfacher. Denn es reichen Standard- Verkabelungen und Komponenten, wie sie für die LAN-Technik heute bereits zum Einsatz kommen. Alle aus der Datenwelt bekannten Sicherheitsmechanismen wie IPSec (Internet Protocol Security) und Priorisierungstechniken wie DiffServ (Differentiated Services, RFC 2474, RFC 2475) oder MPLS (Multiprotocol Label Switching) sind auch für die Sprachübertragung mittels VoIP verwendbar. Verlagerung der Vermittlungstechnik in das IP-Netz Ein weiterer Vorteil von VoIP-Systemen ist die Möglichkeit, auf zentrale Vermittlungsknoten wie sie in leitungsvermittelten Sprachnetzen erforderlich sind zu verzichten. Aus Sicherheitsgründen wird die heutige Vermittlungstechnik im Sprachnetz redundant ausgelegt, was mit entsprechenden Kosten verbunden ist. In einem IP-basierten Datennetz erfolgt die Vermittlung der Datenpakete nicht über eine zentrale Einheit, sondern über Router, deren Anzahl und Leistungsfähigkeit von der Größe und den Anforderungen des Netzes bestimmt werden. Der Router entscheidet aufgrund der IP-Adresse der Informationssenke, wohin das Paket gehen muss. Die Informationsquelle muss also nur noch wissen, welche IP-Adresse der Kommunikationspartner hat. Dies ist in einem Adressplan festgelegt, der sich dynamisch den betrieblichen Gegebenheiten anpassen kann. Die Vermittlung erfolgt also über mehrere, NEUES 201/10 43

im Netz verteilte Router, und nicht mehr zentral. Dies hat den Vorteil, bereits existierende, im IP-Netz vorhandene Redundanzmechanismen nutzen zu können. Realisierung neuer Funktionen Für die Einführung von VoIP spricht nicht nur der Ersatz für nicht mehr verfügbare Übertragungsverfahren, sondern auch die Möglichkeit, neue Funktionen im Sprachkommunikationssystem zu realisieren, die sich mit der heutigen, leitungsvermittelten Technik nicht ohne Weiteres umsetzen lassen. Ein Beispiel dafür sind die im Rahmen der europäischen Initiative Single European Sky geplanten Functional Airspace Blocks (FABs), in denen sich mehrere Länder zu einem FAB zusammenschließen, z.b. der FABEC (FAB Europe Central), der von den Ländern Frankreich, Belgien, Holland, Luxemburg, Schweiz und Deutschland gebildet wird. Diese FABs organisieren den Luftraum über Europa nicht mehr nach den nationalen Grenzen, sondern hinsichtlich möglichst effektiver Nutzung des Luftraums, um den Flugverkehr zeit- und kostensparender abwickeln zu können. Eine der vielen Voraussetzungen für einen FAB ist die Harmonisierung der Kommunikationstechnik, um eine ausreichende Inter operabilität sicherzustellen. Heute hat jedes Land seine eigenen betrieblichen Abläufe und unterschiedliche Kommunikationstechnik, mit der die Lotsen untereinander oder mit den Piloten sprechen. Länderübergreifende Kommunikation zwischen den Lotsen erfolgt über Telefonverbindungen. Es ist heute nicht ohne Weiteres möglich, dass ein Lotse in einem VoIP-Infrastruktur / Telephone Network Supervision Site CWP Router LAN Media Gateway maintenance configuration / Telephone WAN Recording ATS-QSIG MFC / Telephone Recording PSTN BILD 1 VoIP-Infrastruktur für die Anwendung in der Flugsicherung (Quelle: EUROCAE ED136). 44

Land auf die Funkinfrastruktur in einem anderen Land wahlfrei zugreifen kann. Das ist aber nötig, wenn FABs eingeführt werden sollen, da ein Sektor, der von der Funkinfrastruktur eines Landes abgedeckt wird, vom Lotsen eines anderen Landes zu bedienen sein muss. Nur die VoIP-Technologie bietet die Voraussetzungen für solche Funktionen. Und sie beinhaltet die Möglichkeiten zur Einführung weiterer Leistungsmerkmale, die die Kommunikation zwischen Lotsen und Piloten erleichtern und sicherer machen. Die Standardisierung Um VoIP für die Anwendungen in der Flugsicherung nutzbar zu machen, rief die EUROCAE (European Organization for Civil Aviation Equipment ) eine Arbeitsgruppe die WG67 ins Leben. Sie soll, basierend auf den existierenden RFCs, Standards erarbeiten, die den Einsatz von VoIP möglich machen. Außerdem will sie Spezifikationen erstellen, die es erlauben, Funkgeräte, und CWP unterschiedlicher Hersteller miteinander zu verbinden. Die WG67 setzt sich aus Vertretern der Flugsicherungen (Air Navigation Service Provider ANSP) und der Industrie zusammen. Im sogenannten Vienna Agreement ist die zu standardisierende Infrastruktur festgelegt (BILD 1). Die Anforderungen und Spezifikationen dafür wurden in mehreren Dokumenten definiert [1 bis 7], Ende 2008 verabschiedet und sind nun seit Februar 2009 offizielle EUROCAE-Dokumente. Im April 2008 und im März 2009 wurden während sogenannter Plug-Tests die Spezifikationen validiert. Dazu schalteten Vertreter der Industrie Funkgeräte und zusammen und führten verschiedenen Tests durch. Rohde&Schwarz beteiligte sich mit der software-basierten Funkgerätefami- lie Serie4200 (siehe Kasten auf Seite 43), bei der sich die VoIP-Funktionalität per Software-Upgrade installieren lässt. Die Tests zeigten, dass die EUROCAE-Standards für die Realisierung von VoIP-basierten Sprachkommunikationssystemen prinzipiell geeignet sind. Die Testergebnisse werden weiterhin genutzt, um die Schnittstellenspezifikationen zu verbessern. In den nächsten Monaten wird eine neue Ausgabe der Dokumente ED137-1 und der ED137-2 erwartet. Die EUROCONTROL (European Organisation for the Safety of Air Navigation) hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Migration der heutigen Kommunikationssysteme hin zu VoIP-Systemen mit Empfehlungen und Richtlinien zu unterstützen und über alle europäischen EUROCONTROL-Teilnehmerstaaten eine einheitliche Infrastruktur zu ermöglichen. Weiterhin werden die EUROCAE-Standards in die entsprechenden Gremien der ICAO (International Civil Aviation Organization) eingebracht, damit sie weltweit gültig werden. Die Technik Basis für die EUROCAE-Spezifikationen sind die von der Internet Engineering Task Force (IETF) erarbeiteten Requests For Comments (RFCs). Ziel der WG67 war es, möglichst nah an den existierenden Standards zu bleiben und diese nur dort zu erweitern, wo es zur Erfüllung der Anforderungen im Dokument ED136 erforderlich ist. Basis für die auf VoIP basierende Schnittstelle zwischen dem / CWP und den Funkgeräten ist das Session Initiation Protocol (SIP) RFC 3261 und das Real-Time Transport Protocol (RTP) RFC 3550. BILD 2 zeigt die in der IP-Welt üblichen Protokolle, dargestellt im 7-Schichten- Modell nach ISO/OSI. Internet-Protokolle Appl. / Pres. Layers Web HTML File Transfer E-Mail Directories Signaling & Control Network & Config. Mgmt. VoIP Session Layer HTTP FTP SMTP LDAP SIP SNMP RTP Transport Layer TCP UDP Network Layer IP (IPv4 / IPv6) Link Layer Ethernet PPP Physical Layer 10 / 100 Base T PSTN ISDN DSL BILD 2 Auswahl üblicher in der IP-Welt verwendeter Protokolle, dargestellt im 7-Schichten-Modell nach ISO/OSI. NEUES 201/10 45

Der Verbindungsaufbau wird per SIP zwischen den Funkgeräten und den / CWP signalisiert. Dazu schickt das / CWP den Verbindungswunsch an das entsprechende Funkgerät, zusammen mit den für die Kommunikation notwendigen Parametern, z.b. den zu verwendenden Sprach-Codecs. Das Funkgerät bestätigt den Verbindungswunsch, eventuell mit geänderten Parametern, oder lehnt ihn mit einer Begründung ab. Mehrere /CWP können eine aktive Verbindung mit einem Funkgerät aufbauen, wobei der Verbindungsaufbau immer vom /CWP initiiert wird. Nach erfolgreichem Verbindungsaufbau wird zwischen den Funkgeräten und dem /CWP eine bidirektionale Real- Time-Transport-Session (RTP) initialisiert, wobei zu jedem, das einen Verbindungswunsch geschickt hat, eine eigene Session aufgebaut wird. Diese Verbindungen übertragen die Sprachpakete. Die Pakete werden auch dann gesendet, wenn keine Sprache zu übertragen ist (keine HF-Übertragung), in diesem Fall ohne Inhalt. Zusätzlich zur Sprache werden im RTP-Header weitere Informationen zur Signalisierung mit übertragen. Da in einem VoIP-System für ATM-Anwendungen zusammen mit der Sprache eine Vielzahl zusätzlicher Informationen zu übertragen sind, wurde der Standard-RTP-Header erweitert. Dieser Extended RTP Header überträgt die entsprechenden Push-To-Talk- (PTT) und Squelch-(SQ) Signale. Mittels des PTT-Signals wird der Sender getastet, das SQ-Signal signalisiert das Öffnen der Rauschsperre am Empfänger. Weiterhin werden Signale zur Darstellung der Empfangsqualität des Empfängers übertragen, die es dem /CWP ermöglichen, unter mehreren Empfängern das beste Signal zum Lotsen durchzuschalten. Eine wichtige Funktion, die im Extended RTP Header realisiert wurde, ist die Überwachung (keep-alive) der Verbindung zwischen Funkgerät und. Dazu wird von beiden Seiten der korrekte Empfang der Sprachinformationen überwacht. Wird keine Sprache übertragen, werden Keep-alive-Signale im Extended RTP Header gesendet und deren korrekter Empfang überwacht. Über einstellbare Keep-alive-Timer lässt sich die Toleranz gegenüber Unterbrechungen und Störungen steuern. In den meisten Fällen sind die Sender und Empfänger an unterschiedlichen Standorten platziert, damit sie sich gegenseitig funktechnisch nicht beeinflussen. und CWP bauen deshalb unabhängige SIP/RTP-Sessions zu den jeweiligen Sendern und Empfängern auf. Im werden dann die jeweils passenden Audioströme zusammengefügt, um dem Lotsen Sende- und Empfangssignal desselben Funkkanales in den Kopfhörer einzuspeisen. BILD 3 zeigt die Phasen des VoIP-Verbindungsaufbaus zwischen einem und dem Sender bzw. dem Empfänger eines Funkkanals. VoIP-Implementierung in der R&S Serie4200 Die R&S Serie4200 ist die aktuelle Generation von VHFund UHF-Funkgeräten für die Flugsicherung und seit ca. vier Jahren im Einsatz. Die neueste Weiterentwicklung dieser Funkgerätefamilie bietet außer einer zusätzlichen digitalen Schnittstelle nach ITU-T G.703 eine wesentlich größere Prozessorleistung und mehr Speicher. Dadurch sind sie außer zur analogen Anbindung, wie sie heute noch überwiegend genutzt wird, alternativ auch digital an das Sprachvermittlungssystem anschließbar. Für die Anbindung per VoIP Verbindungsaufbau Phase 1 Phase 2 initiate SIP communication with each remote radio site RX without voice packet with voice packet RX WAN WAN TX without voice packet with voice packet TX BILD 3 Verbindungsaufbau zwischen und Sender / Empfänger eines Funkkanals mittels SIP und RTP (Quelle: EUROCAE). 46

GB4000V und GB4000T mit Serie4200 über VoIP LAN / WAN Remote control VoIP via SIP / RTP (EUROCAE ED137-1) GB 4000T GB 4000V BILD 4 Realisierung eines Kommunikationssystems per VoIP. wird die bereits für die Fernüberwachung vorhandene LAN- Schnittstelle verwendet. Alle Funkgeräte der R&S Serie4200, die bereits mit dem leistungsfähigen Prozessor ausgestattet sind, lassen sich per Software für den VoIP-Betrieb aufrüsten. Sie bieten damit eine hohe Investitions- und Planungssicherheit, da sie auch nachträglich in ein neu zu erstellendes VoIP- System eingebunden werden können. Für Kleinsysteme mit einem oder wenigen Lotsenarbeitsplätzen bietet Rohde&Schwarz zusätzliche Komponenten für eine VoIP-fähige Sprachkommunikation an: die Audio Unit R&S GB4000V und die Control Unit R&S GB4000T. Mit diesen Systemkomponenten lassen sich sehr einfach VoIP-basierte Kommunikationssysteme realisieren, wie sie z.b in einem Tower oder bei der Vorfeldkontrolle benötigt werden. BILD 4 zeigt einen solchen Anwendungsfall. Fazit Voice over IP hat sich im klassischen Telekommunikationsbereich bereits seit einigen Jahren bewährt. Mit einigen Änderungen, die von der EUROCAE unter Teilnahme von Vertretern der Flugsicherungen und der Industrie spezifiziert wurden, ist VoIP nun bereit für den Einsatz im ATC-Bereich. Mit der R&S Series4200 steht das passende Funkgerät zur Verfügung, mit dem sich zukunftssichere Sprachkommunikationssysteme aufbauen lassen. Bernhard Maier Literatur [1] ED136 VoIP ATM System Operational and Technical Requirements. [2] ED137-part1 Interoperability Standards for VoIP ATM Components; radio interface. [3] ED137-part2 Interoperability Standards for VoIP ATM Components; telephone interface. [4] ED137-part3 Interoperability Standards for VoIP ATM Components recording interface. [5] ED137-part4 Interoperability Standards for VoIP ATM Components; supervision. [6] ED138-part1 Network Requirements and Performances for VoIP ATM Systems Part 1_Specification. [7] ED138-part2 Network Requirements and Performances for VoIP ATM Systems Part 2_Design Guideline. NEUES 201/10 47