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1 Manuskript radiowissen SENDUNG: Uhr TITEL: Mit Düften heilen Wie Riechen uns beeinflusst AUTORIN: REDAKTION: REGIE: TECHNIK: Gerda Kuhn Gerda Kuhn Christiane Klenz Lydia Schön-Krimmer SPRECHER: ERZÄHLER: Armin Berger Julia Fischer Zitator Andreas Dirscherl (PS) Zitatorin Julia Cortis (PS) INTERVIEWPARTNER Hanns Hatt, Zellbiologie, Geruchsforscher, Chemiker, Ruhruniversität Bochum Martin Henglein, Osmologe, Aromatherapeut, Heilpraktiker, Frankreich ED Bayerischer Rundfunk 2016

2 2 MUSIK Evolutionary science C C Warm, weich, süß. oder lieber spritzig, erfrischend, klar? Vanille oder lieber Zitrone? Wenn es um Düfte geht, sind die Vorlieben sehr unterschiedlich. Was den einen sanft träumen lässt, erfüllt die andere mit Ekel und Abscheu. Düfte sind so vielfältig wie das Leben selbst und sie begleiten uns im Normalfall auch ein Leben lang. Denn wir riechen 24 Stunden lang, auch wenn wir schlafen. Wir können zwar unsere Augen und Ohren verschließen, wenn wir bestimmte Reize nicht verarbeiten wollen, aber die Nase ist sozusagen immer im Einsatz. Doch wie genau funktioniert Riechen? Hanns Hatt, Chemiker, Mediziner und lange Jahre Professor für Zellbiologie an der Ruhr-Universität Bochum, hat sich mit dieser Frage intensiv beschäftigt: 1. O-Ton Hatt Wie funktioniert Riechen? In der Luft gibt es (eben) neben den üblichen Molekülen Sauerstoff, Stickstoff auch diese Duftmoleküle, das heißt, das sind kleine, chemische Moleküle, (die) von duftenden Gegenständen : also Essen, Pflanzen, Blüten, aber auch von uns selber diese kleinen Moleküle, aufgrund dieser Leichtigkeit, die sie haben, geringes Gewicht, fliegen die einfach wie Staubkörner in der Luft rum, und füllen überall einen Raum auf und aus, und wenn wir nun einatmen, dann.werden natürlich auch automatisch diese Duftmoleküle in die Nase transportiert, und in der obersten Etage, da gibt es nun 30 Millionen Riechzellen, die darauf warten, was kommt jetzt mit jedem Atemzug..an neuen chemischen Informationen, sprich von neuen Duftmolekülen da oben an... ERZÄHLER Riechen bedeutet also zunächst einmal: Die Verarbeitung von Informationen. Jede Riechzelle besteht aus einem ovalen Zellkörper, aus dem nach oben eine Art Verbindungsdraht - eine zentimeterlange Nervenfaser - ins Riechhirn ragt. Durch den Kontakt des Duftmoleküls mit einem sogenannten Riech-Rezeptor entsteht ein elektri-

3 3 scher Impuls, der ins Gehirn geleitet wird. Mit anderen Worten: Die chemische Struktur des Duft-Moleküls wird in einen elektrischen Nervenimpuls übersetzt. MUSIK Evolutionary science C C ERZÄHLERIN Erfrischend wie Pfefferminze, beruhigend wie Melisse, blumig wie Jasmin so unterschiedlich Düfte auch sind, stets beruht ihre Wirkung darauf, dass sie in unser Blut und dann in unser Gehirn gelangen. Und das geschieht keineswegs nur über die Nase: 2 O-Ton Hatt essen, riechen, einatmen Diese Düfte, die wir aufnehmen, die muss man gar nicht mal einatmen, d.h. man muss sie nicht durch die Nase aufnehmen, sondern es reicht, wenn wir sie über die Lunge einatmen, wenn man sie auf die Haut aufträgt oder wenn man sie isst und über die Nahrung aufnimmt, sie kommen über die Haut, über die Lunge oder über den Darm kommen die Duftmoleküle in unser Blut ( das kann man nachweisen, und werden im Blut im Körper rumtransportiert) (Stimme leicht oben) ERZÄHLERIN Innerhalb weniger Minuten nach der Aufnahme sind die Duftmoleküle im Blut zu finden. Wer beispielsweise Pfefferminzöl in die Fuß-Sohlen einreibt, kann den Geschmack wenig später auf der Zunge schmecken. MUSIK Gernouille's childhood M ZITATOR Was also ist ein Duft? ZITATORIN Ein zarter Klang, ein Hauch von Farbe, ein Gedicht?

4 4 ZITATOR Oder nur die Interpretation der Sinneserregungen, die von den Chemorezeptoren der Nase oder anderer Geruchsorgane an das Gehirn übermittelt werden? ERZÄHLER: Die Antwort hängt wohl vom Weltbild des Fragenden ab. Riechen scheint ein Vorgang zu sein, bei dem körperliche und psychische Reaktionen eng ineinander verwoben sind. Denn mit daran beteiligt ist das Limbische System, ein entwicklungsgeschichtlich sehr altes Areal an der Basis des Großhirns. Es vermittelt emotionale Inhalte und kann angeborene Trieb- und Instinkthandlungen auslösen. MUSIK aus Zudem spielt es eine wichtige Rolle für die Lern- und Gedächtnisfunktion des Gehirns. ERZÄHLERIN Was aber riechen wir, wenn wir von einem Rosenduft sprechen? Meist ist damit keine Einzelsubstanz gemeint. Gerüche sind in der Regel ein Gemisch aus unterschiedlichen Duftstoffen; bei Kaffee beispielsweise sind es rund 100 und bei einer Rose bis zu 200. Die Duftstoffe interagieren mit den Rezeptoren nach dem Schlüssel- Schloss-Prinzip, d.h., das Duftmolekül muss genau in den Rezeptor passen. Dieser kann die chemische Botschaft lesen und veranlassen, dass Botenstoffe in der Riechzelle entstehen. MUSIK Bittersweet dreams C ZITATOR: Kleine Riechprobe gefällig? ZITATORIN: Sie stehen in einem blühenden Lavendelfeld ZITATOR: Verbrennt da etwas auf dem Herd? ZITATORIN: Schnuppern Sie doch mal an dieser dicken Knoblauchzehe ZITATOR: Und jetzt schälen Sie eine Orange. ZITATORIN: Bitte tief durchatmen - Sie sind mitten im Wald

5 5 Welche Duftprobe hat Ihnen am besten gefallen? Welche war angenehm und welche eher lästig? Gerüche sind der direkte Zugang zum Zentrum unserer Gefühle. Herzklopfen, weil ein zarter Fliederduft die Erinnerung an ein Rendezvous weckt? Magenverknotende Angst, weil Bohnerwachs-Geruch uns mitten in die Klassenprüfung im muffigen Schulgebäude zurückkatapultiert? Düfte verführen zur Zeitreise, sie setzen uns in den Schnellzug zurück in die Vergangenheit. MUSIK aus Die Tatsache, dass wir Düfte als positiv, unangenehm oder auch neutral empfinden, hat viel mit unserer eigenen Geschichte und wenig mit unserem genetischen Erbe zu tun: 3. O-Ton Hatt (Erinnerung abspeichern) Dieses Lernen des Duftes beginnt ja schon im Mutterleib, dieses Lernen eines Duftes. Immer wenn wir einen Duft zum ersten Mal riechen, dann speichern wir die Emotion, die wir in diesem Moment hatten, oder den die Mutter hatte in diesem Moment, die speichern wir dann mit dem Duft zusammen ab; wenn wir den Duft wiederriechen, dann rufen wir auch wieder die Emotion hervor. ERZÄHLER: Gefühle, die in unserer Erinnerung abgespeichert sind, kann ein Duft zu neuem Leben erwecken. Je nach der ursprünglichen Situation mag sich das für uns erfreulich oder beunruhigend anfühlen. Die Psycho-Aromatherapie oder Osmologie befasst sich intensiv mit solchen Reaktionen. Sie will seelische Verarbeitungsprozesse unterstützen. Das umfasst auch die Arbeit mit verdrängten Schattenseiten. Die psychoaktive Wirkung von Düften ist inzwischen durch Studien belegt. 4. O-Ton Henglein Was ist Osmologie? Wir wollen, dass die Befindlichkeit des Menschen, seine Riechwahrnehmung, beobachtet wird, interpretiert wird und überhaupt wahrgenommen wird. Weil das ist eine Quelle von sehr wertvollen Informationen. Wir sprechen ja auch.von der pati-

6 6 entenzentrierten Heilkunde. Also mehr auf die Reaktionen der Individuen zu achten, ist die Aufgabe der Osmologie. MUSIK The girl with the plums M Martin Henglein, Osmologe, Aromatherapeut und Heilpraktiker. Er hat das Konzept der Integralen Osmologie entwickelt und sich auf die Arbeit mit ätherischen Ölen spezialisiert. Die flüchtigen Stoffwechselprodukte werden in den Öldrüsen von Pflanzen gebildet und finden sich in Blüten, Blättern, Samen, Fruchtschalen, Wurzeln, Harzen und Rinden; bei einigen Bäumen wie Sandelholz und Kampfer auch im Kernholz. Ungeachtet ihres Namens enthalten ätherische Öle keine Fette und werden oft durch Wasserdampf-Destillation gewonnen. Ihre chemische Zusammensetzung ist kompliziert, zu den wichtigsten Bestandteilen zählen Terpene, Ester, Aldehyde, Phenole und Alkohole. ERZÄHLER: Die klassische Aromatherapie, basierend auf der Arbeit französischer Forscher und Ärzte wie René-Maurice Gattefossé und Jean Valnet, kennt viele Anwendungsmöglichkeiten für den heilsamen Einsatz von Düften: 6. O-Ton Henglein breites Spektrum Wir haben wirklich ein sehr breites Spektrum an Indikationen von leichten Infektionen bis schweren Stoffwechselerkrankungen. Das ist die therapeutisch-medizinische Aromatherapie, die auch von entsprechend ausgebildeten Personen ausgeübt wird. ERZÄHLERIN Ob eine Pflanze an der Küste oder in den Bergen wächst, ob sie sich gegen Fressfeinde wehren muss, ob sie genügend Wasser hat oder von der Sonne verbrannt wird all diese Faktoren beeinflussen die Zusammensetzung der ätherischen Öle.

7 7 So kann beispielsweise die Essenz der mediterranen Kräuterpflanze Rosmarin unterschiedliche Nuancen aufweisen; man spricht dann von Chemotypen: 7. O-Ton Henglein Rosmarin Cineol der Typus Rosmarin Cineol der Rosmarin, der Menschen hilft, klar und schnell eine Aufgabe zu erledigen, vor allem, wenn man weiß, dass der Rosmarin einer der besten Antriebsdüfte ist, der in der Lage ist, einen in Form zu bringen, insbesondere am frühen Morgen, sozusagen den Stoffwechsel in Gang zu bringen, er führt das Cortisol auf den richtigen Rhythmus, sodass die ganzen Biorhythmen sich einpendeln, da kann dieser einfache Cineol-Typus sehr wertvoll sein. ERZÄHLERIN Der Chemotyp Rosmarin Verbenon hat dagegen eine andere Zusammensetzung und damit auch eine andere Wirkung: 8. O-Ton Henglein Rosmarin Verbenon Quasi als Gegentypus haben wir einen Verbenontyp, das ist ein Keton, also ein Stoff, der zumindest bei der Pflanze bei Abbauprozessen vorkommt, und das ist ein Geruch, der sehr süß, weich ist, also ganz anders, als dieser Cineoltyp, und damit haben wir etwas, was viel tiefer in die Psyche eindringt, was Situationen anspricht, was einen Menschen, der in einem Wandlungsprozess ist, der sich innerlich verändern muss, unterstützt. So kann jeder Chemotyp seine speziellen Aufgaben erfüllen. Die Osmologie zielt darauf ab, die Gestimmtheit oder seelische Verfassung eines Patienten günstig zu beeinflussen. Martin Henglein hat dafür das Modell des Archetypischen Duftkreises entwickelt. Hier werden emotional besonders bedeutsame Düfte in einem Kreisschema geordnet und biologischen, kosmologischen und psychologischen Faktoren zugeordnet.

8 8 9. O-Ton Henglein Duftkreis Der Duftkreis ist eigentlich eine Widerspiegelung eines Ordnungssystems, das wir in der Natur finden. Unser Leben ist rhythmisch geordnet, der Sonnenlauf, der Tageslauf, legt einen Rhythmus vor und viele biologischen Vorgänge folgen diesem Rhythmus. Der Duftkreis ist wie eine Art von Kompass, der uns hilft, uns diesem biologischen Ordnungssystem wieder anzupassen. Er basiert darauf, dass wir, vielleicht ohne es zu wissen, mit Düften eine Art Selbstregulation betreiben. MUSIK The 13th essence M Rhythmik spielt in der Chronobiologie eine große Rolle. Sie erforscht die Zeitstruktur von Lebewesen und analysiert unter anderem das Phänomen der inneren Uhr. Der wichtigste Taktgeber ist der Wechsel von Hell und Dunkel, von Tag und Nacht. In Anlehnung an diesen natürlichen Rhythmus hat Martin Henglein den Duftkreis in vier Quadranten aufgeteilt und die vier Schnittpunkte der Längs- und der Querachse in Beziehung zum Ablauf eines Tages oder auch eines Jahres gesetzt. Die vier Kardinalpunkte stehen für vier Tageszeiten oder auch für Frühling, Sommer, Herbst und Winter sowie für die Qualitäten, die man damit in Verbindung bringen kann. Sie lassen sich auch in eine Duftsprache übersetzen: 10. O-Ton Henglein Rosmarin am Morgen a Man entdeckt mit der Zeit, dass es bestimmte Düfte gibt, die eine übergeordnete Rolle spielen können und die stehen sozusagen an den vier Ecken dieses Ordnungssystems und helfen, einen der vier Quadranten des Duftkreises zu aktivieren. MUSIKAKZENT Always Z über Zitator ZITATOR: Rosmarin

9 9 11. O-Ton Henglein Rosmarin am Morgen b wir haben schon den Rosmarin genannt, der am Beginn des Duftkreises ist, der am Moment des Tagesbeginns steht, wenn die Sonne aufgeht, im Jahreslauf ist es der Frühlingsanfang. ZITATORIN: Rosmarin weckt die Lebenskräfte und mobilisiert die Reserven Zitrusdüfte haben im allgemeinen eine helle, leichte Note. Zu ihnen gehört auch : MUSIKAKZENT Lost and never found Z über Zitator ZITATOR: die Bergamotte 12. O-Ton Henglein Bergamotte In der Mitte des Duftkreises, auf dem höchsten Stand, steht ein Zitrusduft, die Bergamotte. Eine etwas seltene Zitrusart, die aber einen wunderschönen Duft hat, und von der man weiß, dass sie seelische Beschwerden von Angstzuständen und nervösen Spannungen wunderbar ausgleicht Wir wissen, dass es auch selbst im Gehirnstoffwechsel fast wie ein Neurotransmitter wirken kann. Diese kleinen Monoterpene haben die Eigenschaft, dass sie die Blut-Gehirnschranke überwinden und so zumindest teilweise ins Gehirn vordringen können. ZITATORIN Bergamotte wird in der Osmologie mit der größten Lichtentfaltung am Mittag in Verbindung gebracht; man spricht ihr anti-depressive Wirkungen zu. In der Psycho-Aromatherapie geht man davon aus, dass Düfte ausgleichend wirken, dass sie also einerseits ein Zuviel abbauen und andrerseits auch einen Mangel be-

10 10 seitigen können. Manchen ätherischen Ölen wird eine besonders harmonisierende Wirkung zugesprochen: MUSIKAKZENT Always Z über Zitator ZITATOR: Geranium 13. O-Ton Henglein Geranium Und dann haben wir auf der gegenüberliegenden Seite des Rosmarins das Geranium, eine Duftpelargonie, welche etwas rosenartig riecht, weich, sanft, und damit auch den Eingang in das seelische Gefühlsleben darstellt. Hier haben wir die Thematik der Partnerschaft, des Einlassens auf das Du, auf die anderen. Der Rosmarin hilft uns, selbstbewusst, aktiv zu werden, das Geranium hilft uns, auf die anderen zu achten. Das ist also eine dieser Achsen, die den Duftkreis bestimmen. Schließlich so die Osmologie können Düfte uns in gewisser Weise auch erden: MUSIKAKZENT Lost and never found Z über Zitator ZITATOR Patchuli 14. O-Ton Henglein Patchuli Und ganz zum Schluss haben wir noch ganz unten - so wie das Bergamotte der leichteste Duft ist, so haben wir ihn als schwersten Duft, ein aus der Hippie-Zeit bekanntes Düftchen, das Patchuli, welches aber vielleicht unterschätzt wird in seiner Wirkung, weil es sehr interessante Eigenschaften hat. Es ist der Duft, der am längsten haftet, der eine ganz starke Erdigkeit besitzt, und fast so etwas wie eine Art vitale Stärkung darstellen kann, wenn man ihn mag, wohlgemerkt, weil es kommt immer

11 11 darauf an, ob man die Düfte mag, wenn man ihn mag, kann er zu seiner sofortigen Regeneration und Aufladung führen. Ob man einen bestimmten Duft als angenehm empfindet oder ihn ablehnt, spielt eine wichtige Rolle in der Osmologie. Therapeuten arbeiten daher oft auch mit einem individuellen Riechtest: 15. O-Ton Henglein Düfte können Ausgleich schaffen Düfte, die wir mögen, die uns wohltun, die vielleicht sogar fast eine Art Hunger auslösen, die helfen uns, wieder in das innere Gleichgewicht zurückzukehren, sie laden die Batterien wieder auf, sie zeigen ein Defizit an, welches wir über diesen Duft regulatorisch, das heißt wie eine Art Reflexsystem, wieder ins Gleichgewicht bringen können. MUSIK Evolutionary science C C ERZÄHLER Lange galt der Geruchssinn als sogenannter "niederer Sinn". Naturwissenschaftlern war aber immerhin bekannt, dass zumindest viele Insekten und Säugetiere ohne Geruchsempfinden gar nicht überleben können. Das gilt für Schmetterlinge ebenso wie für Mäuse. 16. O-Ton Hatt Buck und Axel Aber beim Menschen, da dachte man: Ja wir sind inzwischen schon etwas Besonderes. wir haben die Augen und Ohren weiterentwickelt, die Nasen sind weitab vom Boden, hochnäsig sind wir geworden, man glaubte, dass das Riechen beim Menschen keine große Rolle mehr spielt. Das hat sich geändert, als die späteren Nobelpreisträger, zwei Amerikaner, dann 1991 die Sensoren entdeckt haben; das war etwas, wonach viele Leute gesucht haben

12 12 ERZÄHLER Die amerikanische Forscherin Linda Buck fand im New Yorker Labor des Molekularbiologen Richard Axel die Genfamilie der Riechrezeptoren - ein Meilenstein in der Geruchsforschung. Damit war der Weg frei für weitere Studien über die vielfältigen Wirkungen von Düften, beispielsweise auch auf das Immunsystem: 17. O-Ton Henglein Düfte und Immunsystem Man weiß ja seit den Nobelpreisträgern Buck und Axel, dass Immunsystem, genetisches Programm und die Düfte - dass das alles sehr eng zusammenhängt, und dass wir vom einen auf das andere einwirken können. Isoprenoiden, welche selbst auf die Gene einwirken können und hier Immunabwehr modulieren, sodass viele unserer Düfte sehr massiv das Immunsystem hochfahren können.) ERZÄHLER Auch im Labor von Professor Hanns Hatt an der Ruhr-Universität Bochum wurden die Forschungen der US-Wissenschaftler aufmerksam verfolgt. Zwar war die Genfamilie für potentielle Riechrezeptoren nun gefunden, doch es fehlte noch der Beweis, dass diese Gene tatsächlich Riechrezeptoren erzeugen können: 18. O-Ton Hatt Beweis für Riechrezeptoren Und dann ging ein Wettlauf los in der ganzen Welt, von verschiedensten Labors, um zu zeigen: kann denn nun so ein Eiweiß, das von einem dieser Gene hergestellt wird, kann denn nun dieses Eiweiß, dieser Rezeptor, tatsächlich riechen? Und das hat sieben Jahre gedauert, bis 1998 es uns in Bochum für den Menschen und einem anderes Labor in New York für Ratten tatsächlich es zum ersten Mal gelungen ist, eines dieser Gene dazu zu bewegen, einen Rezeptor herzustellen, und zu zeigen, dass dieser Rezeptor auf einen Duft anspricht. Das war dann der endgültige Beweis, dass Rezeptoren riechen können, (dass das überhaupt die Duftrezeptoren sind) ERZÄHLER Die Bochumer Forscher entdeckten die ersten beiden menschlichen Riechrezeptoren; der eine reagierte auf Helional - Typ frische Meeresbrise - und der andere auf

13 13 Cyclamal, den Maiglöckchen-Duft - übrigens auch der Duft, den Spermien lieben, wie sich später herausstellen sollte. Einige Jahre später gelang dem Team um Professor Hatt noch ein weiterer spektakulärer Nachweis: die Rezeptoren, die wir in der Nase benutzen, um Düfte zu erkennen, kommen in allen Körpergeweben vor! 19. O-Ton Hatt In jeder Körperzelle Inzwischen haben Arbeiten von uns bewiesen, dass jede Körperzelle, die wir angeschaut haben, jede Zelle, egal ob eine Leber, eine Niere, eine Lunge, eine Gehirnzelle, in jeder Zelle haben wir einige dieser Riechrezeptoren gefunden. MUSIK Chillbar Z ERZÄHLER Jede Zellart reagiert auf einen anderen Duft: So wird der Sandelholzduft Sandalore erfolgreich bei der Wundheilung eingesetzt. Der Darm reagiert auf Thymol, den Duft des Thymians. Auch Krebszellen sprechen auf bestimmte Düfte an: sie hören auf, sich zu teilen: 20. O-Ton Hatt Prostata und Leberkrebs Wir konnten für Prostata-Krebs ja einen Veilchen-Rezeptor nachweisen, und wenn man den stimuliert, hemmt er tatsächlich die Prostatakrebs-Zellen am Wachstum Leberkrebs ist so ne Art Citronellol also ein in Zitrusdüften vorkommender Duft wir haben auch für Darmkrebs so einen Duft gefunden ERZÄHLER: Das könnte neue Ansätze in der Krebstherapie ermöglichen. Allerdings ist zunächst noch intensive Grundlagenforschung erforderlich.

14 14 Auch auf Pflegestationen in Krankenhäusern und Heimen wird bereits mit Düften gearbeitet: So wirkt Lavendel beruhigend und wird deshalb bei der Körperpflege eingesetzt, ebenso wie Melisse hilft Lavendel bei Einschlafschwierigkeiten. Palmarosa hat hautpflegende Eigenschaften und ist wie viele andere ätherische Öle keimtötend. Aromasalben werden aufgetragen, um Lungenentzündungen vorbeugen. Und auch eine Duftlampe kann mit einem stimmungsaufhellenden Orangenduft im Wartebereich positive Effekte erzielen. MUSIK Chillbar Z ERZÄHLER: Die Wirkungsmechanismen von ätherischen Ölen gleichen oft denen von modernen Medikamenten. Ihr antimikrobielles Potenzial ist beispielsweise eine vielversprechende Option im Kampf gegen antibiotikaresistente Bakterien. Duftstoffe können zudem auch schlaffördernd wirken. Professor Hatt: 21. O-Ton Hatt duftendes Valium und es gibt eben bestimmte Moleküle aus der Gardenienpflanze zum Beispiel, die dann im Gehirn aufgrund ihrer chemischen Struktur genau an die gleichen Sensoren andocken wie es Valium macht oder Barbiturate, also die starken Schlafmittel.also es ist sozusagen ein duftendes Valium., wenn auch natürlich ein Naturduft und hoffentlich viel harmloser. Auch in der Psychiatrie, so etwa in Baseler Kliniken, gibt es erfolgreiche Versuche, Düfte in die Therapie einzubinden. Und nicht zuletzt können uns Düfte auch dabei helfen, gesund zu altern:

15 O-Ton Hatt Riechtraining (Gehirnjogging) jeden Tag zwei, drei Mal am Tag für fünf Minuten riechen üben. Da kann man tatsächlich diesen Riechverlust im Alter deutlich hinauszögern und man trainiert sogar sein Gehirn dabei, weil mit diesen Riechübungen wird ja auch die Gehirnaktivität angeregt, und das heißt, auch das Gehirn trainiert MUSIK The 13th essence M ERZÄHLER: Ein effektiveres Gehirnjogging als das Logikrätsel Sudoku, meint der Mediziner Hanns Hatt. Und der Osmologe Martin Henglein plädiert für eine neue Wertschätzung der Geruchsinns: 23 b. O-Ton Henglein Vernetzung Er bringt uns in die Vernetzung. Wir nehmen teil mit den anderen, wir können uns dem gar nicht entziehen. Und ein bisschen Demut in diesem Sinne ist eigentlich ganz sinnvoll und dazu kann uns der Geruchssinn Wahrnehmungen öffnen, die uns vielleicht die dominierenden Sinne wie Auge und Ohr nicht so leicht geben können. Volles Menschwerden - ich glaube, da gehören Tasten und Riechen, die sogenannten niederen Sinne, unbedingt dazu.