Die Krise der repräsentativen Demokratie Wie weiter?
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- Gerhard Gehrig
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1 Die Krise der repräsentativen Demokratie Wie weiter? Prof. Dr. Hermann K. Heußner Fachtagung Mehr Demokratie beim Wählen , Thüringer Landtag
2 Einleitung Krise der repräsentativen Demokratie: Hohe Wahlenthaltung Starke soziale Spreizung Gefahr für Demokratie und Sozialstaat Dringend notwendig: neue Instrumente der Wahlbeteiligungssteigerung Durch: Kommunalisierung des Kommunalwahlrechts Quellen hierzu und zu Folgendem: Heußner 2014; Heußner 2016; Heußner/Pautsch
3 Demokratie Selbstbestimmung des Volkes nach der Mehrheitsregel Verwirklichung der objektiven Werteordnung des Grundgesetzes Wahl von Parteien/Abgeordneten/ Parlamenten, Art. 20 I, II, 21 I, 38 GG 3
4 Wahlzwecke Legitimation Kontrolle Rückkoppelung Allgemeinheit der Wahl, Art. 38 I 1 GG Sozialstaatsfunktion, Art. 20 I, 28 I 1 GG 4
5 Gefährdung der Wahlzwecke Schwindende Wahlbeteiligung Trend der Nichtwähleranteile seit 1970/80er Jahre Europawahlen: > 50 % Kommunalwahlen: > 50 % (Hessen) Landtagswahlen: deutlich > 30 % Bundestagswahlen: knapp 30 % 5
6 Quelle: Lamers/Roßteutscher 2014, S
7 Gefährdung der Wahlzwecke Wahlbeteiligung, Abwärtsspirale Entmutigungsspirale Allgemein Unterschicht Trittbrettfahrerkalkül Demokratie kollektives Gut Erlerntes Verhalten 7
8 Gefährdung der Wahlzwecke Wahlbeteiligung, Trendumkehr? Landtagswahlen 2016 (Flüchtlingskrise, Türkei-Deal: 18.3.) Baden-Württemberg 13.3.: 66,2 70,4 Rheinland-Pfalz 13.3.: 61,8 70,4 Sachsen-Anhalt 13.3.: 51,2 61,1 Mecklenburg-Vorpommern 4.9.: 51,5 61,6 Landtagswahlen 2017 (abnehmende Flüchtlingskrise) Saarland 26.3.: 61,6 69,7 Schleswig-Holstein 7.5.: 60,2 64,2 Nordrhein-Westfalen 14.5.: 59,6 65,2 Quelle: wahlrecht.de 8
9 Quelle: Vehrkamp/Tillmenn et al. 2017, S. 7 9
10 Gefährdung der Wahlzwecke Legitimationsfunktion Rechtlich: Legitimationskette Faktisch: schwindende Legitimation Gefahr der Abwärtsspirale 10
11 Gefährdung der Wahlzwecke Kontrollfunktion Notwendigkeit: prinzipal-agent-problem, Machtmissbrauch Je weniger kontrollieren, desto schwächer Kontrolle/Auswahlqualität Gefahr der Abwärtsspirale 11
12 Gefährdung der Wahlzwecke Rückkoppelungsfunktion Wahltag: Tag der Wahrheit Notwendig: Hinreichend vollständiges Bild der Präferenzen Mögliche Bedeutung von Wahlenthaltung Bequemlichkeit Desinteresse Zustimmung Zufriedenheit Ablehnung des politischen Angebots und/oder Wahlsystems Ablehnung des politischen Systems 12
13 Quelle: Lamers/Roßteutscher 2014, S
14 Gefährdung der Wahlzwecke Wahlzettel/Wahlsystem Präferenzen differenziert ausdrücken lassen Gefahr der Abwärtsspirale 14
15 Gefährdung der Wahlzwecke Sozialstaatsfunktion Objektiv-rechtlich: Soziale Sicherheit, Chancengleichheit, soziale Gerechtigkeit Umsetzung: Parlamentsgesetzgebung, weiter Gestaltungsspielraum Notwendig: Aktivierung durch Wahlen, faktische Repräsentation der gesamten Bevölkerung Tatsächlich: starke soziale Schieflage der Wahlbeteiligung (s. sogleich) Zu erwarten: Systematische Tendenz zu upper class-bias in Parlamentsgesetzgebung; dazu böser Schein Verstoß gegen objektiv-rechtliche Sozialstaatsfunktion Gefahr der Abwärtsspirale 15
16 Gefährdung der Wahlzwecke Starke soziale Schieflage der Wahlbeteiligung BT-Wahl 2013: 83,6 % - 54,1 % (repräs. Stimmbez., Extrema) NRW LT-Wahl ,7 % - 41,1 % (repräs. Stimmbez., Extrema) Erfurt (WK Stadt I-IV), LT-Wahl 2014 (Extrema, ohne BW) 62,5 % (Rohda Haarberg 4921) 22,8 % (Erfurt 2412) Kassel, Kommunalwahl 2016 (Extrema, ohne BW) 50,88 % - 10,81 % Quellen: Schäfer et al. 2013; Vehrkamp/Tillmann et al. 2017, S. 8; Landeswahlleiter Thüringen; Wahlamt Stadt Kassel 16
17 NRW LT-Wahl 2017 Quelle: Vehrkamp/Tillmenn et al. 2017, S. 9 17
18 NRW LT-Wahl 2017 Quelle: Vehrkamp/Tillmenn et al. 2017, S. 8 18
19 NRW LT-Wahl 2017 Quelle: Vehrkamp/Tillmenn et al. 2017, S
20 NRW LT-Wahl 2017 Quelle: Vehrkamp/Tillmenn et al. 2017, S
21 Wie weiter? Ziel: Höhere Wahlbeteiligung Wirkung: Bessere Verwirklichung der Wahlfunktionen Legitimation, Kontrolle und Rückkoppelung (vgl. o.) Stärkerer Sozialstaat bessere Repräsentation der Unterschicht in Wählerschaft (Schäfer 2015) Stärkung der Sozialstaatsfunktion Je höher Wahlbeteiligung, desto höher Wohlfahrtsausgaben und umso geringer Einkommensunterschiede (Schäfer 2015, S. 223) 21
22 Instrumente Allgemeine Steigerung der Wahlbeteiligung Steigerung durch bessere Abbildung der Präferenzen 22
23 Instrumente (nicht abschließend) Hausbesuche Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre Proteststimme Ersatzstimme Kumulieren/Panaschieren Integrierte Bürgermeister-Stichwahl Offizielle Informationen zu Kandidaten und Parteien an alle Stimmberechtigte Stadtteilverkoppelung ( Kleisthenes in Erfurt ) Wahlpflicht Versammlungspflicht 23
24 Wahlpflicht Steigerung der Wahlbeteiligung Allgemein (Schäfer 2015, 2011) Bsp.: Australien 1922: < 60 % Einführung : 91 % (Evans 2016) Seither regelmäßig über 90 % Sanktion: 20 australische Dollar Wenige Enthaltungen/ungültige Stimmen Australien: 5,5 % (Präferenzwahlsystem) 24
25 Belastung Wahlpflicht Gang ins Wahllokal/Beantragung Briefwahl - Stimmzettel abschicken Alternativ: Ordnungswidrigkeit/ca. 10 Euro Bußgeld Vergleichsfälle Straßenverkehrspflichten Ehrenamtspflichten Schulpflicht Abgabenpflichten Wehrpflicht Gewinn: Stärkung von Demokratie und Sozialstaat 25
26 Politische Durchsetzbarkeit neuer Instrumente Praxis ermöglichen, Erfahrungen sammeln Neue Instrumente nicht von vornherein allgemein vorschreiben Gemeinden Kompetenz zur Einführung bei Gemeindewahlen geben Gemeinden als Laboratorien, Bund: Gemeinden (2013) Thüringen: 849 (2015) Kommunalisierung des Kommunalwahlrechts 26
27 Thüringen, z.b. Praxisfeld eröffnen auf kommunaler Ebene Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre Proteststimme Ggf. Ersatzstimme Integrierte Bürgermeister-Stichwahl Offizielle Informationen zu Kandidaten und Parteien an alle Stimmberechtigte Stadtteilverkoppelung Wahlpflicht Versammlungspflicht 27
28 Quellen Evans, Tim (2006): Compulsory Voting in Australia. Heußner, Hermann K. (2014): Politik ohne Geld: Die Pflicht der Bürger zur Kontrolle der Politiker, in: von Arnim, H.H., Die Bezahlung und Versorgung von Politikern und Managern, S. 73 ff. Heußner, Hermann K. (2016): Die Wahlpflicht rechtliche Zulässigkeit und politische Durchsetzbarkeit, in: Mörschel, Tobias (Hrsg.): Wahlen und Demokratie, S. 181 ff. Heußner, Hermann K./Pautsch, Arne (2016): Die Kommunalisierung des Kommunalwahlrechts Ein Weg zur Durchsetzung wahlbeteiligungssteigernder Wahlrechtsreformen, in: Deutsches Verwaltungsblatt, S ff. Lamers, Patrick / Roßteutscher, Sigrid (2014): Die Wahlbeteiligung, in: Schmitt- Beck, Rügiger et al., Zwischen Fragmentierung und Konzentration: Die Bundestagswahl 2013, S. 119 ff. Schäfer, Armin et al. (2013): Prekäre Wahlen, Milieus und soziale Selektivität der Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl Schäfer, Armin (2015): Der Verlust politischer Gleichheit. Vehrkamp, Robert/Tillmann, Christina et al. (2017): Populäre Wahlen NRW. Mobilisierung und Gegenmobilisierung der sozialen Milieus bei der Landtagswahl Nordrhein-Westfalen
29 Danke! Jetzt haben Sie es geschafft! Sie haben das Wort! Die Diskussion beginnt nach der Pause! 29
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