Alltag im Auffangzentrum in Mangueta
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- Margarethe Straub
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1 Alltag im Auffangzentrum in Mangueta Sommer 2018
2 02 ALLTAG IN MANGUETA - SOMMER 2018 Alltag in unserem Auffangzentrum in Mangueta Jedes betreute Kind stammt aus ärmsten Verhältnissen und hat eine problematische Geschichte. Wir konzentrieren uns hauptsächlich auf zwei Arten von gefährdeten Kindern: Unser Team - Sozialarbeiter und Erzieherinnen, unter der Leitung von Kémoko Touré - arbeitet dabei eng mit Behörden und den staatlichen Kinderschutzbeauftragten zusammen. Kinder, die in ihrem gewohnten familiären Umfeld verbleiben. Wir stellen die Einschulung sicher und verbessern die Situation zuhause. Stark traumatisierte Kinder, welche vorübergehend im Auffangzentrum betreut, auf den Schuleintritt und die Rückführung in geeignete familiäre Strukturen vorbereitet werden. Aufgrund der ärmlichen Verhältnisse in Guinea ist die Analphabetenrate und die Anzahl kranker Kinder hoch. Zudem verfügen die Kinder über keine Geburtsurkunde, welche beispielsweise für die Einschulung zwingend notwendig ist. Wir setzen uns in beiden Fällen intensiv mit den familiären Verhältnissen der Kinder auseinander und treffen regelmässig deren Angehörige. Die eingesetzten Massnahmen haben alle das Ziel, dauerhaft geordnete Verhältnisse für das Kind zu schaffen - wo immer möglich, im gewohnten Umfeld des Kindes. Für jedes Kind muss ein geordnetes familiäres Umfeld geschaffen (entweder bei Angehörigen oder in einer Pfl egefamilie) und der Schulbesuch sichergestellt werden. Die schweren Fälle der traumatisierten Kinder werden zunächst im Auffangzentrum betreut. Sie erhalten psychologische und medizinische Unterstützung und werden auf den zum Teil erstmaligen Eintritt in die öffentliche Schule vorbereitet. Parallel werden Lösungen für eine Rückführung der Kinder in ihr Zuhause gesucht und die notwendigen Massnahmen ergriffen. Nach der Einschulung werden die Kinder weiter von uns betreut. Es geht darum sicherzustellen, dass die Kinder auch tatsächlich zur Schule gehen (in den meisten Fällen werden sie aus Armutsgründen nicht zur Schule geschickt), dass sie Fortschritte machen und sich das familiäre Umfeld stabilisiert. Ausbildung und Zusammenarbeit mit lokalen Kinderschutzbeauftragten (CLEF) Identifizierung bedürftiger Kinder Entsprechende Abklärungen entweder oder Beistand im gewohnten Umfeld Auffangzentrum (max 12 Monate) Besorgung von Geburtsurkunden Vorbereitung auf die öffentliche Schule Wiedereingliederung in familiäres Umfeld
3 ALLTAG IN MANGUETA - SOMMER Für die Kinder im Auffangzentrum schaffen wir regelmässig Möglichkeiten, mit ihren Angehörigen in Kontakt zu bleiben. Das Ende des Ramadans ist eine dieser Gelegenheiten: Die Kinder werden mit unserem 30-jährigen Bus zu Angehörigen oder potenziellen Pflegefamilien gebracht und nach wenigen Tagen wieder abgeholt. Auch den grösseren Mädchen, die während ihrer Ausbildungszeit (Nähatelier) im Auffangzentrum wohnen, werden solche Möglichkeiten geboten. Auch heute noch lassen uns die Einzelschicksale nicht los und jedes Mal aufs Neue reagiert man emotional, wenn ein neuer Antrag für die Aufnahme im Auffangzentrum auf dem Tisch liegt oder wir die Kinder bei uns haben. Binta Da ist beispielsweise die 11-jährige Binta, deren leiblicher Vater plötzlich im Zentrum auftauchte und das Mädchen zur Beschneidung mitnehmen wollte. Dieser gefährliche Eingriff ist längst verboten, wird aber überall aufgrund von Religion und Tradition vorgenommen. Über 95% der weiblichen Bevölkerung in Guinea ist beschnitten. Auch hier setzen wir auf Aufklärung und Intervention. Zum Glück für Binta konnten wir weitere Angehörige beiziehen und den Vater nach langen Gesprächen von seinem Vorhaben abbringen. Aicha Kürzlich wurde die 9-jährige Aicha verstört auf der Strasse gefunden. Das Mädchen (nicht eingeschult, mittellose Eltern) ging verloren, als sie sich vor ihrer jüngeren Schwester verstecken wollte und zu einer grossen Kreuzung lief. Sie verirrte sich und wurde viele Kilometer entfernt vom Wohnort von der Organisation OPROGEM (Office de Protection du Genre, de l Enfance et des Moeurs) aufgegriffen und zu uns gebracht. Nachdem das Kind uns vertraute und anfing zu sprechen, erwähnte es die «Moto Garage Kountia». Wir haben lange gebraucht, bis wir diese Garage, und dort tatsächlich jemanden gefunden haben, der das Mädchen wiedererkannte und uns zu seiner Familie führte. Wir werden in Absprache mit Behörden und Angehörigen die Einschulung einleiten und auch dieses Mädchen noch eine Zeitlang begleiten. Die Fotos zeigen die Rückkehr in die Familie. Assanatou Auch die ebenfalls erst 9-jährige Assanatou wurde auf der Strasse aufgegriffen, von der Polizei an OPROGEM und von dort an uns übergeben. Unsere Recherchen haben gezeigt: keine Schulbildung und wohnhaft bei einem vermeintlichen Onkel unter ausbeuterischen Bedingungen. Das Kind flüchtete und wollte unter keinen Umständen dorthin zurückkehren. Solche Kinder sprechen lange nicht und geben keine Hinweise auf ihre Herkunft. Bei Assanatou mussten wir zum letzten Mittel greifen:
4 04 ALLTAG IN MANGUETA - SOMMER 2018 ein öffentlicher Aufruf in Radio und Fernsehen hat tatsächlich zur Identifi kation des Kindes und seiner biologischen Eltern geführt. Die Fotos zeigen den Empfang von Assanatou bei ihren leiblichen Eltern, die das Mädchen nach Jahren wieder zu sehen bekamen und heute in der Lage sind, das Kind bei sich aufzunehmen. Auch hier werden wir die Entwicklung weiter beobachten. Im Nähatelier Marta Die erste Werkstätte für eine berufl iche Ausbildung für Mädchen haben wir im April 2017 eröffnet. Es ist derzeit für 12 Jugendliche eingerichtet (meist Mütter zwischen 12 und 17 Jahren). Die Ausbildung dauert 3 Jahre und beinhaltet Schneidern, Lesen, Schreiben und Rechnen. Auch ihre Babys werden bei uns betreut. Mutter und Kind werden so dem Missbrauch entzogen und auf ein eigenständiges Leben in Sicherheit vorbereitet. Kinder ohne jeglichen Schutz Wir betreuen auch ausserhalb des Auffangzentrums viele Kinder und weiten unseren Radius je nach Bedarf aus. Kürzlich haben wir die Präfektur Forécariah besucht, wo viele verarmte Kinder leben und keine Hilfsorganisation tätig ist. Jedem Mädchen steht eigenes Nähzubehör, Papier zum Erstellen der Schnitte, Stoffe sowie der Zugang zu einer mechanischen Nähmaschine zur Verfügung. Dank fundierter Theorie und vielen praktischen Übungen haben die Lernenden bereits eine gute Grundlage erworben. Die geschaffenen Kleider werden günstig an die lokale Bevölkerung verkauft. Dieses gute Beispiel bestärkt uns bei den Planungen für eine Ausbildungswerkstätte für Jungs (Holzbearbeitung). Unser Team traf sich mit Behördenverantwortlichen für Kinderfragen, einem Vertreter von OPROGEM, einem Kinderschutzbeauftragten, dem für die Gemeinden zuständigen Generalsekretär und einem Vertreter der Polizeibehörde. Wir werden erst dann aktiv, wenn sich alle diese zuständigen Instanzen zur Zusammenarbeit bereit erklären und sich im gleichen Ausmass engagieren wie Mamadou & Bineta. Nur so können wir die Gemeinschaft vor Ort für den Kinderschutz sensibilisieren und in die Verantwortung mit einbringen. Wir bringen auf jeden Fall die nötige Zeit auf, auch hier eine Gemeinschaft für den Schutz der Kinder zu schaffen.
5 ALLTAG IN MANGUETA - SOMMER
6 Mamadou & Bineta p. A. Reto Wick Fürschwendi 387 CH 9036 Grub SG T +41 (0) info@mamadouetbineta.org
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