POLITISCHER BERICHT AUS DEN VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA. Dr. Ulf Gartzke Leiter der Verbindungsstelle Washington
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1 POLITISCHER BERICHT AUS DEN VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA Dr. Ulf Gartzke Leiter der Verbindungsstelle Washington Nr. 13/ November
2 IMPRESSUM Herausgeber Vorsitzender Hauptgeschäftsführer Copyright 2012, Hanns-Seidel-Stiftung e.v., München Lazarettstraße 33, München, Tel.: +49 (0) , Online: Prof. Dr. h.c. mult. Hans Zehetmair Staatsminister a.d., Senator E.h. Dr. Peter Witterauf Verantwortlich Ludwig Mailinger Leiter des Büros für Verbindungsstellen Washington, Brüssel, Moskau / Internationale Konferenzen Hanns-Seidel-Stiftung e.v. Tel.: +49 (0) oder -204 Fax: +49 (0) mailing@hss.de Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung, Verbreitung sowie Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil dieses Berichtes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Hanns-Seidel-Stiftung e.v. reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Das Copyright für diese Publikation liegt bei der Hanns-Seidel-Stiftung e.v. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Die Autoren tragen für ihre Texte die volle Verantwortung. 2
3 I. Die Grand Old Party in der Krise Amerikas Wähler haben entschieden und Barack Obama für die nächsten vier Jahre im Weißen Haus bestätigt. Das Votum war für die Republikaner eine herbe Niederlage sowohl im Präsidentschaftsrennen als auch beim Ringen um die Dominanz im Kongress. Denn Amerikas Grand Old Party (GOP) unterlag ebenfalls beim Kampf um die bereits sicher geglaubte Mehrheit im Senat. Einzig das ideologisch stark polarisierte Repräsentantenhaus bleibt fest in Republikaner-Hand. Barack Obama war 2012 politisch verwundbar und Mitt Romney hätte vor dem Hintergrund einer schwachen Wirtschaftslage mit stagnierenden Arbeitslosenzahlen eigentlich gute Chancen haben müssen, die Wahlen zu gewinnen. Selbst das Vorzeigeprojekt des Präsidenten, die Obamacare - Gesundheitsreform, wird von einer Mehrheit aller Wähler (und 70 Prozent der sog. Unabhängigen ) abgelehnt. Doch am Ende hat es abermals nicht gereicht. Die Republikaner konnten bei fünf der vergangenen sechs Präsidentschaftswahlen keine Mehrheit der abgegeben Wählerstimmen auf sich vereinen. Während die GOP nach ihrem letzten Wahlsieg 2004 unter George W. Bush noch träumte, infolge positiver demographischer und sozialer Veränderungen eine 30 Jahre dauernde politische Dominanz gegenüber den Demokraten erringen zu können, sieht ihre Zukunft anno 2012 düster aus. Die einst von Präsident Bush Anfang des vergangenen Jahrzehnts propagierte Gesellschaft der Hauseigentümer ( ownership society ) hat wenngleich zumindest in der Theorie mit positiven sozio-politischen Effekten verbunden aus gesamtwirtschaftlicher Sicht letztlich nur der Entstehung einer gigantischen Immobilienblase Vorschub geleistet mit zum Teil verheerenden Konsequenzen für die amerikanische Mittelschicht wurden die Republikaner mit Multimillionär Romney als Partei der Reichen gebrandmarkt und konnten weder bei schnell wachsenden Minderheiten noch bei Frauen oder jungen urbanen Wählern punkten. Einzig weiße Männer sowie Ehepaare über 35 halten weiterhin mehrheitlich treu zur GOP. Doch Amerikas demographische Uhr tickt gegen die Republikaner: 2011 betrug der Anteil weißer Babys bei neugeborenen Amerikanern erstmals weniger als 50 Prozent. Um ihre politische Zukunft zu sichern, müssen die Republikaner vor allem die Stimmen der Latinos gewinnen. Hatte George W. Bush 2004 noch 44 Prozent dieser Minderheit überzeugen können, erreichte Romney acht Jahre später nur enttäuschende 27 Prozent. Während Präsident Bush mit seinem Konzept eines sozialverantwortlichen Konservatismus ( compassionate conservatism ) den Demokraten noch wertvolle Stimmen in Einwanderer-Schichten wegnehmen konnte, hatten die Republikaner 2012 mit den Konsequenzen der von Mitt Romney unabsichtlich ausgelösten Debatte über die 47 percent zu kämpfen: also jenen 47 Prozent aller Amerikaner, die keine Einkommenssteuer zahlen, sich angeblich als Opfer sehen, häufig in Abhängigkeit staatlicher Transferleistungen leben und deshalb aus Sicht Mitt Romneys niemals für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten stimmen werden. Wenngleich Romneys Wahlkampfanalyse im Kern sicherlich zutreffend sein mag und umgekehrt de facto auch von Präsident Obama und den Demokraten geteilt wird beide Parteien fokussieren sich nahezu ausschließlich auf jene Wählerschichten, die sie realistischerweise für sich mobilisieren können gingen die Republikaner letztlich als klare politische Verlierer aus dieser stark emotional geführten Debatte hervor. Auch deshalb, weil Multimillionär Romney mit 3
4 durchschnittlich 14 Prozent in den vergangenen Jahren einem geringeren Steuersatz unterlag als beispielsweise seine Sekretärin oder sein Gärtner. Unabdingbare Voraussetzung einer stärkeren Öffnung der GOP gegenüber Minderheiten wie den Latinos ist jedoch eine grundlegende Reform der US-Einwanderungsgesetze. Dies scheiterte bislang am Widerstand beider großen Parteien. Der ehemalige Clinton-Berater Dick Morris brachte es vor kurzem wie folgt auf den Punkt: Die Demokraten haben Latinos gerne als Wähler, jedoch nicht als Arbeitnehmer in Amerika, denn dies kommt bei den Gewerkschaften nicht gut an, die aggressives Lohndumping fürchten. Die Republikaner und viele der ihnen nahe stehenden Wirtschaftsvertreter (insbesondere aus dem Agrarbereich) wollen Latinos zwar als Arbeitskräfte, nicht aber als Wähler (mehr als 70 Prozent stimmen schließlich für die Demokraten). Jegliche zukünftige Reform der US-Einwanderungsgesetze wird sich innerhalb der dargelegten Spannungsfelder bewegen. Insbesondere der GOP stehen dabei heftige innerparteiliche Konflikte mit Einwanderungs-Hardlinern ins Haus, die jedwede Amnestie gegenüber den schätzungsweise Millionen illegal in den USA lebenden Einwanderern strikt ablehnen. Eine stärkere Absicherung der US-Außengrenze (insbesondere zu Mexiko) wird daher mit jeder Reform einherzugehen haben, die illegalen Einwanderern, die bereits seit Jahren in Amerika arbeiten und Steuern zahlen, eine Legalisierungsperspektive hin zur Greencard bzw. zur US- Staatsbürgerschaft bietet. In diesem Zusammenhang sollten die Republikaner auch den sog. Dream Act unterstützen, der es Kindern und jungen Erwachsenen, die illegal von ihren Eltern in die USA geschmuggelt wurden, ermöglicht, an staatlichen Colleges und Universitäten zu studieren und sich dadurch für eine Greencard zu qualifizieren. Angesichts eines weltweit steigenden Konkurrenzdrucks können es sich die USA schlichtweg nicht mehr leisten, eine verfehlte Bildungspolitik zu verfolgen und dadurch das Heranwachsen einer unterprivilegierten und schlecht ausgebildeten Migrantengeneration zu riskieren. Es sind insbesondere junge Politiker aus den Reihen der Minderheiten, die den Republikaner neue Wählerschichten erschließen können. Senator Marco Rubio, ein Latino aus Florida, Amerikas jüngste Gouverneurin, die indisch-stämmige Nikki Haley aus South Carolina, sowie Bobby Jindal, der ebenfalls aus Indien stammende Gouverneur Louisianas, spielen hier eine Vorreiterrolle Letzterer insbesondere mit Blick auf eine stärkere Berücksichtigung der Mittelklasse in Wirtschaftsfragen. So eröffnete Bobby Jindal, frisch gewählter Vorsitzender der einflussreichen Republican Governors Association, bereits wenige Tage nach den verlorenen US-Präsidentschaftswahlen eine Generalabrechnung mit der Wahlkampfstrategie von Mitt Romney. Er kritisierte dabei insbesondere die 47 percent -Aussage Romneys und machte deutlich, dass die GOP um 100 Prozent aller US-Wähler konkurrieren müsse. Jindal rief die Republikaner dazu auf, ihre antiintellektuellen Tendenzen aufzugeben und sich stattdessen auf ihre programmatischen Wurzeln zurückzubesinnen. We must stop being the stupid party, so Jindals Urteil über die hochkontroversen bzw. teilweise unwissenschaftlichen Aussagen einiger GOP-Senatskandidaten zu Abtreibungs- und Verhütungsfragen, die es den Demokraten ermöglichten, ihre Mehrheit im US- Oberhaus überraschenderweise zu verteidigen. 4
5 Bobby Jindal weiter: Wir müssen sicherstellen, dass wir nicht die Partei der Großunternehmen, der Großbanken, der großen Wall Street Finanzhilfen, der Steuerschlupflöcher für Großunternehmen [...] sind. Bezeichnenderweise waren die Gouverneurswahlen dieses Jahr denn auch der einzige Lichtblick für die Republikaner, die ihren Vorsprung ausbauen konnten und mittlerweile in 30 Bundesstaaten den Gouverneur stellen. Diese starke Position auf bundesstaatlicher Ebene könnte so zur Basis eines künftigen GOP-Wiederaufstiegs werden. Dr. Ulf Gartzke ist Leiter der HSS-Verbindungsstelle Washington. Der Autor dankt Tanja Hausner für ihre Hintergrundrecherchen in Vorbereitung dieses Artikels
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