Viele Fragen: Wer hat das Koks-Video aufgenommen? Ist Schill damit erpresst worden? Wie lebt er heute? Und wo genau?

Transkript

1 PANORAMA Nr. 699 vom Richter Gnadenlos ist abgetaucht wo steckt Ronald Schill? Anmoderation Anja Reschke: Vielen Dank, Jörg Pilawa. Wir sind in der Tat in Rio unterwegs. Panorama hat sogar eine Reporterin in die brasilianische Stadt geschickt: Christine Adelhardt ist dem Rätsel um Ronald Schill auf der Spur, dem ehemaligen berüchtigten Hamburger Innensenator. Und damit herzlich Willkommen bei Panorama. Ja, wir sind es immer noch, auch wenn heute alles ein bisschen anders aussieht. Heute bekommen sie nicht nur klassische Panorama- Themen, sondern Sie können sie als Zuschauer direkt mit unseren Reportern mitverfolgen. Zum Beispiel wie es Christoph Lütgert geht, wenn er sich in Berlin mit den Schwergewichten der SPD auf dem roten Teppich kabbelt. Oder mit welchem Herzklopfen Maike Rudolph mit einer versteckten Kamera loszieht. Viel Spaß also bei unserem Spezial: Panorama Die Reporter. Spurensuche in Rio. Ich soll Ronald Schill finden, den skandalumwitterten ehemaligen Hamburger Innensenator. Werde ich ihn zum Sprechen bringen? Unterwegs nach Rio. Hier ist Ronald Schill untergetaucht. Der ehemalige Hamburger Innensenator. Ich soll ihn finden. Vor kurzem ist dieses Video aufgetaucht: offenbar beim Koksen. Ich weiß noch genau, wie Schill der CDU in Hamburg zur Macht verhalf. Mit platten Parolen wie Kampf der Drogenszene. ehem. Hamburger Innensenator, 1997: Es handelt sich hierbei nicht etwa um Bagatellen, wenn mit Kokain oder mit Heroin gehandelt wird, sondern es handelt sich um schwere Straftaten. Viele Fragen: Wer hat das Koks-Video aufgenommen? Ist Schill damit erpresst worden? Wie lebt er heute? Und wo genau? Wenn ich ehrlich bin und es mir genauer überlege, dann ist es ein Wahnsinn, Schill hier in dieser Metropole von 6 Millionen finden zu wollen. Hier in Rio gibt es einen, der das ganze Video gesehen hat. Ihm wurde das Material zum Kauf angeboten. Der SPIEGEL-Korrespondent Jens Glüsing. Seit 16 Jahren lebt er in dieser Stadt. Können Sie das ein bisschen beschreiben, was auf dem Video noch zu sehen ist, denn auf dem Ausschnitt, den man veröffentlicht hat, das ist ja nur ein ganz, ganz kurzes Stück. Wie lang ist denn das Teil überhaupt? Jens Glüsing, SPIEGEL-Korrespondent:

2 Wenn ich das recht erinnere, dann sind das ungefähr knapp 2 Stunden, würde ich sagen. Und es zeigt eigentlich immer dieselbe Wohnung. Und da drauf ist Schill zu sehen. Sehr viel Sex. Beim Geschlechtsverkehr mit mehreren Frauen. Wie er eine weiße Substanz vom Tisch schnupft, wo man sich vorstellen kann, was das wohl ist. Schill selbst sagt in dem Video, dass er auch selbst in die Favela gegangen ist und da auch das Koks direkt von den Drogenhändlern in den Favelas besorgt hat. Er erzählte, der Drogenboss hat ihn da sehr freundlich empfangen, und die standen da mit den Waffen neben ihm, und so erzählt er das alles. Und dann hat er da, ich glaube mit seiner Freundin zusammen, da oben gekokst. Und in was für einem Umfeld würden Sie sagen lebt Schill? Jens Glüsing, SPIEGEL-Korrespondent: Das ist das typische Copacabana-Umfeld. Das ist eigentlich das Umfeld, wo alle Schurken sich herumtreiben, die mal irgendwann nach Rio kommen. Das ist die Rotlichtszene von Copacabana. Copacabana, bislang der einzige Hinweis. Zusammen mit einer Journalistin aus Rio beginnt die Suche. Weitere Helfer legen sich für uns auf der Lauer. Kioskbesitzer am Strand: Er war schon ein paar mal hier. Dieser Mann spricht nicht portugiesisch. Das könnte er sein. So könnte das wochenlang gehen. Doch dann plötzlich ein Anruf. Einer unserer Helfer hat Schill aus einem Haus kommen sehen. Hier ganz in der Nähe. Ist er zusammen mit jemandem aus dem Haus gekommen oder war er alleine. Tania, Journalistin aus Rio: Nein, er war alleine. Er hat jemanden in der Ecke da getroffen. Mist, da haben wir ihn ja total verpasst. Tania, Journalistin aus Rio: Ja, aber ich meine, wir können hier warten. Hier lebt Ronald Schill. Ein einfaches, anonymes Hochhaus. Wir warten. Lange. Sehr lange. Aber er kommt nicht. Wir wollen die Suche für heute gerade beenden. Plötzlich: Da ist er. Reporterglück.

3 Guten Tag, Herr Schill. Adelhardt vom Norddeutschen Rundfunk. Wir würden Sie gerne zu dem Video befragen. Welches Video? Das Video, das bei uns in Deutschland erschienen ist von Ihnen. Kein Kommentar. Sie können uns doch ein bisschen erzählen, wie das zustande gekommen ist. Kein Kommentar. Ich habe kein Mitteilungsbedürfnis. Aber die Öffentlichkeit hat ein großes Interesse daran, das zu erfahren, was da passiert ist. Das mag sein, aber die Öffentlichkeit ist in diesem Falle nachrangig. Und was ist vorrangig? Ich. Und meine Meinung dazu. Das ist ja schon ein bisschen ominös, wie das zustande gekommen ist. Sind Sie selber damit erpresst worden?

4 Kein Kommentar. Und Sie sind wirklich extra hier nach Rio geflogen? Mit dieser Besetzung? Um mich schlicht und ergreifend zu treffen? Ja. Und hatten Sie Informationen darüber, wo ich zu lokalisieren bin? Ja, wir hatten einige Anhaltspunkte, aber nur sehr vage. Nur sehr vage. Und welches waren die Anhaltspunkte? Copacabana. Hier wohnen vierhunderttausend Leute an der Copacabana. Und Ihnen ist es gelungen, mich innerhalb von 2 Tagen zu finden. Glück braucht der Mensch. Das glaube ich Ihnen nicht. Sie sind nicht aufrichtig. Absolut aufrichtig. Ich hab nichts zu verbergen, Herr Schill. Ja, schön. Soll es das gewesen sein? So einfach soll er nicht davon kommen. Ich will mehr erfahren über sein Leben in Rio.

5 Rio. Hier lebt der Ex-Innensenator. Bei unserem ersten Treffen hat er zum Koksvideo nicht viel gesagt. Früher hat er sich doch immer als Saubermann präsentiert? ehem. Hamburger Innensenator, 2002: Ich habe in meinem Leben noch nie Drogen genommen. Ich trinke nur Bier und ab und zu einen Gin Tonic. Wir recherchieren weiter. Schills Nachbarschaft. Wie lebt dieser Mann. Tania, Journalistin aus Rio: Sie hat ihn schon ein paar Mal mit Mädchen gesehen. Mitten im Gespräch: plötzlich - da ist er wieder. Guten Tag, Herr Schill, Christine Adelhardt.. Das Schicksal schlägt erneut zu. Ja, und was hat sich geändert? Ich habe immer noch so viele Fragen und ich dachte, heute beantworten Sie sie mir. Ich befürchte, es werden dieselben Fragen sein wie gestern. Und immer dieselben Fragen sind doch langweilig. Na gut, dann stelle ich eine neue Frage. Erzählen Sie uns ein bisschen was aus Ihrem Leben hier in Rio. Erzählen Sie doch mal ein bisschen was aus Ihrem Leben. Meines ist nicht so spannend. Ich lebe in Hamburg und arbeite für Panorama.

6 Aber das ist doch ein sehr spannendes Leben. Ja. Wollen wir links oder rechts? Ich möchte gar nicht mit Ihnen reden jetzt im Moment. Außerdem ist es doch interessant, dass Sie berühmt wurden als Richter Gnadenlos in Hamburg, sehr gegen Junkies, gegen die Drogenszene vorgegangen sind und jetzt hier koksen, angeblich koksen. Ja, das sind alles Unterstellungen, zu denen äußere ich mich nicht. Das Video kam jetzt Beschäftigen Sie sich doch mit Otto von Bismarck, wenn Sie schon in die Vergangenheit gehen wollen. Aber der hat doch nicht gekokst, Herr Schill. Wissen Sie das? Na, ich gehe davon aus. Also, dann sagen Sie uns doch wenigstens, wenn Sie sagen, das ist alles nicht wahr... Und Freud, Sigmund Freud hat damit experimentiert, wie Sie wissen. Wie lange wollen Sie denn noch hier bleiben?

7 Na, eigentlich hoffe ich, dass Sie mir irgendwann doch eine Antwort geben. Hoffen und Harren macht manchen zum Narren. Und das steht Ihnen nicht. Dafür sind Sie viel zu intelligent. So, ich würde jetzt gerne gemütlich Essen gehen und Sie hindern mich daran, verstehen Sie? Ja, zum Essen einladen. Da warte ich ja noch drauf. Ja, aber nur, wenn Sie sicherstellen, dass Ihre Leute nicht dabei sind. Damit wir über andere Dinge mal sprechen können, die im Leben ja auch noch interessant sind... Wann und wo? Es gibt dort ein Fort, das haben Sie wahrscheinlich schon gesehen. Und in dem Fort ist ein Café und da treffen wir uns. Ok, und wann? Sagen wir, um sechszehn Uhr. Und wenn ich Ihre Leute sehe, dann platzt das Treffen. Wunderbar, so machen wir es. Er ist nicht gekommen. Aber auch so habe ich eine Menge erfahren: Früher als Innensenator hat Ronald Schill Dealer und Kriminelle verurteilt, hart verfolgt. Heute lebt er selbst in diesem Umfeld.