Entwicklung von Qualitätsstandards im österreichischen Gesundheitswesen
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- Benedikt Meinhardt
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1 Entwicklung von Qualitätsstandards im österreichischen Gesundheitswesen Begriffsdefi nitionen 18 Hintergründe und gesetzliche Regelungen 18 Vorarbeiten Bundesqualitätsleitlinien 19 Metaleitlinie 20 Priorisierungsverfahren 21 Entwicklung einer Leitlinie nach internationalem Standard 21 Eva-Maria Baumer Leiterin des Geschäftsbereiches BIQG, ABV Qualitätsprogramm / Gesundheit Österreich GmbH Ziele von Bundesqualitätsleitlinien 22 Für wen gilt eine Bundesqualitätsleitlinie, wer kann sie beauftragen, wer fi nanziert, wer arbeitet 23 Evidenz, Konsens und Empfehlungen 24 Begutachtung und öffentliche Konsultation 25 Gültigkeitsdauer, Aktualisierung, Implementierung und Evaluierung 26 Bundesqualitätsrichtlinien zu spezifi schen Themen 27 Auszug aus WISO 2/2010 Institut für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften Volksgartenstraße 40 A-4020 Linz, Austria Tel.: +43(0) , Fax: +43 (0) wiso@akooe.at Internet: 17
2 Begriffsdefinitionen Standards immer auch Mindestanforderung Unter Qualitätsstandards werden Regeln, Beschaffenheit, Ausführung von Waren oder auch Dienstleistungen verstanden. Standards setzen einen Maßstab, übernehmen Richtfunktion, an der das normale Niveau der qualitativen Beschaffenheit eines Gegenstandes oder einer Leistung gemessen wird. Standards haben somit immer auch die Bedeutung einer Mindestanforderung. Ob mehr gewünscht ist, entscheidet meistens der Kunde. Ob eine Leistung besser sein soll, entscheidet zumindest im Gesundheitswesen entweder der Anbieter selbst oder der Finanzier einer Leistung. Der Standard kann jedoch nicht unterschritten werden, ohne das Angebot inakzeptabel erscheinen zu lassen. Damit erhalten definierte Qualitätsstandards das Gewicht von Vorgaben, die auf jeden Fall zu erfüllen sind. Es ist also bedeutsam, wer diese Anforderungen formuliert und somit das Ausmaß von Qualität definiert. Während umgangssprachlich Qualität mit Güte gleichgesetzt wird, bezeichnet der Begriff laut Duden neutral die Beschaffenheit, Eigenschaft von etwas. In der aktuellen Qualitätsdiskussion fließen diese beiden Aspekte ineinander. Wenn von Qualität die Rede ist, wird die Güte mitgedacht, der Begriff Qualität ist positiv besetzt. Qualität entsteht, wenn die Eigenschaften eines Produktes oder einer Dienstleistung mit den an sie gestellten Anforderungen übereinstimmen. Der Begriff Qualität besitzt somit keinen universellen Geltungsanspruch, sondern die Qualität jeder Leistung bemisst sich am Erfüllungsgrad der Anforderungen. Hintergründe und gesetzliche Regelungen bereits Qualitätsstandard definiert Im Gesundheitswesen wurden bereits einige Qualitätsstandards definiert, insbesondere was die Strukturen und Ausstattungen von Gesundheitseinrichtungen betrifft. Auch hinsichtlich von Prozessen und Ergebnissen gibt es in einigen gesetzlichen Grundlagen, z.b. im Kranken- und Kuranstaltengesetz oder in den relevanten Normen der Gesundheitsberufe entsprechende Regelungen, aber auch im Österreichischen Strukturplan Gesundheit. Im Gesundheitsqualitätsgesetz (BGBl I 2004/179) werden Qualitätsstandards als beschreibbare Regelmäßigkeiten bzw. Vorgaben hinsichtlich Ausstattung, Verfahren oder Verhalten definiert. 18 WISO 33. Jg. (2010), Nr. 2
3 Im Paragraph 4 des Gesetzes wird festgelegt, dass die Bundesministerin/der Bundesminister für Gesundheit und Frauen die Entwicklung von Qualitätsstandards für die Erbringung bestimmter Gesundheitsleistungen unter Einbeziehung der jeweils Betroffenen, insbesondere der relevanten Gesundheitsberufe sowie der Patientinnen und Patienten, unterstützen kann. Diese Standards können im Zusammenhang mit der Erbringung von Gesundheitsleistungen als Bundesqualitätsleitlinien empfehlen oder als Bundesqualitätsrichtlinien durch Verordnung erlassen werden. Hier ist insbesondere auf Bundeseinheitlichkeit, Bedachtnahme auf sektoren- und berufsübergreifende Vorgehensweise, Patientenorientierung, Grundprinzipien der Gesundheitsförderung, Transparenz sowie den gegenwärtigen Stand des Wissens und der Erfahrung bezüglich der Effektivität und der Effizienz zu achten ist. Die Bundesqualitätsstandards sollen Vorgaben für eine oder mehrere der in 5 des oben zitierten Gesetzes genannten Dimensionen der Qualitätsarbeit (Struktur-, Prozess- oder Ergebnisqualität) enthalten. Zur Umsetzung der Bundesqualitätsrichtlinien kann der Bund neben verbindlichen Instrumenten auch unverbindliche Instrumente, die durch gleichwertige Maßnahmen bei Nachweis der Erfüllung der Anforderungen ersetzt werden können, vorsehen. Bei der Entwicklung der Qualitätsstandards kann sich der Bundesminister/die Bundesministerin des Bundesinstitutes für Qualität im Gesundheitswesen (BIQG) bedienen. Das BIQG wurde im Juli 2007 gegründet und hat im September 2007 die Arbeiten zu Grundlagen zur Erstellung von Qualitätsstandards aufgenommen. Es wurde vereinbart, dass die Erstellung dieser Standards gemäß internationaler Erfahrungen und Empfehlungen zur Entwicklung von Leitlinien erfolgen sollte. Zunächst wurde in einer Grundlagenarbeit eine systematische Literaturrecherche zum Thema Methoden der Leitlinienentwicklung durchgeführt und darauf aufbauend ein erstes Konzept für die sogenannte Metaleitlinie-Methode zur Entwicklung und Evaluierung von Qualitätsstandards erstellt. BIQG Vorarbeiten Bundesqualitätsleitlinien Im Zuge der Arbeiten wurde eine differenziertere Definition für Bundesqualitätsleitlinien/Bundesqualitätsrichtlinien (BQLL/BQRL) WISO 33. Jg. (2010), Nr. 2 19
4 gefunden. So sollen sie Standards für die Patientenbetreuung bei einem speziellen Gesundheitsproblem oder einem organisatorischen Problem schaffen und sich insbesondere mit der Problematik an den Nahtstellen befassen. Die Entwicklung dieser Standards unterscheidet sich nicht, lediglich die Art der Verbindlichmachung. Die BQLL-Entwicklung berücksichtigt neben der bundesweiten Einheitlichkeit auch die sektoren- und berufsgruppenübergreifende Vorgehensweise. Weitere Grundsätze der BQLL-Erstellung sind Transparenz, Orientierung am aktuellen Wissens- und Erfahrungsstand bezüglich Effektivität und Effizienz und die Beachtung regionaler Gegebenheiten. Entscheidungsgrundlage ist aktulles Wissen aus gesundheitsrelevanten Bereichen Aktuelles Wissen aus gesundheitsrelevanten Bereichen (z. B Medizin, Gesundheits- und Krankenpflege, gehobene medizinischtechnische Dienste, klinische Psychologie, Gesundheitspsychologie, Psychotherapie, Musiktherapie, Hebammen, kardiotechnischer Dienst, medizinisch-technischer Fachdienst, medizinische Masseurinnen/Masseure und Heilmasseurinnen/Heilmasseure, Sanitäterinnen/Sanitäter und Sanitätshilfsdienst) können als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden. Metaleitlinie Grundlagen für Entwicklung von Metaleitlinien Grundlagen für die Entwicklung der Metaleitlinie bilden im Wesentlichen die Arbeiten des internationalen Leilinien-Netzwerks GIN, die Leitlinienempfehlung des Europarates, das Leitlinien-Manual von AWMF und ÄZQ, das Handbuch zur Entwicklung regionaler Leitlinien des ÄZQ und die Leitlinienbewertungstools AGREE und DELBI. Die Metaleitlinie wurde in einer multidisziplinären Expertengruppe (Bundesministerium für Gesundheit, Ländervertretungen, Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, Österreichische Ärztekammer, Österreichische Zahnärztekammer, Österreichische Apothekerkammer, Österreichischer Gesundheitsund Krankenpflegeverband, Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt, MTD-Austria, Österreichisches Hebammengremium, Berufsverband der österreichischen Psychologinnen/Psychologen, Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie, Patientenanwaltschaft, ARGE Selbsthilfe Österreich) erstellt, wobei auf wissenschaftliche Unabhängigkeit geachtet wurde. Jeder teilnehmende Experte und jede teilnehmende Expertin unterfertigte eine Interessensoffenlegung. 20 WISO 33. Jg. (2010), Nr. 2
5 Der Entwicklungsprozess der Metaleitlinie wird in einem gesonderten Report, dem Metaleitlinienreport, dokumentiert. In diesem Report sind alle relevanten Dokumente und Protokolle enthalten, um die Transparenz der Erstellung gewährleisten zu können. Die Zuständigkeit für die Veröffentlichung der Metaleitlinie und des Reports liegt beim Auftraggeber und der GÖG/BIQG. Die Metaleitlinie wird durch die Metaleitliniengruppe nach einem Jahr und darauf folgend alle drei Jahre auf ihre Praktikabilität hin überprüft und gegebenenfalls überarbeitet. Metaleitlinien Anhand der Methode kann auch die Qualität bereits existierender Standards überprüft werden. Themen, die in Bundesqualitätsleitlinien behandelt werden, müssen zuvor von der Unterarbeitsgruppe Qualität (UAG-Qualität Unterarbeitsgruppe der Arbeitsgruppe für Strukturveränderungen der Bundesgesundheitskommission und ein von der Institutsversammlung der GÖG eingesetztes Gremium zu Fragen der Qualität) gemäß einem Priorisierungsverfahren gewichtet und gereiht sein. Priorisierungsverfahren Themenvorschläge können von jeder Organisation eingebracht werden. Die UAG-Qualität weist diese Themenvorschläge den Themengruppen Krankheiten bzw. Organisation zu. Die Priorisierung findet im Rahmen der UAG-Qualität, zumindest einmal jährlich, anhand von je nach Themengruppe festgelegten Kriterien statt und ist mit der Bundesministerin/dem Bundesminister für Gesundheit abzustimmen. Das Priorisierungsverfahren sowie dessen Ergebnisse werden transparent dargestellt. Entwicklung einer Leitlinie nach internationalem Standard 1. Einbringen des Themenvorschlages 2. Priorisierung und Auswahl des Themas durch die UAG-Qualität 3. Beauftragung von GÖG/BIQG 4. Durchführung einer Ist-Analyse sowie Leitlinien- und Literaturrecherche inkl. Definition von Problemfeldern 5. Konstituierung der themenbezogenen Leitliniengruppe bestehend aus für das jeweilige BQLL-Thema relevanten Vertreterinnen/Vertretern WISO 33. Jg. (2010), Nr. 2 21
6 6. Beginn der Erstellung des Leitlinienreports zur kontinuierlichen Dokumentation 7. Definition der Kerninhalte der BQLL 8. Bei Bedarf Erstellen von weiterführenden Literaturreviews oder die Recherche zu Modellen guter Praxis, wie z. B. zur Lösung der Nahtstellenprobleme 9. Formulierung von Empfehlungen 10. Entwicklung eines BQLL-Entwurfs im Konsens mit der Leitliniengruppe 11. Beurteilung der finanziellen Auswirkung und Umsetzbarkeit; gegebenenfalls Überarbeitung des Entwurfs 12. Externe Begutachtung und Überarbeitung der BQLL 13. Öffentliche Konsultation 14. Endredaktion 15. Veröffentlichung der BQLL und des Leitlinienreports 16. Verbreitung und Implementierung 17. Evaluierung und Aktualisierung Sollte nicht das Bundesministerium für Gesundheit oder die Bundesgesundheitsagentur die Entwicklung einer BQLL beauftragt haben, sondern von Dritten ein Antrag auf Anerkennung als BQLL gestellt werden, ist zwischen den Stufen 12 und 13 ein Anerkennungsverfahren durchzuführen. Ziele von Bundesqualitätsleitlinien Bundesqualitätsleitlinien sollen eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung sicherstellen und sie sollen über die rein medizinische Versorgung auch soziale Faktoren behandeln. BQLL orientieren sich an den Bedürfnissen der Patientinnen/Patienten, privater Betreuungspersonen, Angehörigen und der praktischen Anwendung. Folgende Ziele gelten für alle Bundesqualitätsleitlinien: - Prozessstandardisierung, -optimierung und -transparenz - Integratives Darstellen der Rollen und Verantwortlichkeiten aller involvierten Akteure - Darstellen der Versorgungsebenen - Erleichtern der Einarbeitung neuer Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen - Erhöhen der Patientenzufriedenheit - Erhöhen der Patientensicherheit 22 WISO 33. Jg. (2010), Nr. 2
7 - Erhöhen der Sicherheit der Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter im Gesundheitswesen - Erhöhen der Zufriedenheit der die Gesundheitsdienstleistungen erbringenden Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter - Optimieren der Ergebnisqualität (Messbarkeit soweit verfügbar) Darüber hinaus werden bei den BQLL auch themenspezifische Ziele formuliert. Für wen gilt eine Bundesqualitätsleitlinie, wer kann sie beauftragen, wer finanziert, wer arbeitet Die Adressaten einer BQLL sind prinzipiell alle Berufsgruppen, die in den von einer bestimmten BQLL angesprochenen Versorgungsbereichen tätig sind. Erbringer von Gesundheitsdienstleistungen, Organisatorinnen/Organisatoren von regionalen Versorgungsaktivitäten sind ebenso angesprochen wie Patientinnen/Patienten, ihre Angehörigen und Betreuungspersonen. Wichtig für die Umsetzung der Qualitätsstandards sind aber auch die Kostenträger und die interessierte Öffentlichkeit. Der jeweilige Anwendungsbereich bezieht sich auf alle Versorgungsbereiche, die von der BQLL erfasst werden. Prinzipiell können Aufträge zur Entwicklung einer BQLL bzw. Anträge auf Anerkennung als BQLL wie bereits erwähnt, nur nach vorangegangener Themenpriorisierung erteilt werden. Das Priorisierungsverfahren wurde im Einvernehmen mit Bund, Ländern und Sozialversicherung entwickelt, entspricht unter anderem den Empfehlungen zur Priorisierung von Public-Health-relevanten Themen und berücksichtigt die österreichischen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen. Die Entwicklung einer BQLL, wird in der Regel vom Bundesministerium für Gesundheit oder der Bundesgesundheitsagentur beauftragt. In diesem Fall übernimmt die GÖG/BIQG die BQLL-Entwicklung, die Finanzierung von Entwicklung, Evaluation und Aktualisierung einer BQLL (inklusive Report und Patientenleitlinie) ist vom Auftraggeber sicherzustellen und im Zuge der Auftragsvergabe zu vereinbaren. Adressaten Priorisierungsverfahren Bestehende Leitlinien können über einen Antrag und ein darauf folgendes Anerkennungsverfahren von der Bundesministerin/dem Bundesminister für Gesundheit zu einer BQLL erklärt werden. Das Anerkennungsverfahren prüft, ob die Leitlinie/der Standard den formalen Kriterien einer BQLL entspricht. WISO 33. Jg. (2010), Nr. 2 23
8 BQLL müssen von multi- und interdisziplinären Gruppen entwickelt werden BQLL müssen von multi- und interdisziplinären Gruppen entwickelt werden. Einer Leitliniengruppe haben jedenfalls Vertreterinnen/Vertreter der betroffenen Patientinnen/Patienten, sowie der relevanten Gesundheitsberufe und ihrer Standesvertretungen anzugehören, aber auch Vertreterinnen und Vertreter des Bundes, der Länder und der Sozialversicherung. Zusätzlich werden je nach Thema weitere Organisationen und Experten hinzugezogen. Prinzipiell erfolgt die Aufnahme in eine Leitliniengruppe nicht willkürlich, sondern über Nominierung der eingeladenen Organisation. Das BIQG organisiert diesen Prozess, moderiert die Arbeitssitzungen, schreibt die Dokumente, achtet auf die notwendige Evidenzbasierung und die Einhaltung der Methode. Evidenz, Konsens und Empfehlungen Quellleitlinien BQLL werden evidenzbasiert entwickelt, soweit dies bei versorgungsbereichsübergreifenden Vorgehensweisen möglich ist, und berücksichtigen bestehende medizinische, pflegerische und therapeutische Standards, sogenannte Quellleitlinien. Wesentliche Voraussetzung für das Heranziehen von Empfehlungen aus Quellleitlinien ist, dass die ihnen zugrunde liegende Evidenzklasse/ Evidenzstärke ausgewiesen und nachvollziehbar ist. Die Leitliniengruppe wählt anhand vorgegebener Kriterien Aktualität und Relevanz (z. B. internationaler Stellenwert als Bezugsquelle, regionale Relevanz etc.) die zu bewertenden Leitlinien aus. Die methodische Bewertung erfolgt mittels des international anerkannten AGREE- Instruments (Appraisal of Guidelines for Research and Evaluation in Europe), das in einer internationalen Arbeitsgruppe von WHO und EU entwickelt wurde und die formale Qualität im Rahmen der folgenden Themenblöcke ermittelt: - Geltungsbereich und Zweck - Beteiligung von Interessengruppen - Methodische Exaktheit der Leitlinienentwicklung - Klarheit und Gestaltung - Anwendbarkeit, Kosten - Redaktionelle Unabhängigkeit Eine mögliche Ausweitung der Evidenz in Bereiche, die derzeit nicht von Leitlinien nicht behandelt werden, kann im Rahmen von zusätzlichen systematischen Recherchen stattfinden. Bei versorgungsübergreifenden Themen ist es nötig, sich auf konsentierte 24 WISO 33. Jg. (2010), Nr. 2
9 Modelle guter Praxis zu stützen. Im begleitenden Leitlinienreport wird das methodische Vorgehen hinsichtlich Recherche, Auswahl und Bewertung von Quellen im Detail dokumentiert. Die Empfehlungen in einer BQLL sollen klar und verständlich formuliert sein und die Handlungsoptionen deutlich darstellen. Sie beruhen auf der besten verfügbaren Evidenz und definieren das Vorgehen in einer bestimmten Situation klar. Die Einteilung in Empfehlungsgrade erfolgt getrennt von der Studienbewertung mittels Evidenzklassen. Zur Bearbeitung aller inhaltlichen Fragestellungen wird in der Leitliniengruppe die moderierte Diskussion verwendet. Zusätzlich kann noch die geheime Wahl als Mittel zur Meinungsfindung angewendet werden. So werden alle Inhalte einer BQLL im Rahmen der Leitliniengruppe kapitelweise diskutiert und anschließend abgestimmt. Wenn Einzelpersonen anderer Meinung sind, so wird dies im Report dokumentiert. Es gilt die qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Stimmberechtigten. BQLL beruhen auf bester Evidenz und definieren Vorgehen in bestimmten Situationen Am Ende des Entwicklungsprozesses wird ein BQLL-Entwurf bezüglich seiner expliziten Empfehlungen und Graduierungen durch die Leitliniengruppe verabschiedet. Alle Organisationen, die an der Leitlinienentwicklung teilgenommen haben, besitzen die Möglichkeit, sich zum Entwurf einer BQLL zu äußern. Anmerkungen werden in der Leitliniengruppe erneut diskutiert und eingearbeitet. Bereiche, zu welchen kein Konsens zu erreichen ist, werden jedenfalls in einer BQLL gekennzeichnet bzw. werden die unterschiedlichen Handlungsoptionen aufgezeigt. Die Vorgangsweise wird im Report dokumentiert. Begutachtung und öffentliche Konsultation Bevor die Leitlinie veröffentlicht und allgemein zugänglich gemacht werden kann, sind eine Begutachtung durch externe Expertinnen und Experten sowie eine öffentliche Konsultation vorgesehen. Weitere Feedback-Instrumente, die alternativ angewendet werden können, sind offene Leitlinienkonferenzen unter Einbeziehung der interessierten Öffentlichkeit oder ein Testlauf im Rahmen einer Pilotphase. Auch eine Aussendung an spätere Anwenderinnen/ Anwender, wie z. B. unterschiedliche Berufsgruppen oder spezielle Versorgungseinrichtungen, die von der Leitlinie betroffen sind, ist mit der Bitte um Kommentierung möglich. WISO 33. Jg. (2010), Nr. 2 25
10 Durch diese Verfahren erhält die Leitliniengruppe wichtige Rückmeldungen wie beispielsweise zu: - wesentlicher, bisher nicht einbezogener Literatur, - unklarer Angaben, - Implementierungsbarrieren etc. Darüber hinaus kann durch das Einbeziehen weiterer Meinungsbildner eine breitere Identifikation mit bzw. die Akzeptanz einer BQLL erzielt werden. Gültigkeitsdauer, Aktualisierung, Implementierung und Evaluierung fünf Jahre Gültigkeitsdauer empfohlen Jede BQLL hat eine definierte Gültigkeitsdauer, nach deren Ablauf eine Aktualisierung zu erfolgen hat. Generell wird hier eine Gültigkeit von fünf Jahren empfohlen, natürlich muss eine BQLL früher also anlassbezogen aktualisiert werden, wenn sich z. B. inhaltliche oder rechtliche Rahmenbedingungen verändern. Verbreitung und Implementierung einer BQLL sollten während des gesamten Entwicklungsprozesses bedacht und entsprechend berücksichtigt werden. Hierzu zählen insbesondere eine prägnante und verständliche Sprache, die praktische Anwendbarkeit sowie die leichte Zugänglichkeit (barrierefrei und kostenlos) zur Leitlinie. Ein Konzept für die Verbreitung und Implementierung und entsprechende Ressourcen sollen von Beginn an zur Verfügung stehen. Vorbereitung der Leitlinie partizipativer Ansatz ist wichtig Die Leitlinie kann, nach patientenorientierter Aufbereitung, folgendermaßen verbreitet werden: - Zielgerichtete Informationen an relevante Einrichtungen und Organisationen (z. B. Sozialversicherungen, Berufsorganisationen, Selbsthilfegruppen etc.) - Veröffentlichung in der Presse (z. B. Fachzeitschriften etc.) - Pressekonferenzen, Pressegespräche, Interviews - Veröffentlichung über Internet - Präsentationen auf Fachtagungen, Konferenzen und Kongressen z. B. der kooperierenden Fachgesellschaften und Organisationen Ganz wesentlich ist der partizipative Ansatz der Leitlinienentwicklung und die Integration der Wünsche und Bedürfnisse des Gesundheitspersonals und der Patientinnen/Patienten. 26 WISO 33. Jg. (2010), Nr. 2
11 Zu guter Letzt soll die Wirksamkeit einer BQLL auch evaluiert werden, wobei neben der Versorgungswirkung auch der Akzeptanz- und Umsetzungsgrad in die Beurteilung einfließen. Gründe für eine etwaige Nicht-Anwendung der Leitlinie müssen erhoben und analysiert, mögliche Maßnahmen zur Verbesserung bei der Überarbeitung der Leitlinie berücksichtigt werden. Es sollen Indikatoren für die Evaluation sowie ein Evaluationszeitpunkt festgelegt und in einer BQLL angeführt werden. Die Evaluation soll nach Möglichkeit bundesweit und repräsentativ sein. Das genaue Verfahren der Entwicklung einer BQLL bzw. eines Anerkennungsverfahrens ist in der Metaleitlinie beschrieben, die zur öffentlichen Stellungnahme im Internet bis zum 2. Juni 2010 stand. ( Bundesqualitätsleitlinien zu spezifischen Themen Die GÖG/BIQG entwickelt derzeit folgende Bundesqualitätsleitlinien im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG): - BQLL zur integrierten Versorgung von Demenzerkrankten in Österreich - BQLL zur integrierten Versorgung von COPD-Erkrankten in Österreich - BQLL zur integrierten Versorgung von Patientinnen/Patienten mit Parkinson-Syndromen in Österreich - BQLL Disease-Management-Programm Diabetes mellitus Typ 2 (Beschreibung der Versorgungsebene 2) dzt. in Entwicklung befindliche BQLL Weiters erarbeitet die GÖG/BIQG derzeit folgende Bundesqualitätsleitlinien im Auftrag der Bundesgesundheitsagentur (BGA): - BQLL Aufnahme- und Entlassungsmanagement - Standard zur Brustkrebsfrüherkennung In allen BQLL und Bundesstandards werden jene Prozesse und Empfehlungen dargestellt, die den Weg einer Patientin/bzw. eines Patienten durch das System skizzieren. Rollen und Verantwortlichkeiten der primären Nahtstellenpartner werden entlang der Prozesse definiert. Die Ausführungen basieren auf der besten verfügbaren Evidenz im Gesundheitswesen, berücksichtigen nationale und WISO 33. Jg. (2010), Nr. 2 27
12 regionale Rahmenbedingungen sowie die Umsetzbarkeit. In der folgenden Darstellung sind alle Projektschritte grafisch dargestellt. Quelle: GÖG eigene Darstellung Inhalte orientieren sich an verschiedenen Phasen Inhalt der diagnosebezogenen Bundesqualitätsleitlinien (COPD, Demenz, Parkinson-Syndrome, Diabetes Mellitus Typ 2): In diesen BQLL werden die Versorgungsabläufe von Patientinnen/ Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern dargestellt. Die Inhalte orientieren sich an den Phasen Primärprävention, Früherkennung, Diagnostik und Differentialdiagnostik, Therapie, Betreuung und Versorgung sowie Sekundär- und Tertiärprävention (Rehabilitation). Es werden Aufgaben und Verantwortlichkeiten der beteiligten Leistungserbringer und Einrichtungen, Prozesse an den Nahtstellen sowie Informations- und Kommunikationserfordernisse beschrieben. Die Standards befinden sich noch in der Entwicklungsphase, derzeit werden insbesondere Probleme der Finanzierungszuständigkeiten mit allen Beteiligten geklärt. Ziel ist, die BQLL noch im Jahr 2010 einem öffentlichen Stellungnahmeverfahren zu unterziehen. Inhalt der organisatorischen Bundesqualitätsleitlinie Aufnahme- und Entlassungsmanagement : Die BQLL Aufnahme- und Entlassungsmanagement beschreibt den organisatorischen Weg der Patientin/des Patienten, unabhängig von der individuellen Diagnose rund um den akutstationären Aufenthalt. Der Fokus liegt auf den Prozessschritten Zuweisung, Aufnahme, Entlassungsvorbereitung, Entlassung und auf prozessübergreifenden Maßnahmen. Rollen, Aufgaben, Verantwortlichkeiten 28 WISO 33. Jg. (2010), Nr. 2
13 und Mindestanforderungen an Kommunikations-, Informations- und Dokumentationsstandards der tangierten Nahtstellenpartner werden dargestellt. Inhalt des Qualitätsstandards Brustkrebsfrüherkennung : In diesem Standard soll ein qualitätsgesichertes, organisiertes und systematisches Brustkrebs-Früherkennungsprogramm auf Basis der European Guidelines for Quality Assurance in Breast Cancer Screening and Diagnosis dargestellt werden. Ergebnisse und Erkenntnisse aus den Pilotprojekten des Projektes Mammographie Screening Austria sowie österreichspezifische strukturelle Voraussetzungen werden berücksichtigt. Inhaltlich werden die Bereiche Einladungsmanagement (Zielgruppe, Untersuchungsintervalle, organisatorische Prozesse), medizinische Prozesse und Kriterien bei der Früherkennungsuntersuchung, technische Qualitätssicherung der eingesetzten Geräte, Schulungs- und Fortbildungserfordernisse des eingesetzten Fachpersonals, Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärung, Information sowie Datendokumentation samt Evaluation bearbeitet und definiert. Dieser Standard wird in sehr enger Kooperation mit dem Competence Center Integrierte Versorgung der Österreichischen Sozialversicherung entwickelt, das die Gesamtprojektleitung inne hat. WISO 33. Jg. (2010), Nr. 2 29
14 INSTITUT FÜR SOZIAL- UND WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTEN WIRTSCHAFTS-UND SOZIALPOLITISCHE ZEITSCHRIFT Die Zeitschrift WISO wird vom Institut für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (ISW) herausgegeben. Sie dient der Veröffentlichung neuer sozial- und wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse sowie der Behandlung wichtiger gesellschaftspolitischer Fragen aus Arbeitnehmersicht. Lohnpolitik, soziale Sicherheit, Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit, Arbeit und Bildung, Frauenpolitik, Mitbestimmung, EU-Integration - das sind einige der Themen, mit denen sich WISO bereits intensiv auseinander gesetzt hat. WISO richtet sich an BetriebsrätInnen, GewerkschafterInnen, WissenschafterInnen, StudentInnen, Aktive in Verbänden, Kammern, Parteien und Institutionen sowie an alle, die Interesse an Arbeitnehmerfragen haben. Erscheinungsweise: vierteljährlich Preise:* Jahresabonnement EUR 22,00 (Ausland EUR 28,00) Studenten mit Inskriptionsnachweis EUR 13,00 Einzelausgabe EUR 7,00 (Ausland EUR 12,00) (* Stand Die aktuellen Preise finden Sie auf unserer Homepage unter Wir laden Sie ein, kostenlos und ohne weitere Verpflichtungen ein WISO-Probeexemplar zu bestellen. Natürlich kàönnen Sie auch gerne das WISO-Jahresabonnement anfordern. Informationen zum ISW und zu unseren Publikationen - inklusive Bestellmöglichkeit - finden Sie unter BESTELLSCHEIN* Bitte senden Sie mir kostenlos und ohne weitere Verpflichtungen 1 Probeexemplar der Zeitschrift WISO 1 ISW Publikationsverzeichnis Ich bestelle Exemplare des WISO-Jahresabonnements (Normalpreis) Ich bestelle Exemplare des WISO-Jahresabonnements für StudentInnen mit Inskriptionsnachweis * Schneller und einfacher bestellen Sie über das Internet: Name Institution/Firma Straße Plz/Ort BESTELLADRESSE: ISW Volksgartenstraße 40, A-4020 Linz Tel. ++43/732/ Fax ++43/732/ wiso@akooe.at Internet:
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