FEATURE-DIENST. Da liegt was in der Luft wenn Düfte wirken: Wände mit neuen Funktionen. April 2009

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1 Wacker Chemie AG Hanns-Seidel-Platz München, Germany FEATURE-DIENST April 2009 Da liegt was in der Luft wenn Düfte wirken: Wände mit neuen Funktionen Etherische Öle sind begehrt. Sie können Stimmungen beeinflussen, antimikrobiell wirken oder unliebsame Tiere vertreiben. Aber ihre Wirkung hält nur kurze Zeit an sie sind flüchtig und werden schnell zersetzt. Dies verhinderte bislang ihren Einsatz in der Bauindustrie. WACKER hat eine Methode entwickelt, die flüchtigen Duftstoffe zu stabilisieren. Dadurch können Dispersionsfarben und klassische Bindebaustoffe völlig neue Funktionen erhalten. Etherische Öle riechen gut... und sind reine Naturprodukte Beim Stichwort etherische Öle denken wir an intensiv riechende Pflanzen, an Jasmin, Rosen, blühenden Lavendel, an Zitronenschalen und Zimt, auch an duftende Küchenkräuter wir schätzen ihren angenehmen Geruch und das Aroma, das sie alltäglichen Konsumprodukten wie Kosmetika, Haushaltsprodukten, Speisen und Getränken geben. Die Industrie geht einen Schritt weiter: Sie versucht, gezielt das gesamte Wirkungsspektrum der etherischen Öle nutzbar zu machen, denn diese flüchtigen Naturstoffe können sehr viel mehr als einfach nur gut riechen. Rohstoffe der etherischen Öle, die vorwiegend aus leicht flüchtigen Terpenen bestehen, sind zerkleinerte Pflanzenteile Blätter, Blüten, Früchte, Fruchtschalen, Samen, Wurzeln, Rinde oder Holz. Aus diesen Materialien werden die gewünschten Öle durch physikalische Verfahren gewonnen. Weit verbreitet und allgemein üblich ist die Wasserdampfdestillation, bei der Was-

2 Seite 2 von 10 serdampf die flüchtigen Öle mitschleppt. Die in den Schalen der Zitrusfrüchte enthaltenen etherischen Öle, die sogenannten Agrumenöle, gewinnt man durch Kaltpressen der Fruchtschalen. Fettflecke nicht bei etherischen Ölen Manche Tiere machen einen Bogen Einige Duftstoffe haben Repellenswirkung Anders als fette Öle wie Olivenöl oder Sonnenblumenöl, die hauptsächlich aus nicht flüchtigen Fettsäureestern bestehen, verdunsten etherische Öle recht schnell und hinterlassen deswegen auf Papier oder Textilien in der Regel keine Fettflecken. Der Flüchtigkeit verdanken sie auch ihren Beinamen etherisch das alte Wort bedeutet zum Himmel gehörend, flüchtig. Nur knapp ein Prozent der weltweit bekannten Pflanzenarten produzieren etherische Öle. Warum gerade diese Pflanzen etherische Öle erzeugen und welche Funktionen die Öle wahrnehmen, ist erst in Ansätzen geklärt. Etliche dieser pflanzlichen Duftstoffe locken bestäubende Insekten an und tragen so zum Erhalt der Pflanzenart bei, andere übernehmen die Rolle von Fraßschutzstoffen. Einige etherische Öle wirken abstoßend auf bestimmte Tiere. Motten beispielsweise halten sich von blühendem Lavendel fern. Viele Einzelsubstanzen, die aus etherischen Ölen isoliert werden, haben Repellenswirkung. So wirkt das im Orangenblütenöl enthaltene Methylanthranilat abstoßend auf Vögel. Stechmücken und Bremsen meiden den Geruch von Eugenol und von Geraniol. Eugenol ist Hauptbestandteil des Nelkenknospen- und des Zimtblätteröls; Geraniol ist in hohen Konzentrationen in Palmarosa- und in Citronellöl enthalten; es zählt zu den meistverwendeten Riechstoffen überhaupt. Wegen dieser Wirkung werden beide Duftstoffe in mückenabstoßenden Präparaten ein-

3 Seite 3 von 10 und vertreiben Vögel und Mücken Antimikrobielle Wirkung gesetzt. Seit einigen Jahren untersuchen Forschungsinstitute insbesondere in feuchtwarmen Regionen, ob und auf welche Weise mit etherischen Ölen ein Schutz gegen Insekten wie Moskitos oder Termiten erreicht werden kann nicht zuletzt, um Malaria und Gelbfieber alternativ zu bekämpfen oder einzudämmen. Einige etherische Öle können die Vermehrung von Bakterien und Schimmelpilzen hemmen. Köche wissen aus Erfahrung, dass rohes Fleisch länger frisch hält, wenn es mit Nelken den getrockneten Knospen der Gewürznelkenblüten oder mit frischem Thymian gewürzt wird. Viele alte Hausmittel und immer mehr pharmazeutische Präparate nutzen die antimikrobielle Wirkung etherischer Öle. In Apotheken sind Gurgelmittel zur Behandlung von Infektionen der Mund- und Rachenhöhle erhältlich, die Thymianöl enthalten, oft kombiniert mit Teebaum-, Pfefferminz- und/oder Eukalyptusöl. Heute ist bekannt, dass einige etherische Öle und ihre Bestandteile eine erstaunlich hohe antimikrobielle Aktivität haben. Sie sind zwar Naturprodukte, aber letztlich enthalten sie Chemikalien wie zum Beispiel Phenole und Aldehyde, denen sie ihre Wirksamkeit verdanken. In mehreren wissenschaftlichen Studien erwies sich das aus dem Roten Thymian gewonnene Thymianöl als hochwirksam sowohl gegen Bakterien als auch gegen Schimmelpilze. Seine Wirkung wird vor allem auf Thymol, den Hauptbestandteil des Öls, zurückgeführt. Thymol ist rund 30-mal so wirksam wie das früher in Krankenhäusern gebräuchliche Desinfektionsmittel Phenol ( Carbolsäure, chemisch: Hydroxybenzol). Übereinstimmend wurde in allen Studien die antifungale Wirkung von

4 Seite 4 von 10 Besonders aktiv: Thymian-, Nelkenblütenund Zimtrindenöl Duftstoffe beeinflussen Stimmungen Wunsch der Bauindustrie: multifunktionale Baustoffe Nelkenblüten- und Zimtblätteröl als hoch bewertet, während Zimtrindenöl durch eine stark antibakterielle Wirkung auffiel. Allerdings hält die Wirkung selbst bei den Ölen, die am stärksten wirken, nicht lange an sie verdampfen zu schnell. Dafür haben die Öle und ihre Komponenten einen anderen Vorteil: Mikroorganismen werden nach heutigem Kenntnisstand nicht gegen etherische Öle resistent. Die Faszination, die für viele Menschen von den etherischen Ölen ausgeht, hat mit der psychischen Wirkung natürlicher Duftstoffe zu tun: Etherische Öle können wie alle Duftstoffe Stimmungen beeinflussen und Emotionen auslösen. Grund dafür ist die enge Kopplung des Geruchssinns an das limbische System. Dieser stammesgeschichtlich als sehr alt geltende Teil des Gehirns steuert Emotionen, Affekte und Triebe. Das Gehirn merkt sich, welche Gerüche in welchen Situationen auftraten. Begegnen wir einem bestimmten Geruch wieder, wird die Erinnerung an die alte Situation wachgerufen. Weil etherische Öle ein breites Wirkungsspektrum haben, sind sie für viele und sehr unterschiedliche Anwendungen interessant, sagt die Chemikerin und Parfumeurin Marlies Regiert. Sie ist bei WACKER FINE CHEMICALS weltweit für Entwicklung, Marketing und Verkauf von Cyclodextrin-Produkten verantwortlich. Auch die Bauindustrie ist auf etherische Öle aufmerksam geworden. Mit etherischen Ölen könnten Putze, Anstriche und andere Beschichtungen oder Beläge zusätzliche Funktionen übernehmen, die bisher nicht denkbar waren und über Feuchte abrufbar sind.

5 Seite 5 von 10 Stabilisierung ist notwendig Problemlösung: Einschluss in molekulare Tresore aber mit Schlüssel zum Öffnen Zwei Hürden stehen allerdings dem Einsatz in der Bauindustrie entgegen: Erstens sind viele etherische Öle chemisch sehr empfindlich. Viele ihrer Inhaltsstoffe werden unter Luft- und Lichteinwirkung oxidiert, andere verändern sich chemisch beim Erwärmen oder unter dem Einfluss von sauren oder alkalischen Medien. Auf diese Weise verlieren Öle schnell ihre Wirksamkeit, in manchen Fällen bilden sich gesundheitlich bedenkliche Stoffe. Einige Komponenten würden allein schon das Einrühren in den breiigen Putzmörtel oder in die flüssige Wandfarbe nicht überstehen. Zweitens erweist sich die Volatilität der etherischen Öle als Crux sie sind so flüchtig, dass sie bereits nach wenigen Tagen aus dem applizierten, abgebundenen Anstrich oder Belag verschwunden wären. Regiert fand eine Möglichkeit, diese Hürden aus dem Weg zu räumen: Sie schützt die empfindlichen Duftstoffe durch molekularen Einschluss, bevorzugt in β-cyclodextrin. Die ringförmigen Moleküle dieses Zuckers können in ihrem Hohlraum ein Duftstoffmolekül aufnehmen. Jedes Cyclodextrinmolekül funktioniert wie ein kleiner Tresor, der ein Duftstoffmolekül sicher aufbewahrt und vor dem Einfluss der Umgebung schützt, so Regiert. Der Schlüssel zum Öffnen der winzigen Tresore ist Wasser. Wenn Wasser auf die Einschlussverbindung einwirkt, wird der Duftstoff in seiner ursprünglichen Form freigesetzt. Damit bietet es sich an, für Bauanwendungen den Duftstoff in Form einer Cyclodextrin-Einschlussverbindung einzusetzen etwa in Belägen oder Putzen, auf die kein Schlagregen gelangen kann. Dann bestimmt die Luftfeuchtigkeit, wie viel Duftstoff freigesetzt und an die umgebende Luft abgegeben wird. Je

6 Seite 6 von 10 Kontrollierte Wirkstoffabgabe über viele Jahre Praxistests loten das Potenzial aus Auch an unwirtlichen Orten lässt sich das Wohlbefinden erhöhen Neue Funktionalitäten für Baumaterialien auf feuchter die Luft, desto stärker die Freisetzung. Der empfindliche Duftstoff geht nicht durch Verdampfen verloren, auch chemische Veränderungen sind ausgeschlossen. Der Schutz- und Freisetzungsmechanismus funktioniert so gut, dass auch ein Belag oder Anstrich nach mehrjährigem Einsatz noch fast so viel Duftstoff abgibt wie zu Beginn. Mehrere Baustoffhersteller testen derzeit duftstoffkomplexhaltige Bindebaustoffe unter verschiedenen klimatischen Bedingungen, um das Anwendungspotenzial auszuloten und erste praktische Erfahrungen zu sammeln. Im Zentrum stehen dabei Anwendungen in öffentlich zugänglichen Bereichen wie U-Bahnund S-Bahnhöfen, Flughäfen, Tiefgaragen, Waschräumen und Toilettenanlagen. Welcher Duftstoff eingesetzt wird, hängt von der vorgesehenen Anwendung ab. Die positiven Wirkungen, die etherische Öle auf die Psyche und die seelische Befindlichkeit des Menschen haben, könnten bald in unwirtlichen Gebäuden genutzt werden. Regiert denkt dabei an U- und S-Bahnhöfe, in denen viele Menschen dicht zusammenstehen, sowie an Parkhäuser oder Tiefgaragen: Hier könnten Anstriche oder Beläge, die kontinuierlich einen ausgesuchten Duft abgeben, zu einer aggressionsärmeren und entspannteren Atmosphäre beitragen. In einigen Pariser Metro- Stationen wird die Luft bereits mit Duftstoffen angereichert. Auch in öffentlichen Toilettenanlagen oder Waschräumen ließe sich durch passende Duftstoffe im Wandbelag eine angenehmere Atmosphäre schaffen, die Frische und Sauberkeit ausstrahlt. Mit Cyclodextrin-Duftstoffkomplexen erhalten klassische Bin-

7 Seite 7 von 10 Basis nachwachsender Rohstoffe debaustoffe neue Funktionalitäten und dies auf der Basis nachwachsender pflanzlicher Rohstoffe. Hintergrundinformationen zu Cyclodextrinen Cyclodextrine sind nichtreduzierende chirale Zucker, deren Moleküle aus mehreren, zu einem Ring verknüpften Glucose-Bausteinen bestehen. Nach der Anzahl der Glucose-Einheiten damit auch nach der Ringgröße unterscheidet man α-, β- und γ-cyclodextrin: α-cyclodextrin besteht aus sechs, β-cyclodextrin aus sieben, γ-cyclodextrin aus acht Glucose-Einheiten. Cyclodextrine sind natürliche Abbauprodukte von Stärke. WACKER FINE CHEMICALS stellt Cyclodextrine auf biotechnischem Weg aus pflanzlichen Rohstoffen her. In den Cyclodextrinmolekülen sind die Glucose-Bausteine so angeordnet, dass sich in ihrem Innern ein lipophiler, also fettfreundlicher Hohlraum ergibt. Dieser Hohlraum kann ein anderes lipophiles Molekül als Gast aufnehmen, sofern es von seiner Größe und seiner Gestalt her hineinpasst. Der Zusammenhalt zwischen beiden Molekülen ist relativ schwach (Van-der-Waals- Kräfte), so dass das Gastmolekül unter geeigneten Bedingungen wieder freigesetzt werden kann. Die schwachen Van-der-Waals-Kräfte lassen die beiden Partner einer solchen Einschlussverbindung chemisch unverändert. Wegen ihrer Fähigkeit, andere Substanzen reversibel einschließen zu können, werden Cyclodextrine bereits in vielen Produkten und Industrien eingesetzt, zum Beispiel in Haushaltspflegeund in Körperpflegeprodukten, in pharmazeutischen und kosmetischen Präparaten, in der Textil- und in der Lebensmittelindustrie.

8 Seite 8 von 10 Modell zur Wirkungsweise von Cyclo- dextrin-duftstoff- Komplexen in Wandfarbe: Die ringförmigen Zuckermoleküle (blau) können in ihrem Inneren Duftstoffe (grün) beherbergen. Freigesetzt durch Feuchtigkeit, werden sie kontrolliert an die Umgebung abgegeben (Foto: Wacker Chemie AG). Im Technical Center Adrian (USA) bereitet ein Chemiker eine Cyclodextrin-Einschlussverbindung zu. Die ringförmigen Zuckermoleküle werden verwendet, um zum Beispiel die Löslichkeit oder die Stabilität von Substanzen zu verbessern, die Flüchtigkeit von Stoffen zu reduzieren oder schlechte Gerüche zu maskieren (Foto: Wacker Chemie AG).

9 Seite 9 von 10 Entnahme einer Probe von einer Wand, deren Beschichtung Cyclodextrin- Duftstoff-Komplexe enthält. Durch den molekularen Einschluss in Cyclodextrin bietet sich erstmals die Möglichkeit, ätherische Öle und andere Duftstoffe in Putzen, Anstrichen oder anderen Beschichtungen einzusetzen (Foto: Wacker Chemie AG). Hinweis: Diese Fotos können Sie im Internet unter folgender Adresse abrufen:

10 Seite 10 von 10 Weitere Informationen erhalten Sie von: Wacker Chemie AG Presse und Information Nadine Baumgartl Tel Fax Unternehmenskurzprofil: WACKER ist ein global operierender Chemiekonzern mit rund Beschäftigten und einem Jahresumsatz von rund 4,3 Mrd. (2008). WACKER verfügt über 27 Produktionsstätten und mehr als 100 Vertriebsgesellschaften weltweit. WACKER SILICONES Siliconöle, -emulsionen, -kautschuk und -harze, Silane, Pyrogene Kieselsäuren, Thermoplastische Siliconelastomere WACKER POLYMERS Polyvinylacetat und Vinylacetat-Copolymere in Form von Dispersionspulvern, Dispersionen und Festharzen als Bindemittel für bauchemische Produkte, Farben, Klebstoffe, Lacke, Putze und Vliesstoffe WACKER FINE CHEMICALS Feinchemikalien, Biologics und weitere biotechnologische Produkte, wie Cyclodextrine und Cystein WACKER POLYSILICON Polysilicium für die Halbleiter- und Photovoltaikindustrie, Solarwafer Siltronic Reinstsiliciumwafer und -einkristalle für Halbleiter-Bauelemente