Predigt über Jona 4 Gott ist gnädig, barmherzig, geduldig und von grosser Güte.

Transkript

1 Predigt über Jona 4 Gott ist gnädig, barmherzig, geduldig und von grosser Güte. Liebe Gemeinde Jona musste Ninive das Gericht predigen. 40 Tage hatten sie Zeit umzukehren, sonst würde Gott die Stadt vernichten. Was dachte Jona? Wie würden sich die Bewohner von Ninive entscheiden? Was unternahmen sie nach der Gerichtspredigt? Jona rechnet damit, dass Ninive tatsächlich untergeht. Aus diesem Grund verlässt er die Stadt, um sich in Sicherheit zu bringen. Aus der Distanz will er den Untergang der Stadt beobachten. Einsam und allein sitzt er da und wartet ab. Sicher ist Jona nicht entgangen, dass die Niniviten Busse taten. Aber er klammert sich so an die Erwartung, die Stadt gehe unter, dass ein anderer Ausgang der Geschichte für ihn undenkbar ist. Für Jona und sein Volk Israel bedeutet es nichts Gutes, wenn Ninive umkehrt. Dunkle Gewitterwolken ziehen über Israel auf. Die assyrischen Eroberer nähern sich am Ende der Regierungszeit Jerobeams II. Dieses Szenario steht Jona immer realistischer vor Augen. Spätestens wenn die Bussfrist von 40 Tagen abgelaufen ist, ist für Jona die Gewissheit da: Gott verzichtet auf das Gericht über Ninive. Diese Aussichten führen Jona in eine schwere Anfechtung. Das aber verdross Jona sehr, und er ward zornig (Vers 1). Das ist das Wesen der Anfechtung, dass sie uns aus der Verbindung mit Gott herausfechten will. Bei Jona war die Anfechtung schon erfolgreich: Seine Ziele decken sich nicht mehr mit Gottes Zielen. Jona gefällt es nicht, was Gott mit Ninive vorhat. Er lehnt Gottes Handeln rundweg ab. Aber das ist nicht alles. Jona beginnt regelrecht gegen Gott zu rebellieren. Er glüht vor Zorn. Der Zündstoff, der sich in der einsamen Wartezeit aufgehäuft hat, wird jetzt, als das Gefürchtete eintritt, hell entflammt. Wie ist das möglich? Der Prophet, der nach seiner Rettung im Bauch des Fisches einen Dankpsalm betete, ist kaum wiederzuerkennen. Der Prophet Jeremia sagt über das menschliche Herz: Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding; wer kann es ergründen (Jeremia 17,9)? Auch ein Mitarbeiter Gottes kennt die Spannung, zwischen der er hinund hergerissen ist. Diener Gottes sind auch Menschen. Es ist tröstlich, dass die Bibel offen darüber spricht. Die Bibel schildert keine überlegenen Helden, die mit ihrer Kraft das Reich Gottes voranbringen. Nein, Mitarbeiter Gottes sind schwache Menschen, in denen Gottes Kraft wirkt. Auch der Apostel Paulus musste das lernen. Gott sagte zu ihm: 1

2 Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig (2 Korinther 12,9). Sagen Sie nie: Ich bin unbrauchbar für Gott. Ich bin unbeständig. Bei mir kommen manchmal Zweifel auf. Ich habe viele Fragen, die mich quälen. Wie könnte Gott einen solchen Mitarbeiter brauchen? In der Bibel sehen wir: Gott hat immer wieder mit schwachen, verzagten, verzweifelten und auch trotzigen Menschen Geschichte geschrieben. Könnte er dann nicht auch Sie brauchen? Mitarbeit im Reich Gottes ist keine Sache für Helden, sondern eine Sache für Menschen, die sich zur Verfügung stellen. Gott kann aus wenig viel machen. Stellen wir uns ihm zur Verfügung mit dem, was wir sind und haben. Gott kann etwas Gutes daraus machen. Jetzt gibt Jona Gott den Grund an, warum er ihm nicht gehorchte und wieder gegen ihn rebelliert: Ich wusste, dass du gnädig, barmherzig, langmütig und von grosser Güte bist (Jona 4,2). Jona fürchtet die Umkehr Ninives und Gottes Gnade über Assyrien. Er fürchtet sich davor, weil er an Israel denkt, das unter den Assyrern zu leiden haben wird. Offenbar hat Jona aber doch etwas von seiner Flucht vor Gott gelernt. Damals brach er die Verbindung zu Gott vollständig ab. Jetzt betet er doch zu Gott, damit bleibt der Kontakt zu Gott hergestellt. Jona spricht im Gebet offen über seine Bedenken. Das sollten wir auch tun, liebe Gemeinde, wenn wir Probleme haben. Das Gebet hilft uns, unsere Probleme vor Gott zu reflektieren und sie Gott hinzulegen. So geben wir Gott die Möglichkeit, uns zu helfen und zu heilen. Ein solches Gebet wird empfohlen: Liebe Leute, schüttet euer Herz vor ihm aus (Psalm 62,9). Männer wie Elia oder Hiob haben so gebetet. Jona hat recht. Er hat es selbst erfahren. Und Generationen vor und nach ihm können bezeugen: Gott ist gnädig, barmherzig, geduldig und von grosser Güte und es tut ihm leid mit dem Unheil (Vers 4). Wenn die Menschen von ihren verkehrten Wegen umkehren, sieht Gott vom Gericht ab und erweist ihnen seine unverdiente Güte. Jona weiss: Gnade, Barmherzigkiet, Geduld und Güte charakterisieren das Wesen Gottes. So verurteilt sich Jona selbst, wenn er sagt: So nimm nun, Herr, meine Seele von mir; denn ich möchte lieber tot sein als leben (Vers 5). Jona ist wirklich eigensinnig. Er lebt nach dem Motto: Geschieht nicht mein Wille, dann will ich weder dein Prophet sein, noch überhaupt leben. Aber Jona ist auch verzweifelt. Ein Prophet, der sich so bewusst von Gottes Willen trennen will, verspielt ein sinnvolles Leben. Wo Gotte Güte ist, da ist Leben. Wo man sich aus dem Umkreis dieser Güte entfernt, beginnt das Reich der Sünde und des Todes. 2

3 Aber jetzt darf Jona persönlich die Güte Gottes erfahren. Der gnädige Gott wendet sich ihm mit einer Frage zu: Meinst du, dass du mit Recht zürnst (Vers 4)? Wie überlegen und liebevoll zugleich ist Gott. Er schweigt nicht. Er gibt den trotzigen Propheten nicht auf. Er reagiert nicht beleidigt und antwortet nicht seinerseits mit Zorn. Der Herr sieht Jona ins Herz. Er sieht seine Not, seine Verzweiflung und seine Angst im Blick auf die assyrische Geschichte und die Geschichte seines Volkes Israel. So entbrennt Gott nicht in Zorn, sondern in Liebe. Seine suchende Liebe geht dem Propheten nach. Gott ist Gott. Es mindert seine Liebe nicht, wenn wir in der Liebe nachlassen. Sind wir untreu, so bleibt er doch treu (2 Timotheus 2,13). Freilich gilt das nur für den, der grundsätzlich zu ihm umgekehrt ist und immer neu umkehrt. Gott handelt als Schöpfer, um zu Jona zu sprechen: Gott der Herr aber liess eine Staude wachsen; die wuchs über Jona, dass sie Schatten gäbe seinem Haupt und ihm hülfe von seinem Unmut. Und Jona freute sich sehr über die Staude (Vers 6). Es handelt sich um eine Rizinusstaude. Sie wächst in wenigen Tagen mit breiten Blättern zu einem Busch empor. Sie spendet Jona Schatten, was ihm in diesem heissen Land sehr willkommen ist. Prompt reagiert Jona mit grosser Freude. Wie schnell schlagen Jonas Gefühle vom Zorn und Sterbenswunsch zur Freude um. Das zeigt, wie labil er geworden ist. Gott wollte Jona mit der Staude etwas sagen: Ich bin dein Schöpfer. Ich liebe dich. Ich sorge für dich. Hat Jona die Botschaft verstanden? Er freut sich zwar über den Rizinus, aber er sieht noch nicht den Schöpfer, der dahinter steht. Er denkt nicht daran, Gott zu danken. Da redet Gott weiter zu Jona durch die Schöpfung. Er lässt einen Wurm kommen, der die Staude zerfrisst, so dass sie vertrocknet (Vers 7). Der herrliche Schattenspender geht ein, die Sonne sticht Jona auf den Kopf, so dass ihn die Kräfte verlassen (Vers 8). Die Unglücksfälle treffen Jona Schlag auf Schlag. Ist das ein Zufall? Unmöglich. Da steht der Herr dahinter, der dem Propheten die Augen öffnen will für seine Grösse und sein Wirken in der ganzen Schöpfung. Diese Ereignisse in der Natur sollen Jona helfen, Gott zu erkennen. Tatsächlich erreicht Gott, dass Jona wieder anfängt zu reden, aber in einer erschreckenden Weise: Ich möchte lieber tot sein als leben (Vers 8). Da sprach Gott zu Jona: Meinst du, dass du mit Recht zürnst um der Staude willen? Und er sprach: Mit Recht zürne ich bis an den Tod (Vers 9). Als der Rizinus eingeht, lässt sich Jona nicht neu zu Gott einladen, sondern er verstrickt sich immer tiefer in seine Todessehnsucht. Wie schwer ist es, wenn man sich in die Trennung von Gott verrannt hat, wieder herauszufinden. Die Demütigung, die mit einem solchen Schritt verbunden ist, möchte man 3

4 sich ersparen. Wie viele Schicksalsschläge ereignen sich, ohne dass die Betroffenen sich dadurch zu Gott rufen lassen. Aber Gott ist gnädig, barmherzig und voller Erbarmen. Der Prophet sitzt einsam da, ausgelaugt, ein Häufchen Elend unter den dürren Zweigen, seine Kräfte haben ihn verlassen, er möchte am liebsten sterben. Gott neigt sich zu ihm herab und fragt ihn: Meinst du, dass du mit Recht zürnst um der Staude willen (Vers 9)? Gott fragt Jona: Entspricht dein Denken und Handeln meinem Willen? Mit dieser Frage entlarvt Gott Jonas Verhalten als Sünde. Gott will den Propheten zur Besinnung und zur Umkehr führen. Aber Jona bleibt uneinsichtig: Mit Recht zürne ich bis an den Tod (Vers 9). Eigensinnig setzt Jona seinen Willen Gottes Willen entgegen. Jona macht sich selbst zum Massstab und will von Gottes Massstab nichts wissen. Jona hat sich tief in eine Sackgasse hineinmanövriert. Da gibt es nur noch ein Zurück oder die Selbstzerstörung. Diese Wende leitet Gott selbst ein mit den Worten: Dich jammert die Staude, um die du dich nicht gemüht hast, hast sie auch nicht aufgezogen, die in einer Nacht ward und in einer Nacht verdarb, und mich sollte nicht jammern Ninive, eine so grosse Stadt, in der mehr als hundertundzwanzigtausend Menschen sind, die nicht wissen, was rechts oder links ist, dazu auch viele Tiere (Verse 10-11)? So gewinnt Gott Jona neu für sich. Das Gleichnis lockt Jona Zustimmung hervor. Gott liebt Jona. Er will ihn unter keinen Umständen verlieren. So liebt Gott jeden Menschen. Er will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass jedermann zur Busse finde (2 Petrus 3,9). Das Gleichnis zeigt: Wie die Staude Jona am Herzen liegt, liegt Ninive Gott am Herzen. Der Rizinus war für Jona ein Geschenk des Schöpfers, für das er gar nichts getan hatte. Ninive aber ist für Gott eines seiner Geschöpfe, für das er über Jahrhunderte sorgte. Wenn nun Jona den Rizinus nicht in seiner Nähe missen mochte, um wie viel mehr dann Gott die grosse Stadt Ninive in seiner Schöpfung. Bei Ninive handelt es sich um Menschen. Und der Mensch ist Gott sehr wertvoll. Er ist sein Ebenbild (Genesis 1,26), wenig niedriger gemacht als Gott (Psalm 8,6), bestimmt, ins Bild des himmlischen Menschen umgewandelt zu werden (1 Korinther 15,49), sofern er die Erlösung durch Jesus annimmt. Für die Menschen gab Gott seinen einzigen Sohn hin, er starb für sie am Kreuz, damit sie nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben (Johannes 3,16). So will Gott die grosse Stadt Ninive, die zu ihrem Schöpfer umgekehrt ist, gerne verschonen. 4

5 Liebe Gemeinde Das Jonabuch schliesst mit der Rede Gottes. Die Antwort des Jona bleibt ausgespart. Das Jonabuch stellt uns unmittelbar vor die Frage, die Gott stellt. Wir treten jetzt an die Stelle Jonas und ins Gespräch mit Gott ein. Wir sind zur Umkehr gerufen. Gott lädt uns ein, ein neues Leben zu beginnen. Selbst wenn wir uns in eine Sackgasse hineinmanövriert haben wie Jona, ist es nicht zu spät umzukehren. Ein neues Jahr bietet sich völlig dafür an. Lassen wir es nicht ungenutzt verstreichen. Gottes Gnade und Erbarmen gilt auch uns. Wenden wir uns Gott neu zu. Sagen wir Ja zu seinem Willen. Setzen wir ihn in die Praxis um. So ist das Jahr 2014 gesegnet. Amen , Madeleine Koch-Stoll, Pfrn., Adelboden 5