Stilllegung und Rückbau von Kernkraftwerken. Rechtsanwalt und Notar Frank-J. Scheuten
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1 Stilllegung und Rückbau von Kernkraftwerken Rechtsanwalt und Notar Frank-J. Scheuten
2 Stilllegung und Rückbau Die Stilllegung von Kernkraftwerken und insbesondere auch der Rückbau ist technisch anspruchsvoll, aber beruht auf erprobten und bewährten Verfahren, logistisch herausfordernd, aber weist gerade hier erhebliche Unwägbarkeiten und Risiken auf rechtlich interessant, aber behaftet mit den Risiken behördlicher und gerichtlicher anderer Sichtweisen finanziell unerfreulich, aber durch Rückstellungen gesichert, solange sich keine unabsehbaren Risiken aus Technik, Logistik oder Recht ergeben Folie 1
3 Rückbauprojekte Deutschland hat weltweit die größte Erfahrung in der Stilllegung und im Rückbau kerntechnischer Anlagen. In Deutschland sind nach derzeitigem Stand 9 Druckwasserreaktoren 4 Siedewasserreaktoren 2 Hochtemperaturreaktoren 1 Druckröhrenreaktor 1 Wiederaufarbeitungsanlage 1 Brennelementfabrik diverse kerntechnische Einrichtungen im teilweise weit fortgeschrittenen Rückbau oder bereits rückgebaut. Folie 2
4 Know How Dekontaminationstechniken, Zerlegetechniken und Konditionierungstechniken sind erprobt und bewährt. Das Know-How hierfür ist sowohl bei den Betreibern als auch bei vielen großen, aber auch mittleren auf den Rückbau spezialisierten Firmen entwickelt und angesiedelt. Der Rückbau von kerntechnischen Anlagen ist heute kein Forschungsund Entwicklungsvorhaben mehr. Erforderlich ist die Technik, die die nach dem Atomgesetz erforderliche Schadensvorsorge gewährleistet, nicht die bestmögliche Technik. Nutzbarmachung der spezifischen Anlagenkenntnis der Betriebsmannschaften der vom Rückbau betroffenen Anlagen. Aufgabe der Genehmigungsbehörden: Durch ein entsprechendes, ziel- und sachorientiertes Projektmanagement Fehlentwicklungen in Bezug auf die zu stellenden Anforderungen frühzeitig zu erkennen und zu unterbinden. Folie 3
5 Logistik I Beim Rückbau muss man bei einem Leistungsreaktor mit einem Massenaufkommen von ca Mg (DWR) bis ca Mg (SWR) gerechnet werden. Diese Massen müssen demontiert, intern transportiert, zerlegt, intern gepuffert, freigemessen, ausgeschleust, als radioaktiver Abfall verpackt, ggf konditioniert, zwischengelagert oder vom Betriebsgelände abtransportiert werden. Folie 4
6 Logistik II Kernkraftwerke sind nicht dafür ausgelegt, dass derartige Tonnagen aus den Gebäuden ausgeschleust werden. Um die Anlagen dafür herzurichten, müssen Transportwege geschaffen, Pufferflächen hergerichtet, Infrastruktureinrichtungen installiert, Hebeeinrichtungen montiert, Bearbeitungszentren installiert, Freimessplätze ausgewiesen, Konditionierungszentren errichtet und Lagermöglichkeiten vorgesehen werden. Erfolg oder Misserfolg bemessen sich danach, ob der Rückbau innerhalb des prognostizierten Zeitrahmens und damit auch im Kostenrahmen bleibt. Folie 5
7 Logistischer Engpass Beim Rückbau anfallender radioaktiver Abfall:3800 Mg bis 4500 Mg (ca. 2 bis 3 %) Inbetriebnahme Endlager Konrad nicht vor 2019 Abfallmenge 2019: etwa m³ Betriebs- und Stilllegungsabfälle (KKW) Zwischenlagerkapazität (KKW) heute: rund m³ Lücke m³ Lücke 2029 (ohne Abflüsse nach Konrad) m³ Erforderlich sind Abfalllager an den Kraftwerksstandorten. Unklar, auf welche Endlagerbedingungen die Abfälle konditioniert werden müssen und in welchen Behältern sie nach Konrad später angeliefert werden dürfen. Ungewissheit könnte bei Betreibern von stillzulegenden Anlagen durchaus die Überlegung aufkommen lassen, mit dem Rückbau erst dann zu beginnen, wenn Konrad so betriebsbereit ist, dass eine just-in-time-anlieferung möglich ist. Folie 6
8 Genehmigungsregime Errichtungsphase Betriebsphase Stilllegungsphase Abbau-/Einschlussphase Errichtungsgenehmigung 7 Abs. 1 AtG Betriebsgenehmigung 7 Abs. 1 AtG Stilllegungsgenehmigung 7 Abs. 3 AtG Abbau/Einschlussgenehmigung 7 Abs. 3 AtG Betriebsphasen Probebetrieb Leistungsbetrieb Nichtleistungsbetrieb vorübergehend dauerhaft Der dauerhafte Nichtleistungsbetrieb ist die sog. Nach- oder Restbetriebsphase. Legitimationsgrundlage für die Nachbetriebsphase ist jeweils die vorliegende atomrechtliche Betriebsgenehmigung mit dem dort festgeschriebenen Betriebsreglement (BHB/NHB) und den dort verbindlich gemachten Auflagen. 8
9 Handlungsmöglichkeiten In der sog. Nachbetriebsphase darf eine Anlage keine Veränderungen erfahren, die mit dem von der Betriebsgenehmigung legitimierten Betrieb der Anlage nicht vereinbar sind bzw. dem Betrieb der Anlage diametral entgegenlaufen. Der Abbau von Anlagenteilen, die den sicheren Betrieb der Anlage gewährleisten, und wesentliche Veränderungen des Betriebsreglements, die die definitive Aufgabe des Leistungsbetriebs bewirken oder voraussetzen, sind nur auf der Grundlage einer entsprechenden Stilllegungs- und Abbaugenehmigung nach 7 Abs. 3 AtG zulässig. Zulässig sind in der Nachbetriebsphase nur solche Maßnahmen, die rückgängig zu machen sind und in Bezug auf den Betrieb der Anlage keine vollendeten Tatsachen schaffen, und daher auch im aufsichtlichen Verfahren zustimmungsfähig sind. Folie 8
10 Rechtlicher Hintergrund Strikte Abgrenzung zwischen Betriebsgenehmigungs- und Stilllegungsregime aus dem Atomgesetz nicht ableitbar. Aber: Ableitbar aus den allgemeinen Grundsätzen zur Begrenzung des zulässigen Regelungsumfangs von Änderungsgenehmigungen. Änderungsgenehmigungen sind nur insoweit zulässig, als sie das von der zu ändernden Genehmigung umfasste Vorhaben zwar wesentlich verändern, aber in seiner Identität unberührt lassen. Durch eine Änderungsgenehmigung darf der Gesamtgenehmigungsbestand nicht so umgestaltet werden, dass der nach Änderungsgenehmigung neu geregelte Sachverhalt im Verhältnis zum bisher geregelten Sachverhalt ein Aliud darstellt. Änderungen, die der Durchführung des in der Betriebsgenehmigung gestatteten Leistungsbetriebs entgegenstehen bzw. diesen geradezu unmöglich machen, liegen außerhalb des zulässigen Regelungsumfangs einer Änderungsgenehmigung nach 7 Abs. 1 AtG. Folie 9
11 Bedeutung der 13. AtG-Novelle Mit der 13. AtG-Novelle hat der Gesetzgeber in 7 Abs. 1a AtG festgelegt, dass bei allen Kernkraftwerken an einem bestimmten Datum das Recht zum Leistungsbetrieb erlischt Kein Ausübungsverbot, sondern unmittelbarer gesetzgeberischer Eingriff in den Genehmigungsbestand Die für die acht älteren Anlagen vorliegenden Betriebsgenehmigungen sind um die Gestattung zum Leistungsbetrieb reduziert worden. Die Zulässigkeit von etwaigen Maßnahmen in der Nach-/Restbetriebsphase kann rechtlich nicht mehr danach bemessen werden, ob sie im Widerspruch zum gestatteten Leistungsbetrieb stehen. Unter dem Betriebsgenehmigungsregime, das durch gesetzgeberischen Eingriff nicht mehr auf Leistungsbetrieb ausgerichtet ist, dürfen nunmehr auch solche Veränderungen vorgenommen werden, die im Widerspruch zur nicht mehr legitimierten - Wiederaufnahme des Leistungsbetriebs stehen. Folie 10
12 Konsequenzen Vor Erteilung einer Stilllegungs-und Abbaugenehmigung zulässige Maßnahmen unter dem nicht mehr auf Leistungsbetrieb ausgerichteten Betriebsgenehmigungsregime : Ausrichtung des BHB/PHB auf Nach-/Restbetriebs-BHB/-PHB (ohne Leistungsbetrieb) Bauliche Veränderungen (Vorbereitung und Abbau) an solchen Systemen, Komponenten, Anlagenteilen und/oder Gebäuden, die ausschließlich für den Leistungsbetrieb und den vorübergehenden Nichtleistungsbetrieb sicherheitstechnisch erforderlich sind Veränderungen oder Anpassungen außerhalb der atomrechtlichen Anlage (wie bisher) Dieses Ergebnis ermöglicht den Betreibern und auch den Behörden, die Zeit, die notwendig ist, das Verfahren zur Genehmigung der Stilllegung durchzuführen, sinnvoll zu nutzen und sinnlose Kosten zu vermeiden. Folie11
13 Umweltverträglichkeitsprüfung Die erste Stilllegungs- bzw. Abbaugenehmigung nach 7 Abs. 3 AtG bedarf gemäß 19b AtG zwingend einer Umweltverträglichkeitprüfung (UVP). Gegenstand der UVP sind die insgesamt zur Stilllegung und zum Abbau geplanten Maßnahmen. Bezugspunkt der vorhabensbezogenen Umweltverträglichkeitsprüfung ist die atomrechtliche Anlage Die von dem über den atomrechtlichen Anlagenbegriff definierten Vorhaben ausgehenden Umweltauswirkungen sind in dem Umfang zu ermitteln und zu bewerten, wie diese Auswirkungen auch tatsächlich noch einen Zusammenhang mit der atomrechtlich relevanten Anlage haben Maßnahmen, die sich nicht auf die atomrechtliche Anlage oder auf atomrechtlich relevante Anlagenteile beziehen, betreffen nicht das atomrechtlich relevante, und damit auch nicht das UVP-pflichtige Vorhaben. Folie 12
14 Konsequenzen UVP Die UVP umfasst nur solche Maßnahmen, die auf Stilllegung und Rückbau von zur atomrechtlichen Anlage gehörenden Gebäuden, Anlagenteilen und Einrichtungen gerichtet sind, solange und soweit diese Gebäude, Anlagenteilen und Einrichtungen überhaupt Teil der atomrechtlichen Anlage waren und auch noch sind. Der Abriss von Gebäuden, die nie oder nicht mehr zur atomrechtlichen Anlage gehören, unterfällt nicht der atomrechtlichen UVP. Eine am atomrechtlichen Anlagenbegriff orientierte UVP kann wegen der sehr reduzierten potentiellen Auswirkungen in weniger als 6 Monaten abgewickelt werden. Eine an dem gesamten Prozess bis zur grünen Wiese orientierte Umweltverträglichkeitsprüfung kann leicht einen Zeitaufwand von bis zu 2 Jahren bedeuten. Folie 13
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