ZAHNSEMINAR TILLYSBURG September Fortbildung

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1 ZAHNSEMINAR TILLYSBURG September 2008 Fortbildung Ist Ihnen vielleicht schon einmal bei Ihrem eigenen Pferd oder auch dem Nachbarpferd aufgefallen, dass es deutlich langsamer frisst als die anderen Pferde im Stall? dass ganze Getreidkörner im Kot zu finden sind? dass der Kot abnorm grob strukturiert ist? dass komisch zusammengeknäulte Heu- oder Grasklumpen im Fressbereich herumliegen? dass das Pferd trotz scheinbar ausreichender Futtermengen an Gewicht verliert? dass es sich beim Reiten steif macht bzw. dem Zügel nicht mehr nachgibt? dass es aus dem Maul stinkt? dass es einseitigen Nasenausfluss hat vielleicht auch stinkend? dass es Schwellungen im Kopfbereich aufweist?... Schön langsam gelangt es in das Bewusstsein der heutigen Pferdebesitzer, dass ihre Pferde Zähne haben und damit verbundene mitunter schmerzhafte Veränderungen aufweisen können. 1

2 Zahnentwicklung Zahnformel: Ober- und Unterkieferviertel Die Gesamtzahl der bleibenden Zähne variiert nach Geschlecht und individueller Ausprägung zwischen Die Kiefer werden in der Zahnheilkunde in Viertel eingeteilt. Pro Kieferviertel gibt es je drei Schneidezähne/Incisivi (I 1-3) einen Hengstzahn/Caninus bei Hengsten, Wallach und manchmal bei Stuten vier prämolare Mahlzähne (PM 1-4); der 1. Prämolare wird auch Wolfszahn genannt und ist, wenn überhaupt, in erster Linie im Oberkiefer ausgebildet drei molare Mahlzähne (M 1-3) Fohlen weisen bei der Geburt in der Regel noch keine Milch-Schneidezähne auf außer sie sind deutlich übertragen. Die Milchbackenzähne sind entweder bei der Geburt schon vorhanden oder brechen innerhalb der ersten Wochen durch. Bis zum ca. 6. Lebensmonat sind alle Milch-Schneidezähne sichtbar. Die Schneidezähne wechseln zwischen 2,5 bis 4,5 Lebensjahr. Die Hengstzähne wenn sie ausgebildet sind und durchbrechen erscheinen mit ca. 4-5 Jahren. Die vorderen Backenzähne wechseln zwischen 2,5 bis 4. Lebensjahr. Die hinteren Backenzähne brechen zwischen 1.-3,5 Lebensjahr durch. Pferdezähne schieben sich zeitlebens aus dem Kiefer in Richtung Maulhöhle vor. Dies ist notwendig, da sich die Zähne je nach angebotenen Futter 2-3 mm pro Jahr abreiben. Bei alten Pferden können sich daher mitunter nur noch stumpfe Zahnstummeln im Kiefer befinden, weshalb diese Pferde dann spezielles Senior-Pferdefutter benötigen. 2

3 Kommt es aber aufgrund von Störungen beim Zahnwechsel, Kieferfehlstellungen oder Verletzungen zu Zahnfehlstellungen, ist der gleichmäßige Abrieb nicht mehr gewährleistet. Dadurch können sich an einzelnen Zähnen scharfe Zahnkanten, Zahnhaken, Zahnrampen und Meisselzähne entwickeln. Abb 1.: linker Oberkiefer Zahnrampe & Wolfszahn Abb 2: rechter Oberkiefer Meisselzahn ( Die gesamte Kaufläche kann derart in Mitleidenschaft gezogen sein, dass sich sogenannte Wellengebisse, Scherengebisse oder diagonale Gebisse entwickeln. Abb 3: rechtes Ober- und Unterkiefer Scherengebiss ( 3

4 Die krankhaften Veränderungen an einzelnen Zähnen reichen von Karies über eitrige Zahnwurzelentzündungen (mit oder ohne eitriger Stirnhöhlenentzündung) bis hin zu Zahnfrakturen. Durch fehlerhaften Zahnabrieb und Zahn-Fehlstellungen können auch das Zahnfleisch und die Zunge in Form von sehr schmerzhaften entzündlichen Zahnfleischtaschen/Periodontitis und Schleimhautverletzungen betroffen sein. Vorsorge Therapie Zahn- und Kieferkontrolle schon beim neugeborenen Fohlen. Regelmäßige Kontrollen bzw. Korrekturen alle 6-12 Monate vom Fohlenalter an. Individuelle Maßnahmen je nach klinischem Bild. WAS kann der Tierarzt zur VORSORGE machen? Kieferfehlstellungen im Fohlenalter mit zahnspangenähnlichen Korrekturmaßnahmen verbessern Scharfe Zahnkanten abschleifen damit sich keine Schleimhautverletzungen und daraus schmerzbedingtes fehlerhaftes Abreiben der Zähne entwickelt Zahnhaken abschleifen da sich das Unterkiefer sonst nicht frei bewegen kann Festgeklemmte Milchzahnkappen zu einem geeigneten Zeitpunkt entfernen ev. Wolfszähne ziehen Einige Pferde werden erst nach Jahren das erste Mal einem Tierarzt zur Kiefer- und Zahnkontrolle vorgestellt, bzw. ergibt sich dies aus diversen Beobachtungen (siehe oben). Im Zuge dieser erstmaligen Untersuchungen können sich zum Teil regelrechte Zahngebirge offenbaren. WAS kann der Tierarzt in diesen Fällen zur SCHADENSBEGRENZUNG machen? ETAPPENWEISE Korrektur/Beraspelung der gröbsten Hindernisse die ein ausreichendes zerkleinern des Futters verhindern. Je nach Notwendigkeit auch erkrankte ZÄHNE ZIEHEN entweder sie fallen dem Tierarzt schon beinahe in die Hand oder sie können im Stehen unter Sedierung oder sie müssen in Vollnarkose entfernt werden. Hochgradig angewachsenen Zahn-Anteile (breitbasige Zahnhaken, Meißelzahn) bzw. Kauflächenveränderungen (z.b. Wellengebiß) können im Regelfall nicht bei einer Behandlung komplett beseitigt werden. Der Grund liegt darin, dass auch ein Pferdezahn wie jeder andere Zahn auch eine sogenannte Zahnhöhle/Pulpa hat. In dieser Zahnpulpa befinden sich Nerven und Blutgefäße. Die Zahnhöhle wird zur Kaufläche hin von schützendem Zahnmaterial abgedeckt. Es kann aber weder von Pferd zu Pferd noch von Zahn zu Zahn vorhergesagt werden, wie dick die schützende Schicht über der Zahnpulpa ist. 4

5 Bei jeder Zahnkorrektur/Berapselung sollte der Tierarzt bestrebt sein, die Zahnpulpa NICHT zu eröffnen, das heißt die schützende Zahnschicht zur Maulhöhle hin NICHT komplett zu entfernen. Sollte dies doch der Fall sein, so bedeutet dies für das Pferd genau das gleiche wie für uns beim Zahnarzt: Der empfindliche Zahnnerv liegt frei, was mit entsprechenden Schmerzen und Infektionsrisiko verbunden ist. In weitere Folge könnte dies für den Zahn bzw. das Pferd bedeuten, dass es zu Zahnwurzelentzündungen (ev. mit Nasen-Nebenhöhlenentzündung), Absterben des Zahnes bis hin zu Frakturen kommen kann. Im Fall des Falles wird der Tierarzt die ungewollt eröffnete Pulpa mit entsprechenden Zahntechnik Material wieder schützend verschließen. Damit dies aber erst gar nicht geschieht, kürzt der Tierarzt derartig hochgradig angewachsene Zähne nur etappenweise. Das heißt, er beraspelt einen entsprechenden Zahn der vielleicht 15 mm zu lange ist, vorerst nur um 5 mm, um nicht Gefahr zu laufen die Zahnpulpa ungewollt zu eröffnen. Das mag noch nicht die gewünschte Endlänge des Zahnes sein, aber der Tierarzt vereinbart mit dem Pferdebesitzer einen nächsten Zahntermin in 3-4 Monaten zur weiteren Kürzung des entsprechenden Zahnes. In der Zwischenzeit hat der Zahn bzw. der Körper die Chance wieder neues schützendes Material zwischen der Zahnhöhle mit dem empfindlichen Nerven und der Kaufläche des Zahnes einzubauen. Damit hat der Tierarzt beim nächsten Beraspeln wieder mehr Spielraum zur Zahnhöhle und kann den Zahn wieder um ein Stück weiter kürzen bis nach ca. 2-3 Zahnkorrekturen im Abstand von 3-4 Monaten die gewünschte bzw. für das jeweilige Pferd optimale Form von Zahn und Kiefer hergestellt ist ohne dabei die Zahnpulpa mit dem empfindlichen Nerven unnötig in Mitleidenschaft gezogen zu haben. Dieses etappenweise Vorgehen bei hochgradigen Zahn- bzw. Kieferveränderungen mag zwar langwierig und kostenintensiv erscheinen, aber die Spätfolgen einer rücksichtslosen und radikalen Kürzung der Zähne mit dem Risiko der Pulpeneröffnung (siehe oben) sind noch kostenintensiver und führen auch zu schlechteren Entwicklungen für das Pferd was seine Zahn- und Kiefergesundheit betrifft. 5