Psyche im Lot? am Beispiel des Psychiatriemodells Nordhausen
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- Katrin Böhler
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1 Psyche im Lot? am Beispiel des Psychiatriemodells Nordhausen Südharz Klinikum Nordhausen gemeinnützige GmbH Akademisches Lehrkrankenhaus der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg des Universitätsklinikums Jena Dr.-R.-Koch-Str. 39, Nordhausen Dr. med. B. Wilms 1
2 Regionalbudget in Nordhausen: Was uns 2007 dazu bewogen hat, darüber nachzudenken Kapazitätsprobleme Integrierte Tagesklinik Große Institutsambulanz Vergleichbare regionale Bedingungen wie Itzehoe (RPB seit 2003) 2
3 Regionalbudget in Nordhausen: Der Charme des Modells Die Klinik kann frei zwischen den Behandlungssektoren wählen Keine MDK-Prüfung zur Verweildauer Anreiz zur Gesundheitsförderung Wir behandeln keine anderen Patienten, sondern unsere Patienten anders 3
4 Wesentliche Ergebnisse aus Itzehoe Reduktion der vollstationären Behandlungsplätze Abnahme der Verweildauer (pro Pat. pro Jahr 25%) Ausbau teilstationärer und ambulanter Behandlungskonzepte Vergleichbare Behandlungsergebnisse Deister et al. Psychiatrische Praxis,
5 Umsetzung in NDH: Einzugsgebiet 5
6 Umsetzung in NDH: Rahmen Laufzeit zunächst 1 Jahr, später länger Erwachsenen- und KJ-Psychiatrie Korridor von +/-6% behandelten Menschen (65 Betten, 10 TK-Plätze: 1319 Menschen 2008, PSE) 6
7 Herausforderungen ChÄ vs. Geschäftsführer Liquidität für das Krankenhaus Laufzeiten Personalentwicklung Jemand denkt, man könnte damit Geld sparen 7
8 Budgetfindung und unterjährige Abrechnung Budgetfindung: Historisches Budget & Steigerungsraten Abrechnungsarithmetik: BPflV & Ausgleich des Liquiditätsverlustes 100% Mehr- bzw. Mindererlösausgleich im Korridor 8
9 Umsetzung in NDH: Der Korridor (PSE)
10 Herr R. Jüngstes von 7 Kindern Zahlreiche Aufenthalte wegen Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis Lebt mit der inzwischen 88-jährigen Mutter zusammen 48 Jahre Arbeitet auf geschütztem Werkstattplatz in der WfbM PIA-Patient Erneute Exazerbation wahnhafter Symptomatik mit hypochondrischen Befürchtungen Fühlt sich nur zuhause sicher Könnte im Krankenhaus noch andere Erkrankungen erwerben Suizidalität im Sinne eines Ausweges, weil der Zustand so unerträglich sei 10
11 Herr R. Fragen: Wie kann eine engmaschige Behandlung ohne Zwang erfolgen? Wie kann eine Behandlungsbereitschaft langfristig gesichert werden? Was benötigt die Mutter des Patienten in dieser Situation? 11
12 Herr R. Therapie 2008 Der Patient lehnt die stationäre Behandlung ab. Aufgrund der mangelnden Behandlungseinsicht und drohenden Suizidalität wird ein Antrag auf Unterbringung gestellt. Herr R. wird in Begleitung einiger Personen von der PIA auf die Station begleitet. Die Station wird geschlossen. Nach richterlicher Anhörung ergeht ein Beschluss für die Dauer von 6 Wochen. Eine Zwangsmedikation wird vereinbart für den Fall, dass der Patient nicht freiwillig hierzu bereit ist. Nach mehrfachem Insistieren akzeptiert Herr R. schließlich eine Medikation. Aufgrund der Schlafstörungen und massiver Ängste in der Nacht, muss auf eine vergleichsweise hohe Zusatzmedikation mit Benzodiazepinen zurückgegriffen werden. Die Mutter kann den Patienten wegen eigener Mobilitätsstörungen mithilfe eines Nachbarn einmal am Wochenende besuchen. Herr R. schildert immer wieder verzweifelt, dass er sich Sorgen um die Mutter mache und hier nicht gesund werden könne. Mit Auslaufen des Beschlusses verlässt Herr R. gegen ärztlichen Rat die Klinik. Termine in der PIA will er weiterhin wahrnehmen, hat aber nicht den Eindruck, dass Medikamente ihm helfen und erscheint sporadisch. 12
13 Herr R. Therapie 2013 Wir bieten dem Patienten an, ihn täglich zuhause aufzusuchen. In den ersten Tagen erfolgen die Hausbesuche durch zwei Mitarbeiter der PIA. Am Nachmittag erfolgt ein telefonischer Kontakt. Bei Fragen, Schwierigkeiten in der Nacht haben Mutter und Sohn die Möglichkeit, auf Station anzurufen. Nach 10 Tagen kann sich der Patient vorstellen, teilstationär in die Klinik zu kommen. Herr R. wünscht sich die Behandlung auf einer Station, die von seiner Behandlerin oberärztlich geführt wird. Auch an Wochenenden erscheint der Patient vormittags stundenweise. Nach 6 Wochen wird der Patient aus der Tagesklinik entlassen. Herr R. wird weiterhin in der PIA behandelt. Er erscheint regelmäßig. 13
14 Selbsteinschätzung Symptome 3 2,5 2 1, ,5 0 SCL_Depri SCL_Dystymia SCL_Veg SCL_Agora SCL_Soz SCL_Misstrauen SCL_ GSI Herr R. beschreibt in den letzten drei Jahren eine deutliche Zunahme seiner Beschwerden in allen Bereichen (vor allem Depression und Dysthymie, Vegetative Symptome, Agoraphobie, Soziale Phobie und Misstrauen). Quelle: Symptomcheckliste (SCL), die Skala geht von 0 (keine Beschwerden) bis 4 (sehr starke Beschwerden), der GSI (global-severity-index)-wert gibt den Schweregrad der Erkrankung an (alle Werte größer 1 signalisieren signifikanten Krankheitswert). Es wird deutlich, dass der Patient sich selbst als schwer krank einschätzt. 14
15 Psychotische Symptomatik Panss Pos. Panns Neg. Panss Psych Panss Ges. Der Verlauf der psychospezifischen Symptomatik (erfasst mittels einem Fragebogen zu Psychosesymptomen (PANSS) zeigt eine Verringerung der Positiv- und Negativsymptome sowie genereller psychopathologischer Symptomatik. 15
16 PANSS Positivskala: Delusion, formale Denkstörung, Halluzinationen, Erregung, Größenwahn, Feindseligkeit und Mißtrauen/Verfolgungswahn Negativskala: Affektverarmung, emotionale Isolation, mangelnde Beziehungsfähigkeit, passiv-apathische soziale Isolation, erschwertes abstraktes Denkvermögen, mangelnde Spontaneität und Gesprächsfähigkeit sowie stereotypes Denken psychopathologischen Globalskala, welche Angst, Schuldgefühle, Gespanntheit, Maniriertheit und Posieren, Depression, verlangsamte Motorik, Unkooperativität, ungewöhnliche Denkinhalte, Desorientiertheit, Aufmerksamkeitsschwäche, mangelnde Urteilsund Einsichtsfähigkeit, Störung der Willensbildung, mangelnde Impulskontrolle, Selbstbezogenheit, aktive soziale Meidung und leibliche Befindlichkeitsstörung enthält. 16
17 Clinical Global Impression CGI Die Behandler schätzen ein, dass der Patient 2010 und 2011 schwer erkrankt war, 2012 wird er als mittelmäßig krank eingeschätzt CGI (1= überhaupt nicht krank; 7 extrem krank) 17
18 Probleme Fremdeinschätzung 3,5 3 2,5 2 1, ,5 0 Aggression Selbstverletzung Suchtmittel Kognition Körper Halluzinationen Stimmung Beziehung Alltag Wohnen Beruf (Quelle: HONOS; 0=kein Problem, 3=eher schweres Problem); es wird deutlich, dass der Problemschwerpunkt auf Kognition, Beziehungsfähigkeit und Alltags- und Berufsproblemen liegt. Im Bereich Kognition ist eine Verbesserung zu verzeichnen, Probleme in Beziehungen (hauptsächlich zur Mutter) haben zugenommen, die Probleme in der Erledigung alltäglicher Aufgaben haben abgenommen. Die gedrückte Stimmung hat sich ebenso verbessert. 18
19 RPB NDH aktuell Betten: (65 ) 47 / TK-Plätze (10) 27 Rückgang der Berechnungstage (>20 %) Projekt Hannah: Patienten 60 plus Hometreatment 19
20 Personalentwicklung Wer kann was? Wer kann was nicht? Manchmal ist das Gehen eines Mitarbeiters auch eine Form von Enthospitalisierung 20
21 Veränderungsmanagement Change braucht Erfolge Change braucht Verfolgung oder Ein rauschender Anfang ist klasse - der Erfolg liegt in der Beharrlichkeit 21
22 Vertrauen wagen oder Ausdauer zeigen? Kostenträger vs. Leistungserbringer ChÄ vs. Geschäftsführung/Controlling ChÄ vs. Mitarbeiter Versorgungsakteure vs. Ministerium Kostenträger untereinander 22
23 Häufige Fragen Mögliche Antworten Zementierung von Versorgungsdefiziten? Verhandlung von Versorgungsentwicklung Betriebswirtschaftliche Einschätzung Unterscheidung kurz-, mittel- & langfristiger Perspektive Wer lässt sich von wem über den Tisch ziehen? Cave: Diese Frage generiert Misstrauensaufwand! 23
24 RPB NDH Wie weiter? Wir wollen das Veränderte Rahmenbedingungen: 64b Modelle für Abrechnungssysteme? 24
25 Danke für Ihre Aufmerksamkeit 25
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