Körper, Seele und Geist in der Atemarbeit

Transkript

1 Körper, Seele und Geist in der Atemarbeit

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3 Körperliches Empfinden Unser Körper mit allen seinen Sinnen dient uns dazu, uns in der Welt zu orientieren und in ihr zu handeln. Er ist ein Instrument für Eindrücke und Ausdrücke, d.h. er vermittelt uns eine Fülle von Wahrnehmungen und bringt über Motorik, Gestik, Mimik und Stimme unser Inneres nach außen. Unser Körper funktioniert, ohne dass wir etwas dafür tun oder wollen müssen. Ein fein abgestimmtes Regulationssystem sorgt ständig dafür, dass alle Organe und Abläufe sich in ihren Funktionen aufeinander beziehen. Atmung, Herzschlag, Kreislauf, Bewegung, Verdauung - alles wird so gesteuert, dass es auf die verschiedensten Anforderungen und Belastungen angemessen reagieren kann. Jeder Empfindungs- und Gefühlseindruck muss auch von unserem Körper verarbeitet und in seine ganzheitliche Reaktion eingebunden werden. Von Natur aus ist dieses feine Zusammenspiel sehr gut aufeinander abgestimmt, es aktiviert die nötigen Kräfte und es sorgt für Ausgleich, so dass wir uns nach jeder Herausforderung und Belastung wieder effektiv erholen können. Wenn das gelingt, bildet unser Orga nismus einen harmonischen Gesamtklang. Das ist eine Form der Selbstorganisation, die wir Körper intelligenz oder auch Weisheit des Körpers nennen können, und die wir durch unser Empfindungsbewusstsein fördern. In unserem Körperempfinden spiegelt sich das Geschehen unserer Körperlichkeit wider: Der harmonische Zusammenklang tönt in uns als klares, reines Wohlgefühl, unser Knochengerüst mit Wirbelsäule gibt uns Stütze und Festigkeit, unsere Muskeln die Bewegung, unsere Gelenke die Beweglichkeit, unser Kreislauf vermittelt Strömen und angenehme Wärme, unser Kopf ist leicht und frei. Alles fühlt sich lebendig an, elastisch und stabil, wir fühlen Kraft und Energie, ein strömendes Empfinden der Lebensfreude. Unser Atem schwingt frei und ausgeglichen.

4 Seelisches Empfinden Seele ist ein Begriff, der sehr konkret empfunden und erlebt, also mit Leben gefüllt werden kann. Die Seele, das sind wir selbst. Aus der Gesamtheit unserer Empfindungen, Gefühle, Überlegungen, Motive und Entscheidungen bilden wir eine Identität, deren Mittelpunkt das ist, was wir Ich nennen können. Ein ständiger Strom mannigfacher Empfindungen strömt auf uns ein, zu denen wir ständig und unwillkürlich Stellung beziehen. Wir bewerten sie als angenehm, unangenehm oder unwichtig, wir geben unseren Empfindungen Bedeutung und Sinn, wir verarbeiten alles und entwickeln daraus einen inneren Raum, eine Gefühlswelt, in der sich unsere Erfahrungen, Bewertungen und Reaktionsbereitschaften abbilden und mit allem, was wir wahrnehmen, ständig neu in Resonanz treten. Hier bildet sich das aus, was wir Charakter oder Persönlichkeit nennen können, im Ergebnis die Summe vieler kleiner Entscheidungen, die wir täglich immer wieder treffen und mit denen wir uns über die Jahre hinweg unsere unverwechselbare innere Gestalt geben. Auch die seelische Gestalt baut immer auf der körperlichen Grundgestalt des Menschen auf, deshalb wird praktisch jedes Gefühl und jede innere Bewegung auch körperlich empfunden und deshalb manifestiert sich fast jeder Ausdruck der gewachsenen Persönlichkeit auch im Körperlichen. Gefühle wie Zuneigung, Verbundenheit und Anteilnahme sind z.b. mit einem belebenden, durchströmten Empfinden von Wärme und Weichheit verbunden, während Ablehnung und Abneigung das Empfinden von Kälte, Erstarrung und Härte auslöst. Und dass z.b. Angst oder Belastetheit sich in Brust, Schultern und Rücken in typischer Weise verankert, dürfte niemandem fremd sein. In meiner Atemarbeit geht es deshalb nicht nur um das körperliche, sondern gleichermaßen um das seelische Wohlbefinden, dessen Grundlage zugleich tief in die Dimensionen unserer geistigen Existenz hineinreicht.

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6 Geistiges Empfinden Der Begriff geistig wird höchst unterschiedlich verwendet. Damit deutlich wird, was ich damit meine, will ich es im Folgenden kurz skizzieren. Unsere Neigung, alles, was wir empfinden, gefühlsmäßig zu beurteilen, haben wir mit den Tieren zumindest mit den höheren Tierarten gemeinsam. Angenehm, unangenehm, begehrenswert, angsterregend solche Kategorien teilen wir mit Hunden, Katzen, Pferden und vielen anderen Tieren. Darüber hinaus gibt es in uns aber eine Dimension der Empfindungen, die zutiefst menschlich ist: Eine Sehnsucht nach Wahrheit und Stimmigkeit, die über das bloße körperliche Wohlbehagen hinausgeht. Wir haben eine Ahnung in uns, dass es hinter allen sinnlichen Erscheinlichkeiten noch eine Dimension geben muss, die unseren Erfahrungen, unserem Leben, unserem Dasein einen Sinn gibt, und dass es sich lohnen müsste, sich dieser Dimension zu nähern. Geist wird häufig mit dem Intellekt, mit dem Sammeln und Einordnen von Wissen gleichgesetzt. Meiner Überzeugung nach gibt es einen direkteren wenn auch nicht unbedingt einfacheren Zugang zu unserer geistigen Existenz, der über die Wahrnehmung führt. Alles, was für uns existentiell wahr sein soll, müssen wir spüren, erleben, in seiner Ganzheit erfahren und nicht nur denken. Einsicht ist eine tiefe, empfindende Sicht für Zusammenhänge, die sich uns als innere Wahrheit erschließen. Solche Einsichten sind das Ergebnis unserer ureigenen, persönlichen Suche. Keiner kann uns das abnehmen, aber es gibt methodische Wege, die uns dabei unterstützen, unsere Wahrnehmungsfähigkeit zu erweitern und zu vertiefen. Die Arbeit mit dem Atem ist ein solcher methodisch hilfreicher Weg. Er kann uns durch Übungen der Achtsamkeit, der Sammlung und der Hingabe dabei helfen, unseren Blick und unser Gespür für das Wesentliche unseres gegenwärtigen Lebens zu öffnen und den roten Faden zu entdecken, der sich durch unser Leben zieht.

7 In der Ganzheit des Leibes Atem war schon immer etwas Besonderes: Das Sanskrit-Wort Atman lässt sich mit Lebenshauch, Seele, höchster Geist übersetzen, und im Alten Testament heißt es: Da formte Gott den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen. Die Grundbewegung und Funktion des Atems findet sich gleichermaßen in Körper, Seele und Geist wieder: Etwas in uns aufnehmen, es in uns lebendig werden lassen und als neues Leben ausbilden und zum Ausdruck bringen. Wir atmen mit allem, was wir sind: Auf der körperlichen Ebene ermöglicht der Atem den energiebildenden Stoffwechsel und harmonisiert die Steuerungsprozesse des Organismus, auf der see lischen Ebene fördert er die bewusstseinsbildenden Prozesse, mit denen wir Erfahrungen verarbeiten und seelisch reifen können, und auf der geistigen Ebene öffnet er den Weg für existentiell bewegende Einsichten, in denen Wahrheit, Liebe und Vertrauen für uns erfahrbar werden. Diese Empfindungseinheit von Körper, Seele und Geist, das nenne ich den Leib, der vom Atem durchdrungen und belebt wird. Die verschiedenen Übungsweisen der Atemarbeit sind deshalb hilfreiche Werkzeuge, uns alle Ebenen unseres Lebens zu erschließen. Körperlich helfen sie dabei, einen ausgewogenen Spannungszustand sowohl in der Tätigkeit als auch in der Ruhe aufzubauen. Seelisch unterstützen sie uns dabei, empfindungsfähig, ausgeglichen und stimmig zu werden, und geistig können sie uns dazu anregen, uns für neue Inspirationen zu öffnen und einen intuitiven Zugang zum Reichtum unseres Lebens zu finden. Für mich selbst ist die Atemarbeit eine alltägliche Friedensarbeit mit mir selbst und allen anderen Lebewesen. Sie hilft mir dabei, das Wahre im Kleinen wie im Großen zu finden und anzunehmen, mich der Freude am Leben und an der Schöpfung zu öffnen und daran Anteil zu nehmen. Wenn Sie wollen, bin ich gerne bereit, auch Ihnen dabei zu helfen, diesen Weg für sich selbst zu finden und zu gehen.

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