Gemeinsames Symposion mit den Versicherungssenaten des Oberlandesgerichts Hamm 15. März Berufsunfähigkeitsversicherung
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1 Gemeinsames Symposion mit den Versicherungssenaten des Oberlandesgerichts Hamm 15. März 2017 Berufsunfähigkeitsversicherung - Wie endet die BU, wenn der VR sie nicht beginnen lässt? - Ralf Kilimann Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht 6. Zivilsenat 1
2 Ausgangspunkt: OLG Karlsruhe U. v (12 U 204/14) A. Der Sachverhalt Im Jahr 2012 eingeleitetes Klageverfahren auf BU-Leistungen Vertragsschluss ; Leistungsantrag Anfang 2012; Leistungsablehnung medizinische SV-Gutachten im Juni 2013 und Dezember 2013: BU bestand zwar ab März 2011 (mittelgradige depressive Episode), war allerdings ab Oktober 2012 wieder entfallen B. Die Entscheidung des Landgerichts BU-Leistungen bis BU seit dem ; diese BU sei ab Oktober 2012 jedoch wieder entfallen Leistungsfreiheit des VR bestehe allerdings erst wieder ab eine wirksame Nachprüfungsentscheidung läge in einem Schriftsatz des VR aus März
3 Ausgangspunkt: OLG Karlsruhe U. v (12 U 204/14) C. Die Berufung des Versicherers Leistungseinstellung setze nicht die Durchführung eines förmlichen Nachprüfungsverfahrens voraus Nicht er als VR habe die BU festgestellt, sondern der SV Ohne Anerkennung oder Feststellung der Leistungspflicht könne es auf ein Nachprüfungsverfahrens nicht ankommen Verstoß gegen Treu und Glauben, wenn der VN trotz Bestätigung des Wegfalls der Anspruchsvoraussetzungen noch für knapp zwei Jahre Leistungen erhalte 3
4 Ausgangspunkt: OLG Karlsruhe U. v (12 U 204/14) D. Die rechtlichen Erwägungen des OLG Karlsruhe Urteil des BGH vom wonach dem VR der Beweis eines späteren Wegfalls der BU obliege In casu bestand die Berufsfähigkeit nach dem Ergebnis der Begutachtung bis Oktober 2012 Allerdings: Erfordernis des Vorliegens einer formgerechten Veränderungsmitteilung Nicht ausreichend, dass das SV-Gutachten zum gleichen Zeitpunkt wie dem VR auch dem VN vorgelegen habe, so dass kein Wissensvorsprung des VR bestanden habe Folge: Ende der Leistungspflicht mit Ablauf der Nachleistungsleistungspflicht des 174 Abs. 2 VVG Diese Sichtweise entspräche Sinn und Zweck des 174 VVG, der dem VN einen gewissen Bestandsschutz gewähren wolle, und zwar unabdingbar, wie 175 VVG zeige. E. Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch BGH B. v (IV ZR 425/14) 4
5 Der normative Ausgangspunkt: Das VVG 173 Anerkenntnis (1) Der Versicherer hat nach einem Leistungsantrag bei Fälligkeit in Textform zu erklären, ob er seine Leistungspflicht anerkennt. (2) Das Anerkenntnis darf nur einmal zeitlich begrenzt werden. Es ist bis zum Ablauf der Frist bindend. 174 Leistungsfreiheit (1) Stellt der Versicherer fest, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind, wird er nur leistungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer diese Veränderung in Textform dargelegt hat. (2) Der Versicherer wird frühestens mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Erklärung nach Absatz 1 beim Versicherungsnehmer leistungsfrei. 175 Abweichende Vereinbarungen Von den 173 und 174 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden. 5
6 Allgemeine Bedingungen für die BUZ Fassung GDV Stand September Wann geben wir eine Erklärung über unsere Leistungspflicht ab? (1) Nach Prüfung der uns eingereichten sowie der von uns beigezogenen Unterlagen erklären wir in Textform, ob und in welchem Umfang wir eine Leistungspflicht anerkennen. 6 Was gilt nach Anerkennung der Berufsunfähigkeit? Nachprüfung (1) Wenn wir unsere Leistungspflicht unbefristet anerkannt haben oder sie gerichtlich festgestellt worden ist, sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit oder die Pflegestufe nachzuprüfen. Leistungsfreiheit (4) Wir sind leistungsfrei, wenn wir feststellen, dass die in 1 und 2 genannten Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind und wir Ihnen diese Veränderung in Textform darlegen. Unsere Leistungen können wir mit Ablauf des dritten Monats nach Zugang unserer Erklärung bei Ihnen einstellen. Ab diesem Zeitpunkt müssen Sie auch die Beiträge wieder zahlen. 6
7 Aktuell: BGH Beschluss vom (IV ZR 502/15) A. Der Fall VN klagt auf BU-Leistungen - VR bestreitet die BU und beruft sich zudem auf eine erklärte konkrete Verweisung OLG Frankfurt gibt der Klage statt: VN habe die für den jetzt ausgeübten Beruf erforderlichen Tätigkeiten überobligatorisch erworben Neu erworbene Fähigkeiten seien jedoch nach den AVB erst im Nachprüfungsverfahren zu berücksichtigen B. Der Beschluss des BGH Der BGH hebt das Urteil des OLG Frankfurt auf NZB des VR auf, weil es verfahrenswidrig Vortrag des VN, den der VR bestritten hatte, ohne weitere Aufklärung zugrunde gelegt hat. 7
8 Aktuell: BGH Beschluss vom (IV ZR 502/15) C. Für die neue Verhandlung gibt der BGH u.a. folgenden Hinweis (Rn. 8): Eine Verweisung des Kl. auf seine jetzt ausgeübte Tätigkeit wird das BerGer. nicht mit der Begründung ablehnen können, dass neu erworbene Fähigkeiten nach 10 I BBUZ erst im Nachprüfungsverfahren zu berücksichtigen seien. Da die Bekl. kein Anerkenntnis abgegeben hat, musste der Kl. seine Ansprüche im Wege der Klage geltend machen. Im Rechtsstreit ist dann zunächst der Nachweis bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit zu führen. Ist danach ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Leistungspflicht gegeben, steht dem Versicherer im selben Rechtsstreit der Beweis offen, dass und ab welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Herabsetzung oder Einstellung der Leistungen nach der für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit geltenden Versicherungsbedingung eingetreten sind (Nachweise zu älteren BGH-Entscheidungen). Im Urteil ist dann über Beginn und Ende der Leistungspflicht zu entscheiden ( ). (Hervorhebung nur hier) 8
9 Die in Bezug genommene ältere Rechtsprechung des BGH BGH, Urteil vom IV ZR 111/07 - Rn. 3 bei juris: Fall einer befristeten Kulanzentscheidung ohne Anerkenntnischarakter: Ist danach ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Leistungspflicht gegeben, steht dem Versicherer im selben Rechtsstreit der Beweis offen, dass und ab welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Herabsetzung oder Einstellung der Leistungen nach 7 BB-BUZ eingetreten sind BGH, Urteil vom IV ZR 6/97 - Leitsatz bei juris: Fall eines befristeten Anerkenntnisses nur für Vergangenheit: Ist der Versicherer im Zeitpunkt der Abgabe eines aufgrund zunächst nachgewiesener Berufsunfähigkeit gebotenen Anerkenntnisses der Ansicht, bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit sei bereits wieder entfallen, so kann er eine wirksame Ablehnung von Leistungen nur unter Beachtung der in seinen Bedingungen vorgesehenen Nachprüfungsregelung erklären 9
10 Die in Bezug genommene ältere Rechtsprechung des BGH BGH, Urteil vom IV ZR 238/95 - Rn. 16 bei juris: Fall einer Leistungsablehnung mit Verweisung: Denn es kann die Beklagte nicht freistellen von den Regeln, die sie selbst in 7 B-BUZ für die Nachprüfung von Berufsunfähigkeit aufgestellt hat, daß sie ein nach Sachlage gebotenes Anerkenntnis bislang nicht abgegeben hat 10
11 Die Rechtsansichten in der Literatur (Auswahl) Klenk (Looschelders/Pohlmann, VVG, 3. Aufl. 2016, 173 Rn. 23): Wenn der VR im Fall einer ungerechtfertigten Nichtabgabe einer Erklärung nach 173 Abs. 1 VVG im seitens des VN eingeleiteten Rechtsstreit den Wegfall der Leistungspflicht beweisen wolle, blieben die Anforderungen an die Einstellungsentscheidung unverändert Lücke (Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, 173 Rn. 14): Im Falle des Fehlens einer Erklärung des VR muss der VR (nach den Regeln des Nachprüfungsverfahrens) beweisen, dass die BU weggefallen ist. Die formellen Voraussetzungen des Nachprüfungsverfahrens müssen dagegen mangels Anerkenntnisses nicht eingehalten werden. (ähnlich Dörner, MüKo-VVG, 2. Aufl. 2017, 173 Rn. 7) Mertens (Rüffer u.a., VVG, 3. Aufl. 2015, 174 Rn. 19 mit Fn. 71): Es liege auf der Hand, dass das [u.a. OLG Karlsruhe] nicht richtig sein könne. Für Vertrauensschutz sei kein Raum, wenn noch keine Leistungen geflossen seien. Deshalb keine Nachleistungspflicht, allenfalls für 3 Monate. 11
12 Die Rechtsansichten in der Literatur (Auswahl) Neuhaus (BU-Vers., 3. Aufl. 2014) L 14 und G 250b: Im Fall des gebotenen, jedoch unterbliebenen Anerkenntnisses kann sich der VR nur durch ein erfolgreiches Nachprüfungsverfahren mit einer konkreten Änderungsmitteilung wieder lösen (mit den dortigen Anforderungen, umgekehrter Beweislast und der Nachleistungspflicht des 174 Abs. 2 VVG). G 250c: keine Automatik der Leistungseinstellung : VR muss im Rechtsstreit mit rückwirkender Feststellung seiner Leistungspflicht rechnen ; zur Verkürzung seiner Leistungspflicht könne er hilfsweise eine Einstellungsentscheidung im Rechtsstreit vortragen, muss aber bis zum Ablauf der Frist des 174 Abs. 2 VVG leisten. Rixecker (Langheid/Rixecker, VVG, 5. Aufl. 2016, 174 Rn. 8): Habe der VR das Bestehen einer Verpflichtung zur Abgabe eines Anerkenntnisses schuldlos verkannt, sei er von den Regeln des Nachprüfungsverfahrens freigestellt. 12
13 Die vom 6. Zivilsenat im Verfahren 6 U 183/15 vertretene Rechtsansicht A. Das Verfahren 6 U 183/15 vor dem 6. Zivilsenat Berufungsverfahren 6 U 183/15; Termin ; Erledigung durch Vergleich Der 6. Zivilsenat hat in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben, dass er der Auffassung des OLG Karlsruhe folgen wolle. B. Die rechtlichen Erwägungen des 6. Zivilsenats in 6 U 183/15 Wortlaut des 174 Abs. 1 VVG: Die Norm knüpfe für das Nachprüfungsverfahren allein an die Feststellung des VR hinsichtlich des Entfallens seiner Leistungspflicht an und nicht daran, dass zuvor ein Anerkenntnis des VR abgegeben worden sei. Nach 174 Abs. 2 VVG sei die Nachleistungspflicht unabdingbare Folge der Nachprüfungsentscheidung. Deshalb erscheine es nicht folgerichtig, aus dem Fehlen eines Anerkenntnisses auf die gänzliche Entbehrlichkeit eines Nachprüfungsverfahrens zu schließen. 13
14 Die vom 6. Zivilsenat im Verfahren 6 U 183/15 vertretene Rechtsansicht Freistellung vom Nachprüfungsverfahren nach Verschuldenskriterien überzeuge nicht: Die Leistungspflicht des VR sei an objektiven Kriterien ausgerichtet; auf Fehleinschätzungen der Leistungspflicht könne es nicht ankommen; auch der BGH (etwa Urteil vom IV ZR 238/95 Rn. 16 juris) stelle objektiv auf Nichtabgabe des nach Sachlage gebotenen Anerkenntnisses ab. Der durch das Nachprüfungsverfahren gewährleistete Vertrauensschutz sei auch dann beachtlich, wenn es im Rechtsstreit um das Ende der BU gehe. Auch in diesem Fall gelte, dass der VN sich auf die Veränderung einstellen können müsse. Eine Belastung des VR über Gebühr sei damit nicht verbunden: Anlass für Nachprüfungsentscheidungen innerhalb laufender Rechtsstreite böten insbesondere gerichtlich eingeholte SV- Gutachten. Diese würden die VR ohnehin zur Wahrung ihrer prozessualen Rechte genau prüfen. 14
15 Die vom 6. Zivilsenat im Verfahren 6 U 183/15 vertretene Rechtsansicht C. Ergebnis Antwort auf die Frage des Themas aus Sicht des Berufungsverfahrens 6 U 183/15 : Die BU, die der VR nicht beginnen lässt, endet bei Wegfall der Leistungsvoraussetzungen, wenn eine Veränderungsmitteilung des VR vorliegt und die Nachleistungsfrist verstrichen ist. 15
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