Eine Grosse unter Grossen

Transkript

1 Eine Grosse unter Grossen Rund um den Monte Rosa T E X T / F o t o s Stéphane Maire, Commeire (ü) Ebenso wie die bekannten Wanderungen rund um den Montblanc oder die Combins ist die Tour um den Monte Rosa innerhalb von zehn Jahren zu einem der grossen Trekkings der Alpen geworden. Die 1995 lancierte Tour gehört neben der Wildhorn- und der Matterhornumrundung zur neuesten Generation von Rundtouren im Wallis. Die Idee spukte schon gegen Ende der Achtzigerjahre in den Köpfen der Verantwortlichen von Valrando, den «Walliser Wanderwegen», herum. Die endgültige Routenführung und die zahlreichen Varianten bedurften allerdings noch des Umdenkens: Heutzutage leitet man Wanderer nicht mehr gern über Gletscher. Mit Blick auf berühmte Viertausender Auf allen Seiten des nach dem Aletschgebiet zweitmächtigsten Schweizer Bergmassivs ziehen die Landschaften rund um den Monte Rosa jedes Jahr Massen von Besuchern an. Die Eiswelt der Name Monte Rosa stammt vom Wort roèse, das im Dialekt des Aostatals «Eis» bedeutet der Gletscherzungen und gleissenden Wände gehört zweifellos zu den bezauberndsten Gegenden der Alpen. Wer den Weg am Fuss dieser Riesen in Angriff nimmt, kann eine beeindruckende Reihe von berühmten Viertausendern bewundern: Matterhorn, die Gipfel des Monte Rosa, Breithorn, Weisshorn, Mischabel und Weissmies. Attraktiv sind auch die schönen Höhenwege zwischen Saas Fee und Zermatt, oft fast 1000 m über dem Talgrund. Auf der italienischen Seite zeugen die einsamen, aber gut erschlossenen Täler immer noch von der Walserwanderung: wunderschöne Architektur in den Dörfern, die wahrnehmbare Präsenz des Walser Dialekts «Titsch» beispielsweise in den Flurnamen. Auch die schönen Fresken an katholischen Kirchen und Kapellen tragen dazu bei, dass man sich in einer anderen Welt fühlt. Wer als Schweizer die Landschaft mit den hohen Gipfeln an der Grenze oberhalb Zermatt kennt, wird mit Freude die Rückseite dieser Berge kennen lernen. Höhepunkt der Umrundung ist die gewaltige Wand von Macugnaga, die 32 DIE ALPEN 7/2006

2 Die Mutigen, welche die Testa Grigia zu Fuss erreichen, gehen an der Gandegghütte vorbei und werden mit einem spektakulären Blick auf Breithorn und Monte-Rosa-Massiv belohnt. Steinböcke scheinen das abschüssige Gelände, hier zwischen Saas Fee und Grächen, ganz besonders zu lieben. Fotos: Stéphane Maire diesem Trekking den Anstrich einer Reise in den Himalaya verleiht. Nach dem Abstecher über die Grenze und den herzlichen Begegnungen mit den Einheimischen sowie den kulinarischen Herrlichkeiten wird der Wanderer Mühe haben, wieder in den Alltag zurückzukehren. 1. Etappe Saas Fee Bärefalle Schiltbode Bockwang Rote Biel Stock Hannigalp Grächen; 490 Höhenmeter (Hm); 7 Std.; T3 Der Höhenweg nach Grächen bildet die erste Etappe der Tour. Von Saas Fee zur Bärefalle (N), dann weiter im Wald. Zwei Tunnels ermöglichen die sichere Überschreitung des Biderbachs. Man sollte sich aber dort nicht allzu lange aufhalten, denn es droht Eisschlag von den Seracs des Bidergletschers. Weiter zum Schiltbode. Eine luftige Stelle mitten in den Wänden, dann über eine Geröllhalde zum Bockwang, 2259 m, mit schönem Ausblick. Ein kurzer, exponierter Abstieg führt zur Passerelle über den Schweibbach, 2101 m. Aufsteigen zum Rote Biel. Hoch über dem Saastal zum Stock, ca m. Auf einem Pfad erreicht man die Hannigalp, 2121 m, von wo eine Gondelbahn nach Grächen hinunterführt, zu Fuss ¾ Std. 2. Etappe Grächen Gasenried Grat Galenberg Miesboden Europahütte; 940 Hm; Std.; T3 Diese und die nächste Etappe führen über den Europaweg. 1 Von Grächen mit dem Postauto nach Gasenried (SW). Vom Ende der Fahrstrasse auf dem Weg zur Bordierhütte (SSE) bis zu P. 1997, wo man nach Westen abbiegt, um die Statue des Heiligen Bernhard bei P zu erreichen. Auf dem Europaweg hoch über dem Mattertal weiter. Durch den weiten Kessel von Grosse Grabe nach Galenberg und über eine Hängebrücke über den Birchbach (Eisschlag). Ohne Probleme zur Europahütte, 2265 m. 1 Vgl. DIE ALPEN, 2/2004, S DIE ALPEN 7/

3 FÜR DEN SKITOURENFAHRER, BERGSTEIGER UND -WANDERER Auf halbem Weg zwischen Grächen und Zermatt befindet sich die wunderschön gelegene Europahütte: mitten in einem Lärchenwäldchen mit Felsblöcken und mit Blick auf das Weisshorn, diesen mächtigen Viertausender. Ein Apollofalter, ein «geflügeltes Naturschauspiel», das die Besucher der Europahütte entzückt Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA067713) Fotos: Stéphane Maire Das kleine Balfrinmassiv auf der linken Seite des Saastals, das im Blickfeld auftaucht, kurz bevor man Rote Biel erreicht 34 DIE ALPEN 7/2006 Ausschnitt aus LK 1: verkleinert auf ca. 1: : 1 cm entspricht ca. 3,3 km Gondel-, Seilbahn oder Postauto

4 Zeuge einer langen alpinen Geschichte Der Dom (r.), der höchste ganz in der Schweiz liegende Gipfel, ist von der Strasse nach Zermatt aus nicht sichtbar. Um ihn zu sehen, muss man schon den Europaweg unter die Füsse nehmen. Der Riedgletscher oberhalb von Grächen mit dem Nadelgrat, ein bei Alpinisten beliebtes Ziel auf 4000 m DIE ALPEN 7/

5 FÜR DEN SKITOURENFAHRER, BERGSTEIGER UND -WANDERER Der Blick aufs Weisshorn mit der Ansammlung von Felsblöcken vor dem Steinbruch von Bränd Fotos: Stéphane Maire 3. Etappe Europahütte Kintole Ottafe Tufteren Sunnegga Zermatt; 370 Hm; Std.; T3 Der Gran Lago, überragt von der Gobba di Rollin, begrüsst die Besucher auf der Alpensüdseite. Über gesicherte Bänder nach Kintole am oberen Ende der Wildikin-Schlucht, 2228 m. Hier wegen Eisschlaggefahr schnell und einzeln, nicht in Gruppen queren. Durch einen Steingarten zur Geröllhalde Bränd (Lawinengalerien). Aufstieg nach Ottafe, ca m. Weiter gegen W nach Tufteren, 2215 m, oberhalb Zermatt. Mehrere Varianten führen ins Dorf, die schönste ist wohl der Weg über Eggen und Ze Gassen, 2051 m, südlich der Bergstation von Sunnegga, 2288 m. 36 DIE ALPEN 7/2006

6 Vom Col Nord des Cimes Blanches aus bilden die Dent d Hérens und das Matterhorn die letzten bekannten Wahrzeichen für Wanderer aus der Schweiz. Dann kommt die Grenze. Blick auf Gornergletscher und das Monte-Rosa-Massiv Schon oberhalb von St. Niklaus steht das Matterhorn wie ein Leuchtturm am Horizont. 4. Etappe Zermatt Klein Matterhorn Testa Grigia Col Nord des Cimes Blanches Alpe Mase Piano di Tzère Résy Col de Bättforko Bätt Gressoney-la-Trinité; 750 Hm; 8 Std. ohne die Zeit in den Bahnen; T5 Angesichts der Länge der Etappe ist es empfehlenswert, mit der ersten Bahn zum Klein Matterhorn zu fahren. Von hier zu den Bahnen von Testa Grigia absteigen, 3479 m, Gletschertour, die wenig Geübte nur mit Bergführer absolvieren sollten! Mit der Bahn Richtung Breuil/Cervinia und in der Mittelstation, auf halbem Weg zwischen Testa Grigia und Plan Maison, aussteigen. Weiter Richtung S auf der Wegspur, die unweit des Sees, 2806 m, vorbeiführt, und in den Col Nord des Cimes Blanches, 2982 m. Zur Alpe Mase absteigen (2400 m, Markierungen TMR). Etwa 1 km nach den Gebäuderuinen weist ein Wegweiser den Weg zum Bivacco Città di Mariano (CAI). Diesen Weg einschlagen und zur Terrasse Piano di Tzère absteigen. Den Bach überschreiten, dann ihm entlang Richtung SE, bevor man kurz über die Steine im Bachlauf geht (linkes Ufer). Durch einen Lärchenwald auf den Weg, der von Bernosin herkommt. Nach Norden abbiegen, um den Pian di Véraz, 2050 m, zu erreichen. Den Gebirgsbach Véraz überqueren und zurück nach Süden auf einer Strasse nach Résy bis zum Wegweiser, der zum Rifugio Ferraro zeigt. Zur Hütte und weiter nach Osten zum Col de Bättforko, 2672 m, dann über Weiden nach Südost bis zur Kapelle Santa Anna auf Bätt, 2172 m. Der Weg führt über den Weiler Biel, 1785 m, ins Val de Gressoney. Am rechten Ufer des Bachs Lyso entlang nach Gressoney-la- Trinité, 1624 m. Der «offizielle» Weg sieht zwischen Zermatt und Gressoney drei Etappen vor. Wir haben beschlossen, diese beiden Orte in nur einem Tag miteinander zu verbinden, wodurch der Monte Rosa in einer Woche umrundet werden kann. DIE ALPEN 7/

7 FÜR DEN SKITOURENFAHRER, BERGSTEIGER UND -WANDERER 5. Etappe Gressoney-la-Trinité Gabietsee Zubecoll Alpe Zube Pianmisura Follu Alagna; 1250 Hm; 7 Std.; T4 Der Weg zum Gabietsee beginnt in den Gebäuden östlich des Dorfs, Wegweiser Nr. 4, Achtung auf den Einstieg. Das einsame Tal hinauf zum Staudamm. Dem westlichen Seeufer entlang. An dessen Ende auf der Höhe einer kleinen Kapelle nach Osten abzweigen. Man erreicht eine Brücke, die man überschreitet, um sofort gegen ein Steinmäuerchen aufzusteigen. Ein mit Steinmannli markierter Pfad führt weiter ins Tal hinein. Ein schmales Grasband macht es möglich, unüberwindbar scheinende Felsriegel zu passieren. Schräg hinauf nach links, dann geradeaus (Steinmannli). Eine weniger steile Partie führt an den Fuss einer Steinrinne, die man nach Osten ersteigt, um die Senke des Zubecoll, 2874 m, zu erreichen. Kleine Statue der Muttergottes unter einem Felsen. Mit diesem Abschnitt wird der klassischen Route über Alencoll und ihrem Mastenwald ausgewichen. Nach rechts an den Fuss einer kleinen Felsmauer absteigen. Die Alpe Zube, 2515 m, taucht unten bereits auf. Den Steinmannli entlang und über Rasen zum kleinen Gebäude. Einen Felsriegel südlich umgehen und in Richtung Passo Foric, 2432 m, aufsteigen. Man stösst wieder auf den Weg von Alencoll, dem man bis zum grossartigen Weiler Pianmisura mit Steinhäusern, 1782 m, folgt. Der Weg führt zu den Walserhäusern von Scarpia, dann Follu, 1698 m, die ebenso schön sind. Durch den Wald erreicht man schliesslich Alagna-Valsesia, ca m. 6. Etappe Alagna-Valsesia Alpe Faller Colle del Turlo Bivacco Lanti La Piana Quarazza Isella Macugnaga (Staffa); 1300 Hm; 7 Std.; T2 Man kann das Ende der Strasse durchs Val Sesia (N) mit dem Taxi erreichen Tel oder Auskunft durch das Tourismusbüro, zu Fuss muss man zusätzlich 1½ Std. rechnen. Ein breiter Weg Markierung Nr. 7a führt über die Alpe Faller unschwierig in den Colle del Turlo, 2738 m. Unterwegs kommt man an Alpen mit deutschen Namen vorbei. Auch die Bezeichnung «Tirli» kleine Tür, die von den Walsern für den Colle del Turlo verwendet wird, zeugt von ihren Spuren. Auf der anderen Seite folgt man dem ausgebauten Weg bis La Piana, 1613 m, dann weiter ins Valle Quarazza. Vom kleinen Stausee kann man Macugnaga im Taxi erreichen. Zu Fuss ist der Weg aber nicht allzu lang, und man kommt erst noch durch das schöne Dorf Isella, 1226 m. In Saint-Jacques im Val d Ayas entdeckt man alte Kirchen mit schönen Fresken. 38 DIE ALPEN 7/2006 Im Aufstieg gegen Pian di Véraz verstecken sich Breithorn, Pollux und Castor immer wieder hinter den Bäumen.

8 Fotos: Stéphane Maire Bevor man Gressoney-la-Trinité erreicht, passiert man die Alp Bätt und die Kapelle Santa Anna. DIE ALPEN 7/

9 FÜR DEN SKITOURENFAHRER, BERGSTEIGER UND -WANDERER Der Walserweiler Pianmisura, ein architektonisches Juwel, liegt in einer einsamen und wilden Gegend. Am Ende der Rundtour wieder auf Schweizer Boden am Ufer des Mattmark-Stausees im hinteren Saastal Fotos: Stéphane Maire Der Walserweiler Scarpia vermittelt einen Eindruck des nomadischen Lebens der Bauern. Besonders auffällig sind die eindrucksvollen Gebäudekonstruktionen, die bergseits gegen Lawinen geschützt sind. 40 DIE ALPEN 7/2006

10 Die Kapelle von Pianmisura. Ihre weisse Fassade kontrastiert mit den Gebäuden aus Naturstein. 7. Etappe Macugnaga (Staffa) Monte-Moro-Pass Mattmark; 2100 Hm ohne Bahnen, mit Umweg über Belvedere, 50 Hm mit Bahnen; 8 Std.; T2 Mit der Bahn auf den Monte-Moro-Pass, 2853 m; zu Fuss 3 Std. rechnen. Man muss früh aufbrechen, um den Blick auf die Wand von Macugnaga zu geniessen, denn im Verlauf des Tages ist sie oft von Nebelschwaden verhüllt. Vom Monte-Moro-Pass zuerst durch Felsen (markiert), dann auf einem Pfad bis ans Ende des Mattmark-Stausees. Beiden Ufern entlang verläuft eine Strasse. Ein Postauto verbindet die Dörfer im Saastal mit der Staumauer. Um aus kürzerer Distanz die höchste Wand der Alpen bestaunen zu können, empfiehlt sich der Umweg über Belvedere, 1904 m, das man im Sommer mit einem Sessellift von Pecetto, westlich von Macugnaga, aus erreichen kann. a Im Abstieg von Zubecoll zeigt sich der Monte Rosa von einer völlig unbekannten Seite. Praktische Informationen Zugang: von Visp im Rhonetal nach Saas Fee Material: übliches Material für Wanderungen, dazu Klettergurt und Seil für die Gletscher von Zermatt. Identitätskarte Beste Jahreszeit: Mitte Juni bis Oktober, je nach Schneelage. Vorsicht auf den Gletschern zu Beginn der Saison Verpflegung: an allen Etappenorten möglich Karten: LK 1:25 000, Blätter 1308 St. Niklaus, 1328 Randa, 1329 Saas, 1347 Matterhorn, 1348 Zermatt, 1349 Monte Moro; LK 1 : , Blätter 274 Visp, 284 Mischabel, 293 Valpelline, 294 Gressoney Bücher: Banzhaf Bernhard Rudolf: Alpinwandern Wallis, Verlag SAC, Bern Nanzer Remo: Tour Monte Rosa Matterhorn, Rotten Verlag, 2001, erhältlich im SAC-Verlag. Maire Stéphane Du Cervin au Léman, Éditions Glénat, Website: Hütten: Europahütte, Tel ; Restaurant Täschalp/ Ottafe, Tel ; Rifugio Teodulo, CAI, Tel ; Rifugio G. B. Ferraro in Resy, Tel : Rifugio Zar Senni in Follu, Tel ; Rifugio G. Oberto im Monte-Moro-Pass, Tel Achtung: Nicht alle in diesem Text erwähnten Namen finden sich auf den LK. DIE ALPEN 7/