Birgit Feliz Carrasco Spiritualität fürs Leben

Transkript

1 Birgit Feliz Carrasco Mein Yoga Tagebuch Spiritualität fürs Leben

2 Besuchen Sie uns im Internet: Alle Titel aus dem Bereich MensSana finden Sie im Internet unter Deutsche Erstausgabe 2010 Copyright 2010 der deutschsprachigen Ausgabe Knaur Verlag Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf auch teilweise nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden. Projektleitung und Redaktion: Bettina Huber Umschlaggestaltung: griesbeckdesign, München Umschlagabbildung und Illustrationen im Innenteil: Sonja Schäfer Satz: Adobe InDesign im Verlag ISBN

3 »Schließe die Augen und sage das Wort Indien.«RUDYARD KIPLING Allen Menschen, die auf dem Weg des Yoga auf der Suche nach Ganzheit sind. Ich weihe dieses Yogatagebuch dem göttlichen Prinzip des Nãrãyanãya, das die Welt und das Weltall durchwebt und allen Menschen innewohnt.»om NAMO NÃRÃYANÃYA NAMAH.«

4

5 Liebe Freundinnen und Freunde des Yoga, Yoga ist weit mehr als eine körperliche Disziplin und hält viel mehr für den Menschen bereit, als»nur«den Besuch eines wöchentlichen Yogakurses im angesagten Yogastudio der Stadt. Der wahre Yogaweg berührt das Herz und durchströmt das alltägliche Leben, wie warmer Regen einen Baum durchströmt und belebt. Populäres Hatha-Yoga (das im Westen so beliebte Körperyoga) ist lediglich ein Zweig der vielfältigen Yogadisziplinen, die alle in ein großes und mehrere Jahrtausende altes philosophisches und spirituelles Konzept eingebettet sind, deren Hintergründe im Westen noch wenig bekannt sind. Wir befinden uns derzeit mitten in einem strukturellen Wandel, einer Zeitenwende, in dem bisher geltende Systeme ihre Gültigkeit verlieren und neues Denken und Sein geboren werden. Yoga ist ein seit 5000 Jahren währendes und bewährtes Lebenssystem, das nie seine Gültigkeit verloren hat, weil es umfassend, nachhaltig und liebevoll ist. Yoga stattet das Leben mit Attributen aus, die der Gesellschaft von heute so schmerzlich fehlen. Es ist an der Zeit, diese Lücken aufzufüllen. Wird dies das jahrtausendealte Konzept des Yoga leisten können? Ja, davon bin ich überzeugt, weil Yoga wundersam adaptierbar, wandelbar und modern sein kann. Yoga entspricht mit seiner philosophischen Sanftheit der urnatürlichen, kosmischen Schwingung, also dem wahren Inhalt des Lebens, frei von gesellschaftlichen Normen, frei von kapitalen Zwängen, frei von Egoismus. So wie Hatha-Yoga in durchschnittlichen Kursen der trendigen Yogastile (Power-Yoga, Beekram-Yoga, Kundalini-Yoga oder andere»marketing-yogaformen«, die aus den USA nach Europa kommen) unterrichtet wird, wird wenig zum philosophischen Hintergrund des Yoga gelehrt, auch wenn dann und

6 »Falsches Verstehen bewirkt Illusionen. Vergängliches wird für ewig während gehalten. Die Erfahrung von Unfreiheit wird mit Glück verwechselt. All dies verhindert, dass wir unser wahres Selbst nicht erkennen können.«patañjali, YOGA-SÛTRA 2.5. wann Atem- oder auch Meditationsübungen in den Unterricht mit einfließen. Aber auch mit umfassenderem Unterrichtsstil oder mit Besuchen von zahlreichen Workshops wird es nur maßvoll gelingen, die tiefe Spiritualität des Yogaweges in den Alltag des Menschen zu integrieren, weil diese Erfahrungen individuell gemacht und erspürt werden müssen. Ein Yogatagebuch zu führen und Gedanken darin niederzuschreiben ist für diesen persönlichen Erfahrungsweg hilfreich und motivierend. Ein Tagebuch hilft, die kleinen Erleuchtungen des Alltags zu erkennen und zu bewahren. In meiner Arbeit als Heilpraktikerin, Yogalehrerin und Buchautorin ist es stets mein Anliegen, das Alltagsleben und die Anforderungen des modernen Lebens mit Spiritualität zu verbinden. Ich versuche, für andere Menschen und mich einen harmonischen Einklang zwischen Alltag und Spiritualität herzustellen simple und pragmatisch, nicht abgehoben, nicht übertrieben fanatisch. Das Wort Yoga bedeutet Verbindung, es bedeutet etwas miteinander zu verknüpfen, etwas zusammenzuführen, was zusammengehört. Was für einen Sinn macht das Leben ohne spirituelle Tiefe? Yoga stellt diese Tiefe wieder heilsam für Körper, Geist und Seele her. Yoga sucht Liebe, Leichtigkeit und Achtsamkeit, gleich welche Yogadisziplin betrieben wird. Meine Disziplin ist die des Hatha-Yoga, zu dem die tägliche Praxis von Ãsanas, Atemübungen und Meditation genauso dazugehören wie das Studium der alten Schriften und die Lebensführung gemäß der Yogaphilosophie.

7 Folgen Sie mir mit diesem Yogatagebuch auf der Suche nach Antworten und Hintergründen des Yoga und stellen Sie selbst aktiv und individuell eine Verbindung zwischen Ihrem Alltag, Ihrer Yogapraxis und Ihrem Leben her. Das Buch eröffnet Ihnen viel Freiraum zur Eintragung Ihrer Gedanken über einen längeren Zeitraum. Und um Ihnen die Hintergründe der ursprünglichen Yogatradition näherzubringen und die Gelegenheit zu geben, die Tiefgründigkeit des ganzheitlichen und nachhaltigen Yogalebenskonzeptes zu erfahren, finden Sie in diesem Yogatagebuch auch meine Gedanken und Erfahrungen, die ich im Laufe meiner langjährigen Yogapraxis gesammelt habe. Nehmen Sie sie als Inspiration oder als hilfreichen Leitfaden auf der Reise durch die vielschichtige Yogaphilosophie. Arbeiten Sie mit diesem Yogatagebuch an Ihrem eigenen Lebenskonzept eingerahmt im Yogalebensstil! Erfreuen Sie sich an der Vermehrung neugewonnener Einsichten erfreuen Sie sich an der wachsenden Liebe zum Leben durch Yoga. Die hohe Weisheit des Yoga vermag Ihr Leben, das Leben der Menschen und die Welt zu verändern. Ich freue mich, wenn Sie dazu Ihren Beitrag leisten, denn was sich in Ihrem Inneren durch Yoga verändert, wird zu blühen beginnen und sich wie ein buntes Blumenmeer über die Welt verbreiten. Viel Freude beim Lesen und Erleben wünscht Ihnen Ihre Birgit Feliz Carrasco

8

9 Für ein tieferes Verständnis der Yogaphilosophie Die acht Disziplinen des Yoga nach Patañjali

10 Einblick in die Yogaphilosophie Der Leitfaden meines persönlichen und spirituellen Yogaweges sind die Ausführungen des indischen Weisen Patañjali (sprich: Patannschali). Das Schriftwerk des Patañjali heißt»das Yoga-Sûtra des Patañjali«und umfasst 195 Lehrsätze (Sûtras), die sich mit geistigem Yoga und der Haltung des Yogapraktizierenden im Leben befassen. Patañjalis Sûtra ist gänzlich unprätentiös und zeitlos unabhängig vom Auf und Ab der menschlichen Geschichte, aber wohl wissend ob der menschlichen Psyche. Patañjalis Lehre wird als Raja- Yoga, der Königsweg des Yoga, bezeichnet, weil es ein wahrlich erhabener, königlicher und vollendeter Weg des Yoga ist. Wenige der 195 seiner Lehrsätze beziehen sich auf die Praxis von Ãsanas, die Patañjali jedoch als maßgebend für das Beschreiten des Raja-Yogaweges, des königlichen und erhabenen, sprich höchsten Yogaweges, voraussetzt. Alle seine Sûtras sind Lehren, Denkanstöße oder Meditationssätze zum Wirken und Sein im Leben und hilfreiche Hinweise zum Vorankommen auf der Suche nach Wahrheit im Leben. Die Lehrsätze des Patañjali sind auch der Leitfaden dieses Tagebuches, denn Rishi Patañjali hat es zu seinen Lebzeiten (rund 400 Jahre vor Christus) verstanden, die unvorstellbaren Mengen uralter, indischer Schriften königlich zu interpretieren

11 und verständlich sowie alltagstauglich für die damalige Zeit zusammenzufassen, so dass sie heute noch eine weise Gültigkeit haben und wertvolle Wegweiser sind. Sein Yoga-Sûtra mutet so an, als sei es gestern geschrieben, so zeitgenössisch klingen seine Lehrsätze. Ein Beispiel, das aktueller nicht sein könnte.»durch die Meditation auf die Quelle von höchster Klarheit im Inneren entwickelt der Mensch außergewöhnliche Kräfte.«PATAÑJALI, YOGA-SÛTRA Ich verehre die Weisheit Patañjalis, die er der Nachwelt mit seinem Yoga-Sûtra hinterlassen hat. Seine Lehrsätze sind vermutlich durch Gespräche mit Schülern entstanden und wurden dann irgendwann aufgeschrieben. Das Yoga-Sûtra ist offenkundig und doch vielschichtig, die Lehrsätze sind einfach und doch kompliziert. In jedem Fall vermitteln sie ein tiefes Verständnis des Lebens und zeugen von einem profunden Wissen naturgegebener menschlicher Unzulänglichkeiten und deren inneren Konflikte auf der Suche nach dem spirituellen Inhalt des Lebens. Jedes Mal, wenn ich Patañjalis weise Sätze lese, entdecke ich Neues und Wichtiges für mich und meinen Yogaweg. Patañjali war ohne Zweifel jemand, der Zugang zu höherem, kosmischem Wissen hatte, der somit erleuchtet war und das erlangt hat, nach dem ich so sehnsüchtig strebe: verstehen ohne Verstand, verstehen, was die Welt im Inneren zusammenhält. Es gibt eine magische Verbindung zwischen dem menschlichen Leben, der Welt und dem Universum. Wer den Weg des Yoga beschreitet, hat die Chance, sie zu erkennen. Denn Patañjali bietet mit seinen Lehrsätzen und den acht Stufen bzw. acht Disziplinen des Yoga den Leitfaden dazu. Wahrscheinlich war Patañjali ein Architekt, der außer dem»yoga-sûtra«eine Schrift über die Sanskrit-Grammatik ver-

12 fasste, der aber sein Leben größtenteils dem Studium der alten philosophischen Schriften weihte. Patañjali lehrt die acht Stufen des Yoga, die es zu meistern gilt, die aber nicht einfach nacheinander abzuhandeln sind, wie wir es heute von To-do- Listen gewöhnt sind. So funktioniert nur der menschliche Verstand: Plan, Liste, Abarbeiten, Abhaken. Das Geheimnis des Lebens verbirgt sich jedoch nicht hinter Aufgabenlisten. Die Seele will erleben, erfühlen, trauern und sich freuen. Daher ist das Leben mit Yoga viel eher eine sanft aufwärtsdrehende Spirale als eine klare Linie oder Liste mit Notizen. Yoga und das Leben vollziehen sich in Form einer Spirale, die sich um sich selbst drehend aufwärtsführt, aber immer wieder zu spezifischen Aufgaben des Lebens bei jeder Umdrehung der Spirale zurückkommt, wenn auch aus einer höheren Perspektive. So verstehe und erlebe ich auch die acht großen Zweige des Yogaweges: eine Spirale aus einzelnen Disziplinen oder Stufen, die es zu leben gilt und dies stetig, jeden Tag und nicht nur einmal wöchentlich bei einer Yogasession. Große vergangene und noch lebende Yogameister haben das Yoga-Sûtra des Patañjali immer und immer studiert und interpretiert und aus dem Sanskrit ins Englische und Deutsche übersetzt. Für alle, die den Yogapfad ernsthaft beschreiten wollen, ist die Sûtra- Sammlung essenzielle Lektüre, eine Bibel des Yoga sozusagen, und sie kann tatsächlich nicht mit einmaligem Lesen gelernt und integriert werden. Ich nehme mir also für die nächsten Monate wieder einmal das Studium der Yoga-Sûtras vor und führe mir die acht Disziplinen des Yogapfades vor Augen: Die acht Disziplinen des Yoga Yama ist die erste Disziplin. Yama bedeutet Zügel oder Zügellenker, und die Yogastufe des Yama wartet mit Hinweisen auf, wie sich das»ich«mit seiner Umwelt in Einklang bringt.

13 Yama besteht auf fünf Unterpunkten, deren Erarbeitung alleine schon unglaublich intensiv ist: Ahimsã (Gewaltlosigkeit), Satya (Wahrhaftigkeit), Asteya (nicht stehlen), Brahmacarya (reine Lebensweise) und Aparigraha (nicht ergreifen). Yama manifestiert sich im richtigen Handeln, und das klingt einfacher als es ist eine tägliche Disziplin. Niyama birgt als zweite Stufe ebenso interessante Aufgaben in sich, da es bei dieser Yogadisziplin um die Auseinander setzung mit mir selbst geht. Sozusagen das Zwiegespräch zwischen mir und mir. Ich und ich allein im Weltall. Klingt seltsam schizophren, ist aber genau das, was den meisten Menschen heute fehlt: Selbstreflexion. Patañjali definiert die Unterpunkte des Niyama als Notwendigkeiten für den Yogapfad so: Shauca (Reinlichkeit), Samtosha (Genügsamkeit), Tapas (innere Glut), Svãdhãya (Selbststudium) und Ishvara-Pranidhãna (Hingabe). Die dritte Yogadisziplin ist Ãsana die Praxis der Körperübungen als Vorbereitung zur»richtigen Hinsetzung«im Meditationssitz, der unabdingbar für die folgenden Stufen ist, die nur noch sitzend ausgeführt werden. Ãsana oder auch Hatha-Yoga wird heute allgemein als Yoga verstanden, ist aber tatsächlich»nur«eine von acht Disziplinen des Yoga und steht auch erst an dritter Stelle der Yoga-Lebensspirale. Die vierte Disziplin des Raja-Yoga ist die Praxis von Prãnãyãma die Kunst der Atemübungen, die ein hohes Maß an Körperbeherrschung voraussetzt. Die Atmung wird bewusst gelenkt, und Atemmuster werden unterbrochen. Zielsetzung ist, möglichst viel Prãnã (Lebensenergie) in den Körper zu leiten, um den Geist vom Irdischen zu lösen. Prãnãyãma war lange Jahrhunderte eine geheime Lehre, und eingeweihte Yogaschüler wurden frühestens nach 20 Jahren Ãsana-Praxis in die Atemkunst des Yoga eingeweiht.

14 Die fünfte Stufe auf dem Raja-Yogaweg ist eine wichtige Voraussetzung für die Fähigkeit zur tiefergehenden Meditation: Pratayãhãra die Beherrschung der Sinneswahrnehmung. Es ist das Nach-innen-Lenken der Aufmerksamkeit. Der Mensch von heute ist derart extern orientiert, dass eine innere Schau fast unmöglich scheint, aber durchaus diszipliniert erarbeitet werden kann. Von den fünf Sinnen Hören, Riechen, Sehen, Schmecken und Tasten lassen sich einige leichter als andere nach innen ausrichten. Im Pratayãhãra geht es meiner Ansicht nach darum, erst einmal die Sinne einzeln wahrzunehmen, bevor wir wahrhaftig nach innen schauen können. Die sechste Stufe der Yogadisziplinen ist Dhãranã eine Vorstufe zur wahren, gedankenfreien Meditation. Dhãranã lehrt die Konzentration, die Aufmerksamkeit auf einem Punkt zu halten, das heißt die Gedanken ausschließend auf einen Gegenstand, auf ein Wort oder eine Frage auszurichten. Das, genau das, ist unglaublich schwierig. Patañjali lehrt allerdings auch die Geduld mit sich selbst, was bei dieser Disziplin wahrhaftig nötig ist. Yogameister und -meisterinnen fallen eben nicht von Himmel. In der siebten Disziplin des Dhyãna lehrt die Yogaschulung, das Denken gänzlich zum Erliegen zu bringen. Dhyãna ist die Disziplin der wahren Meditation. Hier werden Versenkung und Kontemplation geübt, die auf das Erkennen des schöpferischen Prinzips vorbereiten. In Dhyãna geht es darum, die Stimme der Seele zu hören oder sogar die Stimme aller Seelen des Universums. Es ist ein Einstimmen auf die Schwingung der Schöpfung. Nur so kann das absolute, höhere Bewusstsein von jeder rationalen Überdeckung befreit werden. Als achte Stufe des Raja-Yogaweges gilt Samãdhi es ist das höchste Ziel eines Leben im Yoga und kann kaum als Disziplin bezeichnet werden. Samãdhi ist das reine Bewusstsein,

15 die Einheitserfahrung, die vollendete Einkehr, die Ankunft nach langer Reise, die ersehnte Rückkehr zum göttlichen, schöpferischen Wissen, die Erkenntnis des Allwissens. Sama bedeutet gleich, gleichbleibend, gut, ehrlich und leidenschaftslos, bedeutet aber nicht gleichgültig, sondern bedeutet weise zu sein im Sinne der Schöpfung. So vielschichtig, weit umfassend und doch phänomenal naheliegend ist der Raja-Yogaweg des Patañjali. Er ist ein genialer Leitfaden des Lebens ob vor 5000 Jahren oder heute und entspricht der urnatürlichen Spirale des Lebens. Leider ist das künstliche Leben heute, bestehend aus Leistungsdruck und rein materieller Ausrichtung, weit entfernt von den Grundregeln des Yogalebensstils. Somit ist es an der Zeit, den Raja- Yogaweg wieder in die sinnentleerte Lebensweise des Heute zu integrieren und damit das Leben wieder mit wertvollem Denken, Handeln und Sein zu bereichern.

16 Yoga als Lebensstil erkennen Yoga ist kein Sport, Yoga ist kein Dogma, und Yoga ist keine Religion. Yoga ist ein Lebensstil, der Achtsamkeit vermittelt: Achtsamkeit sich selbst gegenüber, Achtsamkeit den Mitmenschen und der Umwelt gegenüber. Yoga lehrt mit allen seinen Disziplinen die Achtsamkeit und den Respekt gegenüber dem Wunder des Lebens an sich. Ein bisschen schade ist es daher schon, wenn Yoga in diversen Sportstudios als angesagter Körperkult angepriesen und praktiziert wird, die Praxis mit Popmusik untermalt und von Spiegeln zur eitlen Selbstbeobachtung umrahmt wird. Der Weg des Yoga ist eine Suche nach Lebenswerten, ist die Suche nach den Werten im Inneren und nicht im Äußeren nach dem Motto:»Schau mal, wie toll ich mich verdrehen kann!«das Konzept des Yoga hätte sicher nicht 5000 Jahre überlebt, wenn es nur um Äußerlichkeiten gegangen wäre. Der Yogalebensstil ist eine philosophische Lebensschule mit Fragen und Antworten nach dem Sinn des Lebens. Wo komme ich her? Warum bin ich hier? Warum bist du hier? Wo gehen wir hin? Was macht mich glücklich, und was macht mich unglücklich? Der Yogalebensstil bietet die Möglichkeit, je nach Vertiefung der acht Disziplinen, diese Frage zumindest teilweise zu erfassen, zu erfühlen und zu klären.

17 Die alleinige Praxis der Ãsana-Disziplin wird der Komplexität des Yogasystems nicht gerecht, ist aber der hilfreiche und sehr sinnvolle Einstieg in eine neue Lebensqualität. Ãsana über Jahre praktiziert, bewirken über die Arbeit mit dem Körper auch eine mentale Veränderung des Übenden. Wie von Zauberhand stellt sich allmählich eine differenzierte Einstellung zum Leben ein es findet sich ein Strukturwandel im Körper, im Denken und Sein ein. Diesen Wandel konnte ich schon bei vielen Yogaschülern beobachten, die über die Jahre mit der Disziplin der Ãsanas ihr Leben langsam veränderten. Jeder Yogaausführende verändert früher oder später seinen Lebensstil, fängt an zu meditieren, sucht neue Werte der Nachhaltigkeit und verfeinert sein Wesen durch die Zunahme feinstofflicher Empfindungen. Yoga-Ãsanas wandeln den Körper vom Grobstofflichen zum Feinstofflichen, verändern die Körperschwingung, und damit beginnt auch die Veränderung der Umgebung, da feinstoffliche Schwingung sich harmonisch ausbreitet quasi ansteckend ist. Wer die Leichtigkeit des Lebens sucht, findet sie mit den acht Disziplinen des Yogakönigsweges. Yoga vermittelt heilsame Rituale für das Leben und den Alltag, Rituale, die der heutigen Gesellschaft gänzlich abhanden gekommen sind und durch Gier nach materiellen Dingen ersetzt wurde. Der Lebensstil des modernen Yoga bedeutet jedoch nicht, sich in eine einsame Höhlen ohne Hab und Gut zurückzuziehen. Es wäre sicher einfach alle moralischen Regeln der ersten beiden Yogastufen zu vollziehen und sich im Zurückziehen der Sinne und Meditation in Abgeschiedenheit ohne andere Menschen zu üben. Die wahre Herausforderung des Yogalebensstils ist es, diesen inmitten der Zivilisation, mitten im Arbeitsdruck, mitten in der Wirtschaftskrise zu leben und damit ein persönliches Beispiel für die Möglichkeit der Veränderung der Welt zu sein.

18 Wahrer Yoga ist frei von Zwängen, Regeln und Leistungsdruck. Er vermittelt Angebote, Vorschläge und Motivation, die das Leben und die Spiritualität im Alltag leichtermachen und dabei zusätzlich dem Sein noch eine Tiefe schenken, die weder im Job noch im Geld noch im Partner- oder Familienglück zu finden ist. Welches andere Konzept, das den Körper und den Geist in den Mittelpunkt stellt, könnte dies leisten außer der Weg des Yoga? Mir ist keines bekannt, das in Umfang und Tradition diese sanfte Mächtigkeit aufweist und so wirkungsvoll ist. Sind wir nicht alle hungrig nach Weisheit und nach tiefem Wissen um das Leben? Der Lebensstil des Yoga stillt diesen Hunger und macht dabei auch noch glücklich.