Zürich, 27. Juni Statusseminar S-WIN 2016 Holzoberflächen und Modifikationen für innovative Fassaden

Transkript

1 Zürich, 27. Juni 2016 Statusseminar S-WIN 2016 Holzoberflächen und Modifikationen für innovative Fassaden Fassaden aus Holz weisen je nach Funktion und geografischer Lage der Bauten unterschiedliche Gesichter auf. In der Berglandschaft prägen braungebrannte Holzhäuser und weit ausladende Dächer die Ortsbilder. Doch erobert der Holzbau seit einiger Zeit auch den urbanen Raum. Diese Bauwerke dienen andern Zwecken, sehen anders aus und entsprechen so städtischen Erwartungen. Dabei verzeichnen mehrgeschossige Bauten einen erheblichen Zuwachs und Fassaden aus Holz sind hier ein wichtiger Bestandteil. Im Rahmen des Statusseminars von Swiss Wood Innovation Network S-WIN Mitte Juni 2016 in Oberwinterthur wurden aktuelle Innovationen und langfristige Entwicklungen im Bereich der Holzfassaden vorgestellt und diskutiert. Zwei Präsentationen aus Deutschland und Österreich eröffneten den Anlass, es folgten zwei Forschungsberichte aus der Empa und der ETH, Beispiele aus der Praxis, Informationen von Seite Lignum und die praktischen Erfahrungen des gastgebenden Unternehmens Kälin & Co. AG in Oberwinterthur. Dieses Statusseminar war so ein für breite Kreise interessanter Anlass. Dementsprechend waren gegen 60 Teilnehmende aus Forschung, Planung und Unternehmen zu verzeichnen. Holzoberflächen aufwerten Holger Militz von der Georg-August-Universität Göttingen umschrieb die Vielfalt der Anforderungen an einen optimalen Fassadenwerkstoff, im vorliegenden Fall aus Holz. Das Material sollte gegenüber Feuchteeintrag unempfindlich sein, biologisch resistent gegen Pilze und Insekten, es muss dimensionsstabil sein und seine Oberfläche darf durch Licht nicht zu rasch degradiert werden. Solche Anforderungen sind hoch und werden gemäss dem Referenten durch überwiegend aus den Tropen stammende Holzarten erfüllt. Heimisches Holz weist für derartige Anwendungen weniger gute naturgegebene Eigenschaften auf. Deshalb sind umfangreiche Schutzmassnahmen notwendig und zudem sei Holz oft recht wartungsintensiv. Detailliert informierte Michael Truskaller von Holzforschung Austria(Wien) über Werkstoffe und Beschichtungen bei Holzfassaden und deren Eignung zum Schutz gegen Witterung und Wetter. Er betonte, dass nebst der Auswahl geeigneter Werkstoffe für Holzfassaden deren Planung und auch das Einhalten von Konstruktionsgrundsätzen bei fachgerecht ausgeführten Details ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist.

2 Verbreitet ist die Kategorie der Vollholzmaterialien wie Bretter, Profilbretter und Leisten sowie Spezialanwendungen wie etwa Schindeln. Deren Eigenschaften sind massgeblich durch die gewählte Holzart, die Holzqualität und Sortierung sowie weiteren Parametern wie Dimension und Ausführung, Keilzinkung, Jahrringlage u.a. beeinflusst. Zudem können Fassaden aus Vollholz beschichtet oder unbeschichtet ausgeführt werden. Vertikal, horizontal oder diagonal an der Fassade angeordnet ist bei diesen Materialien das rasche Abfliessen von Oberflächenwasser ein entscheidender Faktor für eine möglichst lange Lebensdauer. Ohne fachgerecht ausgebildete Details geht dabei nichts. Ausgenommen Dreischichtmassivholzplatten und Sperrholzplatten lässt sich diese Vielzahl an Fassadenmaterialien unbehandelt einsetzen, doch betonte Truskaller, dass unabhängig von der gewählten Holzart dabei ein Vergrauen der Oberfläche unvermeidlich ist. Eine Behandlung der Oberflächen dient dem Schutz vor Licht und Feuchte, dem physikalischen und dem chemischen Schutz, der Farbgestaltung und deren Erhalt sowie einer leichteren Pflege. Bekannt sind transparente und halbtransparente sowie deckende Lasuren. Jede Beschichtung verlange aber ein regelmässiges Warten betonte auch er. Dem Holz gezielt neue Eigenschaften verleihen Aus zwei Forschungsbereichen der Schweiz wurde berichtet, wie durch gezielte Massnahmen Holzeigenschaften zu optimieren sind. Tina Künniger von der Abteilung Angewandte Holzforschung bei der Empa Dübendorf berichtete über Forschungsarbeiten mit fibrillierter Zellulose (NFC / Nanofibrillierte Cellulose), deren Potenzial als neuartiges, biologisches und erneuerbares Additiv ausgeschöpft werden soll, um Leistung und Dauerhaftigkeit von Holzbeschichtungen im Aussenbereich zu verbessern. Künniger bezeichnet NFC als multifunktionales Additiv, welches verschiedene Eigenschaften der Holzbeschichtung verbessert und deren Leistungsfähigkeit positiv beeinflusst. NFC verändert das Fliessverhalten der Bindemittel, vermeidet glänzende Oberflächen und reduziert die Rissausbildung während des Aushärtens und während der Bewitterung. Derzeit geht die Suche nach Industriepartnern, um NFC modifizierte Beschichtungssysteme in der Praxis zu testen. Bei der Arbeitsgruppe Holzoberflächen und Grenzflächen in der Professur für holzbasierte Materialien der ETH Zürich wird für die angestrebte Aufwertung von Holzoberflächen sowie deren physikalischen und chemischen Charakterisierung der Begriff der «Funktionalisierung von Holzoberflächen» verwendet. Dies umschreibt grundsätzlich die mit Beschichtungen und Modifizierungen von Holzoberflächen verbundenen Ziele. Es geht um eine geplante und möglichst dauerhafte Behandlung von Holz an Fassaden für eine hohe Haltbarkeit unter den nicht immer freundlichen Witterungsbedingungen in unseren Breitengraden. Zwei Bereiche werden derzeit bearbeitet. Mit vergleichsweise sehr dünnen Schutzschichten, welche Ästhetik und Haptik der natürlichen Holzoberflächen bewahren, wird ein Stabilisieren

3 gegen Umwelteinflüsse wie UV Licht, Wasser und biologischen Abbau des Holzes angestrebt. Weiter wurde eine durch die Natur inspirierte omniphobe Holzoberfläche erzeugt, die sich durch ein geringes Benetzungsverhalten und wasserabweisende Eigenschaften auszeichnet. Im Experimentierhaus NEST an der Empa Dübendorf wird derzeit ein Waschbecken aus Holz als Demonstrationsobjekt einem Praxistest unterzogen. Weiter werden Entwicklungen im klassischen Oberflächenschutz verfolgt ein Substratschichtverfahren, das über elektrostatische Wechselwirkung funktionale Nanomaterialien auf die Holzoberfläche abscheidet, um wasserabweisende Eigenschaften und UV-Schutz zu optimieren. Ein weiteres Verfahren arbeitet mit anorganischen Materialien auf Holzoberflächen, die Schutzschichten erzeugen, welche die natürliche Erscheinung des Holzes kaum beeinflussen. Holzpatina durch Natur oder Kontrolle? Holz an Fassaden tendiert zu optisch sichtbaren Veränderungen durch UV Licht, Auswaschung und biologische Einflüsse. Ein Vergrauen oder je nach geografischer Lage auch ein Verbraunen scheint unvermeidlich. Aus der Schilliger Holz AG (Küssnacht) wurde durch Ernest Schilliger und Andreas Bachmann (B. Bachmann AG) über die beiden Verfahren des biologischen Vorvergrauens und jenes durch Einfärben der Lamellen vor der Montage berichtet. Prozesse und Reslutate der Verfahren unterscheiden sich. Das biologische Vorvergrauen arbeitet mit naturgegebenen, beschränkt kontrollierbaren Parametern wie Luftfeuchte, UV Bestrahlung, Lufttemperatur, Regenintensität usw. Eine definierte Patina ist so nur schwer erreichbar. Anders beim Einfärben der Lamellen mit technischen Hilfsmitteln, bei dem sich die Patina, welche in der ersten Zeit die Fassaden prägt, ziemlich präzise steuern lässt. Erscheinungsbild und technische Funktionstüchtigkeit einer Holzfassade haben nicht zwangsläufig einen Zusammenhang. Hanspeter Kolb von der Berner Fachhochschule Architektur Holz und Bau, Biel zeigte klar auf, dass es vor allem auch um eine entsprechende frühzeitige Information der Bauherrschaften geht, um Enttäuschungen vorzubeugen. Vor allem die mit der Zeit auftretenden farblichen Veränderungen sind bei Holzfassaden besonders augenfällig. Wichtiger aber ist es gemäss Kolb, durch einen dauerhaft wirksamen Witterungsschutz und durch konstruktive Massnahmen ein rasches Austrocknen von Holzfassaden zu sichern und diese so zu einem tatsächlich nachhaltigen Bauteil zu machen. Empfehlungen der Lignum und praktisches Wissen Zum Schluss des Statusseminars 2016 S-WIN standen praktische Überlegungen von Seite Lignum und der gastgebenden Firma Kälin & Co. AG. Hansueli Schmid von Lignum Holzwirtschaft Schweiz in Zürich berichtete über die vielseitig vernetzte Aktivität in Bezug auf das in der Norm SIA 469 geforderten «Wiederherstellen der Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit für eine bestimmte Dauer», welche auch Holzfassaden betrifft.

4 Schmid orientierte in diesem Zusammenhang über das gemeinsam mit dem Verband Schweizer Hobelwerke VSH erarbeitete Lignum Gütezeichen Fassadenschalungen in Holz. Dessen Qualitätsanforderungen werden durch den Kompetenzbereich Holz- und Oberflächenbehandlung der Berner Fachhochschule AHB als unabhängiges Prüfinstitut überwacht. Die so gesammelten Erkenntnisse sollen in zusätzliche Konstruktionsempfehlungen einfliessen und in einer technischen Dokumentation Lignatec zusammengefasst öffentlich gemacht werden. Anschaulich und mit vielen praktischen Beispielen und Ratschlägen angereichert referierte Hans- Ueli Kipfer von Kälin & Co. AG, Hobel- und Oberflächenwerk Winterthur. Er brachte seine Empfehlungen prägnant zum Ausdruck: «Entscheidend für die Dauerhaftigkeit farblich beschichteter Holzfassaden ist die Grenzschicht Holz-Farbe. Voraussetzung dazu ist das richtige Holz, richtig bearbeitet und geeignete Anstrichstoffe, richtig appliziert.» Was leicht gesagt ist, ist aber noch lange nicht leicht und richtig getan. Kipfer zeigte klar auf, dass Holzbearbeitung und industrielle Applikationstechnik von Anstrichstoffen noch längst nicht fachliches Allgemeinwissen sind. Entscheidend sind demnach korrekt gehobelte und geschliffene Holzoberflächen und die Applikationsart von Grundierung und Anstrichen. Er betonte, dass beschichtete, glattgehobelte und sägerohe Oberflächen sich nicht vergleichen lassen, indes in etwa dieselben Unterhaltsfristen aufweisen. Was ein Kunde auswähle sei eigentlich rein eine Frage der Optik, des erwünschten Erscheinungsbildes also Zeichen Charles von Büren, Fachjournalist, Bern Die Präsentationen können unter geladen werden.

5 Bildlegenden Bild 1: Prototyp eines neu entwickelten Lavabos aus modifiziertem Buchenfurnier. Die an der ETH Zürich entwickelte Beschichtungstechnologie verleiht dem Holzwaschbecken einzigartige wasser- und ölbabweisende Eigenschaften. Das omniphobe Holzwaschbecken wird derzeit einem Praxistest im NEST an der EMPA Dübendorf ausgesetzt Bildnachweis: Empa Dübendorf Link zur Druckdatei: WIN/Statusseminar/Bild_1.JPG Bild 2: Die Fassade dieses Einfamilienhauses in Bellach besteht aus vorgvergrautem Holz (Biood, Schilliger Holz AG Küssnacht) Bildnachweis: David Coulin Link zur Druckdatei: WIN/Statusseminar/Bild_2.JPG