Kreatives Nichts-Tun
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- Sebastian Küchler
- vor 6 Jahren
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1 1 Prof. Dr. Christian Möller, Heidelberg Kreatives Nichts-Tun Predigt in Langenau am Michaelistag 2013 über Offenbarung 12, 7-12 Liebe Gemeinde, I. über die Engel möchte ich heute predigen, wie es sich für den Erzengel Michael und das nach ihm benannte Michaelisfest gehört. Ich weiß nicht, welche Bedeutung bei Ihnen in Langenau das Michaelisfest hat. In Nordhessen, dort, wo ich einst Pfarrer war, ging man als evangelischer Christ zweimal im Jahr zum Abendmahl: Weihnachten und Pfingsten gehen die Jüngsten. Ostern und Michel kommen die alten Bichel. Weihnachten ist das Fest des Winters, wenn es draußen ganz dunkel wird; dann wird es innen, rings um das Fest von Christi Geburt, ganz hell. Ostern ist das Fest des Frühlingserwachens: Im Zeichen von Christi Auferstehung steht auch das Leben der Natur wieder auf. Pfingsten das Fest des Heiligen Geistes bringt die Menschen in Bewegung, in den Urlaub, der Sommer naht. Und Michaelis? Es ist das Fest des Herbstes, wenn die Windstürme in der Höhe beginnen und die Kinder ihre Drachen fliegen lassen und die Bauern ihre Ernte einbringen oder schon eingebracht haben. Dann denkt die Christenheit daran, dass in der Höhe, also dort, wo es stürmt und windet, Michael und seine Engel ihren Kampf mit den Mächten des Bösen ausfechten und das Böse besiegen, den Satan, die Teufel und all ihre bösen Engel, also alles, was uns zuweilen höllisch Angst macht, so dass wir nicht wissen, wie es mit der Welt weitergehen soll. Am Michaelistag feiern wir den Sieg des Guten Michael und seine Engel kämpfen gegen das Böse. Wir aber danken Gott dafür, dass er uns SEINE Engel schickt und uns behütet, auch dort, ja gerade dort, wo wir
2 2 am Ende sind und nicht mehr wissen, wie es mit uns und unserer Welt weitergehen soll. Dann empfangen wir Leib und Blut Jesu Christi unter Brot und Wein. Und es entbrannte ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel, und sie siegten nicht und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel. Und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt, und er wurde auf die Erde geworfen, und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen. Und ich hörte eine große Stimme, die sprach im Himmel: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes geworden und die Macht seines Christus; denn der Verkläger unserer Brüder ist verworfen, der sie verklagte Tag und Nacht vor unserem Gott. Und sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses und haben ihr Leben nicht geliebt bis hin zum Tod. Darum freut euch, ihr Himmel und die darin wohnen! Weh aber der Erde und dem Meer! Denn der Teufel kommt zu euch hinab und hat einen großen Zorn und weiß, dass er wenig Zeit hat. (Offenbarung 12, 7-12) Von den Engeln wird im Hebräerbrief gefragt (1,14): Sind sie nicht allesamt dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die das Heil ererben sollen? Nun aber lernen wir aus dem letzten Buch der Bibel, dem Buch der Offenbarung, dass es nicht nur dienstbare Geister des Guten, des Heiles und der Rettung gibt, sondern auch dienstbare Geister des Bösen, des Satans und des Teufels. Woran kann ich die einen von den anderen unterscheiden? Wie erkenne ich, dass ich es mit einem Engel, einem Boten Gottes, und nicht mit einem Boten des Teufels zu tun habe? In Offenbarung 12 heißt es: Der Teufel kommt zu euch hinab und hat einen großen Zorn und weiß, dass er wenig Zeit hat. Daran also erkenne ich den Teufel und seine dienstbaren Geister: Sie wissen, dass sie wenig Zeit haben für ihr Geschäft der Verwirrung und des Durcheinanderbringens. II. Ist das nicht geradezu ein teuflischer Zug unserer Zeit: die Zeitnot, die uns durcheinander bringt? Der Teufel hat nur wenig Zeit, und er weiß, dass er wenig Zeit hat; deshalb sind alle seine Boten, seine Engel, seine dienstbaren Geister daran interessiert, uns Zeit zu stehlen, um uns in seine Macht zu bringen und unsere Zeit zu gewinnen. Die vielen technischen Geräte, die uns angeboten werden, können ein Segen sein, wenn wir sie nutzen, um Zeit zu haben und Zeit zu gewinnen. Sie werden
3 3 aber zum Fluch, wenn sie uns die Zeit stehlen und uns in Hetze bringen. Ein Bauer jener nordhessischen Gemeinde, in der ich Pfarrer war, sagte mir einmal sehr nachdenklich: Herr Pfarrer, mein Großvater hatte bei seiner Arbeit mit Pferden noch Zeit; mein Vater, der mit den Maschinen auf dem Felde begann, schon weniger; und ich werde von den Maschinen nur noch gehetzt, mehr und mehr Besitz einzufahren. Dieses Wort kann jeder auf seine Lebenswelt übertragen: Da sitzt du an deinem Computer, und die Zeit zerrinnt dir zwischen den Fingern. Du bist ein Getriebener, und die Boten dessen, der nur wenig Zeit hat, haben dich, wenn du nicht aufpasst, in ihrem Griff. Fast prophetisch schrieb schon zu sowjetischen Zeiten ein Schriftsteller mit Namen Jewtuschenko in der Prawda einen provozierenden Artikel zu unserem Umgang mit der Zeit: In Zeitnot geraten Wie in ein Netz Ist der Mensch. Atemlos hetzt er durch sein Leben Und wischt sich den Schweiß. Ein Fluch des Jahrhunderts ist diese Eile. Es wird ganz eilig gezecht Und ganz eilig geliebt. Ganz tief sinkt die Seele dabei; Man martert ganz eilig, vernichtet ganz eilig, ganz eilig sind später Reue und Buße vorbei. Halt ein, bleib doch stehen, der du wie auf Laub über Gesichter stampfst und sie nicht ansiehst. Blind bist du, ganz blind, durch den Irrsinn der Eile. Töte nicht durch sie deine einzige Chance, jetzt inne zu halten, halt ein, bleib doch stehen, du hast Gott vergessen und schreitest ja über dich selbst hinweg.
4 4 III. Was ist gegen diese Zeitnot zu tun? Die provozierende Antwort: Nichts! Und dieses Nichts meint: Nichts ist zu tun, was dich nur immer tiefer in den Maschinentakt hineintreibt. Irgendwo las ich den Satz: Und als wir uns verrannt hatten, verdoppelten wir unsere Anstrengungen! Ach ja, meine ganze Hektik kann ein Ausdruck dafür sein, dass ich mich verrannt habe und im Griff der bösen Geister bin, die mir immer mehr Zeit stehlen. Noch einmal die Frage: Was ist zu tun? Und noch einmal meine Antwort: Nichts! Das ist sogar eine positive Antwort, denn sie meint, dass ich meine Hände aus dem Spiel lasse, weil ich verstanden habe, dass Gott für mich wirkt, der Zeit hat und Zeit verschenkt, weil er der Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit ist. Und er hat auch seine dienstbaren Geister, Michael und seine Engel, die für uns in der Höhe kämpfen, damit wir in der Tiefe Zeit gewinnen. Zeit wozu? Meine Hände ruhen zu lassen, so ruhen zu lassen, wie es in einem wunderbaren Mittagslied von Jochen Klepper heißt: Die Hände, die zum Beten ruhn, die macht er stark zur Tat, und was der Beter Hände tun, gerät nach seinem Rat. Das ist kreatives Nichts-tun: Beten! Und es gehört noch ein Zweites zu diesem Ruhen-lassen der Hände: Das Lob Gottes: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes geworden, und die Macht seines Christus; denn der Verkläger unserer Brüder ist verworfen, der sie verklagte Tag und Nacht vor unserem Gott. Und sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut Und durch das Wort ihres Zeugnisses Und haben ihr Leben nicht geliebt bis hin zum Tod - so lautet das Lob von Menschen, als sie begreifen, dass Michael und seine Engel für sie gegen das Böse und seine dienstbaren Geister gesiegt haben. Sie lassen ihre Hände ruhen und öffnen ihren Mund zum Lob Gottes, mit Singen und mit Sagen.
5 5 Versteht Ihr jetzt, liebe Gemeinde, warum es so wichtig ist, das Michaelsfest zu feiern, und nicht nur dieses Fest, sondern jeden Gottesdienst wie ein Fest zu feiern: Da ruhen unsere Hände, und wir werden dessen inne werden, dass in der Höhe für uns gekämpft wird, viel, viel mehr, als wir es selbst je zu ahnen vermöchten. Und die Handys sind dann im Gottesdienst abgestellt; und die Computer sind nicht da, und die vielen, vielen kleineren und größeren Geräte sind dann einmal weg, weil wir in Gottes Gegenwart ganz da sind und von seiner Ewigkeit berührt werden. Das schenkt Zeit, stiftet Zeit, lässt Zeit gewinnen, so dass der Teufel mit seinen dienstbaren Geistern nicht mehr nach uns greifen kann. Stattdessen können wir nach dem Gottesdienst unsere Drachen rausholen, auch im übertragenen Sinn, und sie in die Höhe steigen lassen, wo sie mit ihren Loopings und Purzelbäumen mitfeiern, dass in der Höhe für uns gekämpft wird und wir auf Erden frei werden von teuflischer Zeitnot: Und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt, und er wurde auf die Erde geworfen, und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen. Wir aber dürfen in und mit unserem Gottesdienst nichts tun als einzustimmen in die große Stimme, mit der uns die Engel dienen: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes geworden und die Macht seines Christus! Ihm aber sei Preis und Lob und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
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