Wirkung von Neonicotinoiden auf die Navigation und die Tanzkommunikation von Bienen

Transkript

1 Wirkung von Neonicotinoiden auf die Navigation und die Tanzkommunikation von Bienen Randolf Menzel Bienenschutzkonferenz Global Wien 2014

2 Wenn man die Navigation der Bienen verstehen will, muss man wissen, wo sie herumfliegt Verfolgen der Bienen mit einem speziellen Radargerät Harmonisches Radar

3 Transponder ein passives Schaltelement

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6 Wie Bienen die Landschaft erkunden Die ersten 6 Ausflüge der Bienen gh8

7 Was lernen Bienen auf ihren exploratorischen Orientierungsflügen? Erster Orientierungsflug der Biene w 53

8 Auflass der Biene bee w 53 im explorierten Area

9 Auflass der Biene w 53 in dem nicht exploriertem Areal

10 Das Landschaftsgedächtnis der Bienen: Auf Orientierungsflügen lernen die Bienen nicht nur zum Stock zurück zu kommen (Wegintegration) sondern auch die Gegend im Bereich der Orientierungsflüge. Aufeinander folgende Orientierungsflüge sind in verschiedene Richtungen orientiert und erreichen zunehmend größere Entfernungen. Zur Orientierung dient der Sonnenkompass, größere Landschaftsstrukturen und lokale Landmarken. Besonders wichtig sind lang gestreckte Marken, in unserem Testareal Grenzen, Wege, Wasserkanäle Wie nutzen die Bienen ihr Landschaftsgedächtnis?

11 Wie wir das Landschaftsgedächtnis testen: Einsammeln, Transportieren und Freilassen H Routenflüge F? Heimflug? Heimkehrende Bienen versetzt Auflass Stelle Können sie auch ihr Landschaftsgedächtnis verwenden um zum Stock zurück zu kehren? Routengedächtnis (Vektorflug)

12 Die Biene war vom Stock (H) über 200 m nach Osten zur Futterstelle (Fs) dressiert Als sie an Fs nach dem Füttern abfliegen wollte, wurde sie eingefangen und zur Stelle R8 transportiert. Dort mit einem Transponder ausgestattet und fliegen gelassen.

13 Es lassen sich drei Phasen der Heimkehrflüge unterscheiden: - Vektorflug (Routengedächtnis) - Suchflug - Heimflug (bestehend aus Suchflug und Rückflug) B 800 C H 600 Rückflug (Landschaftsdächtnis) 400 H R R2 H Vektorflug (Routengedächtnis) [m] [m] 200 Suchflug [m Neonicotinoide stören die Navigation (Landschaftsgedächtnis)

14 Bees perform short cuts between dance communicated and experienced locations Experienced and dance communicated flight routes are integrated in a common reference. Is the reference based on remembered flight vectors and their integration or on locations integrated in a geometric map?

15 Uncoupling vector memory from landmark based memory: time shift experiment hive feeder control homing flight? time shifted homing flight time shifted vector flight control vector flight

16 No difference between control and time shifted bees Group No. of animals returning home / Total Mean time ± SEM (s) Mean distance ± SEM (m)* Time shifted 19 / ± ± 287 Control 11 / ± ± 108 vector flights control time shifted representative flights

17 Zusammenfassung: Navigation Bienen besitzen eine Kognitive Karte mit der sie im Gelände navigieren und mit dem Schwänzeltanz über Orte kommunizieren. Sie können direkte Strecken zwischen Orten fliegen, die sie selbst erkundet haben und die sie über den Tanz kennengelernt haben. Dazu brauchen sie kein Marken am Ziel, keine Wegintegration und keine Marken am Horizont. Sie besitzen ein Landschaftsgedächtnis, das die Ortsmarken in einen geometrischen Bezug speichert.

18 Neonicotinoide sind Insektizide (Pestizide), die als Kontakt- und Fraßgifte wirken. Sie werden (meist) über die Wurzeln aufgenommen und wirken auf alle Insekten, die Substanzen von den behandelten Pflanze aufnehmen (Pollen, Nektar, Gutationssaft, Staub vom Acker). Sie werden als Saatgutbeizmittel oder als Besprühung verwendet. Handelsnamen: Admire, Advantage, Goucho, Merit, Premise, Touchstone (Imidacloprid) Cruiser, Platinum (Thiamethoxam), Acetamiprid, Assail, Tristar (Acetamiprid) Bekannte Wirkstoffe: Acetamiprid, Clothianidin, Imidacloprid, Nitenpyram, Thiacloprid, Thiamethoxam, Nithiazin EFSA (European Food Safety Authority): Für 3 Wirkstoffe wurde die Anwendung für 2 Jahre gesperrt: z.b. Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam (dagegen strengt die erzeugende Industrie ein Gerichtsverfahren an)

19 Wo die Neonicotinoide im Insektengehirn wirken Die komplexesten Verhaltenssteuerungen im Insektengehirn finden in den Pilzkörpern statt. Die Eingänge von den Sinnesorganen und von den vorverarbeitenden Regionen im Gehirn sowie die Verarbeitung innerhalb des Pilzkörpers erfolgt über nikotinische Acetylcholin Rezeptoren. Neonicotinoide wirken auf diese Gehirnprozesse. Bei höheren Dosen ist dies tödlich, bei sehr niedrigen Dosen stört dies die Gehirnprozesse: Wahrnehmen, Lernen, Erinnern, Orientieren, Navigieren, Kommunizieren

20 Wir haben 3 verschiedene Neonicotinoide getestet. Die Dosen waren: Clothianidin (0.2 µm, 2.5 ng/bee, 25 ppb), Imidacloprid (0.6 µm, 7.5 ng/bee, 75 ppb), Imidacloprid (0.9 µm, ng/bee, ppb) Thiacloprid (0.1 mm, 1.25 µg/bee, 12.5 ppb) Die Bienen haben das innerhalb von 90 Minuten aufgenommen Es wurden 208 Bienen getestet, jeweils in einzelnen Flügen In einem neuen Experiment haben Bienen Thiacloprid mit einer Konzentration von 20 µm (20 ppm) über mehrere Tage an einer Futterstelle aufgenommen und zum Stock transportiert

21 Behandelte Bienen kommen seltener zum Stock zurück als nicht behandelte Bienen treatment total number of bees not started delayed start arrived at the hive not arrived control clothianidin (0.2 µm) imidacloprid (0.6 µm) imidacloprid (0.9 µm) thiacloprid (0.1 mm)

22 homing flight Entwässerungskanal m H Training route feeder Analyse der Flüge - Länge des Vektorflugs - Richtung des Vektorflugs - Übergang vom Vektorflug zum Heimflug (nach Norden, Süden, andere Richtung) - Länge des Heimfluges - Dauer des Heimfluges vector flight m Kontroll-Biene Thiacloprid behandelte Biene Fischer et al. Plos one March 2014

23 Übergang vom Vektorflug zum Heimflug direction of flight after the end of vector flight Behandlung north south search circle other direction (east/west percentage of L-type flights of north flying bees Kontrolle (n=48) (31) (14) (3) 74% Clothianidin 0.2µM (n=41) % imidacloprid 0.6µM (n=41) % imidacloprid 0.9µM (n=9) % Thiacloprid 0.1mM (n=14) %

24 Länge des Heimfluges (m) Die Länge des Heimfluges ist signifikant länger bei der Clothianidin Gruppe control Clothianidin.2 μm Imidacloprid.6μM Imidacloprid.9μM Thiacloprid.1 mm p<0.05, Mann-Whitney-U-Test

25 Heimkehr Zeit (s) Die Zeit für den Heimflug ist signifikant länger bei der Clothianidin und der Thiacloprid Gruppe control Clothianidin.2 μm Imidacloprid.6μM Imidacloprid.9μM Thiacloprid.1 mm

26 Die Wirkung von chronischer Aufnahme von Thiacloprid (20 µm) über mehrere Tage an einer Futterstelle

27 Kumulierte Heimkehr Frequenz Bei chronischer Aufnahme sehr geringer Thiacloprid Konzentration (20 µm) ist die Navigation ebenfalls gestört Kontroll-Tiere Behandelte Tiere Außerdem tanzen diese behandelten Tiere weniger und benötigen eine sehr viel höhere Zuckerkonzentration um ihre Sammeltätigkeit aufrecht zu erhalten.

28 Besuchsrate an der Futterstelle: und notwendige Zuckerkonzentration Besuchsrate an der Futterstelle Average sucrose concentration Mittlere Zuckerkonzentration a the control feeder an der Futterstelle and the feeder of treated bees

29 Neonicotinoide stören die Navigation und Kommunikation massiv - Subletale Dosen, die die senso-motorischen Routinen nicht stören beeinträchtigen massiv Gehirnfunktionen, die dem Landschaftsgedächtnis zugrunde liegen. - Dies gilt auch für sehr geringe Dosen. - Wenn Tiere sehr geringe Dosen aufnehmen und in den Stock transportieren, dann reichert sich das Pestizid im Tier (und auch im Stock) an und beeinträchtigt ihre Navigation. - Außerdem benötigen sie sehr viel höhere Zuckerkonzentration um ihr Sammelverhalten aufrecht zu erhalten und zu tanzen.

30 Sind Neonicotinoide so wie sie in der Landwirtschaft eingesetzt werden eine Gefahr oder eine Belastung für Honigbienen (aber auch für Wildbienen und die natürliche Umwelt im allgemeinen)? Das ist eine Frage der Dosis - für akute Effekte - für chronische Effekte - allein oder in der Kombination mit anderen Belastungen Von der Industrie wird argumentiert: Bienen nehmen keine gefährlichen Dosen auf, wenn sich die Bauern an die Regeln halten. Ganze Bienenvölker sind sehr viel besser geschützt gegen Pestizide als einzelne Bienen Es bedarf weiterer intensiver Grundlagenforschung (unabhängig von der Industrie) über die Mechanismen der Wirkung dieser Pestizide

31 Warum scheint es als ob Bienenvölker nicht (oder massiv: Kolaps) auf Pestizidbelastung reagieren? Da die Wahrscheinlichkeit nach Aufnahme von Neonicotinoiden in den Stock zurück zu kehren geringer ist reichern sich die Pestizide dort nur im geringen Umfang an und die akut schädlichen Einflüsse werden nicht erfasst, weil die Bienen im Stock nicht gemessen werden. Das Bienenvolk ist ein Superorganismus, ein vielfältig und hoch geregeltes System. Solche Systeme sind robust. Systemtheorie: synergistisch und antagonistisch geregeltes Wirkungsgefüge Komplexe und verborgene Kompensationsvorgänge gegen störende Eingriffe Nichtlinearität und Chaos: plötzliches Zusammenbrechen bei scheinbar geringen Störungen

32 Bienen als Umweltspäher: Bienen zeigen uns ihren Gesundheitszustand an V Greggers et al. Proc. Roy. Soc. B 2013

33 Relative electric field intensity (100 Hz component) Thiacloprid (232 μg/kg Bienen, 20 ng/biene) Energiespektrum einer ganzen Kolonie wird verändert verändert normal, aktiv Normal, nachts Bienen als Umweltpolizei

34 Financial Support. Deutsche Forschungsgemeinschaft, Hertie Stiftung, Dr. Klaus Tschira Stiftung, OLIN Stiftung, Freie Universität Berlin Co-workers: Uwe Greggers, Jaqueline Degen, Andreas Kirbach, Konstantin Lehmann, James Cheeseman Marie-Luise Hahn Lea Tisson, many students

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36 Wenn es gelingt durch kluge Fruchtfolgen und vielen anderen Maßnahmen den Einsatz von Pestiziden zu vermeiden oder sehr stark zu reduzieren leisten wir einen unschätzbaren Dienst für unsere bestäubenden Insekten und für die Biodiversität im allgemeinen

37 The energy spectrum of an observation hive (about 2,000 bees, 11:30 to 13:00) High foraging activity Low foraging activity wing beat

38 Bees perform shortcuts during homing - to the hive directly - via the feeder to the hive KLSetA2abc9.stg A R3 H B H C KLSetG1.stg red line: vector flight blue 6 line: search flight H green Hive line: homing F flight R7 R [m] [m] [m] [m] No route training With route training Fig. 2

39 Paradigm (since Tolman) characterizing the cognitive map: novel short cut excluding novel short cuts by - path integration - beacon orientation - image matching (e. g. panorama matching) - simple forms of vector integration Experimental procedure: exploration phase training phase catch-and-release vector flight search flight homing flight hive feeder release site

40 The vector flight (direction to sun compass, distance) dominates the first flight component in a catch-and-release experiment after route training however - direct homing flights occur and are more frequent in a structured landscape - a third of the trained bees fly first to the feeder and then to the hive KLSetG1.stg Hive F Homing flights are based on the knowledge acquired during exploratory orientation flights Bees can decided where to fly to first [m] 300 Menzel et al. PNAS Fig

41 H homing flight F vector flight R irrigation channel

42 Design of the experiments: catch-and-release hive 450 m feeder 90 min release site Flight tracking with harmonicradar

43 Control bees (all returned ) Treated bees (only successful returning bees) Experiment 1

44 Reduced visitation rate even at higher sucrose solution No dance activity Strong Dance activity

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49 Treated bees Control bees Experiment 2

50 Control bees exp. 1 Treated bees exp. 2

51 Control bees exp. 2 Treated bee exp. 1

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54 Lenght of vector (m) The length of the vector flight is significantly - shorter for the imidacloprid 0.9 mm group and - longer for the thiacloprid 0.1 mm group a b b control Clothianidin.2 μm Imidacloprid.6μM Imidacloprid.9μM Thiacloprid.1 mm p<0.05, Mann-Whitney-U-Test

55 The direction of the vector flights is significantly different from control in the Clothianidin and both Imidacloprid groups Clothianidin.2 μm Imidacloprid.6μM directional component of the vector between feeder and hive direct direction from the release site to the hive Control a b b mean angles and standard derivation b a Direction: intersection with a 200m radius around the release site Imidacloprid.9μM Thiacloprid.1 μm p<0.05; Mardia-Watson-Wheeler test

56 Number of bees Social communication via electric fields The potential use of these signals for monitoring the health status of a colony Surface potential (V) Distribution of electric charge on the body surface of arriving foragers Greggers et al. Proc. Roy. Soc. B 2013

57 Measuring the electric fields of a dancing bee V Greggers et al. Proc. Roy. Soc. B 2013

58 Coulomb s Law Greggers et al. Proc. Roy. Soc. B 2013

59 % correct response % correct response Laser Vibrometry Recording from Johnston organ Learning Interfering with antennal function groups Greggers et al. Proc. Roy. Soc. B 2013

60 The energy spectrum of an observation hive (about 2,000 bees, 11:30 to 13:00) High foraging activity Low foraging activity wing beat

61 Relative electric field intensity (100 Hz component) Thiacloprid (232 μg/kg bees) treatment alters the energy spectrum of the whole colony 1 kg bees appr bees leading to appr. 20 ng/bee

62 Conclusion: Social electric field signals -Coulomb forces are used by bees to exchange social signals -The electric fields of single bees and of the whole colony are easy to record and provide a rich source of information -The power spectrum of these signals is changed when bees are exposed to neonicotinoids -We suspect that these social signals might be used to monitor the health status of a colony continuously and with high temporal resolution - It appears feasible to apply on-line analyses for extracting the specific finger prints of signals and to communicate these via internet or mobile phone.

63 Co-workers: Tan Ken (Kumning, China) Uwe Greggers Konstantin Lehmann Jacqueline Degen Andreas Kirbach Johannes Fischer Teresa Müller Anne-Kathrin Spatz Many students Supported by: Deutsche Forschungsgemeinschaft Dr. Klaus Tschira Stiftung Gemeinnützige Hertie Stiftung Freie Universität berlin

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65 Flumethrin as a component of the CS or US Age +: CS: Odor A, US: sucrose Flu+Age/+: CS: first Flumethrin odor then Odor A, US: sucrose Age/-: CS: Odor A, no US Age+Flu/ +: CS: Odor A first then Flumethrin odor, US: sucrose Flu/ +: CS: Flumethrin odor, US: sucrose

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67 Using a dancing robot bee we inform a follower bee to fly to a different location as the one she had visited before. Cooperation with Tim Landgraf and Prof. Rojas, Informatik, Freie Universität

68 Vector flight Search flight Homing flight bee released at R2

69 This bee was recruited by the robot. It had foraged at the red location. The robot indicated the blue location

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71 Bee released at at R2 Vector flight Search flight Homing flight Different experiment: trained route: 200 m east

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73 The structure of the navigation memory: Novel short cutting flights between dance communicated and experienced locations (cross flights) ( cognitive map ) Menzel et al. Curr. Biol. 2011

74 Three examples of cross flights 300 m, m, m, 30 Conclusion: - bees perform shortcutting cross flights in the long distance experiment if the distance between the two goals is shorter than the return flight; - they also perform cross flights for equal to the distance to the return flight if the absolute distance back to the hive is shorter (300 m experiment). Thus: decisions about novel short cuts are made in reference to the overall topographic relations.

75 Co-operation: Jaqueline Degen, Andreas Kirbach, Konstantin Lehmann, W-D Haass, B. Fischer, Lea Tisson, G. Bischoff, many students Financial Support. Deutsche Forschungsgemeinschaft, Hertie Stiftung, Dr. Klaus Tschira Stiftung, OLIN Stiftung, Freie Universität Berlin