Rosemarie Kennel Gertrud Reerink (Hrsg.) Klein Bion. Eine Einführung. Brandes & Apsel

Transkript

1 Rosemarie Kennel Gertrud Reerink (Hrsg.) Klein Bion Eine Einführung Brandes & Apsel

2 Rosemarie Kennel / Gertrud Reerink (Hrsg.) Klein Bion

3 Die in diesem Band versammelten Arbeiten sind aus dem Wunsch entstanden, klinisch bedeutsame Denkmodelle der psychoanalytischen Theorie zur Diskussion zu stellen. Sie stammen von einer Gruppe von Frankfurter Psychoanalytikern, die sich seit Jahren mit der klinischen Arbeit der Kleinianer auseinandergesetzt haben. Anlass waren die Erfahrungen aus schwierigen und unbefriedigend verlaufenden Analysen, die dazu drängten, neue Wege zu suchen. Die theoretischen Konzepte von Melanie Klein bis Wilfred R. Bion, die dabei hilfreich waren, sind hier ausführlich dargestellt. So bietet das Buch auch eine hervorragende Informationsquelle für die zentralen Begriffe und Denkansätze der gegenwärtigen kleinianischen Psychoanalyse. Rosemarie Kennel, Dr. med., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie. Psychoanalytikerin in freier Praxis. Lehranalytikerin der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) am Frankfurter Psychoanalytischen Institut. Gertrud Reerink, M.A., Psychoanalytikerin (DPV) in freier Praxis. Mitarbeit am Anna Freud Institut Frankfurt. Lehranalytikerin der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung am Frankfurter Psychoanalytischen Institut.

4 Rosemarie Kennel / Gertrud Reerink (Hrsg.) Klein Bion Eine Einführung Beiträge von Rotraut de Clerck, Rosemarie Kennel, Karin Lüders, Gertrud Reerink, Joachim Rothhaupt, Helen Schoenhals, Angelika Staehle, Gisela Volk, Helga Wildberger Brandes & Apsel

5 Auf Wunsch informieren wir Sie regelmäßig über Neuerscheinungen in dem Bereich Psychoanalyse/Psychotherapie. Bitte senden Sie uns dafür eine an Gerne können Sie uns auch Ihre Postadresse übermitteln, wenn Sie die Zusendung des Psychoanalyse-Katalogs wünschen. Außerdem finden Sie unser Gesamtverzeichnis mit aktuellen Informationen im Internet unter: und unsere E-Books und E-Journals unter: 1. Auflage (E-Book 3. Auflage 2013 des in 1. und 2. Auflage in der edition diskord erschienenen Werkes (gedrucktes Buch) Brandes & Apsel Verlag GmbH, Frankfurt a. M. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, Mikroverfilmung, Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen oder optischen Systemen, der öffentlichen Wiedergabe durch Hörfunk-, Fernsehsendungen und Multimedia sowie der Bereithaltung in einer Online-Datenbank oder im Internet zur Nutzung durch Dritte. Umschlag: Felicitas Müller, Brandes & Apsel Verlag, Frankfurt a. M. Computer-Satz: Anne Schweinlin, Tübingen Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN (E-Book) ISBN (gedrucktes Buch)

6 Inhalt Vorwort zur dritten Auflage Rosemarie Kennel i Vorwort 7 Gertrud Reerink 1. Historischer und theoretischer Überblick über die Klein-Bion-Richtung der Psychoanalyse 10 Rosemarie Kennel 2. Die Freud-Klein-Kontroverse London Rotraut De Clerck 3. Unbewußte Phantasie und die Welt der inneren Objekte 41 Helen Schoenhals 4. Die depressive Position 54 Gisela Volk 5. Paranoid-schizoide Position und die projektive Identifizierung 65 Angelika Staehle 6. Bions Container-Contained-Modell 85 Karin Lüders 7. Theorie des Denkens: Freud und Bion 101 Gertrud Reerink

7 8. Ödipuskomplex, Triangulärer Raum und Symbolisierung 113 Helen Schoenhals 9. Pathologische Organisationen 126 Helga Wildberger 10. Beta-Elemente und körperliches Leiden 140 Joachim Rothhaupt 11. Zur Theorie der Behandlungstechnik 149 Rosemarie Kennel Autorinnen und Autor 171

8 Rosemarie Kennel Vorwort zur dritten Auflage Im Pluralismus der gegenwärtigen psychoanalytischen Theorie und Praxis zeichnen sich vier Hauptströmungen ab die»klassische«triebtheorie und ihre Weiterungen in der Ich-Psychologie, die Selbstpsychologie, die Objektbeziehungstheorien und neuerdings die interpersonalen, relationalen, intersubjektiven Theorien. Theorien, die nur in Teilen aufeinander beziehbar und miteinander kompatibel sind. Das Erkenntnisobjekt der Psychoanalyse, ein lebendiges Subjekt im Kontext seiner Entstehungsbedingungen und in seinen psychischen, psychosomatischen und psychosozialen Dimensionen, ist hochkomplex und zudem mit Freiheitsgraden, dem unwägbaren freien Willen (der freilich seinerseits wieder zur Debatte steht) versehen. Das erschwert einerseits eine vereinheitlichende Theoriebildung und verleiht der Begrifflichkeit eine gewisse Unschärfe, ermöglicht andererseits aber durch die Betrachtung aus verschiedenen Blickwinkeln neue Erkenntnismöglichkeiten und lebendige Weiterentwicklung. Es bewahrt davor, in der Tradition zu erstarren, erhält die gedankliche Beweglichkeit und die klinische Reichhaltigkeit, birgt jedoch die Gefahr, sich in der Diversifizierung zu verlieren. Freud hat, nachdem er die Psychoanalyse kreiert hatte, Anteile seiner Theorie sein ganzes Leben hindurch weiterentwickelt, revidiert, umgeschrieben allerdings mit deutlichen Schwerpunktsetzungen, die, einmal geschaffen, unverändert blieben. Aus der Tradition Freuds hervorgehend, haben nachfolgende psychoanalytische Denker mit z. T. unterschiedlichen anthropologischen Grundannahmen und aus verschiedenen Perspektiven auf denselben Erkenntnisgegenstand neue Konzeptualisierungen entwickelt. Die Entwicklung von einer Ein-Personen-Psychologie zu einer Zwei-Personen i

9 oder gar Drei-Personen-Psychologie hat die Komplexität nicht gerade vereinfacht und vor allen Dingen die Vermittlung erschwert. Crux und Chance der Psychoanalyse, eine alte und junge Disziplin zugleich zu sein. Die Weitergabe der psychoanalytischen Wissenschaft bedarf heutzutage eines langen und sorgfältigen theoretischen und praktischen Studiums. Ihre Stärke und Sicherheit findet die Psychoanalyse jedoch allemal in der psychoanalytischen Situation, in der mit einer wissenschaftlichen Methode, d. h. unter durch Regeln festgelegten Bedingungen, die»begegnung«zweier Menschen stattfindet. Die Validierung der einzelnen Theorien oder Konzepte erfolgt noch immer vornehmlich in der psychoanalytischen Praxis und findet dort ihre Evidenz. Die»Klein-Bion-Theorie«bzw. die»postkleinianische Theorie«wird üblicherweise unter die»objektbeziehungstheorien«subsumiert, insofern auch sie als zentrales Moment den Wechsel in der Gewichtung von Triebschicksalen zu Objektbeziehungsschicksalen vollzogen hat. In dieser summarischen Zuordnung wird jedoch den spezifischen Besonderheiten dieser Richtung häufig zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die Objektbeziehungstheorien haben je nach ihren Begründern genannt seien stellvertretend Balint, Winnicott, Fairbairn, Jacobson, Mahler, Kernberg viele Ausgestaltungen erfahren. Aus Sicht der in diesem Band versammelten Autoren bedarf die Klein-Bion-Richtung jedoch gerade im Ensemble dieser Theorien einer gesonderten Darstellung, da sie ihre Konzeptualisierungen immer in enger Verbindung mit der klinischen Praxis am weitesten vorangetrieben und ständig weiterentwickelt hat. D. Taylor spricht von einem»working knowledge«. Diese Form der Psychoanalyse ist einem Theoriekorpus vergleichbar, in dem die Elemente aufeinander und auf das Ganze angewiesen sind, sich gegenseitig stützen und Raum für weitere Entwicklung geben. Es ist daher nur bedingt möglich, einzelne Konzepte aus dem Kontext und der Vernetzung mit anderen Theorieteilen zu lösen. Die Rezeptionsgeschichte zeigt, dass die Gefahr der Vereinfachung und damit eines missverständlichen oder gar floskelhaften Gebrauchs ii

10 nahe liegen wie das z. B. mit dem Begriff des»containment«oder der»projektiven Identifizierung«häufig geschehen ist. Im Gesamt der Theorien ist diese Objektbeziehungstheorie trotz des relationalen Ansatzes in ihrer Zentrierung auf das Unbewusste und auf triebhaft gespeiste unbewusste Phantasien dem Denken Freuds sehr nahe. Von einem überindividuellen interaktiven Ansatz, d. h. der unbewussten Kommunikation via projektiver und introjektiver Vorgänge ausgehend, erfolgt dann doch eine Gewichtung hin zur intrapsychischen Verarbeitung, d. h. zu den verinnerlichten Objektbeziehungen mit dem Aufbau einer»welt innerer Objekte«. Im Containing, modelliert nach der frühesten Kommunikationsform zwischen Mutter und Kind, einer exemplarischen»zwischen-leiblichkeit«(merleau-ponty) mit der Betonung auf psychischen Transformationsprozessen, lässt sich die Verbindung von interpersonalen und intrapsychischen Vorgängen wohl am besten verdeutlichen. Die Klein-Bion-Theorie hat mittlerweile seit ihrem Beginn in den 1930er Jahren weltweite Verbreitung und Anwendung gefunden. Auch in Deutschland, wo die Rezeption nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst nur zögerlich und ambivalent erfolgte, ist die kleinianische Theorie inzwischen etabliert, wird in verschiedenen Anwendungsfeldern wie der Therapie von Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen, in der Arbeit in Gruppen, Großgruppen und Organisationen praktiziert und hat das psychoanalytische Denken insgesamt befruchtet und erweitert. Das ist auch der regen Publikationstätigkeit einiger deutscher Verlage zu verdanken, in denen nicht nur die klassischen Texte dieser Schulrichtung in zumeist vorzüglichen Übersetzungen und mit kenntnisreichen Kommentaren versehen inzwischen vorliegen, sondern auch die wichtigsten postkleinianischen Veröffentlichungen aus dem Ausland vor allem England, Südamerika, Nordamerika herausgegeben werden. Inzwischen gibt es aber auch zahlreiche deutsche Kollegen, die mit bedeutsamen Veröffentlichungen in Fachzeitschriften und Büchern hervorgetreten sind. iii

11 Die Wiederanknüpfung an die durch der Vertreibung der Psychoanalyse aus Deutschland unterbrochene Weiterentwicklung wurde vor allen Dingen auch durch jahrzehntelange Supervisionen mit englischen kleinianischen Analytikern ermöglicht, an der deutsche Analytiker teilgenommen haben und wo in der Arbeit mit Patienten die Besonderheiten dieser Methode und die neuen Denkmodelle in der klinischen Anschauung unmittelbar weitergegeben und aufgenommen werden konnten. So gibt es mittlerweile auch im deutschsprachigen Raum kleinere und größere Gruppen kleinianisch arbeitender Analytiker, und auch die Supervisionstätigkeit geht weiter. Dieses Buch ist aus jahrelangen psychoanalytischen Fallsupervisionen einer Gruppe Frankfurter Kollegen mit englischen Psychoanalytikern hervorgegangen. Hier ist vornehmlich Ronald Britton zu nennen, der uns mit seiner profunden Kenntnis, seiner Kreativität und nicht zuletzt seinem Humor lebendig und anschaulich mit dieser Form des Arbeitens mit Patienten vertraut gemacht hat. Wir haben nicht bei der kleinianischen Theorie angesetzt, sondern waren durch die in der Supervision erfahrene Praxis für bestimmte klinische Phänomene sensibilisiert, die wir verstehen und besser theoretisch fassen wollten. Die Auseinandersetzung mit der Theorie erfolgte also nachträglich, wie das in dieser Schulrichtung, die zunächst immer vom klinischen Phänomen ausgeht, üblich ist. Das Studium der Konzepte war dann aber so hilfreich und nützlich, dass der Gedanke entstand, zunächst einmal diese Begrifflichkeit in einer relativ unkomplizierten Fassung zugänglich zu machen. Warum aber nun eine Neuauflage nach 15 Jahren und zwar in unveränderter Form? Diese Texte wollen erste Orientierungen und basale Kenntnisse vermitteln und können damit die noch immer aktuelle Auseinandersetzung mit dem kleinianischen Denken fundieren. Das erscheint uns in Zeiten des Pluralismus der Psychoanalyse umso dringlicher, damit der Ort und der Geltungsrahmen der Konzepte in ihrem Kontext genauer gefasst werden können. Die Grundzüge zentraler Konzepte der Klein-Bion-Theorie sind kurz und klar dargestellt. Wir konnten nicht alle Konzepte berücksichtigen und iv

12 haben uns auf einige wenige, aber zentrale beschränkt, die einen Eindruck von der Gesamtgestalt der Theorie vermitteln. Wichtige Autoren mussten unberücksichtigt bleiben, die Entwicklungen der letzten Jahre fehlen. Die Auswahl wird so oder so kritikanfällig bleiben, und dennoch können diese Texte so hoffen wir beim Studium oder in der klinischen Arbeit von großem Nutzen sein. Das Buch in seiner vorliegenden Form wurde seinerzeit von uns in einem Diskussionsprozess als Gruppe erarbeitet. So wurden auch in der dritten Auflage keine Veränderungen, Verbesserungen, Erweiterungen vorgenommen, um den Entstehungskontext nicht zu verfälschen. Es ist und bleibt eine Einführung in die Grundzüge kleinianischer Konzepte. Diese sind inzwischen enorm erweitert, verfeinert und ergänzt worden, aber sie wurden nicht ersetzt und haben ihre Relevanz für die Theorie behalten. Das legitimiert uns in gewisser Weise, die Texte nochmals zugänglich zu machen. An dieser Stelle danken wir unseren englischen Supervisoren nochmals für die mit uns verbrachten produktiven und prägenden Lehrjahre. Frankfurt a. M., den 22. September 2013 Rosemarie Kennel v

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