Praktische Parasitologie bei Zoo- und Wildtieren

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1 Wieland Beck Nikola Pantchev Praktische Parasitologie bei Zoo- und Wildtieren E-Book PDF aus der DVD zum Buch: Praktische Parasitologie bei Heimtieren

2 IV Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN (Print) ISBN (E-Book PDF ohne Video-Zusatzmaterial [DVD] der Printausgabe) ISBN (E-Book PDF Praktische Parasitologie bei Zoo- und Wildtieren) Dr. Wieland Beck FTA für Parasitologie, FTA für Kleintiere, Dipl. EVPC München Dr. Nikola Pantchev FTA für Parasitologie Ludwigsburg 2013, Schlütersche Verlagsgesellschaft mbh & Co. KG, Hans-Böckler-Allee 7, Hannover Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden. Eine Markenbezeichnung kann warenzeichenrechtlich geschützt sein, ohne dass diese gesondert gekennzeichnet wurde. Die beschriebenen Eigenschaften und Wirkungsweisen der genannten pharmakologischen Präparate basieren auf den Erfahrungen der Autoren, die größte Sorgfalt darauf verwendet haben, dass alle therapeutischen Angaben dem derzeitigen Wissensund Forschungsstand entsprechen. Darüber hinaus sind die den Produkten beigefügten Informationen in jedem Fall zu beachten. Der Verlag und die Autoren übernehmen keine Haftung für Produkteigenschaften, Lieferhindernisse, fehlerhafte Anwendung oder bei eventuell auftretenden Unfällen und Schadensfällen. Jeder Benutzer ist zur sorgfältigen Prüfung der durchzuführenden Medikation verpflichtet. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr. Reihengestaltung: Groothuis, Lohfert, Consorten glcons.de Satz: Dörlemann Satz, Lemförde Druck und Bindung: Werbedruck Aug. Lönneker, Stadtoldendorf

3 1 Parasitosen der Zoo- und Wildtiere Die Haltungsbedingungen in den Zoos haben sich zunehmend verbessert. Für die Behandlung von Parasiteninfektionen stehen moderne, hochwirksame Endo- und Ektoparasitika zur Verfügung. Daher haben viele früher gefürchtete Parasitosen an Bedeutung verloren. Die prophylaktische parasitologische Überwachung des gesamten Tierbestandes gehört zu den Hauptaufgaben eines Zootierarztes, da durch die spezifischen Haltungs- und Fütterungsbedingungen der Zootiere parasitäre Neu- und Reinfektionen niemals 100%ig auszuschließen sind (Göltenboth 1976). Bei gesunden, artgerecht gehaltenen sowie gut ernährten Tieren entwickelt sich eine natürliche Abwehr gegen Parasiten und damit ein Gleichgewicht zwischen Wirtsorganismus und Parasiten, sodass der Wirt nur unwesentlich oder vielleicht sogar überhaupt nicht geschädigt wird. Trotzdem ist es möglich, dass sich Parasiten explosionsartig vermehren und ein hochgradiger Befall auftreten kann, wie bei Tieren, die unter erheblichem Stress stehen (z. B. rangniedere Tiere in einer Gruppe), oder bei kranken Individuen. Wichtigstes Ziel muss es sein, Parasiteninfektionen möglichst frühzeitig zu erkennen, zu reduzieren und deren Ausbreitung durch geeignete Hygienemaßnahmen zu erschweren. Regelmäßige koprologische Untersuchungen über das ganze Jahr sind für eine effiziente Prophylaxe essenziell. Auf diese Art und Weise erhält man einen Überblick über den Parasitenstatus der Zootiere. Inhalt Tabelle Primaten 3.2 Große Raubkatzen 14.3 Bären und Stinktiere 17.4 Alt- und Neuweltkameliden und andere Wiederkäuer 22.5 Antilope und Gazelle 34.6 Einhufer 35.7 Giraffe und Okapi 38.8 Beuteltiere: Känguru und andere Beuteltiere 39.9 Elefant und Nashorn Fuchs und Dachs 46. Verschiedene Kleinsäuger Marine Säuger und Pinguine Amphibien und Fische Wirbellose 58 Literatur 60 Bildnachweis 64

4 2 Parasitosen der Zoo- und Wildtiere Tabelle.1: Seroprävalenz von Toxoplasma gondii bei Zootieren (n = 121) mittels Indirekter Hämagglutination (IHA; Cut-off 1 : 64) oder eines Indirekten Immunfluoreszenztestes (IFAT; Cut-off 1 : 64) Tierart Insgesamt getestet Ap 1:64 1 1:128 1:256 1:512 1:1024 > 1:1024 Känguru (60 %) Lemur 19 8 (42,1 %) Lisztaffe 2 0 Springtamarin 4 0 Löwenaffchen 2 0 Weißbüschelaffe 1 0 Rolloway-Meerkatze 1 0 Affe 2 1 (50 %) 1 Phillips Rotbauch-Dikdik 8 4 (50 %) 3 1 Schaf 4 4 (100 %) Ziege 4 1 (25 %) 1 Kulan 1 0 Wildschwein 1 0 Waschbär 1 1 (100 %) 1 Brillenbär 2 2 (100 %) 1 1 Braunbär 1 1 (100 %) 1 Riesenotter 1 0 Erdmännchen 2 0 Meerschweinchen 5 0 Chinchilla 1 0 Ratte 2 0 Baumstachler 5 1 (20 %) 1 4 Frettchen 4 0 Fossa (Frettkatze) 5 2 (40 %) 1 1 Schneeleopard (100 %) 1 1 Leopard 1 1 (100 %) 1 Indischer Löwe 1 1 (100 %) 1 6 Löwe 2 1 (50 %) 1 Tiger 1 1 (100 %) 1 Luchs 1 1 (100 %) 1 Ap = Anzahl positiver Tiere (Titer > = 1:64), in Klammern Prozentsatz serologisch positiver Proben. 1 Antikörpertiter der positiven Proben. 2 Verschiedene Arten der Macropodidae. 3 Siehe auch Hermosilla et al. (2010). 4 War auch positiv für T. gondii im EDTA-Blut per PCR (B1-Gen), Todesfälle im Bestand. 5 Alle Feliden wurden mittels IFAT (IgG) untersucht. 6 Dieses Tier zeigte auch einen IgM-Titer von 1 : 128 (eine Einzelbestimmung von IgM war nur möglich mittes IFAT).

5 .1 Primaten 3.1 Primaten In einer Studie zur Parasitenfauna der Rhesusaffen (Macaca mulatta) wurden bei 50 Tieren insgesamt 19 Parasitenarten vorgefunden. Dies sind nach der Häufigkeit ihres Vorkommens: Strongyloides fuelleborni (76 %), Pedicinus obtusus (56 %), Oesophagostomum bifurcum (52 %), Pneumonyssus simicola (26 %), Oesophagostomum aculeatum (20 %), Trichuris trichiura (20 %), Streptophargus armatus (12 %), Trichostrongylus colubriformis (8 %), Bertiella studeri (6 %), Nochtia nochti (4 %), Gastrodiscoides hominis (4 %), Primatotrema macacae (4 %), Sarcocystis kortei (2 %), Sarcocystis nesbitti (2 %) und Enterobius bipapillatus (2 %). Nicht determinierbar waren 4 Parasitenspezies (Zystizerus, Capillaria sp., Gongylonema sp. und Spiruroidea s.l., je 2 %). Anhand von 8 Darmtrakten, zwei Organproben und abgehenden Würmern von 20 Javaneraffen (Macaca irus) wurden folgende Parasiten bestimmt: Primatotrema macacae, Nochtia nochti, Strongyloides fuelleborni, Oesophagostomum aculeatum, Trichuris trichiura, Streptophargus armatus, Physaloptera tumefaciens und Edensonfilaria malayensis. Primatotrema macacae wurde eindeutig beim Javaneraffen nachgewiesen, die Validität von Phaneropsolus magnitesticulatus wird infrage gestellt. Untersuchungen an frisch importierten Makaken bestätigten Strongyloides fuelleborni und Oesophagostomum spp. als extensiv und intensiv bedeutendste Parasiten (Prosl u. Tama 2010). Entamoeba histolytica und andere Entamoeba spp. Erreger: Infektionen mit Amöben sind bei Alt- und Neuweltaffen regelmäßig, bei Halbaffen eher selten anzutreffen. Insbesondere Menschenaffen (v. a. Orang-Utans, Schimpansen und Zwergschimpansen; cave: Zoonose!), Schlank-, Stummel- sowie Neuweltaffen sind von dieser Parasitose betroffen (Brack et al. 1995). Entamoeba histolytica (Syn.: Entamoeba dysenteriae) ist der Erreger der weltweit verbreiteten humanen Amöbiasis (jährlich sterben ca Menschen) und ruft die bei Affen, Menschen, Raubtieren oder Hunden vorkommende Amöben- Dysenterie hervor. Aus den µm großen, harmlosen Minutaformen (lat. minutus = winzig; ca. 15 µm große Einzeller), die als Kommensalen anzusehen sind, entstehen im Dickdarm Zysten mit zunächst 1, später 4 Kernen, die mit dem Kot ausgeschieden werden. Nach oraler Schmutzinfektion über kontaminierte Nahrung bzw. verunreinigtes Trinkwasser entstehen im Dünndarm die µm großen pathogenen Gewebeformen (Magna- oder Histolyticaformen; lat. magnus = groß; ca. 40 µm große Einzeller). Wenn die Magnaformen in die Dickdarmmukosa eindringen, lösen sie unter Einwirkung proteinspaltender Enzyme das Gewebe auf. Die Folgen sind eine schwere Kolitis und heftiger Durchfall. Entamoeba histolytica tritt in verschiedenen Stämmen mit ausgeprägt wandelbarer Virulenz auf. Auch bei jungen Hunden und Katzen löst der Erreger intestinale Störungen aus. Beim Menschen sind Leberabszesse beschrieben. In Tierparks sind Menschenaffen (Schimpansen, Gorillas, Orang-Utans) durch den heftigen intestinalen Verlauf, der vielfach tödlich endet, besonders gefährdet (Ahne 2000). Die apathogene Art Entamoeba dispar kann morphologisch nicht von Entamoeba histolytica unterschieden werden (Diamond u. Clark 1993) (Abb..1a). Solange keine molekularbiologische Abgrenzung erfolgt ist, kann nicht gesagt werden, ob der klinische Verlauf absolut harmlos ist oder mit schweren Störungen einhergeht. Entamoeba coli kommt im Dickdarm von Affen, Menschen und Hunden vor. Die vegetativen Formen sind µm groß; die Zysten sind 8-kernig (Abb..1b). Inwieweit diese Spezies pathogene Effekte hat, ist.1.1 Protozoen Amöben Abb..1a Amöbenzyste mit 2 sichtbaren Kernen (verdächtig für Entamoeba histolytica oder E. dispar) von einem Affen (Iod-Färbung eines Kotausstriches; Balken 20 µm). Abb..1b Entamoeba-coli-Zyste (8 Kerne) von einem Affen (Iod-Färbung eines Kotausstriches; 630 ).

6 4 Parasitosen der Zoo- und Wildtiere Abb..2a Baucheingeweide von mit Entamoeba nuttalli infizierten Guerezas. Abb..2b, c Multiple subakute bis chronisch aktive linsengroße Magenulzera mit ausgeprägten zentralen Nekrosen und einem wulstartig aufgetriebenen Rand. Hyperämie und Blutungen der Magenschleimhaut, korrespondierend zu den Ulzera bei mit Entamoeba nuttalli infizierten Guerezas. umstritten. Wahrscheinlich handelt es sich um eine apathogene Form. Tachibana et al. (2009) isolieren Entamoeba nuttalli (Abb..2a g) von in menschlicher Obhut gehaltenen Japanischen Makaken (Macaca fuscata), der auch bei Rhesusaffen (Macaca mulatta) und Guerezas (Colobus guereza) bereits nachgewiesen wurde (Schauerte 2010). Dieser phylogenetisch zwischen Entamoeba histolytica und Entamoeba dispar stehenden Spezies wird eine potenzielle Pathogenität zugeschrieben. Entamoeba gingivalis kann im Zahnfleisch von Primaten nachgewiesen werden. Infolge mangelnder Hygiene kommt diese Spezies vielfach im Mundbereich des Menschen vor und wird hauptsächlich durch Mundkontakt weitergegeben (Ahne 2000). An dieser Stelle soll der Vollständigkeit halber auf sog. Limaxamöben hingewiesen werden, die in verunreinigten Gewässern oder künstlichen Wassersystemen (Schwimmbäder, Kühlwasser von Klimaanlagen, Pipelines) vorkommen und direkt oder indirekt zu schweren Krankheiten beim Menschen (Lungenentzündung, Meningoenzephalitis) führen können. Ein spektakuläres Beispiel hierzu ist die in Philadelphia (USA) im Jahre 1976 aufgetretene Legionärskrankheit. Die Amöben im Kühlwasser von Klimaanlagen sind Vektoren des humanpathogenen Bakteriums Legionella pneumophila. Infolge eines Kühlwassersystemdefektes gelangten die Bakterien in die Atemluft und verursachten Massenerkrankungen, zum Teil mit Todesfolge, unter den in einem Hotel versammelten Legionären (Ahne 2000).