R I C H T I G E F I N D E N D R. T H O M A S R I T T E R A R T I S T I C D R E S S A G E. C O M

Transkript

1 D I E R I C H T I G E Übung F I N D E N D R. T H O M A S R I T T E R A R T I S T I C D R E S S A G E. C O M

2 1 Die richtige Übung finden Ich staune noch immer, wenn ich sehe wie sehr man ein Pferd verwandeln kann, wenn man nur die richtige Übung oder die richtige Kombination von Übungen findet. Es gibt Übungen, die einer Vielfalt von Zielen dienen: Verbesserung des Balanciervermögens des Pferdes, Mobilisierung von Becken, Schultern, Wirbelsäule oder Genick, Vorbereitung und/oder Verbesserung von Übergängen, Vorbereitung und/oder Verbesserung von fliegenden Wechseln, Traversalen und anderen Lektionen Verbesserung des Körpergefühls und der Koordination des Pferdes, Erklären und verbessern von bestimmten Hilfen und Bewegungen, Herstellen von Verbindungen des Pferdes mit den Hilfen und dem Boden. Wenn man spezifische, zielgerichtete Übungen auswählt, die diejenigen Bereiche verbessern, in denen das Pferd Defizite hat, wird man in einer kurzen Zeit eine Verbesserung, manchmal sogar eine sehr dramatische Verbesserung, sehen können. Aber woher weiss man, welches die richtige Übung ist? Wie weiss man, worin die Defizite des Pferdes bestehen? Wie entscheidet man, welche Übung man einsetzt? Es gibt natürlich die offensichtlichen Antworten, die man immer bekommt: Gefühl und Erfahrung. Aber was ist, wenn diese beiden zu einem bestimmten Pferd keine brauchbaren Ideen liefern?

3 2 Wenn Sie noch am Anfang Ihrer reiterlichen Entwicklung stehen, haben Sie noch keine Erfahrung, auf die Sie zurück greifen können und Ihr Gefühl ist noch nicht sehr weit entwickelt. Oder selbst wenn Sie eine erfahrene Ausbilderin sind, aber Sie arbeiten mit einer Rasse, die Ihnen neu ist, oder mit einem Individuum, das scheinbar gegen alle bekannten Regeln verstößt (und solche Individuen gibt es ab und zu), wie gehen Sie vor? Wenn ich nicht genau weiss, was die Wurzel eines Problems ist, verwende ich Übungen, um mehr Informationen darüber zu bekommen, wie das Pferd tickt und wo potentielle Problemzonen sind. Ich verwende dazu Übungen aus der obigen Liste, nicht um ein Problem zu beheben oder um sofort eine dramatische Verbesserung zu erzielen, sondern um zuerst ein besseres Verständnis davon zu bekommen, woraus das Problem besteht und woher es kommt. Man kann schnell die wichtigen Muskelgruppen mit spezifischen Übungen gezielt auf ihre Steifheit oder Geschmeidigkeit hin überprüfen. Genick oder Hals Wenn man Muskelblockaden im Genick oder Hals vermutet, kann man seitliche Biege- und Dehnungsübungen an der Hand vornehmen, um die Muskeln in der Ganasche, der Halsmitte und am Halsansatz zu dehnen.

4 3 Pferdeschultern Will man herausfinden, ob ein Widerstand seinen Ursprung in den Pferdeschultern hat, kann man Schulterwendeübungen reiten, wie Ecken, Volten, Hinterhandwendungen, Passaden oder Pirouetten. Hinterhand Vermutet man, dass ein Widerstand aus der Hinterhand kommt, kann man dies sehr schnell testen, indem man beispielsweise Schulterherein auf dem Zirkel reitet oder Konterschulterherein auf einer geraden Linie oder auch ein Viereck verkleinern und vergrößern. Brustkorbs & Wirbelsäule Möchte man die Beweglichkeit des Brustkorbs testen, sind Zirkel vergrößern und Achten sehr gut dafür geeignet. Will man die Beweglichkeit der Wirbelsäule testen, kann man in der gegenwärtigen Linie und Lektion die Biegung wechseln. Das könnte eine einfache Konterbiegung auf dem Zirkel im Trab sein oder eine Außenstellung im Galopp oder auch ein Übergang vom Schulterherein zum Renvers bzw. vom Konterschulterherein zum Kruppeherein. Die seitliche Balance, das Körpergefühl und die Koordination des Pferdes Es gibt darüberhinaus auch Übungen, die die seitliche Balance, das Körpergefühl und die Koordination des Pferdes testen und verbessern.

5 4 Ein sehr effektives Mittel Ein sehr effektives Mittel ist hier, wenn man aus dem geschlossenen Halten auf dem ersten Hufschlag das innere Hinterbein hochheben und eine Hufbreite vorsetzen lässt. Das ist nur möglich, wenn das Pferd sein Gewicht mit dem äußeren Hinterbein stützt. Ruht das Gewicht auf dem inneren Hinterbein, wird es zuerst die Last auf die andere Körperseite übertragen müssen, was manchen Pferden recht schwer fällt. Für manche Pferde ist es sehr schwierig, nur einige wenige Zentimeter vorzurücken, weil sie es gewohnt sind, immer Riesenschritte zu machen. Eine weitere Art von Übung Eine weitere Art von Übung, welche die seitliche Balance und Koordination testet und verbessert, besteht aus ein paar Tritten im ganzen Travers nach links und rechts, da das Pferd dabei sein Gewicht seitlich hin und her bewegen muss. Vorhandwendungen links und rechts im Wechsel erfordern ebenfalls seitliche Gewichtsverlagerungen. Das Pferd lernt in diesen Übungen zudem, dass der Reiter auf beiden Seiten des Pferdekörpers ein Bein und einen Zügel hat und dass es zwischen denselben bleiben soll. Es lernt, dem einen Schenkel zu weichen und gleichzeitig den gegenüberliegenden Schenkel und Zügel zu beachten. Es sollte dem einen Schenkel weichen und sich vom gegenüberliegenden Schenkel einrahmen und anhalten lassen, anstatt dem einen Schenkel davonzulaufen und den anderen über den Haufen zu rennen.

6 5 Übungen als Test einer Hypothese Manchmal beobachte ich im Unterricht, dass ein Pferd jedesmal einen Fehler macht oder eine negative Reaktion zeigt, wenn es das Gewicht für ein paar Tritte beispielsweise vorwiegend mit dem rechten Hinterbein stützen muss. In so einem Fall teste ich diese Hypothese mit einigen Übungen, die das rechte Hinterbein beanspruchen. Eine Möglichkeit wäre, dass man ein Schulterherein rechts reitet, um das rechte Hinterbein mehr unter den Körper zu befördern, gefolgt von einer Kurzkehrtwendung nach rechts, um das Gewicht von Pferd und Reiter auf dieses Hinterbein zu verlagern. War die Beobachtung richtig, würde man eine negative Reaktion in der Kurzkehrtwendung erwarten. Wiederholt man dieselbe Übung einige Male, ist es wichtig zu beobachten, ob sich das Verhalten des Pferdes verändert. Sehr oft gelingt eine Übung beim ersten Mal nur schlecht, das Pferd geht über den Zügel und zeigt Widerstände. Beim zweiten Mal geht es schon viel besser und bei der dritten Wiederholung können Pferd und Reiter die Übung relativ geschmeidig ausführen, da bei beiden ein Lerneffekt eingesetzt hat und die Muskeln des Pferdes geschmeidiger geworden sind. Es ist genauso wichtig, das Pferd anschließend in einer höheren Gangart auf einem einfachen Zirkel oder der ganzen Bahn zu beobachten, um herauszufinden, welche Wirkung die Übung auf den Gang und die Haltung des Pferdes hatte. In vielen Fällen kann man beobachten, dass ein Pferd eine bestimmte Übung schwierig findet, aber wenn man anschließend im Trab oder Galopp geradeaus reitet, ist es viel runder und durchlässiger und die Grundgangart hat sich deutlich verbessert. Sollte sich der Widerstand jedoch vergrößern oder das Pferd anschliessend schlechter werden, ist das oft ein Indiz für eine Verletzung.

7 6 Nachdem man den Körperteil getestet hat, in welchem man die Muskelblockade vermutet, sollte man die Gegenprobe machen. Im obigen Beispiel sollte man das Schulterherein und die Kurzkehrtwendung auch auf der linken Hand reiten und dabei sowohl beobachten und vergleichen, wie das Pferd sie auf beiden Händen ausführt, als auch wie die Übung den Gang und die Haltung beeinflusst. Stellen Sie folgende Fragen Auf welcher Hand ist die Übung schwieriger zu reiten? In welcher Hinsicht ist sie schwieriger? Auf welcher Hand verbessert die Übung das Pferd mehr? In welcher Hinsicht hat es sich verbessert? Mit anderen Worten, wir müssen neu definieren, was die richtige Übung ist. Die meisten Reiter glauben, dass die richtige Übung alles sofort verbessert und schön aussehen läßt (was den meisten sehr wichtig ist). Es ist allerdings unter den gegebenen Umständen manchmal nicht möglich, in einer direkten Linie vom Status quo zur Perfektion zu gelangen. Sehr oft muss man erst Ursachenforschung betreiben, um herauszufinden, was das Pferd an der korrekten Ausführung einer Lektion hindert, bevor man die richtigen Massnahmen ergreifen kann. Das ist der Vorgehensweise eines Arztes sehr ähnlich. Ein guter Arzt wird nicht willkürlich irgendeine Behandlungsmethode oder irgendein Medikament bei einem Patienten anwenden, ohne diesen zuvor gründlich zu untersuchen.

8 7 Alle Übungen, die wir reiten, besitzen einen diagnostischen Aspekt. Alle Übungen, die wir reiten, besitzen einen diagnostischen Aspekt, d.h. sie zeigen uns, ob ein bestimmter Muskel geschmeidig oder steif ist. Gleichzeitig besitzen sie therapeutische Eigenschaften. Sie dehnen und kräftigen bestimmte Muskelgruppen. Wir können eine Übung auswählen, um mehr Informationen über ein Pferd und seine Problematik zu bekommen. Wenn wir die Ursache des Problems bereits kennen, suchen wir Übungen, die diese Wurzel des Problems beseitigen. Zum Beispiel wenn ein Pferd in den fliegenden Wechseln hinten zu spät umspringt, müssen wir die zugrunde liegende Ursache ermitteln. Ein sauberer fliegender Wechsel erfordert, dass das Pferd sein Gewicht leicht von einer Seite zur anderen zu verlagern kann, dass es leicht die Biegung wechseln kann und dass es seine Hüften ungehindert nach rechts und links bewegen kann ohne mit den Schultern die gerittene Linie zu verlassen. Springt das Pferd hinten zu spät um, wird man in mindestens einem dieser drei Punkte ein Defizit beobachten. Sobald man das Defizit gefunden hat, kann man die Geschmeidigkeit und Koordination des Pferdes auf diesem Gebiet verbessern durch Übungen, die so aussehen, als hätten sie nichts mit dem fliegenden Wechsel zu tun. Hat man damit genug Fortschritte erzielt, kann man wieder einen fliegenden Wechsel probieren, der dann in der Regel besser gelingen wird. Dies waren einige Beispiele, die meine Denkweise illustrieren.

9 8 Alles, was wir reiten, erlaubt uns, etwas Neues über das Pferd zu lernen. Wenn man genau aufpasst, wird man interessante Beobachtungen machen können, gleichgültig ob man Zirkel, Quadrate, Rechtecke, Dreiecke, Ovale, Seitengänge oder Übergänge reitet. Wenn Sie etwas Interessantes gefunden haben, können Sie es durch Übungen untersuchen, die Ihren Gedankengang weiter spinnen. Und sobald Sie ein klares Verständnis davon besitzen, was dem Pferd Schwierigkeiten bereitet, können Sie Übungen entwerfen, die ihm helfen, diese Probleme zu überwinden.