Hanns Seidel Wegbereiter in eine neue Zeit

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1 Hans Zehetmair Hanns Seidel Wegbereiter in eine neue Zeit Publikation Vorlage: Datei des Autors Eingestellt am 29. Juli 2011 unter Autor Dr. h.c. mult. Hans Zehetmair Staatsminister a.d., Senator E.h. Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung Veranstaltung Hanns Seidel Wegbereiter in eine neue Zeit Veranstaltung der Hanns-Seidel-Stiftung am 29. Juli 2011 im Konferenzzentrum München Empfohlene Zitierweise Beim Zitieren empfehlen wir hinter den Titel des Beitrags das Datum der Einstellung und nach der URL-Angabe das Datum Ihres letzten Besuchs dieser Online-Adresse anzugeben. [Vorname Name: Titel. Untertitel (Datum der Einstellung). In: (Datum Ihres letzten Besuches).]

2 Begrüßung und Eröffnung des Vorsitzenden der Hanns-Seidel-Stiftung, Staatsminister a.d. Dr. h.c. mult. Hans Zehetmair, anlässlich des Festkolloquiums zum 50. Todestag und 110. Geburtstag Dr. Hanns Seidels, 29. Juli 2011, Uhr. Hanns Seidel Aufbruch in eine neue Zeit Begrüßung von: Landtagspräsidentin Barbara Stamm! Angehörige der Familie Seidel! Meine Stellvertreterin, Frau Professor Ursula Männle, und die anwesenden Mitglieder der Hanns-Seidel-Stiftung! Kollegen aus dem Bayerischen Landtag, an der Spitze den CSU- Fraktionsvorsitzenden Georg Schmid! Kollegen der Konrad-Adenauer-Stiftung, vertreten durch die Hauptabteilungsleiterin Politische Bildung, Frau Dr. Melanie Piepenschneider! Kollegen der Friedrich-Naumann-Stiftung, vertreten durch den Bereichsleiter Politische Bildung, Herrn Dr. Gerhard Söltenfuß! Das neue Tutzinger Doppelgestirn: Frau Professor Ursula Münch von der Politischen Akademie und Herrn Oberkirchenrat Udo Hahn von der Evangelischen Akademie Tutzing! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! 1

3 Wir gedenken heute eines Mannes, den "Bescheidenheit und Zurückhaltung" ebenso gekennzeichnet haben wie "die Scheu vor öffentlichem Lob und leerer Rhetorik". Er hätte sich, was das öffentliche Lob betrifft, heute unter uns also vermutlich nicht recht wohl gefühlt. Leere Rhetorik hätte er in diesen Räumen allerdings nicht fürchten müssen. Wir gedenken heute eines Mannes, dessen Wesen sein Vorvorgänger und Nachfolger im Amt des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard, noch am Tag der Beerdigung in einer kurzen Gedenksitzung des Ministerrats mit den treffenden Worten charakterisiert hat: "Geradlinigkeit, Klarheit, kritisches und selbstkritisches Maßhalten, nüchternes Urteil, ein unbestechlicher Sinn für Recht und Gerechtigkeit und eine außerordentliche Arbeitskraft". Wir gedenken heute des früheren bayerischen Wirtschaftsministers, dann Landesvorsitzenden sowie Oppositionsführers der Christlich- Sozialen Union in den etwas trüben Zeiten der Viererkoalition, den seine so ungewöhnliche wie steile Karriere aber schließlich verdient und zum Wohle unseres Landes in das "schönste Amt der Welt" getragen hat. Wir gedenken heute des Namensgebers unserer Politischen Stiftung. Wir gedenken und erinnern heute an Dr. Hanns Seidel. Willkommener Anlass ist uns hierzu ein doppelter Jahrestag: 2011 rundet sich sowohl der 50. Todestag Hanns Seidels, den wir in wenigen Tagen, am 5. August, feierlich an seinem Grab auf dem Münchner Westfriedhof mit einer morgendlichen Kranzniederlegung begehen 2

4 werden. Es rundet sich aber auch am 12. Oktober der 110. Geburtstag dieser großen Persönlichkeit der deutschen Nachkriegsgeschichte. Wir feiern heute gewissermaßen also auch seinen Geburtstag. Anrede! Mit Recht trägt unsere der Christlich-Sozialen Union nahestehende Politische Stiftung seit ihrer Gründung 1967 den Namen Hanns Seidels. Vielfältige Gründe für diese Entscheidung und ihre bleibende Richtigkeit sind seitdem immer wieder genannt worden. Zwei davon möchte ich Ihnen als Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung an dieser Stelle kurz ins Gedächtnis rufen: Seit seinen Schultagen hatte Hanns Seidel den humanistischen Bildungsgedanken mit seiner Idee der selbstverantwortlichen, umfassenden Persönlichkeitsformung durch fortwährendes eigenes Streben tief verinnerlicht. Nach seinen Erfahrungen mit dem nationalsozialistischen Unrechtsstaat und geprägt durch seinen eigenen beruflichen Werdegang konzentrierte sich dieser Grundgedanke für ihn in der jungen Bundesrepublik Deutschland dann besonders auf den Bereich der politischen Bildung. "Wer die politische Wirklichkeit aufmerksam betrachtet", bekannte er 1956 im Bayerischen Landtag, "kann nicht übersehen, dass die Idee eines freiheitlichen politischen Systems keineswegs als ein fester Erlebniswert im Bewusstsein unseres Volkes lebendig und wirksam ist. Gewiss sind Fortschritte gemacht worden, aber schon die Tatsache, dass wir gezwungen sind, uns immer mehr [ ] mit den Angriffen von rechts und links gegen dieses System zu beschäftigen, muss uns beweisen, wie sehr wir noch von politischer Bildung entfernt sind." 3

5 Dass eine Politische Stiftung, zu deren Kernauftrag die politische Bildung gehört und als deren "permanente und eigentliche Aufgabe" Bundespräsident Roman Herzog später "die Erziehung zur Demokratie" bezeichnen sollte, heute den Namen Hanns Seidels trägt, ist vor diesem Hintergrund mehr als schlüssig. Anrede! Ein zweiter Punkt ist damit bereits angeklungen, denn Hanns Seidel hat eben nicht nur in seinem konkreten Fachgebiet, der Wirtschaftspolitik, für den Freistaat Bayern Zukunftsweisendes geleistet. Wie wenige seiner Weggefährten hat der christsoziale Denker der ersten Stunde immer wieder auch grundsätzliche Überlegungen zum Verhältnis von Weltanschauung, Wertbindung, Moral und politischem Handeln angestellt. Zeitlebens ließ ihn die Frage nach einer ethischen Fundierung der Politik nicht los. Für Hanns Seidel persönlich lag dieses Fundament festgegründet in seinem christlichen Glauben katholischer Prägung. Dieser war ihm Richtschnur für alle wesentlichen Probleme der politischen Ethik. Dieser machte ihn zu einem Politiker, für den Toleranz nicht nur Duldung, sondern Achtung vor dem anderen war. Dieser ließ ihn unprätentiös und ehrlich seinem eigenen Idealbild eines "Politikers aus christlicher Verantwortung" nahekommen, das er seiner christlichen Volkspartei 1960 folgendermaßen ins Stammbuch geschrieben hatte. Ich zitiere: "Die Glaubwürdigkeit und die Rechtfertigung einer solchen Partei hängt davon ab, ob in ihr ein unerschütterlicher Kern von Menschen tätig ist, der in der Politik nicht nur eine Gelegenheit zur Ausübung der Macht sieht, sondern der von der Überzeugung durchdrungen ist, dass es keine 4

6 Diskrepanz zwischen Weltanschauung und politischem Handeln geben darf, dass vielmehr Politik ein Auftrag ist, dessen Vollzug am Ende der Tage verantwortet werden muss. Je größer und zuverlässiger dieser Kern ist, desto weiter kann der Bogen gespannt werden, unter dem Menschen der verschiedensten Herkunft ihre politische Heimat finden können." Hanns Seidel war überzeugt von der Notwendigkeit der normativen Bindungen politischen Handelns. Er glaubte an die Überzeugungskraft rationaler Argumente in der politischen Auseinandersetzung. Und trotz seiner engen Bindung an Prinzipien war er kein Doktrinär, sondern ein weitsichtiger und erfolgreicher Mann der politischen Praxis. Einer Politischen Stiftung, die in Bayern, Deutschland und Europa Wissen und Werte vermittelt, die ihre weltweite Arbeit für Demokratie, Frieden und Entwicklung in ihrer Satzung explizit auf "christlicher Grundlage" verortet und sich zum "christlichen Menschenbild" als Orientierungsmaßstab bekennt, steht dieser Namenspatron auch in ihrem fünften Lebensjahrzehnt gut an. Die Hanns-Seidel-Stiftung trägt seinen Namen mit Stolz und dem Bewusstsein der daraus resultierenden Verpflichtung. Die Hanns-Seidel-Stiftung trägt seinen Namen darüber hinaus heute als Mittlerin zwischen Wissenschaft, Politik, Kultur und den Menschen vor Ort in über 70 Ländern dieser Erde. Vielleicht hätte sich unser Jubilar nicht aus persönlicher Eitelkeit, sondern um der Sache willen über diese Tatsache in aller Bescheidenheit doch ein wenig gefreut. Anrede! 5

7 Im Doppelgedenkjahr würdigt die Hanns-Seidel-Stiftung ihren Namensgeber in Form einer neuen Broschüre, die für Sie im Foyer zur Mitnahme bereit liegt. Sie trägt den treffenden Titel "Hanns Seidel Aufbruch in eine neue Zeit". Sie ist entstanden unter der maßgeblichen Mitwirkung des Historikers Dr. Stephan Deutinger und des Grafikers Stefan Josef Bittl. Beide Herren sind heute unter uns, so dass ich ihnen hiermit persönlich meinen großen Dank aussprechen kann. Hinweisen möchte ich Sie auch auf das druckfrische Heft unserer "Politischen Studien", das ebenfalls ausliegt. Es enthält ein langes Zeitgespräch mit Herrn Professor Dr. Christian Seidel, der auf eindrucksvolle Art viele unbekannte, sehr persönliche Facetten seines Vaters schildert. Auch Ihnen, Herr Professor Seidel, ein warmer und persönlicher Dank für diese Einblicke in Wesen und Werk Ihres geschätzten Herrn Vaters. Anrede! Zentrales Anliegen unserer heutigen Veranstaltung ist neben dem ehrenden Gedenken an Dr. Hanns Seidel, den Wegbereiter für eine neue Zeit, auch das Aufgreifen eines seiner bereits genannten Kernthemen: die politische Bildungsarbeit. Auch in dieser Hinsicht war Dr. Hanns Seidel zweifellos ein Wegbereiter. Wir dürfen und werden deshalb mit Recht und Gewinn danach fragen, welche aktuelle Bedeutung politischer Bildung heute zukommt und welchen Herausforderungen sie im 21. Jahrhundert entgegen geht. Dies näher zu beleuchten obliegt aber nun nicht mir, sondern mit der Präsidentin des Bayerischen Landtags, Barbara Stamm, und der 6

8 künftigen Leiterin der Politischen Akademie Tutzing, Frau Professor Dr. Ursula Münch, zwei charmanten Damen. Getrost darf ich jetzt das Mikrophon dieser geballten "Frauen-Power" überlassen, allerdings nicht, ohne auch den Musikern des Arcis Cello- Ensembles München noch einmal für die musikalische Umrahmung dieses Festakts gedankt zu haben! 7