Die Disselmersch. Das Projekt Lippeschiene. Unterstützung durch die NRW-Stiftung
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- Rainer Gerstle
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1 12 Dolberg Die Disselmersch In wenigen Jahren soll westlich von Lippborg eine entfesselte, strukturreiche Lippe in einer von weiten, offenen und häufig überschwemmten Wiesen und Weiden geprägten Aue fließen. Die Aue wird dann über Flutrinnen aktiv in das Hochwassergeschehen eingebunden sein. Klostermersch Lippstadt Uentrop Disselmersch Lippborg Anepoth Herzfeld Schultenkuhle Wulfesknapp Hellinghauser Mersch Hultrop Hovestadt Eickelborn Benninghausen Das Projekt Lippeschiene In den 1980er Jahren - schon vor dem Gewässerauenprogramm des Landes NRW - entwickelten der Kreis Soest und die ABU das Projekt Lippeschiene. Hierunter ist eine Kette von besonders wertvollen, wenn auch oftmals bereits beeinträchtigten Flächen entlang der Lippe zu verstehen, die es zu sichern und zu entwickeln galt. Die Hellinghauser Mersch, die Klostermersch, der Wulfesknapp, die Schultenkuhle, Flächen der Gemeinden, das Gebiet Anepoth, die Disselmersch und der Winkel gehören dazu. Das StUA Lippstadt, der Lippeverband, der Kreis Soest, die Stadt Lippstadt, die Gemeinde Lippetal, die NRW-Stiftung und die ABU engagieren sich seitdem an verschiedenen Stellen in der Lippeaue. Unterstützung durch die NRW-Stiftung Die Hellinghauser Mersch und die Disselmersch waren mit insgesamt etwa 350 Hektar in ihrer Flächenausdehnung so groß, dass der Kauf und die Entwicklung dieser Flächen nur mit Unterstützung Dritter gelingen konnte. Also wandte sich 1990 die ABU ermutigt und unterstützt vom Kreis Soest an die Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege. Die NRW-Stiftung erklärte sich bereit, die Flächen in diesen beiden Auenabschnitten zu erwerben und deren Entwicklung zu finanzieren. In den vergangenen 10 Jahren sind gut 6 Millionen Euro in diese beiden Gebiete geflossen, die Lippeschiene ist eines der größten Projekte der NRW-Stiftung.
2 13 Das Gebiet heute Das Projektgebiet Disselmersch umfasst die Lippeaue westlich von Lippborg von der B 475 flussabwärts beidseits der Lippe auf einer Länge von rund 3 km. Das Gebiet ist 110 ha groß. Neben den tief gelegenen, regelmäßig überschwemmten Auenflächen sind auch die selten bis nicht überschwemmten Hochterrassen teilweise einbezogen. In der Aue domiert Grünland, Ackernutzung findet nur in geringem Umfang und ganz überwiegend auf den höher gelegenen Standorten statt. Die Bodenverhältnisse sind sehr unterschiedlich: auf den regelmäßig überschwemmten Flächen hat sich im Laufe der Grenze des Projektgebietes Disselmersch Lippe Im Winkel hellgrau: das Überschwemmungsgebiet Lippborg Jahrtausende eine mehrere Dezimeter dicke Auenlehmschicht abgelagert; die Hochterrassen dagegen sind sandgeprägt. Eine große Sanddüne, die auf dem Urmesstischblatt noch erkennbar ist, wurde im Laufe der Jahrzehnte weitgehend abgebaut. Die Aue wird heute von einem leistungsfähigen Vorflutersystem durchzogen; es entwässert die dränierten Flächen und lässt Hochwässer schnell ablaufen. Die Aue ist also künstlich ausgetrocknet. Heute noch als flache Mulden erkennbare Flutrinnen sind verfüllt und von der Lippe abgeschnitten. Die Lippe wurde bis in die 1970er Jahre in ein Regelprofil gezwängt, die Ufer mit Fliesmatten und Schüttsteinen fixiert und mit Weidenbüschen bepflanzt. Das durchgehende Ufergehölz vermittelt zwar einen naturnahen, romantischen Eindruck, die Tier- und Pflanzenwelt aber ist stark verarmt. Die für Fließgewässer bedeutsamen dynamischen Prozesse haben an den befestigten Ufern keine Chance. Die Lippesohle ist zu schmal und tief eingeschnitten, künstlich angelegte Sommerdeiche entkoppeln Fluss und Aue. Eine Verbindung mit der Aue besteht nur noch wenige Tage im Jahr bei größeren Hochwasserereignissen.
3 14 Panoramablick über die Disselmersch nach Süd-Osten. Im linken Vordergrund sieht man einen Teil der Weidefläche, die ganzjährig von ABU-eigenen Rindern und Konik-Pferden beweidet wird. Das Lippeufer hat der Lippeverband bereits von der Befestigung befreit; hier brüten inzwischen Uferschwalben. Im Hintergrund ist der Kirchturm von Lippborg zu sehen. Foto: J. Drüke, N Lippborg N Lippborg Panoramablick über die Disselmersch nach Nord-Nordwest. Am linken Bildrand ist die Museumsbahn Heintrop und die Straße nach Bünninghausen zu sehen. Der Blick geht über die sandige Hochterrasse der Lippe, die nur bei sehr großen Hochwässern überschwemmt wird. Das Eichenwäldchen in der Bildmitte steht auf dem Rest einer ehemaligen Düne, die sich in der Verlängerung des Wäldchens nach rechts bis zu heutigen B 475 erstreckte. Foto: J. Drüke, Ganzjahresweide mit Heckrindern in der Disselmersch. Foto: J. Drüke Juli 2001
4 15 Die typische, vom Menschen über Jahrhunderte veränderte Lippeaue Die Lippe ist eingetieft, befestigt und schmal. Eine Verwallung verhindert Überschwemmungen bei kleineren Hochwässern. Entwässerungsgräben durchziehen die Aue und trocknen sie aus. Die Aue selber ist vielfach eingeebnet. Viele Senken, Rinnen und Tümpel sind verfüllt. beim Ausbau der Lippe abgetrennte Lippeschleife Lippe grau: Überschwemmungsgebiet Projektgebiet Disselmersch Lippborg Entwässerungsgraben Schnitt durch die ausgebaute Lippe und die heutige Aue: HW 3 ist ein Hochwasserstand, der - betrachtet über einen langen Zeitraum - alle drei Jahre erreicht oder überschritten wird. Kleinere Hochwässer ufern in der ausgebauten Lippe also nicht aus. Ein Leitbild der Lippe und ihrer Aue Ein Leitbild vermittelt einen Eindruck von der Lippe und ihrer Aue, wie sie unter natürlichen Bedingungen aussähe. Orientiert man sich hieran bei Entwicklungsmaßnahmen, so arbeitet man nicht gegen, sondern mit der Natur. eine Kuhle, die ständig Wasser führt dauerhaft nasse Flutrinne Bereiche Mündungstrichter eines Flutrinnensystems Grafiken: J. Drüke Schnitt durch die naturnahe Lippe und ihre Aue: Die Lippe ist flach und recht breit. Sie überschwemmt bereits bei kleineren Hochwässern, d.h. jedes Jahr für einige Wochen, ihre Aue. Am Fuß der die Aue begrenzenden Hochterrassen sind bereichsweise Randsümpfe ausgebildet. Hier tritt das Grundwasser zutage. Flutrinnen durchziehen die Aue. Der Schnitt zeigt den denkbaren Zustand einer beweideten Aue. Welche Anteile der Lippeaue unter natürlichen Bedingungen mit Auwald bestanden wären, ist unbekannt. Die Entwicklungsziele Eine vielfältige, artenreiche Kulturlandschaft mit einer möglichst naturnahen Gewässerdynamik, so stellen wir uns die Disselmersch in ein paar Jahren vor. Angestrebt wird ein Zustand mit ausgedehnten, häufig überschwemmten und extensiv genutzten Wiesen und Weiden, in die vielfältige auentypische Strukturen wie Flutrinnen, Tümpel, Kuhlen und Blänken, Einzelbäume und Gebüsche, sumpfige Bereiche, kleinere Schilfflächen, Röhrichte oder Hochstaudenfluren eingebunden sind. In der Lippe, die zukünftig unbefestigt wieder ihr Bett selber formen kann, erlaubt eine naturnahe Gewässerdynamik das Entstehen und Vergehen von Sandbänken, Kolken, Buchten, Stillwasserbereichen, Uferabbrüchen oder Anlandungen. Nach Möglichkeit soll die eingetiefte Sohle der Lippe wieder angehoben werden.
5 16 Die Maßnahmen 16 Foto: M. Bunzel-Drüke Nachdem die alte, massive Steinschüttung beseitigt worden ist, kann die Lippe wieder ihr Flussbett gestalten. Uferschwalben, Eisvögel und viele Fischarten ergreifen schnell Besitz vom neuen Lebensraum. Die NRW-Stiftung erwirbt die Flächen; erworbene Flächen werden als Wiese oder Weide extensiv bewirtschaftet, teilweise auch als Ganzjahresweide mit unseren robusten Heckrindern und Koniks; typische Elemente einer Auenlandschaft, wie Kleingewässer und zeitweise Wasser führende Mulden werden wiederhergestellt; durch Rückbau von Dränagen und Entwässerungsgräben werden wieder typische Bodenwasserverhältnisse geschaffen; die Uferbefestigung wird herausgenommen, damit wieder mehr Vielfalt entsteht und die Lippe ihre Ufer selber gestalten kann; Ziel ist es auch, die unnatürliche Eintiefung der Lippesohle rückgängig zu machen. Und es ist zu prüfen, ob Totholz im Gewässerbett, das Lebensraum für spezialisierte Insektenarten ist und eine kleinräumige Vielfalt schafft, wieder möglich ist. die Aue soll bei Hochwasser wieder auf typische, naturnahe Weise überschwemmt und durchflossen werden. Hierzu werden zugeschüttete Flutrinnen reaktiviert und die Uferverwallung abgesenkt. Bei der Umsetzung wirken mit: - die NRW-Stiftung, die die Gelder zum Flächenerwerb und zur Flächenentwicklung bereitstellt; - das Land NRW, das die Flächenentwicklung fördert; - der Kreis Soest und das Land NRW; die Projektabwicklung erfolgt im Rahmen der mit dem Kreis Soest vereinbarten und von Kreis und Land finanzierten Betreuung; - das Amt für Agrarordnung Soest, das den Flächenerwerb für die NRW-Stiftung betreibt sowie die Entwicklungsmaßnahmen umsetzt; - der Lippeverband, der die Entfesselung und Umgestaltung der Lippe durchführt. Foto: J. Drüke,
6 17 Das Amt für Agrarordnung konnte bisher über 80 Hektar für die NRW- Stiftung erwerben. Die Flächen sind alle an Landwirte verpachtet mit den notwendigen Naturschutzauflagen wie ein Verzicht auf Düngung, ein Verbot der Anwendung chemischer Mittel oder eine Anpassung der Bewirtschaftungszeiträume an die Vorkommen von Bodenbrütern. Auch unsere Heckrinder und Koniks helfen dabei, die Landschaft zu gestalten. Nördlich der Lippe grast zur Zeit eine kleine Herde Rinder und Pferde auf knapp 10 Hektar das ganze Jahr hindurch. Bei Überschwemmung können die Tiere sich auf das sichere Hochufer zurückziehen. Die Weidefläche soll bald vergrößert werden. Neun Tümpel und Blänken wurden bisher auf den erworbenen Flächen angelegt. Dränkomplexe werden - so- weit sie sich vollständig im Eigentum der NRW-Stiftung befinden - verschlossen; im Jahr 2001 konnte der erste Abschnitt eines Entwässerungsgrabens auf knapp 400 Meter Länge angestaut werden. Abschnittsweise wurden die steilen 45 -Böschungen des Grabens durch Aufweitung und Abflachung naturnäher gestaltet. Dort, wo die NRW-Stiftung die angrenzenden Flächen erworben hat, nimmt der Lippeverband sukzessive das Deckwerk am Lippeufer heraus. Seit 1994 sind auf etwa 2400 Meter Länge, überwiegend bisher noch einseitig, Entfesselungsmaßnahmen durchgeführt worden. Die Maßnahmen reichen von der Herausnahme des Befestigungsmaterials (Deckwerk) über die Schaffung von Flachwasserzonen bis hin zur Anlage von Inseln und Steilwänden. Maßnahmen wirken sich aus Die bisher durchgeführten Maßnahmen zeigen schon Wirkung Bei Hochwasser ist das Gebiet für seine großen Ansammlungen rastender Enten bekannt. Mehr als 10 verschiedene Entenarten lassen sich hier jedes Jahr im Frühjahr beobachten. Leider geht aufgrund der überwiegend noch intakten Entwässerungssysteme das Hochwasser in den meisten Bereichen schnell wieder zurück; dann sammeln sich die Enten auf einer etwa 10 Hektar großen Fläche, dem Winkel, der unmittelbar an die Disselmersch angrenzt und in das Projektgebiet integriert wird. Hier kann das Hochwasser nicht ablaufen; große Wasserflächen bleiben noch längere Zeit erhalten. Zahlreiche Limikolenarten wie Bruchwasserläufer, Kampfläufer oder Grünschenkel lassen sich inzwischen während der Zugzeiten regelmäßig auf den vernässten Wiesen beobachten; selbst Gänse und Kraniche nutzen hin und wieder die Disselmersch zur Rast. Löffelenten und zwei Krickenten Foto: M. Bunzel-Drüke; Im Winkel, 2002 Ein ausgedehntes Schwadenröhricht prägt das Gebiet Im Winkel. Hier brüten Wasser- und Tüpfelrallen. Besonders auf dem Frühjahrszug halten sich größere Entenschwärme auf. Löffelenten, Krickenten, Spießenten und Pfeifenten lassen sich hier beobachten. Foto: J. Drüke, Anfang Januar 2000
7 18 Aber auch zum Brüten suchen viele Vögel das Gebiet auf. In den gehölzarmen Wiesen und Weiden nisten wieder Kiebitz, Wiesenpieper und Feldlerche, in manchen Jahren auch Wachtelkönig und Großer Brachvogel. Dort, wo es nasser ist, brüten Knäkente und Löffelente, Nilgans und Kanadagans ziehen ihre Jungen auf. Wo die Grünländer etwas strukturreicher sind, findet man Rohrammer und Feldschwirl. Neuntöter, Grünspecht, Hohltaube und Dohle ziehen Hecken und Gehölze vor. Auch der Amphibienbestand hat sich gut entwickelt. Grasfrosch, Laubfrosch und Grünfrosch laichen wieder in den seicht überstauten Flächen und in Kleingewässern ab. Die Kleingewässer werden von Pionieren unter den Fischen wie dem Moderlieschen, dem Zwergstichling und dem Dreistachligen Stichling besiedelt, bis zu 18 Libellenarten werden dort jährlich festgestellt. Dort, wo die Lippe von ihren Fesseln befreit wurde, kehrt die frühere Vielfalt zurück. Bei Hochwasser entstehen Uferabbrüche, in denen Uferschwalben und Insekten wieder ihre Brutröhren graben können. In Buchten und an Gleithängen lagert sich mitgeführter Sand ab und bildet neuen Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Vor allem Arten aus dem Insektenreich und Pioniere der Pflanzen finden auf vegetationsarmen, sandigen Böden geeignete Lebensbedingungen. Angeschwemmtes Holz darf liegen bleiben, über Schwemmtreibsel, das sog. Genist, gelangen viele Insekten an neue, geeignete Lebensräume. Durch den vom fließenden Wasser verursachten ständigen Wandel entstehen vielfältige Lebensräume immer wieder neu. Die Strukturvielfalt erhöht sich aber nicht nur an den Ufern der Lippe, auch in der Lippe selber entstehen Kolke, Sandbänke und Flachwasserzonen; mal sind sie von Unterwasservegetation besiedelt, mal sind sie vegetationsfrei Anzahl Brutreviere ausgewählter Vogelarten im Jahr 2000 in der Disselmersch und im Winkel Kanadagans 2 Knäkente 1-2 Rohrweihe 1 Wasserralle 2-4 Tüpfelralle 1 Bläßralle Kiebitz 5-8 Hohltaube 1 Eisvogel 1 Feldlerche 5 Uferschwalbe 35 Wiesenpieper 1 Schafstelze 1 Gebirgsstelze 1 (BV*) Nachtigall 1 Feldschwirl 8-9 Sumpfrohrsänger Teichrohrsänger 2 (BV*) Dorngrasmücke Fitis Beutelmeise 1 Rohrammer *BV=Brutverdachte Fotos: B. Beckers Nach der Entfesselung der Lippeufer kehrte die Uferschwalbe zurück. Inzwischen brüten wieder etwa 35 Paare an den drei Kilometern Lippe in der Disselmersch. Die Uferschwalbe ist in Nordrhein- Westfalen an natürlichen Brutplätzen selten geworden. Die meisten Kolonien finden sich heute in Abgrabungsgewässern.
8 Foto: J. Drüke 19 Viele Arten reagieren auf die Erhöhung der Strukturvielfalt an den Lippeufern und in der Lippe: An den Uferabbrüchen brüten nach 25 Jahren inzwischen wieder etwa 35 Paare der Uferschwalbe, der Eisvogel hat sich im Winkel wieder angesiedelt. An den vegetationsarmen Ufern rasten auf dem Wegzug Limikolen wie Flussuferläufer oder Waldwasserläufer. Zwei für naturnahe Fließgewässer charakteristische Libellenarten konnten wieder nachgewiesen werden, die Westliche und die Gemeine Keiljungfer. Die Larven dieser beiden Libellenarten benötigen Seichtwasserbereiche und sandigen Untergrund; diese Bedingungen gibt es in der Disselmersch erst seit der Entfesselung wieder. In vegetationsarmen Flachwasserbereichen und Buchten lassen sich große Schwärme von Jungfischen beobachten; hier sind die Kinderstuben vieler Arten, die Jungfische finden in dem flachen Wasser Schutz vor Feinden. Bedrohte Fischarten wie Quappe und Nase stellen sich wieder ein. Auf der Sohle der entfesselten Lippeabschnitte wachsen unmittelbar nach der Umgestaltung vermehrt Algenarten. Kurze Zeit später besiedeln höhere Wasserpflanzen wie das seltene Durchwachsene Laichkraut die Lippesohle. An flach überströmten Flussbereichen können sich Röhrichtarten wie die Schwanenblume ausbreiten. Die strömungsberuhigten Buchten geben Schwimmblattpflanzen wie der Gelben Teichrose oder Wasserlinsen wieder Lebensraum. Kurzlebige Schlammbodenpflanzen wie der Dreiteilige Zweizahn finden gute Ansiedlungsmöglichkeiten. Sturkturreiche Ufer mit Sandflächen, lehmigen Steilufern und Buchten entstehen, nachdem der Bagger die Befestigung entfernt hat. In den Flachwasserzonen halten sich Jungfische auf. Kanadagänse sind als Neubürger seit einigen Jahren Brutvögel in der Disselmersch. Sie rasten gerne auf Inseln in der Lippe. Fischarten in der Disselmersch Bachneunauge Lampetra planeri Bachforelle Salmo trutta f. fario Äsche Thymallus thymallus Hecht Esox lucius Barbe Barbus barbus Brachsen Abramis brama Döbel Leuciscus cephalus Gründling Gobio gobio Blaubandbärbling Pseudorasbora parva Güster Abramis bjoerkna Karausche Carassius carassius Giebel Carassius (auratus) gibelio Hasel Leuciscus leuciscus Karpfen Cyprinus carpio Nase Chondrostoma nasus Rapfen Aspius aspius Rotauge Rutilus rutilus Rotfeder Scardinius erythrophthalmus Moderlieschen Leucaspius delineatus Schleie Tinca tinca Ukelei Alburnus alburnus Schmerle Barbatula barbatula Quappe Lota lota Aal Anguilla anguilla Flussbarsch Perca fluviatilis Kaulbarsch Gymnocephalus cernuus Zander Sander lucioperca Gemeiner Sonnenbarsch Lepomis gibbosus Groppe Cottus gobio Dreistachliger Stichling Gasterosteus aculeatus Zwergstichling Pungitius pungitius
9 20 In den extensiv genutzten Wiesen breiten sich typische Arten der Stromtalwiesen aus wie die Wiesensilge, der Wiesen-Alant oder die Gelbe Wiesenraute; die Feuchtweiden beherbergen Pflanzen wie den Brennenden Hahnenfuß und die Röhrige Pferdesaat. An den Gewässern erscheinen wieder seltene Pflanzen wie der Sumpfquendel, in den Tümpeln wächst der Wasserhahnenfuß Als besondere Kostbarkeit finden sich auf der südlichen, sandigen Hochterrasse noch Restvorkommen von Pflanzen der feuchten Sandheiden. Englischer Ginster, Sparrige Binse, Kleiner Vogelfuß, Doldiges Habichtskraut oder Geöhrtes Habichtskraut sind Zeugen der ehemals hier ausgebildeten Feuchtheiden. Um für diese konkurrenzarmen Arten bessere Lebensbedingungen zu schaffen, wurde auf einer Brache die Grasnarbe bereichsweise abgeschoben und der Sandboden freigelegt. Foto: J. Drüke Foto: L. Hauswirth Englischer Ginster Silge
10 21 Ein Blick in die Zukunft Die Lippeaue wurde im vergangenen Jahr als Europäisches Schutzgebiet (FFH-Gebiet) an die Europäische Union gemeldet. Im NATURA Netz übernimmt die Lippe mit ihrer Aue eine bedeutende Verbundfunktion. Die Sicherung der Disselmersch als Naturschutzgebiet ist in der Vorbereitung. Hier gilt es vor allem Nutzungen wie die Jagd, das Angeln oder das Kanufahren zu regeln. Bei fortschreitendem Flächenerwerb werden umfangreiche Entwicklungsmaßnahmen möglich, die Reaktivierung des Auenraumes für das Hochwassergeschehen ist zumindest in Teilräumen greifbar nahe. Die Lebensbedingungen für eine Vielzahl von Arten können so weiter verbessert werden. Über eine großflächige, extensive Nutzung vor allem durch Beweidung, auf Teilflächen auch mit Ganzjahresbeweidung, sollen die Flächen offen gehalten werden. Dort, wo Schwemmtreibsel und angeschwemmtes Holz liegen bleiben darf, kann sich das Gelände wieder auentypisch entwickeln; es entstehen Aufhöhungen und Senken, das Relief wird bewegter. Der Wasserhaushalt kann durch den weiteren Rückbau der Entwässerungssysteme, das Initiieren von Flutrinnensystemen und das punktuelle Öffnen der Sommerdeiche naturnähere werden. Verschiedenste Standorte unterschiedlicher Feuchtigkeit werden sich so entwickeln. Über Flutrinnen können Fische wieder ihren Teillebensraum Aue erobern, sie können in den seicht überschwemmten Wiesen ablaichen. Seltene Enten wie Knäkente, Krickente und Löffelente oder Wiesenvögel wie die Bekassine können wieder regelmäßig und in höheren Beständen in den feuchteren Flächen brüten. Rastvögel der Feuchtgebiete finden hier geeignete, nahrungsreiche Ruheräume. Aber auch die etwas trockeneren Standorte auf den sandigen Hochterrassen haben ihren Reiz, vor allem anspruchsvolle Pflanzen und Insekten finden hier geeignete Standortfaktoren. Mit den Flutrinnen wird ein heute aus der Aue völlig verschwundener Lebensraum wieder geschaffen. Der Wasserdynamik regelmäßig ausgesetzt unterliegen sie und die in den Rinnen liegenden Kuhlen einem ständigen Wandel. Hierauf sind zahlreiche Pionierbesiedler aus dem Insektenreich, aus der Fischfauna und der Pflanzenwelt spezialisiert. Sie sind in unserer Landschaft äußerst selten geworden. Hoffentlich schon in ein paar Jahren werden Tiere und Pflanzen, aber auch die Menschen in der Disselmersch eine attraktive Landschaft mit einer hohen Struktur- und Artenvielfalt in einer naturnahen Aue und in einer sich frei entfaltenden Lippe erleben können. Birgit Beckers Der Hecht und viele weitere Fischarten werden profitieren, wenn die Lippe und ihre Aue in einigen Jahren wieder so miteinander verbunden sind, wie es natürlich ist.
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