Predigt Hiob 14, 1-6, St.-Lukas,
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- Laura Martin
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1 Predigt Hiob 14, 1-6, St.-Lukas, Liebe Gemeinde, Glaube ist der Vogel der singt, wenn die Nacht noch dunkel ist. Der bengalische Dichter, Philosoph, Künstler und Literaturnobelpreisträger Rabindranath Tagore hat diesen Spruch formuliert. Glaube ist der Vogel der singt, wenn die Nacht noch dunkel ist. Poetisch klingt er nach. Doch versuchen wir uns dieses mit Worten gemalte Bild konkret vorzustellen. Der Glaube, der dort sein soll, wo sonst nur tiefe Schwärze herrscht. Wo noch kein Leben ist, der nicht in einer hellen vielleicht bunten Umgebung auftritt, sondern eben da wo er wirkliche Anstrengung erfordert. Glaube der auch sein soll, wo man ihn eben nicht erwartet; genauso wie es für uns ersteinmal fremd ist, dass ein Vogel in der Nacht singt. Ähnlich ist es in unserem heutigen Predigttext zum drittletzten Sonntag des Kirchenjahres. Dieser steht im Alten Testament bei Hiob. Ich lese aus dem 14. Kapitel. 141 Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe,2 geht auf wie eine Blume und welkt, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht. 3 Doch du tust deine Augen über einen solchen auf, dass du mich vor dir ins Gericht ziehst.4 Kann wohl ein Reiner kommen von Unreinen? Auch nicht einer! 5 Sind seine Tage bestimmt, steht die Zahl seiner Monde bei dir und hast du ein Ziel gesetzt, das er nicht überschreiten kann: 6 so blicke doch weg von ihm, damit er Ruhe hat, bis sein Tag kommt, auf den er sich wie ein Tagelöhner freut. Nicht oft haben wir als Predigttext einen aus dem Hiobbuch. Und das ist kein Wunder. Der Text wirkt sperrig, es spricht von der Hoffnungslosigkeit und der Begrenztheit des Menschen. Er bietet uns scheinbar keine Lösung an, wie wir mit dem Leben und unseren Problemen umzugehen
2 haben. Er ist zunächst kein tröstlicher, kein mutmachender Text, wie wir es vielleicht von Predigttexten gewohnt sind. Kein Text, den man gern hört: Da klagt ein Mensch am Rande seiner Verzweiflung, da verklagt ein Mensch Gott, weil sein ganzes Leben zerstört wurde... Einen solchen Text hört man nicht gerne, wir sprechen nicht gerne über Situationen in denen es uns selber oder einem bekannten Menschen so schlecht geht. Hiob ein wahrhaft gottesfürchtiger Mann lebte einige Jahrhunderte vor Christus irgendwo im Osten Palästinas. Das damalige Denken unterteilte die Gesellschaft in zwei Klassen. Die Frommen (so wie Hiob einer war), die das Gesetz befolgten und die Betrügerischen, die ihm zuwiderhandelten. Göttliche Gerechtigkeit verlangte eigentlich, dass die Frommen Gottes mit Wohlwollen belohnt werden, was aber nicht immer geschah. Wie konnten also die Leiden der Gottesfürchtigen mit der von Gott zu erwartenden Gerechtigkeit vereinbart werden? Es geht deswegen nicht um das Leiden im Allgemeinen (also warum es Schmerz, Krankheit, Tod auf der Welt gibt), sondern das ganze Buch scheint Hiobs Leiden als selbstverständliches Ergebnis göttlicher Handlungen zu sehen. Der Protagonist des biblischen Buches Hiob, ist fromm, tut viel Gutes und meidet das Böse. Hiob ist wohlhabend. Nach dem biblischen Bericht besitzt er 7000 Schafe, 3000 Kamele, 1000 Rinder, 500 Esel, zahlreiche Knechte. Familie ist auch da: Er und seine Frau haben drei Mädchen und sieben Jungen. Ihm geht es gut. Doch dann kommt es knüppeldick und hart auf hart. Ein Knecht meldet es dem Hiob. Überbringt die Hiobsbotschaft. Hiob verliert zunächst alle seine Tiere, und fast alle Knechte. Dann die nächste Hiobsbotschaft, noch übler: Seine Kinder sterben während eines Festmahls, weil die Decke des Hauses einstürzt, in dem sie sich aufhalten.
3 Und dann kommt er selbst an die Reihe: Er bekommt juckende Geschwüre am ganzen Körper, das verändert ihn, macht ihn zum Außenseiter. Seine Frau gibt ihm den Ratschlag: Hältst du immer noch fest an deiner Frömmigkeit? Gib Gott den Laufpass und stirb! Hiob zieht sich zurück. Er bekommt Besuch von seinen Freunden. Sie wollen ihn trösten. Finden nicht die richtigen Worte. Suchen Erklärungen, warum Hiob all diese Schicksalsschläge ereilen, warum er leiden muss. Raten ihm, von Gott Abstand zu nehmen. Sie wollen nur das Beste für Hiob, dringen aber nicht zu ihm durch. Die Antworten, die sie finden sind eben keine Antworten für Hiob. Die Antworten sind verletzend. Die Freunde sind sich einig, dass Hiob die gebührende Strafe für seine Sünden bekomme. Für die Sünden, die er verborgen haben muss, da er ja nach außen nichts vorzuweisen hat. (vgl Hi 22, 4ff) Hiob steht für einen Menschen, dem schlimmstes Leid wiederfahren ist. Der vorhin verlesene Predigttext steht im Kontext des Gespräches Hiobs mit seinen Freunden. Hiob klagt Gott an. Direkt. Du tust deine Augen über einen solchen (hier meint Hiob sich selbst) auf, dass du mich vor dir ins Gericht ziehest. Hiob ist sich bewusst, dass Gott ihn anschaut, ihn sieht. Doch dieses Anschauen ist kein Positives, es zieht ihn ins Gericht. Für ihn kommt in dem Moment alles Leiden von Gott, unerklärlicherweise. Und wenig später klagt er weiter: So blicke doch weg von ihm (dem Menschen), damit er Ruhe hat, bis sein Tag kommt, auf den er sich wie ein Tagelöhner freut. Hiob vergleicht sich mit einem Tagelöhner, der den ganzen Tag schuftet und wenigstens abends nach der Arbeit Luft holen und leben möchte. Hier geht Hiob noch weiter. Er fordert Gott wegzuschauen, sich von ihm abzuwenden. Wir kennen das Gegenteilige aus anderen Geschichten (besonders aus den Psalmen) der Bibel: Erhebe deine Augen auf zu mir Gott! Dieser Ausspruch, diese Bitte klingt
4 in unseren Ohren. Aber hier ganz anders: Blicke weg von mir, lass mich in Ruhe mein Leben hier auf Erden meistern! Noch dazu steht der Vers im Widerspruch zu der Bedeutung von Hiobs Namen. Aus dem akkadischen übersetzt bedeutet dieser Wo ist der Vater? Hiob als Gottsuchender nein hier erleben wir ihn als einen der Gott am liebsten wegschicken möchte. Aber eins kann Hiob aufjedenfall zu Gute gehalten werden. Er frisst sein Elend nicht in sich hinein, sondern bleibt bei allem stets in Kontakt mit Gott. In seiner Anklage ringt er mit ihm. Hiob weiß, dass er sich das Leiden nicht selbst verschuldet hat. Er hat weiterhin Gottvertrauen. Hiob legt sein Leiden in Gottes Hand und redet mit ihm. Der verzweifelnd klagende, sicher auch zweifelnde, bleibt im Grunde immer Gott treu. Keiner weiß ob sich sein Glaube bewährt, wenn er in eine Krise gerät. Nur Menschen die selbst betroffen sind, können hier sprachfähig sein. An der Figur Hiob ist hier zumindest eins ablesbar: Alle haben einen Platz in Gottes Welt, auch die, die Zweifeln. Hiob erhält am Ende des Buches Gesundheit und Wohlstand zurück. Vor Hiob liegt ein langes mit Segen gefülltes Leben. Hiob hat Recht behalten. Das Leiden war nicht seine Schuld. Die Schicksalsschläge waren kein Zeichen, dass er zu wenig glaubt oder sonst einen Frevel begangen hätte. Ich könnte hier nun sagen: All die Hiobsbotschaften, all die Schicksalsschläge und Herausforderungen hat Hiob letztendlich als herausfordernde Chance gesehen. Also Chance für sich und seinen Glauben. Aber das wäre viel zu vertröstend, fast als würde ich so argumentieren wie Hiobs Freunde. Als würde ich Hiob und alle die sich in einer solchen Lage befinden vertrösten wollen. Doch ist es nicht besonders wichtig in Situationen, in denen es mir dreckig geht jemanden um mich herum zu haben? Jemandem dem ich vertraue. Auch wenn
5 Menschen mir in dem Moment nicht den Beistand geben können den ich bräuchte, ist Gott da. Gibt das Hiobbuch eine Antwort darauf, woher das Leiden kommt? Nicht direkt. Aber eine mögliche Spur findet Hiob am Ende selbst: Der Grund allen Leidens ist ein Geheimnis, welches sich aller menschlichen Erklärung verwehrt. In meiner Predigtvorbereitung habe ich versucht Hiob zu verstehen. Ich aber kann von mir nicht sagen, dass ich Hiob bin. Wer aber eine Hiobserfahrung macht, der findet in Hiob wen, um an Gott festzuhalten. Aber was ist das für ein Gott, der solche Qual, wie Hiob sie erleiden musste, zulässt? Es ist ein Gott, der selbst diese Qual, diese Tiefe erfahren hat. Und zwar in Jesus Christus. Besonders in solchen Situationen ist es gut, diesen Gott an seiner Seite zu wissen. Wir dürfen Hiob als Hoffnungsträger sehen, der uns zeigt: Wir können durch das Leid gehen und uns getragen wissen. Wir dürfen Hoffnung haben. Der am Anfang genannte Vers von Rabindranath Tagore will Mutmachen und nicht vertrösten. Auch wenn der Dichter aus einer komplett anderen Glaubenswelt kam, hat dieser Satz sehr wohl für die christliche Welt Bedeutung. Glaube ist der Vogel der singt, wenn die Nacht noch dunkel ist. Amen.
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