Numerus clausus. Einleitung: Zugangsbeschränkungen. Frage 1: Artikel 12 EGV (1/16) Übungen im Europarecht Fall 10 vom 8. Mai 2008.
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- Henriette Kruse
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1 Numerus clausus Fall 10 vom 8. Mai 2008 Frühlingssemester 2008 Prof. Christine Kaufmann (Vertretung: Florian Utz) Einleitung: Zugangsbeschränkungen 2 Frage 1: Artikel 12 EGV (1/16) Frage Verstösst Österreich gegen Art. 12 EGV? 3 Frühlingssemester 2008 Seite 1 von 13
2 Frage 1: Artikel 12 EGV (2/16) Art. 12 Abs. 1 EGV Unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrags ist in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. 4 Frage 1: Artikel 12 EGV (3/16) Sich stellende Fragen Fällt die österreichische Regelung in den Anwendungsbereich des EGV? Falls ja: Ist sie diskriminierend? Unmittelbar? Oder aber mittelbar? Falls ja: Ist eine Rechtfertigung möglich? 5 Frage 1: Artikel 12 EGV (4/16) Anwendungsbereich? (1/2) Art. 149 Abs. 1 EGV Die Gemeinschaft trägt zur Entwicklung einer qualitativ hochstehenden Bildung dadurch bei, dass sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördert und die Tätigkeit der Mitgliedstaaten unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie der Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen erforderlichenfalls unterstützt und ergänzt. 6 Frühlingssemester 2008 Seite 2 von 13
3 Frage 1: Artikel 12 EGV (5/16) Anwendungsbereich? (2/2) Art. 149 Abs. 2 EGV Die Tätigkeit der Gemeinschaft hat folgende Ziele: [ ] Förderung der Mobilität von Lernenden und Lehrenden, auch durch Förderung der akademischen Anerkennung der Diplome und Studienzeiten 7 Frage 1: Artikel 12 EGV (6/16) Fazit zum Anwendungsbereich Die Regelung fällt wohl in den Anwendungsbereich des EGV 8 Frage 1: Artikel 12 EGV (7/16) Unmittelbare Diskriminierung? Werden Österreicher und EG-Ausländer formell anders behandelt? 9 Frühlingssemester 2008 Seite 3 von 13
4 Frage 1: Artikel 12 EGV (8/16) Keine unmittelbare Diskriminierung in casu Es wird nicht nach Nationalität, sondern wenn überhaupt nach Ort des Schulabschlusses unterschieden Somit liegt keine unmittelbare Diskriminierung vor 10 Frage 1: Artikel 12 EGV (9/16) Mittelbare Diskriminierung? Wird nach Ort des Schulabschlusses unterschieden? Falls ja: Bewirkt diese Unterscheidung eine mittelbare Diskriminierung? 11 Frage 1: Artikel 12 EGV (10/16) Unterscheidung nach Ort des Abschlusses? Standpunkt der Kommission Einphasiges Verfahren für Österreicher Prüfung der Schulabschlüsse Zweiphasiges Verfahren für EU-Ausländer 1. Prüfung der Schulabschlüsse auf Gleichwertigkeit 2. Prüfung der Zulassung im Heimatland Standpunkt von Österreich Gleiches Verfahren für alle Einzige Frage: Ist der Bewerber zu Hause zum Studium zugelassen? 12 Frühlingssemester 2008 Seite 4 von 13
5 Frage 1: Artikel 12 EGV (11/16) Auswirkung der allfälligen Unterscheidung Wirkt sich die Regelung auf EU-Ausländer stärker aus als auf Österreicher? Ja, klar Mehr EU-Ausländer als Österreicher besuchen die Schule im EU-Ausland Und mehr Österreicher als EU-Ausländer besuchen die Schule in Österreich Deshalb liegt eine mittelbare Diskriminierung vor 13 Frage 1: Artikel 12 EGV (12/16) Zwischenfazit Nicht ganz klar ist, ob die österreichische Regelung Unterscheidungen nach dem Ort des Universitätsabschlusses vornimmt Falls sie dies tut, ist sie grundsätzlich diskriminierend 14 Frage 1: Artikel 12 EGV (13/16) Rechtfertigung der Diskriminierung? Ist die Rechtfertigung einer Diskriminierung grundsätzlich möglich? Falls ja Unter welchen Voraussetzungen? Sind diese Voraussetzungen in casu erfüllt? 15 Frühlingssemester 2008 Seite 5 von 13
6 Frage 1: Artikel 12 EGV (14/16) Voraussetzungen des EuGH für die Rechtfertigung einer Diskriminierung Objektive Gründe, die von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängig sind Legitimer Zweck Angemessenes Verhältnis zum verfolgten Zweck 16 Frage 1: Artikel 12 EGV (15/16) Voraussetzungen in casu Objektive Gründe Schutz des Universitätssystems Legitimer Zweck Schutz des Universitätssystems ist legitim Angemessenes Verhältnis zum verfolgten Zweck EuGH: Numerus clausus als milderes Mittel Entgegnung Numerus clausus für Deutsche gleich hart Für Österreicher aber härter als bisherige Regelung 17 Frage 1: Artikel 12 EGV (16/16) Fazit Österreich hat zwei valable Argumente Regelung ist nicht diskriminierend, da sie unterschiedslos für alle gilt Falls doch eine Diskriminierung vorliegt, so wäre sie jedenfalls durch den Schutz des Schulsystems gerechtfertigt Der EuGH ist beiden Argumenten nicht gefolgt Somit wurde Österreich verurteilt 18 Frühlingssemester 2008 Seite 6 von 13
7 Frage 2: Freier Personenverkehr (1/8) Teilbereiche des freien Personenverkehrs Freizügigkeit der Arbeitnehmer (EGV 39-42) Niederlassungsfreiheit der Selbständigerwerbenden (EGV 43-48) 19 Frage 2: Freier Personenverkehr (2/8) Art. 18 EGV als Rettungsanker? Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der [im Gemeinschaftsrecht] [ ] vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Frage Unmittelbare Anwendbarkeit? 20 Frage 2: Freier Personenverkehr (3/8) Unmittelbare Anwendbarkeit von EGV 18? Lehre tendiert zu Bejahung Diesfalls müsste dasselbe Prüfschema wie bei den Grundfreiheiten Anwendung finden Frage Angenommen, EGV 18 ist unmittelbar anwendbar Ist dann das Studiengesetz rechtswidrig? 21 Frühlingssemester 2008 Seite 7 von 13
8 Frage 2: Freier Personenverkehr (4/8) Verstoss gegen EGV 18? Das Studiengesetz steht einem Aufenthalt in Österreich nicht entgegen Aber Schützt EGV 18 nur die Möglichkeit des Aufenthalts in Österreich? Oder schützt er auch vor faktischen Beschränkungen dieses Rechts und vor Diskriminierungen? 22 Frage 2: Freier Personenverkehr (5/8) Falls auch Schutz vor Beschränkungen Beschränkung? Bereichsausnahme? Rechtfertigungsgrund? Keine Harmonisierung im Gemeinschaftsrecht? Zwingende Gründe des Allgemeininteresses? Keine Verletzung der Schranken-Schranken? Diskriminierungsverbot Verhältnismässigkeitsgrundsatz Eignung Erforderlichkeit 23 Frage 2: Freier Personenverkehr (6/8) Beschränkung? Ja, klar Vgl. EGV 39 ( jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung ) Bereichsausnahme? Nein 24 Frühlingssemester 2008 Seite 8 von 13
9 Frage 2: Freier Personenverkehr (7/8) Rechtfertigungsgrund? Keine Harmonisierung im Gemeinschaftsrecht? Keine Harmonisierung Zwingende Gründe des Allgemeininteresses? Gründe ja, zwingend eher ja Keine Verletzung der Schranken-Schranken? Diskriminierungsverbot Möglicherweise verletzt; siehe vorne Verhältnismässigkeitsgrundsatz (Eignung, Erforderlichkeit) Diskutabel; siehe vorne 25 Frage 2: Freier Personenverkehr (8/8) Fazit Verletzung nur denkbar, wenn EGV 18 unmittelbar anwendbar ist und auch vor faktischen Beschränkungen schützt Ist dies gegeben, so stellen sich die gleichen Fragen wie vorne Andernfalls liegt kein Verstoss gegen den freien Personenverkehr vor 26 Einleitung: Tiertransporte 27 Frühlingssemester 2008 Seite 9 von 13
10 Frage 3: Gesetz vs. Richtlinie (1/5) Richtlinie 95/29/EG Kapitel VII Nummer 2 [Rinder] dürfen nicht länger als acht Stunden transportiert werden. Kapitel VII Nummer 3 [Die obige] Transportdauer kann [auf bis zu 28 Stunden] verlängert werden, sofern das Transportfahrzeug [gewisse] [ ] zusätzliche Anforderungen erfüllt. 28 Frage 3: Gesetz vs. Richtlinie (2/5) Richtlinie 95/29/EG Kapitel VII Nummer 9 Die Mitgliedstaaten können eine nicht verlängerbare Transporthöchstdauer von acht Stunden für die Beförderung von Schlachttieren vorsehen, sofern es sich um einen reinen Inlandtransport handelt. 29 Frage 3: Gesetz vs. Richtlinie (3/5) Sich stellende Frage Darf der nationale Gesetzgeber die achtstündige Maximaldauer unterschreiten? 30 Frühlingssemester 2008 Seite 10 von 13
11 Frage 3: Gesetz vs. Richtlinie (4/5) Verstoss Österreichs gegen die RL Die Ausnahmebestimmung gilt ausdrücklich nur für nationale Transporte Demnach sollen bei internationalen Transporten keine Beschränkungen zulässig sein Zudem spricht der Wortlaut der Richtlinie auch bei nationalen Transporten für die Unzulässigkeit einer Beschränkung auf unter acht Stunden 31 Frage 3: Gesetz vs. Richtlinie (5/5) Fazit Das österreichische Tierschutzgesetz ist nicht mit der Richtlinie 95/29/EG vereinbar 32 Frage 4: Freier Warenverkehr (1/7) Elemente des freien Warenverkehrs Zollunion EGV Verbot mengenmässiger Ein-/Ausfuhrbeschränkungen und Massnahmen gleicher Wirkung EGV 28/29: Verbot mengenmässiger Beschränkungen der Einfuhr/Ausfuhr von Waren sowie von Massnahmen gleicher Wirkung EGV 30: Ausnahmeregelungen EGV 31: Regelung für staatliche Handelsmonopole 33 Frühlingssemester 2008 Seite 11 von 13
12 Frage 4: Freier Warenverkehr (2/7) Sich stellende Fragen Handelt es sich um eine mengenmässige Beschränkung? Oder wenigstens um eine Massnahme gleicher Wirkung? Wenn ja: Ist die Beschränkung ausnahmsweise zulässig? Bereichsausnahme? Rechtfertigung? Unter welchen Voraussetzungen? Voraussetzungen in casu erfüllt? 34 Frage 4: Freier Warenverkehr (3/7) Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit? Mengenmässige Beschränkung? Nein Massnahme gleicher Wirkung? Sind Tiere überhaupt Waren? EuGH: Implizite Bejahung Vergleiche für die Schweiz ZGB 641a Gleiche Wirkung ist gegeben Importe und Exporte von lebenden Schlachttieren ist faktisch weit gehend unzulässig 35 Frage 4: Freier Warenverkehr (4/7) Bereichsausnahme? Nein Rechtfertigung? Keine Harmonisierung im Gemeinschaftsrecht? Zwingende Gründe des Allgemeininteresses? Keine Verletzung der Schranken-Schranken? Diskriminierungsverbot Verhältnismässigkeitsgrundsatz Eignung Erforderlichkeit 36 Frühlingssemester 2008 Seite 12 von 13
13 Frage 4: Freier Warenverkehr (5/7) Keine Harmonisierung im Gemeinschaftsrecht? Nicht ganz klar Zwingende Gründe des Allgemeininteresses? Grund: Tierschutz Zwingend Wohl zu bejahen Keine Stellungnahme durch EuGH 37 Frage 4: Freier Warenverkehr (6/7) Keine Verletzung der Schranken-Schranken? Diskriminierung? Liegt wohl nicht vor Denn österreichische Bauern erhalten keinen Wettbewerbsvorteil Verhältnismässigkeit? Eignung: Sicher gegeben Erforderlichkeit Von EuGH verneint Gegenmeinung zumindest vertretbar 38 Frage 4: Freier Warenverkehr (7/7) Fazit EuGH: Gesetz verstösst gegen freien Warenverkehr Gegenmeinung zumindest vertretbar 39 Frühlingssemester 2008 Seite 13 von 13
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