NEWSBOX Wirtschafts- und Steuerrecht Ausgabe 102, Datum
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- Karl Kopp
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1 Ausschluss geringfügig Beschäftigter von betrieblicher Altersversorgung Verfasser Prof. Dr. Tim Jesgarzewski FOM Hochschule für Oekonomie & Management Bremen KCW KompetenzCentrum für Wirtschaftsrecht Hamburg Prof. Dr. Jesgarzewski & Kollegen Rechtsanwälte Lange Str. 3, Osterholz-Scharmbeck Tel Fax Klassifizierung Rechtsprechung; Arbeitsrecht Stichworte Arbeitsvertrag; Geringfügige Beschäftigung; Teilzeit; Benachteiligungsverbot Abstrakt Teilzeitbeschäftigte sind gegenüber Beschäftigten in Vollzeit vor Benachteiligungen zu schützen. Werden geringfügig Beschäftigte gemäß 8 SGB IV nach einer Versorgungsordnung vom Zugang zu einer betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen, verstößt der Ausschluss gegen das Benachteiligungsverbot des 4 I S. 1 TzBfG. Dies gilt auch, wenn eine unterschiedliche Behandlung zwischen verschiedenen Gruppen von Teilzeitbeschäftigten erfolgt. 102/2017 Ausschluss geringfügig Beschäftigter von betrieblicher Alters-versorgung Seite 1
2 I. Einleitung Der Gesetzgeber hat die Ausgestaltung von Teilzeitbeschäftigungen im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) geregelt. Danach ist Teilzeitarbeit zu fördern. Gleichzeitig sollen Teilzeitbeschäftigte auch vor einer Benachteiligung gegenüber in Vollzeit beschäftigten Kollegen geschützt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist gesetzlich zunächst ausdrücklich definiert, was unter Teilzeit zu verstehen ist. Darüber hinaus wird ein grundsätzliches Benachteiligungsverbot ausgesprochen, welches nur ausnahmsweise durch eine sachliche Rechtfertigung durchbrochen werden darf. In der Arbeitswelt kommen gleichwohl Diskriminierungen in ganz unterschiedlichen Ausgestaltungen vor. Vorliegend stellt sich die Frage, ob geringfügig Beschäftigte im Vergleich zu Teilzeitbeschäftigten mit einer höheren Stundenzahl und Vollzeitbeschäftigten durch eine unternehmensinterne Versorgungsordnung von einer betrieblichen Altersversorgung ausgenommen werden dürfen. II. Sachstand Hierzu trifft das TzBfG die Regelung, dass auch geringfügig Beschäftigte zu den Teilzeitkräften gehören. Nach 2 TzBfG gilt das Folgende: (1) Teilzeitbeschäftigt ist ein Arbeitnehmer, dessen regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Ist eine regelmäßige Wochenarbeitszeit nicht vereinbart, so ist ein Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt, wenn seine regelmäßige Arbeitszeit im Durchschnitt eines bis zu einem Jahr reichenden Beschäftigungszeitraums unter der eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers liegt. Vergleichbar ist ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer des Betriebes mit derselben Art des Arbeitsverhältnisses und der gleichen oder einer ähnlichen Tätigkeit. Gibt es im Betrieb keinen vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, so ist der vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer auf Grund des anwendbaren Tarifvertrages zu bestimmen; in allen anderen Fällen ist darauf abzustellen, wer im jeweiligen Wirtschaftszweig üblicherweise als vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer anzusehen ist. (2) Teilzeitbeschäftigt ist auch ein Arbeitnehmer, der eine geringfügige Beschäftigung nach 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch ausübt. 102/2017 Ausschluss geringfügig Beschäftigter von betrieblicher Alters-versorgung Seite 2
3 Darauf fußt wiederum das Benachteiligungsverbot des 4 I TzBfG. Dieses lautet: Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Fraglich ist daher, ob es danach zulässig sein kann, geringfügig Beschäftigte von einer betrieblichen Altersversorgung auszunehmen. III. Entscheidung des Gerichts Vor diesem Hintergrund hatte nun das Landesarbeitsgericht (LAG München, Urteil vom Sa 544/15) über den folgenden Fall zu entscheiden: Die Parteien streiten über eine betriebliche Altersversorgung. Die Klägerin ist als geringfügig Beschäftigte seit 1991 Arbeitnehmerin bei der beklagten Gewerkschaft ver.di bzw. deren Rechtsvorgängerin. Nach deren Versorgungsordnung hat die Klägerin als geringfügig Beschäftigte kein Recht auf die betriebliche Altersversorgung der Beklagten. Dagegen wehrt sie sich. Die Klägerin begehrt die Anmeldung bei der Unterstützungskasse zur betrieblichen Altersversorgung mit Wirkung seit 2007, da dies aus einer hierzu abgeschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarung folge. Der ausdrücklich formulierte Ausschluss geringfügig Beschäftigter in der gleichfalls anzuwendenden Versorgungsordnung der Beklagten verstoße gegen das Benachteiligungsverbot nach 4 I TzBfG. Die Beklagte hält dem entgegen, dass für die Klägerin kein Anspruch auf betriebliche Altersversorgung bestehe. Dies folge aus deren Zweck. Die betriebliche Altersversorgung diene der Ergänzung der gesetzlichen Altersversorgung. Da die Klägerin als geringfügig Beschäftigte keinen Anspruch auf eine gesetzliche Altersversorgung habe, würde diese Ergänzungsfunktion entfallen. Die rentenrechtlichen Neuregelungen zum zur Rentenversicherungspflicht geringfügig Beschäftigter würden daran nichts ändern, weil hierzu keine Rückwirkung normiert wäre. Das Arbeitsgericht ist der Argumentation des Arbeitgebers gefolgt und hat die Klage abgewiesen (ArbG Rosenheim, Urteil vom Ca 1308/14). Das Landesarbeitsgericht (LAG München, Urteil vom Sa 544/15) hat das Urteil aufgehoben und dem Begehren der Klägerin stattgegeben. Zugleich wurde die Revision für die Beklagte zugelassen. Zur Begründung stellt das LAG auf eine Benachteiligung der Klägerin ab. Das Benachteiligungsverbot des 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG werde hier verletzt, da geringfügig Beschäftigte im Gegensatz zu Vollzeitbeschäftigten 102/2017 Ausschluss geringfügig Beschäftigter von betrieblicher Alters-versorgung Seite 3
4 und anderen Teilzeitbeschäftigten keinen Zugang zur betrieblichen Altersversorgung erhalten. Bei der betrieblichen Altersversorgung handele es sich um einen Entgeltbestandteil, für den die Vergleichbarkeit von geringfügig Beschäftigten und anderen Arbeitnehmern gerade gewährleistet werden solle. Die vorliegende unterschiedliche Behandlung von geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern sei auch nicht sachlich gerechtfertigt i. S. d. 4 Abs. 1 TzBfG. Zwar habe das Bundesarbeitsgericht für die Zeit vor dem entschieden, dass eine differenzierte Behandlung aufgrund unterschiedlicher Versorgungssysteme sachlich gerechtfertigt sein könne (BAG, Urteil v , 3 AZR 845/98). Von solchen unterschiedlichen Versorgungssystemen könne jedoch heute nicht mehr ausgegangen werden, da der Gesetzgeber seit dem die gesetzliche Rentenversicherung schrittweise für geringfügig Beschäftigte geöffnet habe. Die beim Bundesarbeitsgericht eingelegte Revision (Az. BAG 3 AZR 83/16) wurde wieder zurückgenommen, so dass das Berufungsurteil in Rechtskraft erwachsen ist. IV. Fazit In kaum einem anderen sozialversicherungsrechtlichen Bereich ist in den letzten beiden Jahrzehnten so viel verändert worden wie bei den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. Die arbeitsmarktpolitische Diskussion über diese Art einer Beschäftigung scheint kaum ein Ende zu finden. So wurde u. a. auch die nunmehr bestehende grundsätzliche Rentenversicherungspflicht für die sog. Minijobs nur schrittweise normiert. Vor diesem Hintergrund ist der Versuch der hier beklagten Gewerkschaft ver.di zu sehen, der klagenden geringfügig Beschäftigten eine betriebliche Altersversorgung vorzuenthalten. Dieser Antritt ist jedoch richtigerweise an 4 I S. 1 TzBfG gescheitert. Danach sind Teilzeitkräfte vor Diskriminierungen zu schützen. Das gilt für geringfügig Beschäftigte genauso wie für alle anderen Teilzeitarbeitnehmer. Auch eine Binnendifferenzierung in der Gruppe der Teilzeitbeschäftigten zum Nachteil von geringfügig Beschäftigten ist unzulässig, da 4 I S. 1 TzBfG eine Ausprägung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist. Eine sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung kommt vorliegend auch nicht in Betracht. Es ist bereits zweifelhaft, ob den im Berufungsurteil zitierten Erwägungen in der älteren Rechtsprechung des BAG überhaupt noch gefolgt werden könnte. Diese war im Kern von dem Gedanken getragen, dass wegen der seinerzeit fehlenden Rentenversicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte ein anderes Versorgungssystem bestehe, das eine Herausnahme aus einer betrieblichen Altersversorgung rechtfertigen würde. Im Ergebnis lief diese Argumentation darauf hinaus, dass die fehlende gesetzliche Versorgung durch eine unterbleibende betriebliche Versorgung untermauert werden sollte. Die gesetzgeberische Schlechterstellung diente folglich als Argument für eine weitere Schlechterstellung durch den Arbeitgeber. 102/2017 Ausschluss geringfügig Beschäftigter von betrieblicher Alters-versorgung Seite 4
5 Jedenfalls vor dem Hintergrund der nunmehr geltenden Rechtslage der Einbeziehung auch geringfügig Beschäftigter in die gesetzliche Rentenversicherung kann dieser Punkt nicht mehr für eine sachliche Rechtfertigung angeführt werden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass das BAG die Berufungsinstanz bestätigt hätte. Für die Praxis hat das zur Folge, dass betriebliche Versorgungssysteme das Benachteiligungsverbot ernst nehmen sollten. Eine Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten ist nicht zulässig. Dies gilt gleichermaßen für geringfügig Beschäftigte. 102/2017 Ausschluss geringfügig Beschäftigter von betrieblicher Alters-versorgung Seite 5
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