1. Einführung der Vorratsdatenspeicherung für Videoüberwachung - 53 Abs 5, 93a SPG
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- Heini Hartmann
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1 An das Bundesministerium für Inneres Herrengasse Wien Per Mail an: bmi-iii-1@bmi.gv.at begutachtungsverfahren@parlament.gv.at Wien, 21.August 2017 GZ: BMI-LR1340/0019-III/1/2017 Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, die Straßenverkehrsordnung 1960 und das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert werden (326/ME) Sehr geehrte Damen und Herren, mit diesem Schreiben nimmt ÖKOBÜRO Allianz der Umweltbewegung Stellung zum Entwurf mit dem das BMI ein Bundesgesetz vorlegt, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, die Straßenverkehrsordnung 1960 und das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert werden soll. ÖKOBÜRO ist die Allianz der Umweltbewegung. Dazu gehören 16 österreichische Umwelt-, Natur- und Tierschutz-Organisationen wie GLOBAL 2000, Greenpeace, Naturschutzbund, VIER PFOTEN oder der WWF. ÖKOBÜRO arbeitet auf politischer und juristischer Ebene für die Interessen der Umweltbewegung. 1. Einführung der Vorratsdatenspeicherung für Videoüberwachung - 53 Abs 5, 93a SPG Der 53 Abs 5 SPG soll wie folgt geändert werden: (5) Die Sicherheitsbehörden sind im Einzelfall berechtigt, für die Zwecke des Abs. 1 personenbezogene Bild- und Tondaten zu verwenden, die Rechtsträger des öffentlichen oder privaten Bereichs mittels Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten rechtmäßig verarbeitet haben. Dabei ist besonders darauf zu achten, dass Eingriffe in die Privatsphäre der Betroffenen die Verhältnismäßigkeit ( 29) zum Anlass wahren. Die Rechtsträger des öffentlichen oder des privaten Bereichs, sofern letzteren ein öffentlicher Versorgungsauftrag zukommt, die zulässigerweise den öffentlichen Raum überwachen, sind
2 2 für die Zwecke der Vorbeugung wahrscheinlicher oder Abwehr gefährlicher Angriffe gegen Leben, Gesundheit, sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, Freiheit oder Vermögen, der Abwehr krimineller Verbindungen sowie der Fahndung verpflichtet, Bilddaten auf Verlangen unverzüglich der Sicherheitsbehörde in einem üblichen technischen Format weiterzugeben oder Zugang dazu zu gewähren. Ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von einem solchen Verlangen darf der verpflichtete Rechtsträger die verlangten Bilddaten nicht löschen. Nicht zulässig ist die Verwendung von Daten über nichtöffentliches Verhalten. Nach 93 SPG soll folgender 93a SPG geschaffen werden: Informationspflicht bei Bildaufnahmen des öffentlichen Raums 93a. Öffentliche und private Auftraggeber, soweit letzteren ein öffentlicher Versorgungsauftrag zukommt, die zulässigerweise den öffentlichen Raum überwachen, sind verpflichtet, die örtlich zuständige Sicherheitsbehörde über die Verwendung von technischen Einrichtungen zur Bildverarbeitung zu informieren. Soweit dies im Einzelfall aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder der Strafverfolgung erforderlich ist, hat die Sicherheitsbehörde mit Bescheid eine zwei Wochen nicht überschreitende Aufbewahrungsverpflichtung festzulegen. Videoüberwachung ist generell kein wirksames Mittel zur Bekämpfung von Terroranschlägen, kommt es doch im Gegenteil den Tätern in der Regel gerade darauf an, gefilmt zu werden und so Angst und Schrecken zu verbreiten. So wurden etwa die Täter 2016 in Nizza, 2017 in London und bei anderen Anschlägen gefilmt, jedoch ohne Auswirkungen auf den Tatverlauf. Auch die LPD Wien erkannte, dass Überwachungskameras zur Verbrechensbekämpfung nicht sinnvoll und übermäßig teuer sind und baute bis der 17 aufgestellten Überwachungsanlagen wieder ab. 1 Die Vernetzung von Videoüberwachung und die Pflicht zur Speicherung haben keinen nachweislich positiven Effekt auf die Kriminalitätsvermeidung, greifen aber im Gegenzug in die Grundrechte aller erfassten Personen ein. ÖKOBÜRO lehnt daher die 53 Abs 5, 92a SPG ab. 2. Einführung von Netzsperren - 17 Abs 1a TKG In 17 soll nach Abs 1 folgender Abs 1a eingefügt werden: (1a) Anbieter von Internetzugangsdiensten können Verkehrsmanagementmaßnahmen im Sinn von Art. 3 der Verordnung (EU) 2015/2120 zur Vermeidung von strafrechtlich relevanten Handlungen, wie etwa Datenbeschädigung durch Viren, Computerkriminalität, Verbreitung von pornografischen oder gewaltverherrlichenden Darstellungen im Sinn der Jugendschutzgesetze an Minderjährige oder strafrechtlich relevante Urheberrechtsverletzungen, anbieten. Mit der Schaffung von Netzsperren eröffnet sich ein enormes Missbrauchspotential, da das Gesetz nicht verbindlich regelt, wie, wann, wie lange oder ob Inhalte von Webseiten gesperrt werden sollen. Diese Regelung ist daher zu unbestimmt um einen geregelten Vollzug zu ermöglichen. Darüber hinaus ist das Sperren von Inhalten kein geeignetes technisches Mittel um Probleme des Urheberrechts, der illegalen Pornographie oder von gewaltverherrlichenden Inhalten zu lösen, da sie sich mit technisch sehr einfachen Mitteln umgehen lassen. Die 1 Bericht im Kurier,
3 3 Entscheidung des Zugriffs auf Inhalte im Internet stellt vielmehr eine Form der Zensur dar, die unverhältnismäßig in das Recht auf freie Meinungsäußerung eingreifen kann, ohne dabei geeignet zu sein, das eigentliche Ziel der Bestimmung zu erreichen. NGOs sind in anderen Ländern bereits von der Einführung solcher Netzsperren betroffen. Die schrittweise Einführung solcher Zensurmöglichkeiten schadet jedenfalls dem freien und offenen Meinungsaustausch und bietet Missbrauchsmöglichkeiten. ÖKOBÜRO lehnt daher die Einführung des 17 Abs 1a TKG ab. 3. Abschaffung anonymer Simkarten - 97 Abs 1a TKG Nach 97 Abs 1 TKG soll folgender Absatz 1a eingefügt werden: (1a) Bei Vertragsabschluss ist durch oder für den Anbieter die Identität des Teilnehmers zu erheben und sind die zur Identifizierung des Teilnehmers erforderlichen Stammdaten zu registrieren. Das Verbot anonymer Simkarten soll der Verbrechens- und Terrorbekämpfung dienen, ist jedoch technisch nicht geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Die Verwendung anonymer und gesicherter Nachrichtendienste wird durch das Verbot von anonymen Simkarten nicht beeinträchtigt. Die Interessenvertretung der Telekomindustrie GSMA fand keine Belege dafür, dass diese Maßnahme zur Verbrechensaufklärung beitragen könnte. 2 In Mexiko wurde die Abschaffung anonymer Simkarten nach kurzer Zeit wieder aufgehoben, da die Verbrechensrate daraufhin anstieg und sich ein eigener Schwarzmarkt für Simkarten bildete. Andere Länder wie Tschechien, Neuseeland, Kanada, Rumänien, Großbritannien und sogar die EU Kommission haben die Abschaffung anonymer Sim Karten untersucht und sind alle zu dem Schluss gekommen, dass es keine Belege für die Wirksamkeit dieser Maßnahme gibt. 3 Die Abschaffung anonymer Simkarten wirkt daher schikanös, greift in Erwerbsfreiheit und das Recht auf unbeobachtete Kommunikation ein und ist nach aktuellem Erkenntnisstand nicht zielführend. ÖKOBÜRO lehnt daher die Einführung des 97 Abs 1a TKG ab. 4. Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung - 99 Abs 1a-1f TKG Nach 99 Abs 1 TKG sollen folgende Absätze eingeführt werden: (1a) Die in Abs. 1 normierte Löschungsverpflichtung besteht nicht hinsichtlich der in einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung gemäß den Bestimmungen der StPO bezeichneten Daten ab dem in dieser Anordnung bestimmten Zeitpunkt. Eine derartige staatsanwaltschaftliche Anordnung kann für höchstens 12 Monate erteilt werden. Die Ausnahme von der Löschungsverpflichtung besteht ausschließlich zur Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten, deren Schwere eine Anordnung nach 135 Abs. 2 Z 2 bis 4 StPO rechtfertigt. 2 Users_32pgWEBv3.pdf. 3
4 4 (1b) Eine Auskunft über nach Abs. 1a von der Löschungsverpflichtung ausgenommene Daten ist ausschließlich aufgrund einer gerichtlich bewilligten Anordnung der Staatsanwaltschaft zur Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, deren Schwere eine Anordnung nach 135 Abs. 2 Z 2 bis 4 StPO rechtfertigt, zulässig. Die Übermittlung der Daten hat in angemessen geschützter Form nach Maßgabe des 94 Abs. 4 zu erfolgen. (1c) In den Fällen des Abs. 1a haben die Anbieter zu gewährleisten, dass jeder Zugriff auf die von der Löschungsverpflichtung ausgenommenen Daten sowie jede Anfrage und jede Auskunft über diese Daten nach Abs. 1b protokolliert wird. Diese Protokollierung umfasst auch den Namen und die Anschrift des von der Auskunft über Daten nach Abs. 1b betroffenen Teilnehmers, soweit der Anbieter über diese Daten verfügt. (1d) Die Adressaten einer Anordnung nach Abs. 1a haben die Verarbeitung von, den Zugriff auf und die Übermittlung von diesen Daten so zu protokollieren, dass dem Auskunftsrecht nach allgemeinen datenschutzrechtlichen Bestimmungen entsprochen werden kann. (1e) Die Übermittlung der Protokolldaten hat auf schriftliches Ersuchen der Datenschutzbehörde zu erfolgen. (1f) Nach Ablauf der in der staatsanwaltschaftlichen Anordnung gesetzten Frist sind die von der Löschungsverpflichtung nach Abs. 1 ausgenommenen Daten zu löschen. Geplant ist, die Vorratsdatenspeicherung als Quick Freeze auf Anordnung der Staatsanwaltschaft wieder einzuführen. Diese Maßnahme würde demnach nicht der Zustimmung einer Richterin/eines Richters bedürfen. Allein die Speicherung von Daten ist jedoch bereits ein Eingriff in die Grundrechte der/des Betroffenen. Entgegen den Plänen im Arbeitsprogramm der Regierung ist darüber hinaus im gegenständlichen Entwurf keine Benachrichtigung der fälschlicherweise überwachten Personen vorgesehen und somit kein einfacher Rechtsschutz der Betroffenen möglich. Die Vorratsdatenspeicherung ist darüber hinaus nachweislich ungeeignet und ineffizient, Verbrechen zu verhindern oder bei der Aufklärung wesentlich zu helfen. 4 Die Schaffung der Infrastruktur ist unverhältnismäßig teuer und aus den Ländern, in denen die Vorratsdatenspeicherung bereits angewandt wird, sind keinerlei Beispiele bekannt, wie durch diese Terroranschläge oder schwere Verbrechen verhindert werden konnten. ÖKOBÜRO lehnt daher die Änderungen des 99 TKG ab. 4 Studie der Vereinigung European Digital Rights EDRi,
5 5 Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Maßnahmen im SPG und TKG aus technischen und praktischen Gründen nicht geeignet sind, wirklich Auswirkungen auf Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung zu haben. Gleichzeitig stellen die geplanten Regelungen teils massive Einschnitte in die Grundrechte auch von NGOs und deren Mitarbeitenden dar, die angesichts des äußert fragwürdigen Nutzens nicht vertretbar erscheinen. Es ist für uns zu befürchten, dass diese zusätzlichen Überwachungsmaßnahmen als repressive Instrumente gegen zivilgesellschaftliche Organisationen eingesetzt werden könnten, vor allem, da ihre Anwendung ohne gerichtliche Kontrolle vorgesehen ist und sie nur schwer zu bekämpfen sind. Dies trifft NGOs direkt und greift in ihre Arbeit ein. Wir fordern daher den BM für Inneres auf, den Entwurf zurückzuziehen. Mit freundlichen Grüßen Mag. Thomas ALGE Geschäftsführer ÖKOBÜRO
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