Ein stringentes Identifikations- und Suchsystem für Keilschriftzeichen
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- Franz Kranz
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1 Material Text Culture Blog Ein stringentes Identifikations- und Suchsystem für Keilschriftzeichen Norbert Gottstein Heidelberg, den 06. August 2012 Zitiervorschlag Norbert Gottstein, Ein stringentes Identifikations- und Suchsystem für Keilschriftzeichen, Material Text Culture Blog URI DOI /mtk.mtc_blog Gottstein ISSN X Dieser Beitrag steht unter der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-ND 3.0 (Namensnennung Nicht kommerziell Keine Bearbeitung.) Sie erlaubt den Download und die Weiterverteilung des Werkes / Inhaltes unter Nennung des Namens des Autors, jedoch keinerlei Bearbeitung oder kommerzielle Nutzung. Weitere Infortionen zu der Lizenz finden Sie unter:
2 Ein stringentes Identifikations- und Suchsystem für Keilschriftzeichen Norbert Gottstein ( ; Eil: 1. Einführung Die philologische Analyse und Übersetzung von Keilschrifttexten vorwiegend aus dem antiken Zweistromland hat sich seit über 130 Jahren stetig weiterentwickelt. Dabei entstanden diverse Wörterbücher und Gramtiken des linguistisch isolierten Sumerischen und des semitischen Akkadischen mit seinen wichtigsten Dialektgruppen Babylonisch und Assyrisch. Diese Werke bewegen sich auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau. Entsprechendes gilt für die ebenfalls mit der Keilschrift dargestellten Sprachen der an Mesopotamien angrenzenden Kulturräume (z. B. Hurritisch, Hethitisch, Ugaritisch). Grundlegende Voraussetzung für diese lexikalische und sentische Analyse der altorientalischen Keilschrifttexte sind allerdings die Dokumentation, Erschließung und Deutung des außerordentlich komplexen Keilschriftsystems. Für den akademischen Gebrauch wurden daher in der Altorientalistik Listen mit Keilschriftzeichen aus verschiedenen Epochen bzw. Schriftstufen geschaffen, 1 die zwar sehr hilfreich für die Übersetzungsarbeit, in der Handhabung jedoch größtenteils äußerst unpraktisch sind. Dies liegt einerseits an dem vergleichsweise hohen Zeitaufwand, den das Auffinden bestimmter Zeichen für den Übersetzer von keilschriftlichen Texten gerade auch im akademischen Anfängerunterricht mit sich bringt, andererseits aber auch daran, dass die Zeichenlisten in der Regel längst nicht alle graphischen Varianten eines Zeichens verbuchen. Solche Varianten sind allenfalls in separaten Veröffentlichungen dokumentiert. Eine stringente Systetik zur Identifikation und vor allem Auffindung bestimmter Keilschriftzeichen im Rahmen eines analytischen Zeichenkompendiums gehört daher seit Langem zu den Desideraten der altorientalistischen Forschung, wurde bislang jedoch weder realisiert noch konsequent in Angriff genommen. Besonders deutlich wird diese Forschungslücke, wenn n die zu Recht als Standardwerke der Altorientalistik geltenden Zeichenlisten Rykle Borgers (Borger 1988; ders. 2010) konsultiert. Borger selbst geht davon aus, dass ein wirklich konsequentes System der Anordnung von 1 S. z. B. 1
3 Keilschriftzeichen in einer Liste sich kaum erzielen lässt (Borger 1988, 1). Borger fährt fort: Während n die neuassyrischen Zeichenformen in den Zeichenlisten verhältnismässig leicht auffinden kann, lassen sich die Zeichenformen aus anderen Perioden und Gebieten nicht nach einem festen System auffinden. Für die anderen Zeichenformen ist nämlich keine verbindliche Anordnung nach dem System von Delitzsch entwickelt worden. Die verschiedenen nicht nach der neuassyr. Norlform angeordneten Speziallisten weichen stark voneinander ab. Besonders für die altbabyl. Kursive, die eine ungeheuere Formenvielfalt aufweist und oft recht lässig gehandhabt wurde, dürfte die Anordnung nach einem treffsicheren System praktisch unmöglich sein [meine Emphase]. Ich habe es für aussichtslos gehalten, eine neue Gesamtliste oder mehrere intern treffsicher angeordnete Speziallisten ausarbeiten zu wollen (Borger 1988, 4). In fast unveränderter Form finden sich diese Überlegungen auch in Borgers erstls 2003 erschienenem Zeichenkompendium "Mesopotamisches Zeichenlexikon" (Borger 2010, 626), das gegenwärtig die Standardliste der Keilschriftzeichen für die altorientalistische Forschung ist. 2. Methodische Vorüberlegungen Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie probletisch das Fehlen eines stringenten Identifikations-, Such- und Auffindesystems für Keilschriftzeichen in der altorientalistischen Forschungspraxis ist und wie dringend notwendig es daher erscheint, ein solches System zu entwickeln. Im Wintersemester 2008 habe ich als Gasthörer im Fach Assyriologie an der Universität Heidelberg damit begonnen, mich mit diesem Problem auseinanderzusetzen und in kurzer Zeit eine Lösung gefunden. Dabei war meine Ausbildung zum Diplomchemiker außerordentlich hilfreich, weil in der Chemie ein stringentes Suchsystem für ca. 40 Millionen organische und anorganische Verbindungen existiert. Mit Hilfe dieses Systems ist es möglich, eine bestimmte chemische Verbindung in nur wenigen Minuten zu finden und sämtliche Infortionen zu deren Darstellung, Eigenschaften, Reaktionen etc. zu eruieren. Für organische Verbindungen zieht n hierfür den Beilstein 2 oder die Chemical Abstracts, 3 für anorganische Verbindungen den Gmelin heran. 2 (Beilstein, Gmelin) 3 2
4 In der Organik sind die Elemente nach C, H, N, O (Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff) geordnet, andere Elemente folgen in alphabetischer Reihenfolge. Die Anzahl der einzelnen Elemente wird jeweils durch Indices kenntlich gecht. So hat etwa Nitrobenzol die Kennung C6 H5 N O2. Aus dieser ergibt sich eine einfache Auffindemöglichkeit, analog zu alphabetisch angeordneten Wortlisten. 3. Das Gottstein-System Da n mit Hilfe dieses einfachen Systems in der Lage ist, unter Millionen chemischer Verbindungen schnell eine ganz bestimmte zu finden, sollte es auch möglich sein, dieses System in modifizierter Form auf nur einige Tausend Keilschriftzeichen anzuwenden. Das von mir entwickelte Verfahren zur Identifikation, Suche und Auffindung von Keilschriftzeichen stellt eine solche Anpassung des in der Chemie gebräuchlichen Systems an die Erfordernisse der Keilschrift dar. Da Prinzipien und konkrete Handhabung dieses Verfahrens für dessen erfolgreiche Anwendung bekannt sein müssen, seien sie im Folgenden kurz erläutert: Alle Keilschriftzeichen mit Ausnahme der frühen sumerischen Piktogramme sind grundsätzlich aus fünf einfachen graphischen Elementen zusammengesetzt: der senkrechte Keil, der waagrechte Keil, der nach links geneigte Keil, der nach rechts geneigte Keil, der Winkelhaken. Die Grundidee des Gottstein-Systems ist, jedem dieser Elemente einen Namen zu geben, um es eindeutig identifizieren zu können (Denomination). Ausgehend von dieser Basis sind alle folgenden Überlegungen lediglich eine logische Ableitung: Jedes graphische Element eines Keilschriftzeichens wird gezählt und diese Zahl als Index dem entsprechenden Element beigegeben. Aus der Kombination der indizierten Elemente ergibt sich die Kennung eines Zeichens, durch die es identifizierbar ist. Um die Zeichen katalogisieren zu können, muss ein weiterer Begriff eingeführt werden: die Kategorie. Sie ist aus der Summe aller Elemente in einem Keilschriftzeichen abgeleitet (s. Abbildung 1). Darüber hinaus musste eine weitere Schwierigkeit bei der Erstellung der Keilschriftzeichen-Kennungen beseitigt werden: die Ähnlichkeit des nach links geneigten Keils mit dem Winkelhaken. Bei sehr vielen Keilschriftzeichen lassen sich diese beiden 3
5 Elemente nur schwer oder gar nicht unterscheiden. Dieses Problem wurde dadurch gelöst, dass der nach links geneigte Keil und der Winkelhaken im Gottstein-System unter derselben Denomination geführt werden (s. Abbildung 1). Dies führt zur vollständigen Identifikation des Beispielzeichens in Abbildung 1: 9: a3 b5 c1. Mit dieser Infortion schlägt n in der nach diesem System generierten Liste unter Kategorie 9 nach und findet so das nach dem inneren Alphabet geordnete Zeichen mit zugehörigem Namen. Abbildung 1: Klassifizierung von Keilschriftzeichen im Gottstein-System Dieses innere Alphabet kombiniert mit Zahlen stellt eine sogenannte Matrix-Algebra dar. Der Algorithmus ist nachfolgend in Kurzform erläutert: a1 b0 c0 d0 a1 b1 c0 d0 a1 b1 c1 d0 a1 b1 c1 d1 a1 b1 c1 d2 a1 b1 c1 dn usw. a1 b1 c2 d0 a1 b1 c2 d1...a1 b1 c2 dn usw. a1 b1 c2-n d1-n usw. Sind alle b, c und d ausgeschöpft, wird fortgesetzt mit a1 b0 c1 d0 usw. Sind alle Kombinationen a1 c1 und a1 d1 ausgeschöpft, wird fortgesetzt mit 4
6 a2 b0 c0 d0 und das Spiel beginnt von Neuem. Bei der elektronischen Sortierung der Kennungen mittels Excell begeben wir uns in den Bereich der höheren Mathetik. Herr Dipl.-Mathetiker Jens Schramm hat dafür eine Formel entwickelt, die für das Sortieren von Kennungen bei der Erstellung von Listen wertvolle Dienste leistet und hilfreich bei der Fehlervermeidung ist. 4. Die Erstellung von Zeichenlisten nach dem Gottstein-System Wie vorausgehend gezeigt wurde, ist es denkbar einfach, für jedes Keilschriftzeichen eine Kennung zu vergeben. Darauf aufbauend muss eine Liste mit anschließender Sortierung der Kennungen erstellt werden. Dazu sind die folgenden, sehr arbeitsintensiven Schritte notwendig: 1. Zusammenstellung der Keilschriftzeichen aus einer bestimmten Epoche (z. B. neubabylonisch, altassyrisch, mittelassyrisch etc.) mit den wichtigsten Varianten; 2. Sortierung der einzelnen Kennungen für jedes Zeichen; 3. Einteilung in Kategorien und Sortieren derselben (Erstellen der Liste); 4. Übertragung in eine publizierbare Form, d. h. digitales Zeichnen der Keilschriftzeichen am Computer. 5. Mehrere Prüfungen auf Übertragungsfehler. Mittlerweile habe ich einige Listen handschriftlich erstellen und auf ihre Eignung in der Praxis testen lassen können. Diese Überprüfungen sind überaus positiv verlaufen, da jedes nach dem Gottstein-System gelistete Zeichen in Sekundenschnelle lokalisiert werden konnte. Sogar Fachfremde haben gesuchte Zeichen in wenigen Augenblicken gefunden. Keilschriftzeichen mit 7 bis 10 Keilen stellen die umfangreichsten Gruppen dar. Es liegt in der Natur der Sache, dass gerade dort unterschiedliche Keilschriftzeichen mit identischer Kennung vorkommen. Dies können im Extremfall bis zu 10 Keilschriftzeichen sein. In anderen Kategorien beschränkt sich die Zahl in der Regel auf 3 bis 4 Keilschriftzeichen mit identischer Kennung. Dieser Umstand stellt in der Praxis jedoch kein Problem dar, weil der Suchende sein Keilschriftzeichen vor dem inneren Auge präsent hat, und dieses sofort unter wenigen Kennungen findet. Der Mehraufwand beträgt erfahrungsgemäß nur eine Sekunde. Derzeit stehen vier Listen unmittelbar vor dem Abschluss. Die erste dieser Listen soll Anfang 2013 publiziert werden (s. u., 5. Anhang ), weitere werden in Kürze folgen. Für die Erstellung des ersten Listennuskripts (neu- und mittelassyrische 5
7 Keilschriftzeichen) ist Herr Strahil Panayotov M. A. verantwortlich. Seine Aufgabe besteht unter anderem darin, die Liste zu digitalisieren, um elektronische Suchfunktionen nutzen zu können. Ich bin sicher, dass die fertige Liste zu einem unverzichtbaren Werkzeug für alle diejenigen werden wird, die sich mit der Entzifferung und Übersetzung von keilschriftlichen Texten beschäftigen. Die durch den Einsatz der Liste erzielte Zeitersparnis steht außer Frage. Zudem ist über das Merkl der Kennung eine elektronische Suche möglich, ein weiterer erheblicher Vorteil des Systems. 5. Anhang In diesem Anhang haben wir als Beispiel zwei Seiten aus der sich in Bearbeitung befindlichen neu-/mittelassyrischen Zeichenliste beigefügt. Sie entstammen dem Abschnitt Kategorie 3, bieten also Zeichen mit 3 Elementen. Die Kategorie-Nummer befindet sich in der rechten oberen Ecke des Blattes. Aus ästhetischen Gründen haben wir uns dazu entschlossen, die Keilschriftzeichen mit einem Zeichenprogramm zu erstellen und keine Fonts zu benutzen, wie sie in Borger 2010 verwendet wurden. Diese Zeichen werden gegenwärtig von Herrn Strahil Panayotov M. A. gezeichnet. Seine Vorschläge, die Zeichennummern aus dem Akkadischen Syllabar (v. Soden Röllig 1991) zu übernehmen, die mittelassyrischen (MA) Zeichen und somit auch die neuassyrischen explizit zu kennzeichnen und Zeichennamen nicht Lautwerte anzugeben, sind in der von ihm bearbeiteten Liste bereits umgesetzt. Dies gilt auch für die Aufnahme und Kennzeichnung der Zeichenvarianten, welche ich in das System eingearbeitet habe. In der ersten Spalte der Liste sind die Nummern aus Borger 2010, in der zweiten Spalte diejenigen aus Borger 1988 und in der dritten Spalte die aus v. Soden Röllig 1991 aufgeführt. Die Liste dient somit auch als Konkordanz zu diesen Werken. Die folgenden Beispielseiten sollen lediglich als Anschauungsterial dienen und stellen keinesfalls die Endfassung dar. Weitere Veränderungen und Verbesserungen werden sukzessiv vorgenommen werden. Zitierte Literatur: Borger, R Assyrisch-Babylonische Zeichenliste, 4. Auflage. Alter Orient und Altes Testament 33/33a Mesopotamisches Zeichenlexikon, 2. Auflage. Alter Orient und Altes Testament 305. v. Soden, W. Röllig, W Das Akkadische Syllabar, 4. Auflage. Analecta Orientalia 42 6
8 MZ qa qa an qa na an = middle assyrian abz mz 2
9 MZ qa a a ab2 4 b eš b b3 210 b3 = middle assyrian abz mz 2
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