Fahrradexkursion durch die Rüstungslandschaft bei Schwanewede

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1 Fahrradexkursion durch die Rüstungslandschaft bei Schwanewede DELMENHORST Obergefreiter d.r. Bernd Martschinke aus der Kreisgruppe Ahlhorn des Reservistenverbandes organisierte für Reservisten in Zusammenarbeit mit dem Dipl.-Politologen Wulf Böcker von der Bremer Gedenkstätte Denkort Bunker Valentin eine wehrgeschichtliche Fahrradtour durch die im Dritten Reich nördlich von Bremen errichtete Rüstungslandschaft. Am 20. Mai 2016 trafen sich die Teilnehmer bei der Weserfähre Berne-Farge auf dem dortigen Parkplatz. Nach einer kurzen Begrüßung erläuterte Reiseführer Wulf Böcker anhand seiner Lagekarte das in den Focus gerückte Gelände im Waldgebiet zwischen Farge, Neuenkirchen und Schwanewede, deren Geschichte seit der militärischen Aufrüstung in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts und die geplanten Teilziele während der Fahrradrundfahrt. Mit der Fähre Berne-Farge (linkes Bild) ging es beim Kohlekraftwerk Farge (rechtes Bild) über die Weser zum Treffpunkt auf dem Parkplatz. Vom Treffpunkt an der Fähre in Farge geht es per Fahrrad in Richtung Schwanewede.

2 - 2 - Besuch im größten unterirdischen Tanklager der Welt Mit einem Einführungsvortrag im Besprechungsraum wird das Tanklager vorgestellt. Wolfgang Zettler, örtlicher Technischer Betriebsleiter der Firma Wartungs- und Prüfungsdienst GmbH (WPD) erläuterte der Besuchergruppe das Tanklager und führte seine Gäste anschließend über das weitläufige Gelände. Das Tanklager befindet sich in einem ausgezeichneten Zustand. Erstaunlich ist die gute Qualität der mittlerweile 80 Jahre alten Tanks, die aus technischer Sicht manche moderne Tankanlage übertreffen sagte Zettler. In ca. 16 Meter Tiefe unter der Erdoberfläche sind auf dem Gelände rund 15 Tankanlagen verteilt, bestehend aus jeweils fünf betonummantelten genieteten Stahlröhren mit einem Durchmesser von je 10 Meter und 50 Meter Länge. Über mehrere Pumpstationen sind die Tankanlagen miteinander verbunden. Das gesamte Leitungssystem und die Abfüllstation für Tanklastwagen wurden vor wenigen Jahren noch komplett modernisiert. Über eine Pipeline zum ehemaligen FBG-Tanklager OLDENBURG im Wardenburger Ortsteil Littel war das Tanklager Farge direkt an die Fliegerhorste Oldenburg und Ahlhorn sowie an das mitteleuropäische NATO-Pipeline-Netz "Central Europe Pipeline System" angebunden. Ein als Wandgemälde gezeichneter Lageplan im Besprechungsraum des Tanklagers zeigt die Weitläufigkeit des Geländes auf.

3 - 3 - Ein kurzer Rückblick in die jüngere Geschichte: 1935 wurde von der Wirtschaftlichen Forschungsgesellschaft mbh (Wifo) damit begonnen, in der Rekumer Heide unter dem Tarnnamen Wasserberg, verbunkerte unterirdische Treibstofftanks mit einer Gesamtkapazität von Kubikmeter zu errichten. Diese Anlage sollte Kraftstoff für die neue Reichsluftwaffe bevorraten. Sie wurde schrittweise in Betrieb genommen und bis ca fertiggestellt. Nach Kriegsende übernahmen die amerikanischen Streitkräfte das Tanklager und betrieben es sofort weiter. Über dieses Depot wurde auch der Großteil des Kraftstoffbedarfs für die Berliner Luftbrücke (1948/49) gedeckt. Die Anlage wurde später an die Bundeswehr übergeben und im Rahmen der Kraftstoffversorgung der NATO-Streitkräfte mit Anschluss an die NATO-Pipeline weitergenutzt. Die ursprüngliche Ausdehnung des Wifo-Tanklagergeländes wurde im nördlichen Bereich etwas zurückgenommen. Heute umfasst das Gelände rund 320 Hektar. Im Nordostteil des freigegebenen Gebietes entstand ab 1956 für die Bundeswehr die 2015 geschlossene Lützow-Kaserne. Für den Betrieb der militärischen Tanklager und der NATO-Pipeline war in Deutschland die bundeseigene Industrieverwaltungsgesellschaft (IVG) zuständig; deren Tochter Fernleitungs- Betriebsgesellschaft (FBG) war für die Pipelines verantwortlich, während die andere Tochter Vereinigte Tanklager und Transportmittel GmbH (VTG) die Kesselwagen zum Eisenbahn- Transport zur Verfügung stellte. Mit der Truppenreduzierung verzichtete die Bundeswehr auf einen Großteil ihrer Tankkapazitäten wurde der Betrieb des Tanklagers Farge eingestellt und die Einrichtung an die BIMA (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben) übergeben, welche anschließend die Firma Wartungsund Prüfungsdienst GmbH (WPD) mit Sitz in Speyer mit der Sicherung und dem Rückbau der kompletten Anlage beauftragte. Das gesamte Tanklager Farge befindet sich noch im besten technischem Zustand. Bei der Besichtigung einer Pumpstation beeindruckten die zahlreichen Handräder für die Absperrschieber im Rohrleitungssystem und die Förderleistung der Pumpe: Stolze 320 Kubikmeter pro Stunde! Bedauerlicherweise durften wegen des bestehenden Fotografier-Verbotes der BIMA keine Bilder aufgenommen werden. Ehemaliges Tanklager der Kriegsmarine 1938 wurde nördlich des unterirdischen Tanklagers mit dem Bau des Kriegsmarine Öllagers Farge begonnen. Insgesamt 86 oberirdische Treibstoffbunker sollten eine Gesamtkapazität von Kubikmeter haben. Obwohl bereits im Mai 1941 ein Baustopp aufgrund nicht mehr benötigter Lagerkapazität verfügt wurde, dauerten die Bauarbeiten bis März 1945 an. In dieser Zeit waren 12 Behälter fertiggestellt und 18 ummantelt worden, für vier weitere hatte man die Baugruben ausgehoben. Dieses Treibstoffdepot ging jedoch nie in Betrieb, ein Teil der Tanks wurden von der Kriegsmarine als Lager für elektronische Geräte und Motorenteile genutzt. Unmittelbar nach dem Krieg wurden die Tanks durch die Briten gesprengt. Heute befindet sich auf dem ehemaligen Tanklagergelände der Standortübungsplatz SCHWANEWEDE der Bundeswehr. Während der geführten Fahrradexkursion wurde im Waldgebiet die vorhandene Ruine eines der vielen Rundbunker gezeigt, die einmal Schweröl für die Schiffe der Kriegsmarine aufnehmen sollten. Beindruckend war die Größe der gesprengten Tanks: Der hier gezeigte Ölbunker 7 hatte ehemals eine Höhe von 7 Meter und einen Durchmesser von 50 Meter.

4 - 4 - Mittagspause im ehemaligen Soldatenheim Schwanewede Im Hotel Schwanenberg in Schwanewede stärkte sich die Gruppe zum Mittagessen. Einigen Teilnehmern war das Haus noch als Soldatenheim der Ev. Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung bekannt, welche 2014 jedoch wegen der bevorstehenden Schließung der Lützow-Kaserne (2015) das Soldatenheim an den ehemaligen Pächter verkaufte. Die 19-köfige Reisegruppe mit Dipl.-Politologe Wulf Böcker (re.) vor der Baracke Wilhelmine. Dokumentations- und Lernort Baracke Wilhelmine Am Nachmittag ging es weiter zur Baracke Wilhelmine in der ehemaligen Weser-Geest-Kaserne. Die dortige Ausstellung der Heimatfreunde Neuenkirchen, Sparte Gedenkstättenarbeit, zeigt den wechselvollen Lebenslauf des Geländes als Lager, Hospital und Kaserne nach. Rückblick in die Geschichte: Wegen der Baumaßnahmen in der Rüstungslandschaft wurden zur Unterbringung des Personals und von Fremdarbeitern mehrere Arbeitslager auf dem Gebiet des Tanklagers und der näheren Umgebung errichtet. Durch den Bau des U-Boot-Fabrikbunkers Valentin, ab Sommer 1943 in der Nähe des Tanklagers, wurde der Schwerpunkt der Bauaktivitäten auf dessen Baustelle verlagert. Die jetzige Baracke Wilhelmine wurde 1939 mit weiteren Baracken als Teil des Marine- Gemeinschaftslagers erbaut. Zum Kriegsende 1945 zunächst Marinelazarett, danach Teil des zivilen Ev. Hospital Neuenkirchen Übernahme durch die Bundeswehr als Camp Neuenkirchen, später Umbenennung in Weser-Geest-Kaserne. Nach Anzug der Bundeswehr 2004 entstand hier der Gewerbepark Weser-Geest. Die Baracke Wilhelmine wurde im gleichen Jahr vom jetzigen Nutzer als Dokumentations- und Lernort übernommen. Modell des Lagers (li.) und Luftaufnahme des Geländes mit Tanklager und Baracken (roter Punkt).

5 - 5 - Dipl.-Politologe Wulf Böcker (3.v.re.) gibt auf dem Geschichtslehrpfad Lagerstraße Erläuterungen. Geschichtslehrpfad Lagerstraße Dipl.-Politologe Wulf Böcker informierte während der Rundfahrt an historisch interessanten Punkten über das unsägliche Leid der hier eingesetzten Zwangsarbeiter. Zwischen 1943 und 1945 arbeiteten täglich bis zu Personen unter menschenunwürdigen Bedingungen auf der Baustelle. Mindestens 1800 davon starben an Hunger, Folter und Willkür. Leider konnte aus zeitlichen Gründen nur ein Teil des Geschichtslehrpfades Lagerstraße abgefahren werden. Zum Ende der Veranstaltung bedankte sich Feldwebel d.r. Peter Schröbel, Vorsitzender der Kreisgruppe Ahlhorn des VdRBw e.v., bei Bernd Martschinke und Wulf Böcker für die Organisation der gelungenen Veranstaltung. Am Kraftwerk Farge, bzw. der Weserfähre, endete die interessante Fahrradexkursion durch die Rüstungslandschaft, die bei vielen Teilnehmern zum Nachdenken und zur Diskussion anregte. Die politische Entscheidung zum Rückbau des technisch vollkommen intakten Tanklagers stieß bei manchem auf Unverständnis. Eine Verwendung als nationale Krisenbevorratung von Ölreserven hielten sie für angebracht und notwendig. Eine Nutzung für die nationale Sicherheit würde auch die vielen Opfer ehren, die beim Bau der Anlage umgekommen sind. Empfehlung für die Leser: Ein Besuch der Dokumentations und Gedenkstätte Geschichtslehrpfad Lagerstraße/U-Boot-Bunker Valentin e.v. lohnt sich immer! Beim U-Boot-Bunker Valentin handelt es sich um den größten Bunker in Deutschland und zweitgrößtem Exemplar in Europa. Weitere Informationen im Internet unter Mit einem letzten Blick von der Fähre auf die Bremer Weserseite und dem Kraftwerk Farge ging es für die teilnehmenden Reservisten zurück in das Oldenburger Land. Text und Fotoaufnahmen: Alfred Claußen