Update in Progress Beiträge zu einer ethnologischen Medienforschung

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1 Update in Progress Beiträge zu einer ethnologischen Medienforschung

2 Berliner Blätter Ethnographische und ethnologische Beiträge Heft 64 / 2013 Die Berliner Blätter erscheinen unregelmäßig, mindestens jedoch zweimal im Jahr. Redaktionsanschrift: Geschäftsstelle der Gesellschaft für Ethnographie (GfE) am Institut für Europäische Ethnologie z. Hd. Geschäftsführerin Prof. Dr. Beate Binder Mohrenstraße 41, Berlin Tel.: +49 (0) , Fax: +49 (0) gfe.euroethno@hu-berlin.de Bankverbindungen: Berliner Bank, IBAN: DE , BLC: DEUTDEDNB110

3 Update in Progress Beiträge zu einer ethnologischen Medienforschung herausgegeben von Falk Blask, Joachim Kallinich und Sanna Schondelmayer

4 Impressum BERLINER BLÄTTER. ETHNOGRAPHISCHE UND ETHNOLOGISCHE BEITRÄGE Herausgegeben von der Gesellschaft für Ethnographie (GfE) und dem Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin ISSN UPDATE IN PROGRESS. BEITRÄGE ZU EINER ETHNOLOGISCHEN MEDIENFORSCHUNG Herausgegeben von Falk Blask, Joachim Kallinich und Sanna Schondelmayer ISBN Auflage Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Genehmigung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Rechte verbleiben bei den jeweiligen Autorinnen und Autoren. Panama Verlag, Berlin 2013 Redaktion: Katrin Amelang, Beate Binder, Falk Blask, Silvy Chakkalakal, Alexa Färber, Alik Mazukatow, Sebastian Mohr, Franka Schneider, Elisabeth Tietmeyer Heftredaktion: Christoph Bareither, Falk Blask, Christian Blumhagen, Dennis Eckhardt, Joachim Kallinich, Sanna Schondelmayer Satz: Matthias Schöbe Umschlagbild: Matthias Schöbe Besuchen Sie uns im Internet:

5 Inhalt -Interview Die Herausgeber_innen mit Prof. Dr. Hermann Bausinger 7 Falk Blask, Joachim Kallinich, Sanna Schondelmayer Log-in 12 Sanna Schondelmayer Alltägliche Onlinepraxen und Offline(t)räume als Forschungsfelder der Europäischen Ethnologie 17 Christoph Bareither, u. a. Alltag mit Facebook Methodologische Überlegungen und ethnografische Beispiele 29 Christian Blumhagen Flaneure, Fremde und Voyeure Teilnehmende Beobachtungen in Facebook 47 Dennis Eckhardt Infogene Lebenswirklichkeit Ein Perspektivwechsel 59 Meret Eikenroth med1.de Selbsthilfegruppen im Internet 71 Fiona Krakenbürger Programmieren ist das neue Latein 81 Michael Metzger Urban Games Die Stadt als Spielfeld 89 Jan Schnorrenberg Privatheit in digitalisierten Zeiten 106 Anja Zeutschel Medien-Tagebuch

6 Lina Ewert Auf Medien-Diät Ein Selbstversuch 126 Michael Westrich Abschied von der Visuellen Anthropologie? 135 Fabio Santos Fotografie als Gegenstand und Methode der Ethnologie 142 Log-out Autor_innenverzeichnis 152

7 -Interview Die Herausgeber_innen mit Prof. Dr. Hermann Bausinger 14. Februar :15 Herr Bausinger, Sie haben 1961 in ihrer Habilitationsschrift»Volkskultur in der technischen Welt«von der»natürlichkeit des Technischen«gesprochen. Muss das nicht heute ersetzt werden durch die»natürlichkeit des Digitalen«? 14. Februar :21 Technisch ist die umfassendere Kategorie. Vielleicht zu umfassend: Technik entsteht ja schon mit der menschlichen Kultur; am Anfang war wahrscheinlich nicht das Wort, sondern eher das Gerät, die Entwicklung von Prothesen zur Sicherung und Verbesserung des Lebens. Daraus könnte man in der Tat die Forderung ableiten, Epochen der Technikgeschichte genau zu trennen. Aber im jetzigen Alltag geht es ja kaum um die innere Konstruktion des Technischen, sondern um die nutzbaren Funktionen. Ob ein Auto aufgrund mechanischer Konstruktionen, analog, oder aufgrund digitaler Kalkulationen bremst, ist für den Fahrer relativ gleichgültig. 14. Februar :23 In Fortführung Ihrer Überlegungen zur»volkskultur in der technischen Welt«haben Sie in den 70er Jahren Medienforschung zum Markenzeichen des Ludwig- Uhland-Instituts in Tübingen gemacht. 14. Februar :31 Es war nicht das einzige Markenzeichen, und nach dem starken Akzent in den 70ern ist auch bei uns das Interesse etwas zurückgegangen. Das war nicht untypisch: Unser Fach hat in verschiedenen kulturellen Bereichen Türen aufgestoßen und das Feld dann Anderen überlassen. Damals war in Deutschland die Medienforschung noch nicht als eigene Disziplin anerkannt und etabliert; ein Mann wie Gerhard Maletzke stand fast allein da (und war nicht an einer Hochschule). 14. Februar : haben Sie das Thema erneut aufgegriffen und zur Jagd auf Moorhühner aufgerufen. Angeregt durch den Boom des gleichnamigen, sehr populären Computerspiels, forderten Sie eine kulturwissenschaftlich-ethnologische Auseinandersetzung mit den Neuen Medien. Doch auch heute gehört dieses Themenfeld kaum zu Berliner Blätter Heft 64 / 2013 S

8 unserem Jagdgebiet und das obwohl Stefan Beck ein fundiertes praxistheoretisches Konzept alltagskultureller Bedeutung von Technik vorgelegt und der dgv-kongress 2007 sich der Medialität des Alltags gewidmet hat. Warum dieses Desinteresse? 14. Februar :55 Dafür lassen sich verschiedene Gründe anführen. Das Aktionsfeld unseres Fachs ist ja außerordentlich weit und bunt, und im Vergleich mit manchen anderen Disziplinen sind unsere personellen und finanziellen Ressourcen relativ klein. Außerdem gibt es inzwischen für die Medienforschung zuständige Hochschulen, Institute, Abteilungen. Aber sicher wirkt auch der antitechnische Affekt nach; Volkskunde, Europäische Ethnologie, Empirische Kulturwissenschaft gingen ja aus einer traditionalistisch geprägten Wissenschaft hervor. Allerdings ist auch zu fragen, ob der Befund: Desinteresse stimmt. Es gibt einzelne Personen, die sich sehr stark auf Medien konzentriert haben; ich denke an Stefan Beck, der freilich inzwischen auch an anderen Schaltstellen der Moderne arbeitet, oder an Hans- Friedrich Foltin in Marburg, zu dessen Abschied ich das Moorhuhn-Referat gehalten habe. Und es gibt Forschungsgruppen, die sich auf Medienfragen konzentrieren; Thomas Hengartner hat eine solche Gruppe in Hamburg aufgebaut und leitet jetzt in Zürich einen gut ausstaffierten Forschungsverbund im Medienbereich. 14. Februar :09 Also wurde Ihre Forderung nach einer Intensivierung der theoretischen und empirischen Medienforschung bereits in Ansätzen erfüllt? <medientagebuch jan schnorrenberg > 00:00 03:00 Spielen der Beta von Guild Wars 2 (MMORPG) 14. Februar :12 Leicht zögerndes Ja. Für eine Evaluation in dieser Richtung reicht der Blick auf Vorlesungen und Seminare nicht aus; wichtig ist daneben auch die Themenwahl für Abschlussarbeiten im Fach. Teilweise ist das Engagement in diesem Feld ja auch eine Generationenfrage. Vorlesungen werden vielfach noch von Leuten gehalten, die nicht so intensiv in und mit den neuen Alltagsmedien sozialisiert wurden; für die Studierenden handelt es sich dagegen um vertrauteres Gelände. 14. Februar 12:16 Dennoch wird immer wieder die mangelnde Auseinandersetzung mit Medien beklagt. 14. Februar :20 Vielleicht hängt es damit zusammen, dass die Leistung der Medien ja die der Vermittlung ist, die in viele Gebiete hineinreicht. Der Medienaspekt bezeichnet insofern eine Querschnittsaufgabe, und die wird im Ganzen auch wahrgenommen. Selbst wenn man den alten Kanon zugrunde legt, lässt sich das beobachten: Die Entwicklung von Bräuchen muss den Austauschprozess über Medien in Rechnung

9 stellen; Wohnweisen sind teilweise abhängig von medialen Empfehlungen; die Ernährung wird durch Werbung beeinflusst; Erzählstoffe machen auch in Tweets und Blogs die Runde; die Alltagssprache wird durch SMS und die Tendenz zur knappen Information beeinflusst und so fort. Unabhängig von diesem weiteren Fokus ist es aber angesichts der Allgegenwart der neuen Medien sinnvoll, den Blick direkt auf ihren Mechanismus und ihre Wirkungsweise zu richten. 14. Februar :25 Aber selbst in der kulturwissenschaftlich orientierten Bildwissenschaft beschränken sich die Medienthemen vielfach auf traditionelle Medien. 14. Februar :28 Das stimmt mit Einschränkungen: Zumindest die Fotografie wird seit einiger Zeit energischer einbezogen, in enger Verbindung mit anderen Disziplinen. Man muss übrigens anerkennen, dass auch die traditionellere Bildforschung neue Perspektiven eröffnet hat. Ich denke beispielsweise an die historischen und empirischen Arbeiten zum Wandschmuck (Wolfgang Brückner, Martin Scharfe). Das war neu; die hehre Kunstwissenschaft wandte sich nur sehr zögernd dem Trivialbereich zu ähnlich wie die Literaturwissenschaft der banalen Unterhaltungsliteratur. Aber ich will nicht ablenken. Ich vermute, eine wichtige Rolle spielt die hohe Komplexität von Bildmedien; habhafte Aussagen über die Sprache von Filmen fordern sehr differenzierte Methoden. 14. Februar :34 Worin liegt der spezifische Beitrag einer ethnologischen Medienforschung im Unterschied zu anderen Disziplinen? 14. Februar :37 Ethnologisches Forschen geht dicht an die Menschen heran. Gefragt ist, wie die Medien genutzt werden, und auch wie sie auf das Leben Einzelner oder ganzer Gruppen einwirken. Durch ihre Inhalte, aber oft auch schon durch die bloße Präsenz (manchmal ist tatsächlich das Medium die Botschaft). 14. Februar :43 Wenn das Spezifische ethnologischer Forschung weniger im Gegenstand als vielmehr in der Perspektive auf die alltägliche Medienpraxis liegt, so stellt sich die Frage, ob eine so ausgerichtete Medienforschung allein in der Frage nach der Mediennutzung aufgeht. 14. Februar :49 Jedenfalls weicht unsere Forschung vom Ziel quantifizierender Befunde ab; die Erhebung von Zahlen der Zuschauer oder der im Netz Aktiven ist für uns eher Die Herausgeber_innen mit Prof. Dr. Hermann Bausinger -Interview 9

10 ein Hilfsinstrument, das von anderer Seite geliefert wird. Es geht in einem umfassenderen Sinn um Nutzung: um die Profilierung verschiedener Lebensstile durch die Medien, um den Einfluss auf Alltagsgewohnheiten, um Veränderungen im Zeitmanagement, um neue Kommunikationsstrukturen, um die Anbahnung von Kontakten und den Ersatz von Kontakten durch Medien letztlich um die Auswirkungen auf die ganze Architektur unserer Gesellschaft. 14. Februar :05 Gibt es nicht auch verschiedene Phasen der Aneignung, bzw. Nutzung neuer Medien? Also z. B. des Handys? Zunächst wurde es anarchisch genutzt, heute ist es fast selbstverständliche oder nach Ihrer Interpretation»natürliche«und bei den schnell veralternden Handys zugleich anachronistische Alltagspraxis. 14. Februar :17 Der Hinweis auf die Entwicklung der Medien, auf phasenweise Verschiebungen erscheint mir sehr wichtig. Eine Geschichte des Lesens ist ja erst verhältnismäßig spät entstanden. Und ich weiß nicht, ob man schon genügend über die Geschichte des (Fern)Sehens weiß. Dazu gehören ja nicht nur die unmittelbaren Nutzungsdaten, sondern auch die Einschätzungen ich erinnere mich noch gut an die Anfangsphase, in der für einen Intellektuellen ein gewisser Mut dazu gehörte, sich zu dem neuen Medium zu bekennen. Und natürlich ist es spannend, wer wie mit der Abfolge digitaler Alltagsmedien umgeht: Innovationsfreundlichkeit versus Beharrung usw. 00:26 03:36 Nutzung von Skype zum Telefonieren 14. Februar :29 In Anbetracht der Geschwindigkeit dieser Entwicklungen kann die Forschung ihnen immer nur mit hängender Zunge hinterherlaufen. Wie sollte die ethnologische Medienforschung auf dieses Problem reagieren? 14. Februar :42 Tief durchatmen. Die Entwicklung vollzieht sich ja nicht bei allen Medien gleich schnell. Gegenwärtig halte ich zum Beispiel die zunehmende Interaktivität bei Kinderangeboten (auch im herkömmlichen Kinderspiel) für interessant. Bei vielen der jüngsten Medien ist freilich zweifellos rasches Reagieren gefordert. Allerdings bleiben gewisse Grundstrukturen ja meistens bestehen. Ich denke an Computerspiele; da werden zwar immer wieder neue Szenerien erschlossen, aber das Prinzip Ego-Shooter gilt ja doch weithin und weiterhin. 14. Februar :55 Nicht zuletzt: wem soll ethnologische Medienforschung nützen? Stellt sich die Frage nach der Berechtigung und dem Nutzen, oder erschöpft sie sich in theoretischer und methodischer Selbstgenügsamkeit?

11 14. Februar :14 Angesichts meiner langen Spielzeit als Aktiver und Halbaktiver sehe ich diese Frage illusionslos. Natürlich sollten wir uns, wo das möglich ist, deutlich äußern über die Implikationen und Konsequenzen einzelner medialer Tendenzen. Manchmal ist direkte oder indirekte Intervention erwünscht, konkrete Vorschläge etwa zur Verhinderung von Mobbing im Netz, Stellungnahmen zur Frage der Gestaltung des Urheberrechts in Bezug auf die neuen Medien, Auseinandersetzung mit dem Problem aggressiver Inhalte in Computerspielen. Dieses letzte Beispiel kann allerdings deutlich machen, dass auch eine längere Befassung mit solchen Problemen nicht unbedingt zu einem eindeutigen Ergebnis führt Falken und Tauben werden sich hier weiterhin streiten, und sicher haben beide nicht einfach recht. In vielen Fällen, die in der Forschung anvisiert werden, steht am Ende nicht die Lösung (jedenfalls nicht d i e Lösung, die schlechterdings gilt), sondern neben der Einschränkung evident falscher Wege der Hinweis auf die Komplexität der Gegebenheiten.»We are still confused, but on a higher level«das ist nur scheinbar ein ironischer Blick auf wissenschaftliche Bemühungen; der Satz beschreibt, was Wissenschaft leisten kann. Da sie nur selten die Möglichkeit hat, der Gesellschaft den allein richtigen Weg zu weisen, sollten wir auch die Mühen um die richtige Blickweise verteidigen. 14. Februar :21 Mit ihrem humorvollen Erzählband»Wie ich Günter Jauch schaffte«, in dem Sie 13»erfundene, wahre Geschichten«zur Wirkung des Fernsehens erzählen, haben Sie selbst die wissenschaftlichen Grenzen überschritten. Ist das ein ironischer Blick auf die Grenzen der Wissenschaft? 14. Februar :32 Eigentlich eher Fortsetzung der Wissenschaft mit anderen Mitteln. Es ist in erster Linie ein ironischer Blick auf das, was das Fernsehen bewirkte und trotz der massiven Verlagerung auf andere (schnittigere und mobile, schnelle und handliche) Medien immer noch bewirkt also auf all das, was das Fernsehen mit uns anstellt und was wir mit dem Fernsehen anstellen. Auch die neuen digitalen Medien sind ja inzwischen zum Motiv in erzählender Literatur und in Spielfilmen geworden. Ihre problematischen Seiten werden dabei nicht unterschlagen, aber deutlich wird auch, dass man den veränderten Verhältnissen nicht gerecht wird mit pauschalen Schlagworten, etwa der aus einer Ecke der Hirnforschung prognostizierten Digitalen Demenz. 14.Februar :37 Danke für das Interview. Die Herausgeber_innen mit Prof. Dr. Hermann Bausinger -Interview 11

12 Log-in 1 Falk Blask, Joachim Kallinich, Sanna Schondelmayer 03:03 Tweet: Insider-Tweet zu Guild Wars 2 losgelassen Medienforschung ist ein Feld in unserem Fach, das in Wellenbewegungen immer wieder thematisiert und in Verbindung zur Visuellen Anthropologie, zu Populärkulturen oder zur Technikforschung reflektiert wurde. Neben Hermann Bausinger hat auch Stefan Beck den Versuch unternommen, die Medienforschung weiter ins Zentrum des Faches zu rücken. Das von ihm initiierte Studienprojekt»Technogene Nähe«, befasst sich mit»technischmediierter Alltagskommunikation«(Beck 2000, 7) die in der Ethnologie als»bislang eher vernachlässigter Bereich«(ebd.) beschrieben wird. Eine Durchsicht aktueller Forschung- und Lehrschwerpunkte an den Instituten des Vielnamenfaches lässt uns heute immer noch eine ähnliche Bilanz ziehen: technischmediale Kommunikation ist kein Schwerpunkt im Fach. Das Forschen und Lehren in diesem Feld ist nur einzelnen Personen zuzuschreiben und in Arbeiten von Studierenden und Promovierenden auszumachen (siehe auch das vorangestellte -Interview mit Hermann Bausinger). Leider ist der Appell Becks,»im Projekt entwickelte Zugänge zu den»elektronischen Zusatzräumen«künftig»detaillierter und gründlicher einzusetzen«, eher verhallt als im Fach umgesetzt worden.»was passiert mit den Methoden unseres Faches?«fragen Victoria Hegner und Dorothee Hemme (2011, 3) in einer der wenigen neueren einschlägigen Publikationen. Von methodischem Neuland, das man bei der Feldforschung im Internet betrete, ist die Rede, und dass das Wie der Forschung in digitalisierten Räumen bislang eher explorativ, suchend als methodisch geklärt sei (vgl. ebd.). Entsprechend zu den in Stefan Becks»Technogene Nähe«aufgezeigten Leerstellen, ist auch im öffentlichmedialen Diskurs die Beharrlichkeit»telephobischer«Thesen wie Beck sie in Bezug auf Faßler benennt deutlich. Die Schnelligkeit der Datenübertragung hat sich um ein Vielfaches erhöht, die Größe der Endgeräte um ein Vielfaches verringert, die Anzahl der Nutzerinnen und Nutzer von internetbasierten Anwendungen ist um ein Vielfaches gestiegen. Andere Komponenten im Feld wie bipolare Mediendiskurse, zwischen Technikeuphorie und -phobie, die Notwendigkeit der Kontextualisierung und Spezifizierung der Frage nach den Nutzungs- und Produktionspraxen sind jedoch gleich geblieben und heute gleichermaßen aktuell und relevant wie in früheren und frühsten medien- und kulturanthropologischen Forschungen.

13 Höchste Zeit also für ein Update der Medienforschung im Fach und am Berliner Institut für Europäische Ethnologie. Angeregt durch eine große studentische Nachfrage zu Lehre und Forschungen im Kontext von Facebook, Twitter und WhatsApp sowie einer»neuen Generation«technisch-medialer Kommunikation wurde seit 2011 sowohl in Form von Lehrangeboten als auch durch die Gründung eines Medienlabors ein Reload der Medienforschung gestartet. Die Labore am Institut für Europäische Ethnologie sind in vielfacher Hinsicht eine konsequente Erweiterung der schon lange etablierten Studienprojekte im Haus. Hier wird über verschiedene Positionen und Disziplinen hinweg an Schnittstellenthemen ein längerfristiges Forum für die Weitentwicklung von Inhalten, Methoden, Konzepten und Perspektiven geboten. Sie sind»labore einer anderen Praxis«(Welzer 2013, 286). Ziel des Medienlabors ist einerseits eine theoriegeleitete Auseinandersetzung mit den verschiedenen Erkenntnisinteressen, Ansätzen, Themen und Methoden der unterschiedlichsten Disziplinen, die Medien und Kommunikation zum Gegenstand haben, andererseits die spezifische Perspektive des Faches auf den Gegenstandsbereich deutlich zu machen. Eine ethnologisch ausgerichtete Medien-, Kommunikations- und Technikforschung orientiert sich sowohl an der Mediennutzung, als auch an ihrer Produktion. Sie schaut wie aus Nutzer_innen Produtzer_innen werden (vgl. Bruns 2009), wie sich Offlinekategorien, aber auch Träume und Visionen, in digitale Oberflächen einschreiben, wie divers in Motivation und Ausführung der Umgang mit technischen Geräten ist und welche Narrative sich entlang technischer Neuerungen entwickeln und aus historischer Perspektive betrachtet ähneln. Es geht darum, die Wechselbeziehung zwischen Wissen über Technik, Produktion technischer Artefakte, technischer Eigendynamik und der unterschiedlichen, kontext- und subjektbedingten Nutzung zu erfassen. Der vorliegenden Band zeigt in diesem Sinne Prozesse, Felder und Phänomene auf, die ebenso Kontinuitäten wie Neuerungen und Veränderungen in der Beziehung Technik-Mensch beleuchten. Anstoß für den vorliegenden Band war die große Bandbreite an Themenfeldern, an methodischen Fragen und Experimenten, an theoretischen und disziplinären Verortungen, die in den Seminaren von Falk Blask, Joachim Kallinich und Sanna Schondelmayer zu Medienforschung und Digitalisierung des Alltags auftauchten. Einige der Forschungsfragen und Diskussionen aus den Seminaren und Feldübungen materialisierten und verdichtetem sich in Form von Modulabschluss- und Bachelorarbeiten, die wiederum im Medienlabor zur Diskussion gestellt wurden. Die daran anknüpfenden Debatten und Anregungen sind in die vorliegenden Texte eingeflossen. Neben den Texten der Studierenden haben wir weitere Nachwuchswissenschaftler_innen eingeladen, einen Einblick in ihre aktuellen Forschungsvorhaben zu geben. Bei der Planung des Bandes haben wir auf eine konzeptionelle Gliederung verzichtet, weil alle Beiträge als Facetten einer medientheoretischen und Berliner Blätter Heft 64 / 2013 S

14 03:39 04:08 Handy: Facebook / WhatsApp -praktischen Forschung zu verstehen sind. Der einzige, aber nicht zuletzt wichtige Zusammenhang aller Aufsätze besteht in der Frage nach dem spezifisch ethnologischen Beitrag zur Medienforschung. Sanna Schondelmayer gibt in ihrem Beitrag einen Überblick über künftige Felder und Perspektiven der Europäischen Ethnologie im Bereich der digitalisierten Alltagskultur. Sie fragt nach dem analytischen Potential einer Trennung in Online- und Offlineräume und präsentiert die digitalisierte Medienforschung als künftiges Querschnittsthema im Fach. Christoph Bareither arbeitet gemeinsam mit Studierenden seines Seminars zur Ethnografie im Internet eine Fülle an Materialien zum»alltag mit Facebook«auf. Ausgehend von der volkskundlich-kulturwissenschaftlichen Technikforschung und deren Perspektiven auf den»umgang mit Technik«(Beck 1997), widmen sich die Autorinnen und Autoren den spezifischen Dynamiken zwischen dem technischem Medium Facebook, den ihm anhaftenden Bedeutungen und den vielfältigen Arten und Weisen, diese in die Tat umzusetzen. Sie zeigen exemplarische Zugänge auf, an denen sich vor allem Studierende bei der ethnografischen Annäherung an einen durch das Internet geprägten Alltag orien tieren können. In seinem Beitrag thematisiert Christian Blumhagen eine zentrale Figur der Feldforschung: Die Forschenden im Feld und ihre Möglichkeiten der Teilnahme und Bewegung im Internet. Im Forschungsfeld Facebook diskutiert er dafür exemplarisch drei typische wissenschaftliche Figurationen des Beobachtens und deren analytisches Potential: den Flaneur, den Voyeur und den Fremden. Dennis Eckhardt hinterfragt in seinem Text gegenwärtige Arbeitsmethoden und Theorien der Europäischen Ethnologie im Bereich der Medien- und Technikforschung. Mit dem Konzeptvorschlag einer infogenen Lebenswirklichkeit versucht er einen Brückenschlag zwischen Anthropologie und Europäischer Ethnologie und plädiert für einen verstärkten Blick auf neurobiologische und infogenetische Prozesse Meret Eikenroth lenkt den Blick auf die Schnittstelle zwischen Wissensgesellschaft und virtueller Vergemeinschaftung. Dazu hat sie eine achtwöchige Studie in einem großen Online-Medizinforum durchgeführt und Antworten auf die Fragen gesucht, inwiefern die Forenteilnehmerschaft durch den Austausch von praxisorientiertem Laienwissen soziale Nähe aufbauen und Bindungen untereinander eingehen und auf welche Weise sich dort gruppendynamische Prozesse auswirken. Fiona Krakenbürger beschreibt in ihrem Beitrag autoethnografisch ihren eigenen Prozess des Programmieren Lernens. Ihre eigene Praxis reflektiert sie im Hinblick auf Fragen der benötigten Methodik und Kompetenzen für Feldforschung im Internet und verweist auf die hohe Relevanz eines technischen Grundverständnisses für ähnlich gelagerte Felder und Fragestellungen.

15 Anhand der für seine Magisterarbeit durchgeführten Forschungen zum Urban Game»Spreezone«beleuchtet Michael Metzger die Überschneidungseffekte von Cyberspace, Spielewelten und urbanem Raum. In der Spielkonzeption und -praxis werden Elemente traditioneller sowie digitaler Spiele verbunden und als zusätzliche Folie über die alltägliche Umgebung gelegt. Die im Spiel auftretenden Effekte von Immersion, Exploration und Rollenübernahme führen zu einer neuen Form der Stadtwahrnehmung. Im Zusammenhang mit Facebook und anderen Social-Mediaplattformen ist im öffentlich-medialen Diskurs häufig die Rede vom Aussterben der Privatssphäre. Jan Schnorrenberg skizziert in seinem Text die Funktionen und die Versprechungen der Privatheit. Er nimmt ein autoethnografisches Medientagebuch zum Anlass, über die Veränderungen von Privatheit in einem zunehmend digitalisierten Alltag nachzudenken und fragt danach, was Privatheit im Internet für ethnografische Forschungen bedeutet. Anja Zeutschel stellt in ihrem Beitrag die im Seminar Medientheorien entwickelte Methode Medientagebuch vor. Sie beschreibt Inhalt, Form und Zweck der Methode und ordnet sie in die Tradition des Feldtagebuchs ein. Sie plädiert dafür, das Medientagebuch als ein Kerninstrument der Forschung im Internet zu etablieren und verweist darüber hinaus auf sich aus der Methode ergebende Ansätze für weitere Forschungsfelder und -fragen. In ihrer autorethnographischen Skizze experimentiert Lina Ewert mit dem Selbstversuch als ethnologischer Methode. Um die Frage zu klären, wie elektronische Medien den Alltag einer jungen Studierenden beeinflussen, verzichtete sie selbst eine Woche lang auf diese Kommunikationsmedien und hält ihre Handlungen und Gedanken dazu in einem Feldtagebuch fest. Ausgehend von der Konfrontation zwischen Theorie und Forschungspraxis diskutiert Michael Westrich Auszüge der sensual ethnography und der Visuellen Anthropologie. Drei Bildern aus einem essayistischen Film, den er im Rahmen seiner Forschung zur Kosmopolitisierung der EU-Außengrenzen produziert, schließt er seine theoretischen Überlegungen zur Visuellen Anthropologie an. Fabio Santos Text bietet eine breite Übersicht zu Literatur und Geschichte des foto-ethnografischen Arbeitens. Davon ausgehend plädiert er für die stärkere Integration visueller Medien in das Methodenspektrum der Europäischen Ethnologie und berücksichtigt dabei aktuelle Tendenzen in Lehre und Forschung. Querzulesen sind drei Medientagebücher von Jan Schnorrenberg, Gerhild Quitsch und Dennis Eckhardt und dies im wörtlichen wie übertragenen Sinne. Sie regen an, sich über die eigene Mediennutzung Rechenschaft abzulegen und sie im Kontext einer ethnologischen Medienforschung zu reflektieren. Falk Blask, Joachim Kallinich, Sanna Schondelmayer Log-in 15

16 Anmerkungen 03:59 Tweet: Ich reagiere auf die Bestandsaufnahme der Freundin, mit der ich geskyped habe status/ »Login«war am 29. Oktober 1969 der erste Kommunikationsversuch zwischen räumlich getrennten Computern. Es sollte kein Satz, sondern lediglich das Wort»login«übertragen werden. Weil das System von Standfort nach zwei Buchstaben»lo«abstürzte, schaffte erst der zweite Versuch»login«die 520 Kilometer Entfernung zwischen der University of Los Angelos und dem Standford Research Institute. Die Geburtsstunde des Internet. Literatur Bausinger, Hermann (2001): Vom Jagdrecht auf Moorhühner. Anmerkungen zur kulturwissenschaftlichen Medienforschung. In: Zeitschrift für Volkskunde 97, Beck, Stefan (1997): Umgang mit Technik. Kulturelle Praxen und kulturwissenschaftliche Forschungskonzepte. Berlin. Beck, Stefan (Hg.) (2000): Technogene Nähe. Ethnographische Studien zur Mediennutzung im Alltag. Münster. (Ethnographische und ethnologische Studien, 3). Bruns, Axel (2009): Anyone Can Edit: Vom Nutzer zum Produtzer. In: Kommunikation@Gesellschaft, Jg. 10, Beitrag 3. Online-Publikation: de/urn:nbn:de: Hegner, Victoria/Hemme, Dorothee (Hg.) (2011): Feldforschung@cyberspace.de. kulturen 5. Jahrgang (2). Göttingen. Welzer, Harald (2013): Selbst denken. Eine Anleitung zum Widerstand. Frankfurt am Main.

17 Alltägliche Onlinepraxen und Offline(t)räume als Forschungsfelder der Europäischen Ethnologie Sanna Schondelmayer Die Rede von radikalen, gesellschaftlichen Veränderungen durch den breiten Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik und die Herausbildung einer Informationsgesellschaft (vgl. Friedewald 1999) hat nun schon seit einer guten Dekade in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen Konjunktur. Ihre Ausmaße und Auswirkungen auf Markt, Politik und Gesellschaft sind vielfach beforscht. Vor allem in den Kommunikations- und Medienwissenschaften finden sich etliche Arbeiten dazu (vgl. Mattern 2007; Hayles 1999; Kleemann 2000; Hepp et al. 2009; Moser 2010), aber auch in der (Europäischen) Ethnologie 1 haben sich einzelnen Personen bereits intensiv mit einigen Bereichen der Digitalisierung befasst (vgl. Faßler 1999; Schönberger 1999; Miller und Slater 2000; Amelang 2006; Herlyn 2005; Haraway 2008; Fassler 1999; Miller 2012) 2. Dabei spielten drei Begriffe (wenn auch verschiedentlich benannt) eine zentrale Rolle: Raum Körper Information beziehungsweise Wissen. In den 1990er und frühen 2000ern wurde zudem vorwiegend mit der Metaphorik zweier Welten operiert. Der analogen, physischen Welt mit analogen Körpern und Orten einerseits und der digitalen (häufig auch als virtuell bezeichneten) Welt mit Avataren und Cyberspace auf der anderen Seite. Für manche Felder und Fragestellungen macht diese Zweiteilung als Analysekonzept durchaus noch Sinn. In den meisten Fällen scheint sie jedoch zumindest für die Perspektiven und Betrachtungsweisen der (Europäischen) Ethnologie eher hinderlich und den vielfach analogdigital verschlungenen Praxen unangemessen. So haben schon in den 1990er Jahren Klaus Schönberger und andere im Kontext der kulturwissenschaftlichen Technikforschung herausgearbeitet, dass mittels digitaler Kommunikation und Internetznutzung bestehende soziale Grenzen nicht einfach aufgehoben werden, beziehungsweise die Visionen, die die Anfänge der Computerisierung begleiteten und im kybernetischen Raum die Chance auf eine völlige Loslösung von analogen Grenzziehungen und Zuschreibungen sahen, nicht eingelöst wurden (vgl. u. a. Schönberger 2000; Wilson und Peterson 2002). Vielmehr werden Offline so ziale, kulturelle und ökonomische Lebenswelten und darin eingeübte Praxen und Narrative auch in Online- Räume hineingetragen, wenngleich auch modifiziert und breiter inspiriert. Ebenso lassen sich auch Adaptionen und Übertragungen aus dem digitalen Raum in den analogen beobachten (vgl. zum Beispiel Butler 2007). Berliner Blätter Heft 64 / 2013 S

18 8:30 Handy Wecker weckt mich Spätestens aber mit dem Aufkommen von so genannten mobil devices und einer in vielen Ländern der Welt nahezu flächendeckenden Integration digitaler Technik in Infrastruktur, Arbeitsabläufe und Reproduktionssphäre ist das Konzept zweier getrennter Welten, die lediglich Schnittstellen aufweisen also eine Onlinewelt hier und einer Offlinewelt dort obsolet. Vielmehr ist vielerorts das Onlinesein der Normalzustand geworden, was sich anhand entgrenzter Arbeitspraxen, anhand von E-governance und unzähligen Informations- und Kommunikationspraxen im Alltag zeigt. Die technogene Nähe (vgl. Beck/Butler 2000) nimmt zu, digitale Endgeräte werden immer handlicher und intuitiver und in diesem Sinne auch unauffälliger und beiläufiger. Die Entstehung des homo virtualis scheint in vollem Gange und somit drängt sich eine intensivere Beschäftigung mit digitalisierten Alltagspraxen aus der Perspektive der Europäischen Ethnologie geradezu auf. Dabei sind die entsprechenden öffentlichen Diskurse um Fragen nach Öffentlich und Privatheit, nach Datenschutz und Datentransparenz, nach Grenzenlosigkeit und vollständiger Überwachung meist moralisch aufgeladen beziehungsweise werden bipolar diskutiert. Gerade hier ist eine Disziplin wie unsere gefragt, sich in spezifischen Kontexten die spezifischen Praxen spezifischer Akteure anzuschauen und die vielen Nuancen zwischen den Schwarz-Weiß-Polen aufzuzeigen. Anders als zu Beginn der 1990er ist heute zumindest in den meisten europäischen Ländern nicht mehr zu fragen, wer ist drin und wer ist noch nicht drin, sondern zu erhellen, welche Abstufungen und Ausformungen das being digital und die damit zusammenhängenden Kompetenzen haben. Mit dem Onlinesein als Normalzustand eröffnet sich zudem ein neuer randständiger (Diskurs-)Raum: das Offlinesein. Welche Möglichkeiten gibt es, sich außerhalb des digitalisierten Alltags zu bewegen? Welche subversiven, kreativen und randständigen Praxen gehen mit der Digitalisierung des Alltags einher? Welche Offline(t)räume gibt es? Wandelt sich an manchen Stellen das ehemalige Defizit des Nicht-drin-sein-Könnens zu einem künftigen Privileg des Nicht-drin-sein-Müssens? Die im Folgenden vorgestellten Überlegungen und Beispiele stammen aus vier Seminaren, die ich in den letzten Semestern am Institut für Europäische Ethnologie im Themenfeld Digitalisierung des Alltags angeboten habe und in denen Studierende sich in kleinen Feldübungen auf je unterschiedliche Art und Weise mit Aspekten digitalisierter Alltags- und Lebenswelten beschäftigt haben. 3 Die nachfolgend zitierten Beispiele sind folglich eher als Skizzen aus dem Feld zu verstehen, die zu weiteren Vertiefungen anregen können. Abstufungen und Ausformungen des being digital Kaspar Maase hat unlängst auf der Kommissionsitzung der dgv-kommission Digitalisierung im Alltag 4 darauf hingewiesen, dass in der medialen und teilweise

19 auch der wissenschaftlichen Betrachtung der Netzforschung die Topoi: Jugend, Wissen und Gewalt dominierten. Aus historischer Perspektive betrachtet scheinen sich die Ängste zum unkontrollierbaren Internetkonsum, dem Suchtpotential von Computerspielen und dem Abdriften der Kinder in eine fremde Unterwelt zu wiederholen. Einen besonders engen Bezug sieht der Spezialist im Feld der Populärkulturen zwischen der Massenmedialisierung Anfang des 20ten Jahrhunderts, durch die sich auf einmal durch das Elternhaus unkontrollierbare Praxen und Prozesse im Umgang mit Kino und Groschenheften entwickelten, und der Entstehung des Internet, dessen Bildgewalt heutigen Eltern ebenso unbezwingbar und kaum kontrollierbar scheint (vgl. Maase 2012). Folgt man dieser sehr anschaulichen These, stellt sich ein den Älteren oft nachgesagter Technikskeptizismus eher als Generationengap dar. Die Stärke der Europäischen Ethnologie, das macht auch Maase in seinem Buch deutlich, liegt aber darin, nicht an solchen Großmodellen wie Generationen halt zu machen, sondern kleinteiligere Cluster über das Feld zu legen, die von größeren Linien wie die der Generation, des Geschlechts oder des Milieus durchzogen sind. Hinsichtlich der Quantität und Qualität sowie hinsichtlich der Kompetenz des Onlineseins ist, das scheint mir evident, nicht in jedem Fall ein Generationsunterschied festzustellen, sondern je nach Milieu und Arbeitsbereich, je nach Lebenswelt und -anschauung sind auch ältere und alte Menschen OnlineaktivistInnen 5 und junge Menschen eher verhalten in ihrer Technik- und Mediennutzung. So lassen sich zwar durch ein grobes Raster weiterhin generationelle Unterschiede in der Technik- und Mediennutzung feststellen, spezifischer betrachtet lösen sich diese Unterschiede jedoch auch zusehends auf. So hat beispielsweise Sherry Turkle in ihrer Studie festgestellt, dass es nicht vor allem die Eltern sind, die Angst haben, die Kinder an den Computer zu verlieren, sondern diese die mangelnde Aufmerksamkeit der Eltern beklagen, die ständig mit ihren piependen, klingelnden, klopfenden Smartphones, Tablets und Laptops befasst seien (vgl. Turkle 2012). Auch eine Umfrage unter meinen Studierenden in einem Seminar zu Facebook hinsichtlich der eigenen Erfahrungen und Aktivitäten mit der social media plattform ergab ein gebrochenes Bild der jüngeren Generation hinsichtlich deren Medien- und Technikaffinität und -kompetenz. So waren laut Selbstaussage 20 der 28 Studierenden meines Facebook-Seminars aktive NutzerInnen der social media plattform, vier hatten sich zwar ein Profil angelegt, nutzten dies aber nicht und vier weitere waren überzeugte Ablehnende. In zwei Fällen wurde das populäre Argument, man wolle niemanden unkontrolliert Einblicke in die Privatsphäre gestatten, stark gemacht, in einem Fall wurde das Argument der Zeitverschwendung genutzt (vgl. Herlyn 2005) und die dritte Person hatte sich zum Ziel gesetzt, die letzte Person zu werden, die nicht bei Facebook ist. Spannender wurde die Differenz dann nicht bei der schlichten Frage:»Wer ist dabei und wer nicht?«, sondern darin, wie wer die angebotenen Funktionen kennt und nutzt. Sanna Schondelmayer Alltäglichen Onlinepraxen und Offline(t)räume 19

20 9:18 Etwas auf der Zeit-Seite gescrollt und einen Artikel zur Raumfahrt gelesen und per Tweet geteilt raumfahrt-iss-labor / Hier wurde schnell deutlich, dass ein Großteil der NutzerInnen nur die auf den ersten Blick ersichtlichen Funktionen kannten und nutzten, wohingegen einzelne ein Spezialwissen hatten, das kein/e andere/r im Raum teilte. Dass Kompetenzen hinsichtlich der Internetnutzung längst nicht (mehr) so klar verteilt sind, wie es Stereotypen von internetaffinen und internetfremden Gruppen glauben machen, zeigt sich auch mit Blick auf Arbeitswelten. Nicht jede/r, die oder der an einem Computer arbeitet, ist Internet-Profi. Und umgekehrt sind vermeintlich technikkritische AkteurInnen heute häufig längst ExpertInnen im Netz. Hierzu möchte ich ein Beispiel aus einer studentischen teilnehmenden Beobachtung in einer Yogagruppe anführen, deren Leiterin zur Entschleunigung, zu Achtsamkeit und einer Rückbesinnung zur Natur aufruft. Ich gebe hier eine Gesprächssequenz am Ende einer Yogastunde zwischen der Yogalehrerin, hier Marta genannt, und einer Teilnehmerin des Yogaworkshop, die ich hier Nadine nenne, wieder: Nadine: Ich wüsste gern noch mehr über die Workshops die du anbietest. Marta: Das findest du auf meiner Homepage. Nadine: Wie finde ich deine Homepage? Marta: Die Adresse ist wewewe freeyoga dot com. Nadine: (schreibt mit) Wie schreibt man dot kom? Marta: Was? Ah so, ich meine, Punkt com, also ich meine ach gib doch einfach meinen Namen bei Google ein, dann taucht das als erster Treffer auf. Nadine: Bei Google? Ach, das ist ja eine gute Idee! Beide Frauen lassen sich einem spirituell-alternativen Milieu zuordnen und betonten im Einzelgespräch immer wieder die Wichtigkeit der Entschleunigung und der»rückkehr zur Natur«. Diese Schlagwörter beinhalten den Traum von einem Selbstversorgerleben auf dem Land, unabhängig von zerstörerischen Mächten einer postfordistischen, neokapitalistischen Gesellschaft. Auf ein möglicherweise leicht herablassendes Lächeln über solche vermeintliche Naivität lässt sich ein ethnografischer Blick nicht ein. Er richtet sich vielmehr auf die durchaus ernstzunehmende Gleichzeitigkeit verschiedener Deutungen und Umgangsweisen mit Online-Technik. Während die Vision des naturnahen Lebens bei Nadine mit einem seltenen und ungeübten Umgang mit neuen Medien korreliert, ist für Marta ihr Smartphone das Kernstück ihrer beruflichen Alltagspraxis. Es ist ihr portables Büro, über das sie bis kurz vor und sofort nach der Yogastunde in Kontakt mit ihren KundInnen ist, ihre Homepage aktualisiert, sich über andere spirituelle AkteurInnen und Aktivitäten informiert und mit Gleichgesinnten austauscht. Auch während der Yogastunde, in der von ihrem Smartphone leise Musik abgespielt wird, ist sie online. Die Kommunikation im kybernetischen Raum läuft weiter, während Marta ihre Kundinnen im»abschalten«,»ganz zu sich kommen«und»im Jetzt und Hier sein«schult.

21 Offline(t)räume Während im Jahr 2013 in Deutschland weiterhin an der flächendeckenden Vernetzung, dem kostenlosem WLAN für alle und der Digitalisierung analoger Medien gearbeitet und die umfassende Teilhabe aller BürgerInnen am digitalen Leben als Chance für grassroot- Demokratie, persönliche Selbstentfaltung und aktive Mitgestaltung von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik als enormer Entwicklungssprung dargestellt wird 6, sind auch verschieden geartete und motivierte Gegenbewegungen zu beobachten, die das Offlinesein 7 als gesünderen Lebensstil, als»echtes«leben, als das nötige Innehalten im Rausch des Fortschrittspathos und -paradigmas propagieren und zumindest phasenweise praktizieren oder auch publizieren (zum Beispiel Koch 2010; Rühle 2010). In medialen und akademischen Diskursen ist teils polemisch zugespitzt von»irreversiblen Veränderung des Denkens«(Bauer 2010) und einer neuen Moral der Netzwerkkinder«(Steinle/Wippermann 2003), von einer»digitalen Demenz«(Spitzer 2012), dem Verlust»der Fähigkeit alleine zu sein«(turkle 2012) als negative Folgen der Smartphonisierung 8 beziehungsweise Digitalisierung der Alltagswelt die Rede. In negativen Zuschreibungen der Digitalisierung des Alltags dieser Art artikulieren sich als Gegenbild Träume von einem positiv bewerteten Offlinesein, oder anders gesagt werden Offlineräume nostalgisch verklärte zu Offlineträumen. Die gegeneinander ausgespielten Welten erinnern wiederum an bekannte Dichotomien aus der Technikkulturforschung: der Gegenüberstellung von Natur und Technik als Metaphern für Ursprünglichkeit und Vertrautes (und damit Konservatives) einerseits und unnatürlichen Eingriffen in das Vertraute, die Integration eines Fremdkörpers (der Technik) andererseits. Die oben angerissenen Diskurse folgen damit weiterhin der Idee von zwei bipolaren Welten, einer wahren Offlinewelt und einer unechten, plastoiden Cyberwelt, die als Bedrohung der natürlichen Welt konstruiert und imaginiert wird: sie ist unkontrollierbar, sie macht dumm, sie raubt Zeit und Lebensenergie, macht süchtig und krank. Beispielhaft dafür möchte ich eine der unzähligen ähnlich lautenden Lesermeinungen zu Christoph Kochs Buch»Ich bin dann mal Offline«9 zitieren. Der Leser»Konkordant«scheibt:»An einer einzigen Stelle glimmt die Möglichkeit auf, dass es jenseits virtueller Bilder und Töne noch eine Welt geben könnte, die von Interesse ist: Auf Seite 73 wartet der Autor (ohne ablenkendes Handy!) in einer Berliner Straße auf ein Taxi und überlegt, sich mit der Realität zu beschäftigen: Vielleicht sollte ich lieber meine Umgebung etwas intensiver wahrnehmen, die Natur genießen? Aber alles, was ich in der grauen Straße in Berlin-Wedding sehen kann, ist eine Krähe, die an einer Plastiktüte zerrt. Realität und Natur werden ganz offensichtlich Sanna Schondelmayer Alltäglichen Onlinepraxen und Offline(t)räume 21

22 überschätzt (S. 73). Es spricht für Koch, dass er die Krähe überhaupt noch wahrnimmt. Leider hat er es verlernt, ihr wirklich zuzusehen.«10 Während hier eher der Topos des Wissens, der Weisheit, der Kenntnis im Zentrum steht und im Sinne des Wissen ist Macht Transformationen und Grenzverschiebungen zwischen akademischer und nichtakademischer Wissensproduktion und Deutungsmächtigkeit verhandelt wird, folgt als weiterer Diskurs die Angst vor»datenmissbrauch«sowohl in die eine als auch die andere Richtung. Christoph Engemann weist darauf hin, dass viele Bemühungen um die Emanzipation vom Staat und eine Liberalisierung gouvernementaler Kontrollen nur auf den ersten Blick zu Individualisierung und Freiheitsgewinn führten. Heute gängige Onlinepraxen wie die Partizipation in sozialen Foren, das eigenmächtige Einstellen und Abrufen von Konto- und Adressdaten für bürokratische Vorgänge oder das Bestellen von Waren jeglicher Art via Internet, erzeugen»in verfeinerter Form erst«beobachtbare und archivierte öffentliche Daten, die damit zur Weiterverwendung in verschiedenen Zusammenhängen vorliegen,»sei es in kommerziellen, didaktisch-aufklärerischen oder kriminalistischen«(engemann 2003, 12). Online organisierte Offline(t)räume 9:48 10:14 Musik gehört auf dem Weg zur Uni Dass der Ruf nach Offlinepraxen heute häufig über Onlinekommunikation verbreitet wird, ist auffällig. Auf den Webseiten des christlichen Medienverbundes findet sich zum Beispiel eine Anregung dazu, wie»offline aktiv sein«funktioniert. 11 Das Feed-back zur Aktion wird aber scheinbar kontrovers zur angepriesenen Aktion via erbeten. Auch die Anzahl der Interessenten an der Aktion wird anhand von Onlineaktivitäten gedeutet.»wir hatten 200 registrierte Teilnehmer, gehen aber davon aus, dass viele Menschen offline aktiv waren, ohne sich bei uns zu registrieren. Allein das Begleitmaterial zur Aktion [ ] wurde online 450 Mal heruntergeladen.«12 Beispielhaft möchte ich die hybriden Mischformen von online organisierten Offline(t)räumen anhand eines weiteren Beispiels, der Praxis des postcrossings, das eine Studierendengruppe im Seminar vorgestellt hatte, illustrieren. Das Projekt des postcrossings wurde am 14. Juli 2005 begonnen. Es wird über eine Webseite abgewickelt, was die Kommunikation zwischen den Teilnehmenden gewährleistet. Um postcrossing nutzen zu können, ist eine Registrierung erforderlich, bei der die Postadresse und eine -Adresse hinterlegt werden müssen. Um nun eine Postkarte zu versenden, muss eine Adresse angefordert werden. Die Vergabe erfolgt zufällig, das Zielland kann nicht ausgesucht werden. Jede Karte erhält eine eindeutige Nummer (ID) nach dem Schema DE Die Buchstaben stehen dabei für das Land, in dem der Absender

23 wohnt, die Zahlen werden pro Land aufsteigend vergeben. Beim Schreiben der Postkarte ist der Absender an keinerlei Regeln gebunden, es muss lediglich die ID auf der Postkarte auftauchen, damit der Empfänger den Empfang bestätigen kann. Ist eine verschickte Postkarte angekommen, registriert der Empfänger die Karte, indem er auf der Website die ID eingibt. Dadurch wird die Absenderadresse freigegeben und per Zufallsprinzip an einen anderen Teilnehmer verteilt. So kann man nur eine Postkarte erhalten, wenn man selbst eine verschickt hat. Die Studierenden nahmen über unterschiedliche Foren Kontakte zu PostcrosserInnen auf und befragten sie nach ihrer Motivation. Ein wiederholtes Motiv war der Wunsch nach kreativem und haptischem Gestalten, was in einigen Fällen zu einem regelrechten Wettbewerb an selbstgestalteten Postkarten führte. Die Postcrosserin Gerlinde schreibt in einem Forum zu postcrossing:»postcrossing betreiben Menschen die einfach Spaß daran haben Post zu bekommen und anderen mit ihren eigenen Postkarten eine Freude machen wollen. Jedenfalls ist es bei mir so. [ ] Es ist auch möglich die Postkarten nach eigenen Wünschen zu gestalten, was für mich eines der Hauptgründe ist, diesen Service zu nutzen. Am Anfang meiner Postcrossingzeit verschickte ich Postkarten wie wild. grins. :-).«13 Wiederholt tauchten nostalgische Motive in den Interviews auf: Kindheitserinnerungen an das Sammeln von Postkarten, das Warten auf den Postboten und der Austausch besonderer Briefmarken oder Motive. Der Aspekt der Materialität eine geknickte, nass oder schmutzig gewordene Postkarte, also sichtbare Spuren ihres Weges (durch viele Hände und Klimazonen) wurde beim postcrossing als besonderes Gütesiegel hervorgehoben. Die Offlinepraxis ist in diesem Fall jedoch keine kategorische Ablehnung des Onlineseins und das scheint mir signifikant für viele Offlinepraxen heute sondern nutzt die Onlinemöglichkeiten, um eine Offlinepraxis zu gestalten; 14 einerseits in Form der Teilhaben am postcrossing an sich, andererseits auch, indem Postkarten über Internetauktionshäuser erworben werden oder man sich Inspirationen zum Selbstbasteln toller Postkarten auf YouTube anschaut. Der Postcrosser Stamp schreibt in einem Forum zu postcrossing:»hallo, jetzt bin ich seit 10 Monaten dabei und bin zu einem begeisterten postcrosser geworden. Ich habe über 200 Karten verschickt und auch über 200 bekommen. Ich schnuppere immer wieder durch ein großes Internetauktionshaus und suche so günstige Karten. Natürlich kaufe ich auch welche von der Stadt in der ich wohne, oder ich gestalte sie selber wenn mein Adressat das haben möchte nicht jeder mag handmade cards. Ansonsten frage ich Freunde, Verwandte und Bekannte nach schönen ungeschriebenen Karten.«15 Sanna Schondelmayer Alltäglichen Onlinepraxen und Offline(t)räume 23

24 9:55 11:08 Nebenbeschallung durch das Berliner Fenster. Wurde mit regionalen Anekdötchen und für mich irrelevanten Fußballnachrichten beschallert Eine weitere häufig identifizierte Motivation offline zu sein (zu gehen) ist eine eher opportunistische. Hier geht es um mehr Leistung und Effektivität oder auch Kreativität, die nur durch entsprechende OfflinePausen und -Mußestunden zu schaffen ist:»es ist die Kunst der modernen Zeit, selbst den Zeitrahmen zu setzen und auch mal offline zu sein«, empfiehlt zum Beispiel der Blogger und Publizist Jochen Mai, Verfasser des Buchs: Die Karriere-Bibel (karrierebibel.de). Und der Wissenschaftspublizist Ulrich Schnabel schreibt in einem Artikel in DIE ZEIT zu seinem aktuellen Buch (Schnabel 2010):»Eine Auszeit, in der man mit sich selbst Kontakt aufnimmt davon können die meisten lediglich träumen. Im Gegenteil, wir sind permanent online und allzeit erreichbar und haben zugleich ständig Angst, etwas zu verpassen und abgehängt zu werden; wir leiden an Reizüberflutung und dem Gefühl ständiger Überforderung und gieren gleichwohl nach schnelleren Datenleitungen und leistungsfähigeren Handys [ ]«(DIE ZEIT, Nr. 49). Mittlerweile gibt es auch eine App für das iphone namens»freedom«, die das Endgerät des Users der Userin für eine bestimmte Zeit Offline schaltet, so dass man endlich mal wieder produktiv sein könne:»freedom is the world-famous app that locks you away from the net so you can be productive. If the internet is distracting you from your work, Freedom might be the best 10 dollars you ll ever spend«. 16 Digitalisierter Alltag als Querschnittsthema Die Apelle,»wirklich hinzusehen«,»wirklich zu spüren«,»wirklich anwesend«zu sein, scheinen in medialen und populären Diskursen nach wie vor in den Kompetenzbereich der InternetskeptikerInnen zu fallen. Ein Blick in die Alltagswelten in Deutschland lebender Menschen lässt jedoch vermuten, dass Smartphones, Onlinekäufe- und -verkäufe, Informationsbeschaffung und Kommunikation im Internet im Mittelpunkt unhinterfragter Alltagspraxen stehen. Gegen was wird also hier so vehement polemisiert? Und strukturiert die Technik sozial-kulturelle Prozesse und Veränderungen oder ist sie nur deren Agentin? Auch hier gilt es nuancierte Antworten zu finden und das Thema der Digitalisierung jeweils im Kontext spezifischer Felder und in Verknüpfung spezifischer Perspektiven zu erhellen. Hierbei stellt insbesondere die sichtbare Form des anwesend Abwesendseins beziehungsweise der multilokalen Anwesenheit neue Herausforderungen an ethnologische Methoden wie das teilnehmende Beobachten. Sherry Turkle berichtet in einem Interview in DIE ZEIT

25 davon, dass selbst Beerdigungen vom permanenten Blick und Klick auf das Smartphone nicht ausgenommen seien, und dass in ihrem eigenen universitären Umfeld, zum Beispiel bei Fakultätssitzungen, alle Anwesenden Laptops hervorholen und ihre s erledigen.»sagt jemand etwas, was einen interes siert, schaut man auf«(die ZEIT, , Nr ). In einer studentischen Forschung, in der die Studierenden sich mit der Nutzung von Facebook befassten haben, wurde diese Praxis der anwesenden Abwesenheit auch sehr deutlich. Viele der von den Studierenden Interviewten waren bei Partys, andere im Seminar, im Kino und beim Kochen durchgängig bei Facebook (aktiv), selbst beim Interviewtermin. Eine Studentin beschreibt in ihrem Feldtagebuch die Interviewsituation wie folgt:»das Interview findet in As Zimmer statt. Auf dem Schreibtisch steht ein sehr großer Bildschirm, neben dem Computer liegen ipad und iphone. Das ganze Interview bleibt A auf seinem Schreibtischstuhl sitzen mit Blick (aus den Augenwinkeln) auf den Bildschirm. Ich kann den Bildschirm nicht sehen, aber seinen Blicken zufolge passiert häufig etwas. Bevor ich mich hingesetzt habe, habe ich gesehen, dass Outlook und verschiedene Messenger offen waren. Zwischendurch piept sein Rechner, das iphone und ipad. Er ignoriert es, doch als das Interview vorbei ist, wird er merklich unruhig und die Verabschiedung fällt kürzer aus, weil er nun auf das Piepen eines der Geräte reagiert«. Was für methodische Konsequenzen müssen wir aus der zunehmenden Digitalisierung des Alltags ziehen? Wo beobachten wir was? Wie ethnografieren wir multilokale Anwesenheit, wenn sie nicht chronologisch sondern synchron geschieht? Und ist die synchrone multilokale Anwesenheit eine Folge der technischen Entwicklungen oder wird hier sichtbar, was vormals schwerer zu sehen war; dass Menschen trotz körperlicher Anwesenheit häufig (gleichzeitig) mental an einem anderen Ort sind. Ich halte es für vielversprechend, das Forschungsfeld des digitalisierten Alltags gegen den Strich zu bürsten, um hinter scheinbar immer wiederkehrenden Mustern (Generationenkonflikt, Technikskepsis, ja -angst in Bezug auf die Verbreitung neuer technischer Geräte, etc.) auch Abweichungen zu erkennen. Außerdem gilt natürlich zu beachten, dass die zunehmenden Digitalisierung des Alltags nicht auf die Nutzung internetbasierter Dienste und Funktionen zu reduzieren ist, sondern wenn wir von alltäglichen Online-Praxen oder auch Offlineräumen sprechen auch Navigationssysteme, digitale Verwaltungssysteme, digitalisierte Oberflächen im Stadtraum mitzudenken sind. Somit wäre die Erforschung des digitalisierten Alltags kein neues Forschungsfeld, sondern ein weiteres Querschnittsthema, das es in den unterschiedlichsten Feldern noch stärker mitzudenken gilt. Sanna Schondelmayer Alltäglichen Onlinepraxen und Offline(t)räume 25

26 10:00 10:03 Mit etwa 10 Stunden Verspätung eine Information über mein heutiges Dasein als Medienschwamm und Datenkraken-sein an s Feld herausgeschickt. Ein ethnologischer #transparenztweet / com/#!/spektrallinie/status/ / Anmerkungen 1 Gemeint ist hiermit jeweils das Vielnamenfach der Volkskunde, EKW, Europäischen Ethnologie, Kultur- und Sozialanthropologie. 2 Deutlich wird das zunehmende Interesse und die Bandbreite der Forschungen und Diskurse im Fach insbesondere auch anhand studentischer Abschlussarbeiten. 3 Seminare zu Facebook, MigrantInnen online, Offlinepraxen und digitalisierten Arbeitswelt(en) am Institut für Europäische Ethnologie Berlin. 4 Zweite Arbeitstagung der dgv-kommission»going digital / Digitalisierung im Alltag«am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin, März Genauere Informationen dazu: aufgerufen am ,9 Prozent der Deutschen (2011: 73,3%) sind online. Dies sind 53,4 Millionen Internetnutzer. Damit hat sich die Zahl der Internetnutzer in den letzten 12 Jahren nahezu verdreifacht hat (2000: 18,4 Mio.). Gegenüber dem Vorjahr kamen 1,7 Mio.»neue Anwender«hinzu«. Die höchsten Zuwachsraten gehen weiterhin von den Über-50-Jährigen aus. 76,8 Prozent der 50- bis 59-Jährigen nutzen inzwischen das Internet (2011: 69,1%). Unter den über 60-Jährigen sind 39,2 Prozent (2011: 34,5%) online. ( aufgerufen am ). 6 So setzt sich z. B. die Piratenpartei für die umfassende Teilhabe aller BürgerInnen am digitalen Leben ein. 7 Es existiert natürlich nach wie vor ein ungewolltes Offline-Sein von Personen oder Personengruppen, die aufgrund ihrer körperlichen Fähigkeiten (Alter, Behinderung) ihres gesellschaftlichen Status (auf der Straße lebend, eingesperrt, etc.) keinen Zugang bzw. nur ganz eng geregelten Zugang zu Onlineräumen haben. Allerdings sind auch sie immer mehr in digitale Infrastrukturen eingebettet, so dass eine Annäherung ans Feld hier ggf. angemessener über Begriffe der (beschränkten) Teilhabe, der Ermächtigung (oder Entmächtigung) als entlang der Begriffsdichotomie online-offline erscheint. 8 Seit ca eine neue Begriffsschöpfung, die Medienberichte, Vortragstitel und Forenbeiträge durchzieht. Vgl. z. B. den Vortrag der Medienpädagogin Eva Horvatic am 25. September 2012 beim Internationalen Forums für Wirtschaftskommunikation (IFWk) Melzer Group:»Smartphonisierung unseres Denkens«. 9 Der Journalist Christoph Koch beschreibt in seinem Buch Ich bin dann mal offline: Ein Selbstversuch einige Wochen ohne Internet und Handy zu Recht zu kommen. 10 ( aufgerufen am ). 11 Bei vielen Aufforderungen offline zu sein kommt eine religiöse Komponente ins Spiel. So werden tibetanische Weisheiten, alte Yogameister oder auch ganz schlicht und ergreifend Gott zitiert, um dem menschlichen Bedürfnis nach Abschalten Gewicht zu verleihen. So beginnt z. B. die Vorstellung des Sabbathmanifesto dem Manifest einer Künstler- und MediengestalerInnnegruppe, die für die Rückgewinnung des Sonntags als Offlinetag eintritt wie folgt:»way back when, God said, On the seventh day thou shalt rest. The meaning behind it was simple: Take a break. Call a timeout. Find some balance. Recharge«(siehe: aufgerufen am ) aufgerufen am aufgerufen am Zu beachten ist zudem, dass viele neue Onlinepraxen Offlinepraxen generieren und somit zwar an einer Stelle eine Verlagerung ins Internet sattfindet, dies aber nicht zwangsläufig bedeutet, dass die Aktivität nun ausschließlich im Internet passiert. Häufig sind nur die Aktivitätsorte verschoben. So ist zum Beispiel des postcrossings auch

27 zu erwähnen, dass der analoge Postkartenversand und Briefversand mit dem Aufkommen von und Elektronischen Postkarten zwischen zwar um 75 Prozent zurückgegangen ist, der Paket- und Päckchenversand bedingt durch den Erfolg des Online-Versandhandels jedoch massiv zugenommen hat was natürlich auch eine zunehmende Dichte an Paketautos auf den Straßen mit sich bringt aufgerufen am aufgerufen am aufgerufen am Literatur Amelang, Katrin (2006): 3,2,1 selbstständig? Inkonsistente Autonomien in Arbeits- und Lebensentwürfen mit ebay. In: 7 (6. Online-Publikation), S Online verfügbar unter Amelang.pdf. Bauer, David (2010): Kurzbefehl. Der Kompass für das digitale Leben. 1. Aufl. Basel. Beck, Stefan; Butler, Mark (2000): Technogene Nähe. Ethnographische Studien zur Mediennutzung im Alltag. Münster. Butler, Mark (2007): Would you like to play a game? Die Kultur des Computerspielens. Berlin. Carr, Nicholas G.; Dedekind, Henning (2010): Wer bin ich, wenn ich online bin und was macht mein Gehirn solange? Wie das Internet unser Denken verändert. 1. Aufl. München. Engemann, Christoph (2003): Electronic Government-vom User zum Bürger. Zur kritischen Theorie des Internet. Bielefeld. Faßler, Manfred; Halbach, Wulf R. (1994): Cyberspace. Gemeinschaften, virtuelle Kolonien, Öffentlichkeiten. München. Faßler, Manfred (1999): Alle möglichen Welten. Virtuelle Realität, Wahrnehmung, Ethik der Kommunikation. München. Faßler, Manfred (2008): Der infogene Mensch. Entwurf einer Anthropologie. München. Friedewald, Michael (1999): Der Computer als Werkzeug und Medium. Die geistigen und technischen Wurzeln des Personal Computers. Berlin. Haraway, Donna Jeanne (2008): When species meet. Minneapolis. Hayles, N. Katherine (1999): How we became posthuman. Virtual bodies in cybernetics, literature, and informatics. Chicago. Hemmerling, Marco (2011): Augmented Reality. Mensch, Raum und Virtualität. Paderborn. Hepp, Andreas; Suna, Laura; Welling, Stefan (2009): Kommunikative Vernetzung, Medienrepertoires und kulturelle Zugehörigkeit: Die Aneignung digitaler Medien in der polnischen und russischen Diaspora. In: Uwe Hunger und Kathrin Kissau (Hg.): Internet und Migration. Theoretische Zugänge und empirische Befunde. 1. Aufl., Wiesbaden, Herlyn, Gerrit (2005):»VerführerZeitverschlingerGegenspieler«. Rhetorische Figuren der (Computer-) Technikdeutung. In: Thomas Hengartner und Brigitta Schmidt- Lauber (Hg.): Leben Erzählen. Beiträge zur Erzähl- und Biographieforschung. Festschrift für Albrecht Lehmann. Berlin, Koch, Christoph (2010): Ich bin dann mal offline. Ein Selbstversuch; leben ohne Internet und Handy. 3. Aufl. München. Kleemann, Frank (2000): Informatisierung der Arbeit: Folgende für Arbeitsverhältnisse und subjektive Leistungen der Arbeitenden. In: kommunikation@gesellschaft 1 (Beitrag 3). Online verfügbar unter Sanna Schondelmayer Alltäglichen Onlinepraxen und Offline(t)räume 27

28 10:05 Gleich eine Reaktion von einem Freund bekommen. Eher ironisch werde ich als»überwachungsschnorri«bezeichnet. Ich kontere mit:»datenkrakenschnorri!« Maase, Kaspar (2012): Die Kinder der Massenkultur. Kontroversen um Schmutz und Schund seit dem Kaiserreich. Frankfurt am Main. Mattern, Friedemann (2007): Die Informatisierung des Alltags. Leben in smarten Umgebungen. 1. Aufl., Berlin. Miller, Daniel; Slater, Don (2000): The Internet. An ethnographic approach. Oxford; New York. Miller, Daniel (2012): Das wilde Netzwerk. Ein ethnologischer Blick auf Facebook. Berlin. Moser, Sibylle (2010): Mediales Embodiment. Medienbeobachtung mit Laurie Anderson. 1. Aufl., Paderborn. Rühle, Alex (2010): Ohne Netz. Mein halbes Jahr offline. 1. Aufl., Stuttgart. Schnabel, Ulrich (2010): Muße. Vom Glück des Nichtstuns. 1. Aufl., München.. Schönberger, Klaus (1999): Neue Online-KommunikationspartnerInnen? Qualitative und quantitative Annäherungen. In: U.-D et al Reips (Hg.): Current Internet Science. Trends, Techniques, Results. Aktuelle Online-Forschung. Trends, Techniken, Ergebnisse. Elektronische Publikation. Schönberger, Klaus (2000): Internet und Netzkommunikation im sozialen Nahbereich. Anmerkungen zum langen Arm des real life. In: forum medienethik (2000) 2: Netzwelten, Menschenwelten, Lebenswelten. Kommunikationskultur im Zeichen von Multimedia, S Spitzer, Manfred (2012): Digitale Demenz. Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen. München. Steinle, Andreas; Wippermann, Peter (2003): Die neue Moral der Netzwerkkinder. Trendbuch Generationen. München. Tapscott, Don (1996): Die digitale Revolution. Verheißungen einer vernetzten Welt die Folgen für Wirtschaft, Management und Gesellschaft. Wiesbaden. Turkle, Sherry (2012): Verloren unter 100 Freunden. Wie wir in der digitalen Welt seelisch verkümmern. München. Wilson, S. & Peterson, L. (2002): The Anthropology of online communities. Annual Review of Anthropology, 31,

29 Alltag mit Facebook Methodologische Überlegungen und ethnografische Beispiele Christoph Bareither u. a.»es regnet in Strömen, als ich mich auf den Heimweg mache. Die Bushaltestelle ist restlos überfüllt und so presse ich mich mit aller Kraft gegen die Glasscheibe am Unterstand, um ein paar Tropfen weniger abzubekommen. Alle Wartenden stehen ruhig und zusammengepfercht an der Haltestelle und starren in den Regen. Auf der Bank am Unterstand sitzt eine junge Frau. In ihren Händen hält sie einen dieser modernen flachen Mini-Computer, deren Namen ich nicht weiß; etwa doppelt so groß wie ein gängiges Smartphone. Der Herr vor ihr steht so dicht an ihr, dass die Tropfen, die von seinem Mantel rinnen, auf ihre Knie fallen, aber das scheint ihr entweder nichts auszumachen oder sie ist so vertieft in Facebook, dass sie es nicht merkt. Erst als ein Bus kommt, die Menschenmenge sich zu bewegen beginnt und der Herr sie anrempelt, schaut sie kurz auf. Sie chattet in kurzen Abständen und lächelt dabei immer wieder. Mit der linken Hand hält sie den Computer und mit der rechten schreibt sie. Kommt eine neue Chat-Nachricht, hebt sie die Augenbrauen und der Oberkörper beugt sich leicht vor in Richtung des Geräts. Die Beine hat sie übergeschlagen und jetzt, wo sie etwas mehr Platz hat, wackelt sie mit dem Fuß des übergeschlagenen Beins. Der nächste Bus kommt und wie aus ihrer Trance erwacht, schiebt sie das flache Gerät unter ihre Jacke, damit es nicht nass wird, und steigt in den Bus. Da sie es nicht weggepackt, sondern nur vor Nässe geschützt hat, wird sie im Bus wohl gleich weiter chatten.«was hier in einem studentischen Feldtagebuch beschrieben wird, gehört längst zu unserem Alltag: Menschen, die an der Bushaltestelle versunken auf ihre Tablets schauen, die im Vorlesungssaal ihre Aufmerksamkeit vom Vortragenden zum Laptop schweifen lassen, die im Café sitzend scrollen und klicken, und die auch im Gespräch mit anderen immer wieder kurze Blicke auf ihre Smartphones werfen. Nicht selten erkennt man auf den Interfaces eine blau-weiße Fläche mit einzelnen roten Flecken: Facebook. Mit einer Milliarde Mitgliedern weltweit Berliner Blätter Heft 64 / 2013 S

30 10:15 11:45 Das Seminar zu den Praxistheorien beginnt Mein Netbook ist an, ich erstelle eine Mitschrift ist dieses»soziale Netzwerk«das beliebteste seiner Art und auch hierzulande für viele ein ganz selbstverständlicher Teil ihrer Lebenswelt. Doch was passiert eigentlich auf diesen Oberflächen? Wie schaltet sich die Software konkret in das alltägliche Miteinander der Menschen ein? Wie reifen im Schoß des Netzwerks veränderte Deutungen und Bedeutungen heran? Und welche sozialen wie emotionalen Praktiken entstehen in, mit, durch Facebook und um dieses technische Medium herum? Solche Fragen stellen sich aus der Perspektive der ethnologischen Medienforschung. Exemplarisch diskutiert werden sie im folgenden Beitrag anhand des ethnografischen Materials, das im Rahmen eines Seminars am Ludwig- Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft in Tübingen von 20 Studierenden erarbeitet wurde. Dieses Material umfasst die über mehrere Wochen geführten Feldtagebücher der Studierenden und ihre im Seminar diskutierten Erfahrungen, zusammengetragen über verschiedene methodische Zugänge. Dazu gehörten Autoethnografie (Bönisch-Brednich 2012), teilnehmende (Offline-)Beobachtung (Schmidt-Lauber 2007b) und Online-Forschung (Klaas/ Lange 2011) oder auch Diskursanalysen anhand von Zeitungsberichten und Medientexten (wie beispielsweise YouTube-Videos oder Forendiskussionen). Zentraler Bestandteil des Materials sind darüber hinaus 18 von den Studierenden während des Seminars durchgeführte, qualitative Face-to-Face-Interviews (Schmidt-Lauber 2007a) und weitere 45 im Rahmen von themenfokussierten Abschlussarbeiten erstellte Kurz-Interviews (Face-to-Face, online via Skype oder Chat). Vorwiegend haben die Studierenden in ihrem sozialen Nahbereich (also unter und mit KommilitonInnen) geforscht, was einerseits die Reichweite der Perspektiven beschränkt, zugleich aber die autoethnografischen Beobachtungen- das heißt die reflexive Einbindung subjektiver (Selbst-)Erfahrungen in den Forschungsprozess auf besondere Weise produktiv werden lässt und den Rückgriff auf geteiltes Erfahrungswissen in Interviewsituationen ermöglicht. Zusätzlich wurden exemplarische ethnografische Streifzüge unternommen, zum Beispiel in Form von Interviews und Beobachtungen zu den Lebenswelten von Berufstätigen oder Jugendlichen. Der Anteil der Studierenden am vorliegenden Artikel ist nicht auf die Bereitstellung des Materials beschränkt. Innerhalb des empirischen Kapitels werden auch einige Themen, Thesen und Formulierungen aus Seminarabschlussarbeiten aufgegriffen und die jeweiligen studentischen AutorInnen haben als ExpertIn nen (und zugleich AkteurInnen im Feld) die Weiterführung ihrer eigenen Beobachtungen kritisch begleitet, weshalb sie als Mit-AutorInnen explizit ausgewiesen sind. Auch meine eigenen Erfahrungen in und mit Facebook fließen selbstverständlich in die Beschreibung mit ein. Inhaltlich schließen diese Beobachtungen an bestehende ethnografische Studien zur Nutzung von Facebook an (aus dem Vielnamenfach vgl. u. a. Frischling 2013 und Nordhus 2012). Viel beachtet ist die Facebook-Studie von

31 Daniel Miller, die auf Deutsch in gekürzter Form unter dem Titel»Das wilde Netzwerk«erschien (Miller 2012). Durch ethnografische Porträts von Facebook-NutzerInnen auf Trinidad gibt sie Einblicke in einen von diesem Medium geprägten Alltag und stellt anschließend 15 induktive Thesen zur Diskussion. Während Miller Porträts einzelner AkteurInnen zeichnet, entwickeln sich andere Studien wie beispielsweise die von danah boyd (vgl. u. a. boyd 2008) anhand spezifischer Gruppen und ihrer besonderen Umgangsweisen. Im Gegensatz zu solchen Untersuchungen zielen die folgenden Beispiele nicht auf die gesättigte Darstellung spezifischer Lebenswelten oder Umgangsweisen. Sie sollen vielmehr durch Umkreisungen einzelner Praktiken exemplarische Zugänge aufzeigen, über die sich eine europäisch-ethnologische Medienforschung den spezifischen Dynamiken im Umgang mit dem Internet annähern kann. Der ethnografischen Beschreibung geht deshalb ein theoretisch-methodologischer Exkurs voraus, der Ansätze aus dem Feld der volkskundlich-kulturwissenschaftlichen Technikforschung beschreibt und versucht, die spezifischen Perspektiven der letzteren in Bezug auf den Umgang mit dem Internet fruchtbar zu machen. Technik Medien Internet Der Exkurs zur volkskundlich-kulturwissenschaftlichen Technikforschung führt zurück in die späten 1950er- beziehungsweise frühen 1960er-Jahre. Einzelne Volkskundler wie Wilhelm Brepohl, Ulrich Bentzien, Rudolf Braun und Hermann Bausinger begannen damals, die Industrialisierung und Technisierung des Alltags auf empirischer Basis zu untersuchen und brachten dadurch die im Fach dominierenden Vorstellungen eines vortechnischen Volkstums ins Wanken (vgl. einführend Beck 1997, 23 71; Hengartner/Rolshoven 1998). In diesen frühen Studien, die sich mit industrialisierten Arbeitsprozessen, aber auch mit Spiel, Brauch und Sprache in einer zunehmend technisierten Lebenswelt auseinandersetzten, zeichnete sich bereits eine spezifische (bei weitem nicht die einzige, aber für das Anliegen dieses Beitrags entscheidende) Stärke der volkskundlichkulturwissenschaftlichen Technikforschung ab, die in der Sensibilität für alltägliches, routiniertes, kulturell codiertes und in soziale Aushandlungsprozesse integriertes Tun der AkteurInnen mit und in Bezug auf Technik besteht. Bausinger vermittelte beispielsweise seine bis heute einflussreiche Beobachtung einer»,natürlichkeit, des Technischen«(unter anderem) über die Beschreibung eines christlichen Brauchs, bei dem eine Flamme mit einem modernen Feuerzeug entzündet wurde, obwohl eine natürliche Entzündungstechnik vorgeschrieben war legitim erschien das den Beteiligten, da sie diese Weise des Anzündens als die durchaus natürliche interpretierten (Bausinger 2005 [1961], 32; vgl. für fortführende Überlegungen zum Alltag mit Technik auch Bausinger 1981). Christoph Bareither u. a. Alltag mit Facebook 31

32 10:36 Entdecke einen reflexiven Kommentar eines Bekannten auf meinem Facebook-Status, in dem ich mein Tagebuch ankündige. Antworte darauf Dieses Tun geriet auch in den folgenden Jahrzehnten immer wieder in den Blick der volkskundlichen (beziehungsweise nun auch europäisch-ethnologischen, empirisch-kulturwissenschaftlichen oder kulturanthropologischen) Technikforschung. Sei es das Flippern (Warneken 1974), das Autofahren (Scharfe 1990), das Arrangieren technischer Geräte im Wohnraum (Binder 1992) oder das Telefonieren (Hengartner 1998) nicht immer, aber immer wieder näherte man sich der Einbindung von Technik in alltägliche Lebenswelten über die Beschreibung der sie umgebenden Praktiken. Ein differenziertes praxistheoretisches Konzept im Feld der Technikforschung legte Stefan Beck mit seiner 1997 erschienenen Dissertationsschrift»Umgang mit Technik«vor (Beck 1997). Seine Arbeit integriert die oben angesprochenen Grundlagentexte sowie weitere einschlägige Artikel aus dem Vielnamenfach und führt sie mit Konzepten der Ethnologie, Soziologie, (Kultur- und Sozial-)Anthropologie sowie Philosophie zusammen. Auf dieser Basis werden schließlich sachtheoretische (von der Technik ausgehende) und praxistheoretische (von den AkteurInnen ausgehende) Perspektiven miteinander in Beziehung gesetzt. Dadurch vermeidet dieser Zugang sowohl die Adaption deterministischer Technikverständnisse als auch solcher handlungstheoretischer Ansätze, die von der vollständigen individuellen Selbstbestimmtheit alltäglichen Tuns ausgehen. Ethnografisch umgesetzt werden kann dieses Konzept durch Forschungen, die sowohl die Technik selbst als auch die sie umgebenden Praktiken in den Blick nehmen, um schließlich die Dynamiken zwischen diesen Dimensionen zu beschreiben. Aus sachtheoretischer (von der Technik ausgehender) Perspektive geraten dabei zwei zentrale Aspekte in den Blick. Erstens haben technische Artefakte spezifische»objektpotenziale«. Sie stellen»,harte, Handlungsumgebungen bereit, mit denen Handlungsoptionen, Handlungszumutungen und Handlungsbeschränkungen materiell und institutionell ausgeformt werden«(ebd., 169). Zweitens sind technische Artefakte mit»,weichen, kulturellen Orientierungen, Dispositiven und Habitualisierungen«verbunden, durch die»das Feld sozial legitimer Nutzungsweisen einer Technik diskursiv abgesteckt wird«(ebd.). Diese Orientierungen geben den NutzerInnen keine harten Bedingungen vor, sondern rufen kulturell geprägte»nutzungsanweisungen«auf (ebd.). Aus praxistheoretischer (von den AkteurInnen ausgehendender) Perspektive ist entscheidend, dass die Objektpotenziale und Nutzungsanweisungen erst im Moment der tatsächlichen Nutzung aktiviert und zugleich neu verhandelt werden. Praxis wird dabei»verstanden als körper- und situationsgebunden, als prozessual und reflexiv, als handelndes und erkennendes Tätigsein in der alltäglichen Lebenswelt«(ebd., 298). Dieses Tätigsein ist hier abhängig von den harten Objektpotenzialen technischer Artefakte und den ihnen anhaftenden weichen Nutzungsanweisungen doch zugleich bindet die Praxis stets die

33 Technik sowie die sie umgebenden Diskurse, Regeln und Bedeutungen in spezifische Veränderungsprozesse ein. Ergebnis der Verschränkung von sachtheoretischer und praxistheoretischer Perspektive ist ein mehrschichtiges Forschungsinteresse, das nach den»komplex verwobenen Relationen von Artefakt, Kultur und Nutzer«(ebd., 247) fragt und damit zugleich produktive Zugänge für eine ethnologische Medienforschung eröffnet. Auch Medien, insbesondere technische Medien, haben bestimmte Objektpotenziale und sind mit Nutzungsanweisungen verbunden, die auf verschiedene Art und Weise in die Tat umgesetzt werden (vgl. dazu auch Beck 2000). Eine in diesem Sinne mehrschichtige Perspektive auf den Umgang mit technischen Medien kommt auch der von Hermann Bausinger 2001 in der Zeitschrift für Volkskunde geäußerten Forderung nach einer Intensivierung der Medienforschung innerhalb des Vielnamenfachs entgegen (Bausinger 2001). Denn sie erkennt an, dass Medien, wie Bausinger schreibt,»nicht technische Installationen sind, die man einschaltet, um sie in einem abgegrenzten Zeitrahmen für klar definierte Zwecke zu nutzen [ ]; vielmehr sind sie integriert in den Lebensvollzug, in Abläufe alltäglicher Art und in die ganze kulturelle Situation«(ebd., 2). Diese»Kultürlichkeit«der Medien um einen Begriff Thomas Hengartners zu gebrauchen, der von der»kultürlichkeit der Technik«spricht (Hengartner 2012, 119) wird im alltäglichen Umgang mit ihnen konkret ethnografisch erfassbar. Das gilt auch für die Erforschung des Umgangs mit dem Internet. Inzwischen sind über Smartphones und Tablets viele Menschen permanent Online, suchen mit Hilfe von Apps den richtigen Weg, den schnellsten Bus, ein schönes Restaurant oder neue BeziehungspartnerInnen. Sie bloggen, posten, lurken, liken, programmieren, kommentieren, verlinken, adden, zocken, markieren, uploaden, downloaden, streamen, nutzen Memes, schauen Videos oder beteiligen sich an einem Shitstorm und das alles nicht nur zuhause, und auch nicht nur auf dem zweiten (heimlichen) Browserfenster im Vorlesungsaal oder im Büro, sondern überall und wann immer sie mögen. Entgegen der ihr teils noch nachgesagten Medienfeindlichkeit haben die Europäische Ethnologie und die ihr verwandten Disziplinen in verschiedenen Studien bereits auf die unübersehbare Alltagsrelevanz des Internets reagiert. Sei es die Vernetzung am Arbeitsplatz (Schönberger 2000), die Alltagsintegration von Internet-Techniken als Kommunikations- und Informationsmedien (Herlyn 2008, 25 29, ), die Nutzung virtueller Friedhöfe (Schwibbe/ Spieker 1999), die Beschäftigung mit»virtuellen Welten«(Bahl 1997; Koch 2009) und Online-Computerspielen (Bareither 2012), das Bloggen (Schönberger 2009), Cybersex (Huber 2001), der Interessenaustausch in Foren (Klaas/Lange 2011), der Umgang mit Imageboards (Löber 2011) oder das Kommentieren von YouTube-Videos (Tauschek 2013) Praktiken der Internetnutzung sind ein Christoph Bareither u. a. Alltag mit Facebook 33

34 10:29 10:56 Kontaktaufnahme durch Freunde über Facebook / WhatsApp / SMS vielbeachteter Gegenstand der Europäischen Ethnologie/Volkskunde, was sich nicht zuletzt in zahlreichen studentischen Abschlussarbeiten niederschlägt und 2011 zur Gründung der dgv-kommission»digitalisierung im Alltag«führte. Auch einige methodologische und theoretische Grundlagentexte aus dem Vielnamenfach liegen bereits vor (vgl. u. a. Faßler 1996; Schönberger 2006; Koch 2009; Koch 2011; Schmidt-Lauber 2011). In diesen Texten deuten sich teils ganz ähnliche Zugänge wie der hier vorgeschlagene an, weshalb die Kombination aus sach- und praxistheoretischer Perspektive keinesfalls als Alternative, sondern als ergänzender und strukturierender methodologischer Vorschlag zu verstehen ist. Insbesondere kann dieser Zugang den methodologischen Brückenschlag zwischen Offline- und Online- Ethnografien stützen, der für (tatsächlich dichte) Beschreibungen eines digitalisierten Alltags dringend erforderlich ist.»umgang mit dem Internet«meint nicht nur eine der beiden Dimensionen, sondern die zwischen Online und Offline pendelnden Praktiken der NutzerInnen. Die folgenden Beispiele sollen in diesem Sinne zur weiteren Diskussion dienen und vor allem Studierenden eine mögliche Forschungsperspektive auf den Umgang mit dem Internet zur Verfügung stellen. Hilfreich ist dabei die Unterscheidung dreier Fragerichtungen, wobei die ersten beiden gemeinsam die sachtheoretische Perspektive bilden. Erstens: Welche konkreten Objektpotenziale beziehungsweise Funktionen hat ein technisches Medium? Und zweitens: Welche Nutzungsanweisungen beziehungsweise handlungsanleitenden Bedeutungen sind mit diesen Objektpotenzialen verknüpft? Aus praxistheoretischer Perspektive ist dagegen drittens die Frage entscheidend: Wie setzen die Ak teurin nen die Objektpotenziale und Nutzungsanweisungen konkret in die Tat um? Diese Gliederung zielt nicht auf die ethnografische Beschreibung dreier isolierter Bereiche, sondern soll es ermöglichen, diese drei Ebenen in Bezug zueinander zu setzen, um die Dynamik zwischen ihnen, die komplexe Relation zwischen technischem Medium, Kultur und Praxis, sichtbar zu machen. Darauf arbeiten auch die beiden folgenden Beispiele hin, die wahlweise aufbauend aufeinander oder auch selektiv gelesen werden können. Beispiel 1: Darstellen mit Maria Elisa Blenich, Lara Büchel, Frederik Efferenn, Marina Schulz und Lisa Stoll Facebook ist vieles, aber vor allem ein Medium der Darstellung, und dargestellt werden in erster Linie individuelle Personen. Das Konfigurieren eines persönlichen NutzerInnenprofils ist Voraussetzung, um überhaupt am»sozialen Netzwerk«teilhaben zu können. Zu diesem Zweck stellt das technische Medium eine Art Baukastensystem zur Verfügung, mit dessen Hilfe auf dem eigenen

35 Profil Daten wie Wohnort, Geburtsdatum, Beruf, Studiengang, darüber hinaus Hobbys, Interessen, Musik- und Filmgeschmack oder Lieblingszitate, schließlich auch kurze Texte, Selbstbeschreibungen und vor allem Bilder für ausgewählte andere NutzerInnen sichtbar gemacht werden können. Mit diesen Möglichkeiten ist als zentrale Nutzungsanweisung die Aufforderung zur Selbstdarstellung verbunden, und die geht mit einer Vielzahl an kulturellen Orientierungen einher. Die Einforderung eines Profilbilds ruft beispielsweise historisch gewachsene Kulturen der bildlichen Selbstdarstellung auf und bindet sie in das Netzwerk ein. Sei es das Porträtgemälde, das Hochzeitsfoto, das überzeugende Bewerbungsbild, das Beweisfoto aus dem Urlaub oder der lockere Schnappschuss von der letzten Party: kulturelle Codes der Selbstdarstellung über Bilder sind uns aus dem Offline-Alltag vertraut und spielen eine Rolle, wenn wir auf Facebook unser prominent platziertes Profilbild gestalten. Der 21-jährige Matthias beispielsweise stellt sich auf seinen wechselnden Profilbildern oft grinsend dar, auch gerne im Urlaub, beispielsweise vor einer schönen Landschaft sitzend, mit Freunden auf Städtereisen oder bei einem Glas Bier. Im Interview kommentiert er:»ich glaube Profilbilder sagen sehr viel über Lebensstil und Selbstpräsentation aus. Natürlich achtet man darauf, dass man nicht irgendwie scheiße aussieht. Aber ich glaube, es hat eher was damit zu tun, wie man sich auch selber sieht und irgendwie auf dieser Plattform repräsentieren möchte. Und das hat irgendwas mit Lebensstil, Einstellung, whatever, zu tun.«über Fotos bestimmte»lebensstile«zu vermitteln ist eine etablierte kulturelle Praxis. Im Umgang mit Facebook wird sie aber auf veränderte Weise bedeutungsvoll. Da diese Fotos permanent sichtbar sind und in der Kommunikation zwischen den NutzerInnen stets neben den eigenen Textnachrichten erscheinen, kommt ihnen eine wichtige Rolle im Alltag vieler NutzerInnen zu. Im Gespräch über das Profilbild beschreibt die Studentin Antonia beispielsweise, wie die Selbstdarstellung auf Facebook zum wichtigen Baustein bei der Integration in ihre neue soziale Umwelt wird:»also ich versuch halt auch, jetzt gerade so am Studienanfang merk ich auch, dass ich immer darüber nachdenke: Ok, wenn ich jetzt neue Freunde habe, die mit mir studieren, die kennen mich ja dann noch nicht. Und ich will dann trotzdem, dass sie einen richtigen Eindruck von mir bekommen. Wenn sie mich schon werten müssen über Facebook, dass es in die richtige Richtung gelenkt wird.«die neuen FreundInnen, so Antonia, werden sie ohnehin anhand ihres Facebook-Profils bewerten und wenn diese Wertung in die»richtige Richtung«Christoph Bareither u. a. Alltag mit Facebook 35

36 11:17 11:19 Meta-Beispiel: Die Comic-Figur, mit dem die BVG ihre Regeln explizit im ÖPNV sichtbar macht, heißt Betty. Das musste ich gleich twittern gehen soll, bleibt ihr (zumindest in ihrer eigenen Wahrnehmung) gar keine andere Wahl, als selbst gestaltend einzugreifen. Wo NutzerInnen sich also auf die Teilnahme am»sozialen Netzwerk«einlassen, kommen sie um die computervermittelte Selbstdarstellung nicht herum. Das heißt auch, sie müssen sich entscheiden, welches Selbst sie auf der Webseite darstellen wollen. Wie problematisch diese Aufforderung zur Selbstdarstellung sein kann, erfuhr die Studentin Sarah, nachdem sie einen neuen Job angenommen hatte und bald eine Facebook-Freundschaftsanfrage von ihrem neuen Chef erhielt. Auch wenn sie es zunächst als seltsam empfand, ihren Chef als»freund«anzeigen zu lassen, ihm also Einsicht in einen Teil ihrer Daten, Bilder und auf ihre Pinnwand zu gewähren, bestätigte sie die Anfrage sofort. Allerdings veränderte sie sogleich die Angaben in ihrem NutzerInnenprofil und prüfte fortan auch die semi-öffentlich sichtbaren Kommunikationsprozesse auf ihrer Pinnwand (seit einem größeren Update durch den Konzern auch»chronik«genannt) als Elemente ihrer offiziellen Selbstdarstellung besonders kritisch. Freunde hatten beispielsweise Bilder eines Geburtstags gepostet, auf denen Sarah mit einem Glas Wein zu sehen war.»ich machte mir auf einmal Gedanken und malte mir das Schlimmste aus«, erzählt sie im Interview.»Denkt mein Chef jetzt, ich feiere die ganze Zeit und trinke nur Alkohol?«Aber auch kleinere Details fielen ihr auf:»sollte ich Twilight nicht mehr liken [als»gefällt mir«markieren, A. d. V.], da es vielleicht unprofessionell aussieht? Soll ich Wirtschaftsseiten liken, von denen ich bisher noch nie etwas gehört habe, aber mein Chef schon? Soll ich Bilder löschen, die vielleicht zweideutig herüberkommen?«freundinnen bat sie, nur noch»passende«beiträge und Bilder online zu stellen und einige ehemalige Beiträge löschte sie komplett. Dafür schrieb sie nun immer öfter auf Englisch (»Das zeigt meine internationalen Kenntnisse!«), achtete überhaupt penibel auf Rechtschreibung sowie Interpunktion und unterließ Smileys, Abkürzungen sowie Umgangssprache. Dieses Beispiel beschreibt eine aus den besonderen Objektpotenzialen und Nutzungsanweisungen Facebooks hervorgehende Situation. Zwar spielen Menschen auch im Offline-Alltag Theater und stellen sich je nach Situation auf unterschiedliche Weise dar, doch im Umgang mit Facebook müssen sich NutzerInnen ganz konkret entscheiden, welche ihrer sozialen Rollen, welche Fähigkeiten, Habitualisierungen und Selbstverständnisse sie über Fotos und Texte vermitteln und damit als ihr offizielles Selbstbild sichtbar machen wollen. Es sei denn, man wählt wie die 36jährige Maren einen anderen Weg. Nach einer schweren Erkrankung ihres Mannes begann die Marketingdirektorin einer großen Firma vom»homeoffice«aus zu arbeiten, wobei sie vor allem über Facebook mit KundInnen und KollegInnen kommunizieren sollte. Weil sie aber ihr Privatleben nicht mit ihrer beruflichen Karriere vermischen wollte, erstellte sie kurzerhand ein zusätzliches Berufsprofil, auf dem sie seitdem (ähnlich wie Sarah) ein professionelles Selbstbild präsentiert. Die Trennung der beiden

37 Profile hilft ihr dabei, ihre unterschiedlichen Selbstverständnisse auch im»homeoffice«auseinanderzuhalten.»wenn ich mich einlogge«, kommentiert sie im Interview,»sehe ich zunächst das Bild. Dann weiß ich sofort: So, Maren, du bist jetzt wieder Frau Schwarz, Marketingdirector!«Die Angaben auf ihrem Berufsprofil beschränken sich auf ihre Karriere und ihren Arbeitsalltag. Ihren Beziehungsstatus oder private Bilder würde sie niemals ihren KollegInnen präsentieren.»wenn ich sehr gut mit ihnen klarkomme, bekommen sie eine Anfrage von Maren Sunshine [ihr privates Profil, A. d. V.], ansonsten bleiben sie auf der Seite von Frau Maren Schwarz, Marketingdirector. Durch ein Upgrade auf meine private Seite, können sie sich dann als richtigen Freund von mir sehen.«umgekehrt ist für ihre privaten FreundInnen das Berufsprofil nicht einsehbar aus Angst, dass jemand vielleicht etwas entdeckt, was nicht so ganz stimmt. Die meisten Daten auf ihrer geschäftlichen Seite seien jedoch wahr. Sie wolle keine fremde Person sein, das sei zu anstrengend.»es ist auf jeden Fall ein Teil meiner Identität. Dafür bin ich verantwortlich und ich kenne die Konsequenzen. Das bin ich, das ist mein Leben und meine Identität!«Spätestens hier wird deutlich, dass es bei der Selbstdarstellung auf und über Facebook nicht nur um die Repräsentation von Personen, sondern um die Aushandlung von Identitäten geht. Diese Aushandlungsprozesse werden aber nicht nur durch die Darstellung der eigenen Person, sondern auch durch die Darstellung der Beziehung zu anderen Menschen vollzogen. So zeigen sich viele NutzerInnen gerne auf Fotos gemeinsam mit ausgewählten anderen, wie beispielsweise Lydia und Anna, die zusammen in die zehnte Klasse gehen. Anna hat auf Lydias Pinnwand ein Foto gepostet. Es zeigt die beiden Mädchen fest umschlugen, auf den Oberarmen von Anna steht mit dickem Marker geschrieben:»love you! «, darunter die Bildunterschrift:»Ein Freund ist jemand, der die Melodie deines Herzens kennt und sie Dir vorspielt wenn Du sie vergessen hast. I love you :) mit L.G.«In der Kommentarzeile darunter wiederum eine Nachricht von Lydia:»:-* :-* Bischd beschdä I love you Beste schooltime mit dir <3<3<3<3«. Solche Bild-Text-Kombinationen machen Beziehungen sichtbar und sind Teil der Selbstdarstellung der NutzerInnen. Doch mit Bildern und Texten sind die Möglichkeiten der Darstellung von Beziehungen noch nicht erschöpft. Funktionen wie die Angabe des»beziehungsstatus«setzen nochmals andere Prozesse in Gang. Von den neun Varianten dieses Status spielen im Alltag der befragten SchülerInnen und Studierenden vor allem die Angaben»Single«und»In einer Beziehung mit «eine wichtige Rolle. Letztere Angabe ermöglicht die konkrete und prominent platzierte Sichtbarmachung einer zwischenmenschlichen Beziehung.»Als wir frisch zusammen gekommen sind, war s mehr so: Waaah, ich bin so glücklich, ich muss mein Glück mit der ganzen Welt teilen«, erinnert sich die Studentin Tanja an den Wechsel des Beziehungsstatus.»Weiß nicht, das ist ganz komisch. Ich wollte eben zeigen, dass er zu mir gehört.«christoph Bareither u. a. Alltag mit Facebook 37

38 11:29 Meta-Anekdote: Meine Notizen für das Medientagebuch mache ich hauptsächlich mit Evernote, einer App, die Notizen über meinen Chrome-Browser mit der gleichnamigen App auf meinem Smartphone synchronisiert; d.h. es erlaubt mir Notizen auf dem Handy zu beginnen und auf dem Computer fortzusetzen und umgekehrt Wie Tanja interpretieren viele die Angabe»in einer Beziehung mit «als Zeichen einer gewissen Ernsthaftigkeit dieses Verhältnisses. Man trägt diesen Status nicht einfach so ein,»jetzt nicht dieses: ok, wir sind jetzt einen Tag zusammen, haben jetzt gerade irgendwie beschlossen, dass wir zusammen sind, dann steht das nicht gleich am nächsten Tag auf Facebook, oder so. Es sollte dann schon ein bisschen fester sein wenigstens.«wenn allerdings noch nicht geklärt wurde, ob die Beziehung tatsächlich schon»ein bisschen fester«ist, kann es zu Konflikten kommen:»ich hatte in Kopenhagen kurzzeitig einen Freund, war echt nicht so eine lange Geschichte. Da war am Anfang so diese rosarote Wolke so. Und dann hat er mir so plötzlich bei Facebook so ne Anfrage gestellt, dass wir das öffentlich machen, dass wir beide zusammen sind. Und da saß ich dann wirklich so vor diesem PC und dachte: Oh, mein Gott, die Welt darf nicht wissen, dass ich mit diesem Typen zusammen bin. In dem Moment hätte mir eigentlich schon klar sein sollen: Ok Mira, lass die Scheiße, bringt eh nichts. Aber ich saß wirklich lang davor und habe mir überlegt: Was mache ich jetzt? Weil ich kann ja jetzt nicht irgendwie sagen: Nein, ich will nicht, dass das öffentlich wird! Weil das wäre ja dann für ihn der übelste Schlag ins Gesicht, und andersrum wollte ich es aber eigentlich nicht öffentlich machen.«insofern die Statusangabe die Beziehung für»die Welt«sichtbar macht, ist sie ein Zeichen mit Signalcharakter, aber auch mehr. Hier wird nicht einfach die bestehende Ernsthaftigkeit einer Beziehung abgebildet, sondern über Facebook überhaupt erst mit hergestellt. Entscheidend ist dabei die durch das technische Medium vorgegebene Eindeutigkeit der Aussage. Durch eine ernsthafte Nutzung der Statusangabe zwingen sich die AkteurInnen selbst zu einer konkreten Positionierung. Ohne Facebook bleiben vielfältigere Graustufen und Möglichkeiten zur Interpretation der gegenseitigen Gefühle Spielräume und Ungleichzeitigkeiten können genutzt, genossen und erlitten werden. Nutzt man dagegen die Beziehungsstatus-Funktion, bleibt letztlich nur der Klick auf den einen oder eben den anderen Status und damit ein konkretes Bekenntnis zu einer bestimmten zwischenmenschlichen Beziehung. Wie die anderen in diesem Abschnitt angeführten Beispiele soll auch dieses vor allem verdeutlichen, dass durch die Alltagsintegration des technischen Mediums Facebook nicht nur Darstellungsformen, sondern auch Selbstverständnisse und die Beziehungen zwischen Menschen in eine ungewohnte Bewegung geraten. Zwar ist die Sichtbarmachung von Personen und ihrer Beziehungen auch außerhalb von Facebook ein fest etablierter Bestandteil unseres Alltags, doch dass diese Prozesse nun für viele Menschen auch über das»soziale Netzwerk«ablaufen, lässt die konkreten Objektpotenziale und

39 Nutzungsanweisungen des Mediums zu einflussreichen Faktoren bei der Aushandlung von Identitäten werden. Beispiel 2: Motivieren und Gratulieren mit Maximilian Böhm, Luisa Däuwel, Laura Esser und Valerie Wacker Einige für Facebook zentrale Funktionen dienen der computervermittelten Adap tion kulturell etablierter Gesten. Zwei davon sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden. Das erste Beispiel ist der Like-Button beziehungsweise die»gefällt mir«-schaltfläche, über die (unter anderem) gepostete Kommentare, Fotos und Videos und damit indirekt deren VerfasserInnen geliked werden können. Dabei lässt ein einfacher Klick auf den Like-Button die prominent angezeigte Anzahl der»gefällt mir«-angaben (»Likes«genannt) unter den jeweiligen Fotos oder Kommentaren ansteigen und je nach Bedarf kann eine Liste der Likenden eingesehen werden. Grundsätzlich ist die Nutzung des Like-Buttons sprachlich und durch ein»thumbs-up«-symbol auch visuell als spezifische kulturelle Geste markiert. Zu sagen»gefällt mir«und den hochgestreckten Daumen zu zeigen dient Online wie Offline nicht nur der Artikulation des eigenen Geschmacks, sondern auch (und im Folgenden besonders relevant) der sozialen Motivation und emotionalen Unterstützung anderer Menschen. Dabei lässt das System Facebook ausschließlich positive Werturteile zu, was sich unter anderem durch das Fehlen des von vielen NutzerInnen meist im Scherz geforderten Dislike-Buttons bemerkbar macht. Wie selbstverständlich die Nutzung dieser Funktion für viele NutzerInnen ist, zeigen zahlreiche Feldtagebucheinträge der SeminarteilnehmerInnen:»Susanne Tummlers Foto wurde von 103 (!) Personen geliked. Außerdem gibt es 33 Kommentare, hauptsächlich von Mädchen, die beteuern, wie hübsch sie ist. Unter jedem Kommentar bedankt Susanne sich für die Komplimente (12 Mal). Alle Komplimente werden von Susanne geliked, alle Danksagungen von Susanne werden wiederum von der betroffenen Person geliked. Viele Kusssmileys und Herzen.«Solchen Beobachtungen entsprechend beschreiben viele interviewte Nut zerinnen eine soziale und emotionale Gewöhnung an das regelmäßige Geliked- Werden ihrer Posts und Fotos. Weil»man sich dann freut, dass die anderen das wahrnehmen«, weil man sieht,»dass die das auch angeschaut haben, dass die das interessiert. Das freut mich dann«, kommentiert die Studentin Eva. Und auch viele männliche Nutzer wie der Student Jonas messen dieser emotionalen Geste einen hohen Wert bei. Nach dem Bodybuilding stellt er regelmäßig Fotos Christoph Bareither u. a. Alltag mit Facebook 39

40 12:01 Anarchistisches Kunstwerk im CafEE entdeckt und gleich in die Welt hinaus geschickt status/ seines Oberarms auf Facebook, zusammen mit Texten wie:»wer sagt es denn!«speziell die Freunde aus seiner Sportmannschaft klicken bei diesen Fotos häufig den»gefällt mir«-knopf und setzen motivierende Kommentare darunter. Für Jonas sind diese Rückmeldungen wichtige Signale:»Wenn einmal wenig Reaktion drauf kommt, fühle ich mich schon komisch, als ob ich was nicht richtig mach.«so bringen die spezifischen technischen Handlungsmöglichkeiten von Facebook und die durch sie aufgerufenen Bedeutungen nicht nur veränderte Nutzungsweisen, sondern auch veränderte Erwartungshaltungen hervor. Der Like-Button wird eingebettet in alltägliche emotionale Praktiken (Scheer 2012). Ähnliches lässt sich rund um das Gratulieren über Facebook beobachten. Die Software zeigt (bei entsprechend angegebenen Daten) automatisch die Geburtstage von FreundInnen an und ermöglicht via einfachem Mausklick eine unkomplizierte, schnelle und serielle Gratulation in Form kurzer Textnachrichten. Dabei wird jeder Geburtstag im Freundeskreis durch das Symbol eines Geburtstagskuchens oder auch eines verpackten Geschenks visualisiert und so bereits mit spezifischen Nutzungsanweisungen verknüpft. Die Icons verweisen auf das Gratulieren durch Gaben und Geschenke, das als soziale wie emotionale Praxis etabliert ist und sowohl Schenkenden als auch Beschenkten positive Erfahrungen erlaubt.»wir wollen ja alle gemocht werden von der Gesellschaft«, bemerkt die Studentin Nana selbstironisch,»und wir wollen alle, dass andere Leute an uns denken und deswegen habe ich meinen Geburtstag zum Beispiel angegeben. Damit alle Leute mir gratulieren, mit denen ich (lacht) im wahren Leben wahrscheinlich nicht so wirklich befreundet bin.«hier klingt bereits an, dass die computergestützte Adaption solcher kultureller Gesten alles andere als geradlinig verläuft. Sowohl dem Gratulieren über Facebook als auch dem Liken haftet in der Deutung vieler InterviewpartnerInnen eine Aura der Oberflächlichkeit an.»ok, du denkst dir letztendlich echt gar nichts dabei!«, kommentiert beispielsweise Nana im Interview die Aktion eines Freundes, der ihr zweimal nacheinander auf Facebook zum Geburtstag gratuliert hatte. Und auch»dieses Like-Drücken«, unterstreicht die Studentin Rebecca, ist»so unpersönlich. (lacht) Ja, das finde ich immer so schrecklich, dieses stumpfe Ja, mag ich.«gerade weil Facebook die leichte, schnelle, serielle und dadurch auch beiläufige Ausführung kulturell etablierter Praktiken erlaubt, werden diese nicht als adäquater Ersatz für bewusste, gezielte und persönliche Gesten akzeptiert. Die Struktur des technischen Mediums steht der Entfaltung spezifischer Bedeutungen gewissermaßen konträr entgegen. Um die Geste des Likens dennoch persönlich erscheinen zu lassen, kombinieren manche NutzerInnen Likes mit geschriebenen Kommentaren.»Ich finde man sollte dann auch wörtlich seine Meinung äußern«, fährt Rebecca im Interview fort,»und nicht nur so blind einen Knopf betätigen.«das Schreiben ersetzt nicht unbedingt das Liken, sondern ergänzt es um die ihm fehlenden Aspekte.

41 Aus Perspektive mancher AkteurInnen können dadurch die Bedeutungen der ursprünglichen Geste zumindest teilweise wieder hergestellt werden. Vergleichbare Ausweichstrategien gibt es für das Gratulieren. Eine Seminarteilnehmerin notiert in ihrem Feldtagebuch:»Einer meiner Freunde hat Geburtstag. Gut, dass es dort steht, so hätte ich mir das bestimmt nie merken können, aber ich finde es unpersönlich, ihm an die Pinnwand zu schreiben, also schreib ich ihm schnell eine Nachricht über WhatsApp.«WhatsApp ist eine Textchat-Software für Smartphones. Im Gegensatz zum direkten, bequemen und gedankenlosen Posten auf die Facebook-Pinnwand simuliert der Wechsel auf ein anderes (die NutzerInnen nicht automatisch über den Geburtstag informierendes) Medium die Geste des An-jemanden-Denkens. So kann die Bedeutung des Gratulierens zumindest teilweise erhalten werden. Andere machen es sich ebenso schwer, indem sie anrufen oder, wie Alexander, eine SMS schreiben. Das sei»persönlicher«, sagt er,»weil da mache ich mir die Mühe, ich schau nach der Nummer.«Konsequente Fortsetzung dieser Entwicklung ist schließlich die Wiederentdeckung des persönlichen Besuchs.»Liebe Worte zählen tausendmal mehr, wenn sie persönlich gesagt werden, als über Facebook«, fasst die Studentin Michaela eine von vielen NutzerInnen geteilte Meinung zusammen. So durfte auch eine Seminarteilnehmerin an ihrem Geburtstag ihre jüngeren Cousinen persönlich begrüßen, was sie eher überraschte. Im Feldtagebuch notiert sie:»die ganz Kleine (17) erklärt mir, dass bei ihr niemand mehr über Facebook gratulieren würde, sondern nur noch in der Schule direkt, weil das persönlicher sei. Auch ihre ältere Schwester erklärt mir, dass sie seit ca. einem Jahr immer vorbei kommen würde, wenn jemand Geburtstag hat oder zumindest anruft, weil dieses unpersönliche Gratulieren über Facebook, WhatsApp und Co einfach nicht mehr im Trend sei und gar nicht ginge. Heutzutage müsse man sich bewusst sein, dass FB einfach nur eine Plattform ist, die an den Geburtstag eines Menschen erinnert und nicht die Art und Weise sein sollte, wie man gratuliert. Ob mir denn noch nicht aufgefallen sei, dass alles retro ist? Back to the roots!, sagt meine kleine Cousine mit der geballten Faust in die Höhe gestreckt.«doch auch, wo das Gratulieren und Liken out ist, wollen viele AkteurInnen nicht gänzlich auf diese Gesten verzichten. In Interviews geben sie an, sich im Zweifelsfall eben doch auf die soziale und emotionale Bedeutung computervermittelter Gesten einzulassen. So sind beispielsweise Rebeccas (oben bereits zitierte) negative Deutungen des Likens eingebettet in konträr dazu stehende Umgangsweisen:»Es ist immer so kommentarlos: gefällt mir, ja ja. Also das ist immer so meinungslos, deswegen finde ich es eigentlich gar nicht so gut. Aber trotzdem macht man es. [ ] Zum Beispiel ganz oft von einer Freundin, Christoph Bareither u. a. Alltag mit Facebook 41

42 12:06 14:35 Sitze mit Kommilitonin im CafEE. Beide haben den Laptop auf dem Schoß. Sprechen über Nerdthemen und tauschen Links aus sie postet sehr viele Bilder von ihrem alltäglichen Leben. Da gefällt mir eigentlich immer alles. Weil sie halt weit weg ist und ich immer zeigen will, dass ich sie mag. [ ] Dass ich an sie denken und dass ich das wertschätze, so ein bisschen. [ ] Oder auch: Ich stimme auch deiner Ansicht zu. Aber eigentlich finde ich das negativ, weil ich finde, man sollte dann auch wörtlich seine Meinung äußern und nicht nur so blind einen Knopf betätigen. Es ist so, man ist sich dessen bewusst, aber man setzt es nicht um [ ]. Manchmal drück ich dann Gefällt mir und dann klick ich kurz danach Gefällt mir nicht mehr. [ ] Weil dann denke ich: Ne Rebecca, das wolltest du nicht.«ähnliches geschieht durch die Gewöhnung an das computervermittelte Gratulieren:»Anja: Irgendwie ist es manchmal schon ein ganz cooles Gefühl, dass so ein paar Leute an einen denken, in Anführungszeichen. Weil wobei, die meisten denken ja eigentlich gar nicht an einen. Aber irgendwie macht das halt dann doch noch den Geburtstag so ein bisschen zum Geburtstag mittlerweile. Irgendwie, wenn man dann halt irgendwie von allen Seiten die Glückwünsche kriegt. Marina: Angenommen der Geburtstag wäre drin und es würde keiner gratulieren? Anja: Das wäre wirklich bitter. Ohne Witz, glaube ich. (Stille)«So zeigen die empirischen Beispiele zum Motivieren und Gratulieren einerseits, dass die Adaption etablierter kultureller Gesten im Umgang mit Facebook nicht geradlinig verlaufen muss. Die spezifischen Möglichkeiten und Bedingungen des technischen Mediums können bei der konkreten Nutzung in Konflikt mit den ursprünglichen Bedeutungen dieser Gesten geraten. Andererseits wird deutlich, dass solche Konflikte die Transformation kultureller Gesten und die Alltagsintegration ihrer medialen Varianten nicht gänzlich verhindern. Rund um Like- und Gratulations-Funktionen entstehen neue Gewohnheiten und Erwartungshaltungen. Das dynamische Wechselspiel zwischen technischem Medium, Kultur und Nutzungspraktiken verweist dabei vor allem auf die Komplexität und mitunter auch auf besondere Widersprüchlichkeit von sozialen und emotionalen Praktiken in einer um Facebook ergänzten Welt. Ausblick Die hier angeführten Beispiele sollten exemplarisch verdeutlichen, wie mehrschichtige Perspektiven auf den Umgang mit dem Internet die Dynamiken

43 zwischen technischem Medium, Kultur und Praxis erfassen und beschreiben können. Dabei haben sie der zur Verfügung stehenden Materialbasis entsprechend mehr den Charakter von Andeutungen als von gesättigten Forschungsergebnissen. Der Raum für weitere Forschungen ist damit also längst nicht abgesteckt, doch die Tür zu ihm hoffentlich ein Stück weit geöffnet. Die Reihe an weiteren potenziell aufschlussreichen Aspekten des Umgangs mit Facebook ist lang: die konkrete Nutzung von Bildern und Texten, beispielsweise im Sinne eines computervermittelten doing-gender; die Anwendung der Software für personalisierte und emotionalisierte Werbepraktiken; der Umgang mit Emoticons und Memes in der schriftlichen Kommunikation; die Produktion und Distribution von Smartphone-Fotos und -Videos; die Aneignung viraler Internetphänomene wie»gangnam Style«und»Harlem Shake«; die Transformation von Facebook-Pinnwänden in Medien der Trauer um Verstorbene; aber auch die Facebook-Verweigerung durch AkteurInnen, die dadurch beispielsweise im Universitätsalltag deutliche Nachteile erhalten das wären nur einige der möglichen Ansatzpunkte. Auch verändern sich die Objektpotenziale der Software und ihre Nutzungsanweisungen ständig. So soll beispielsweise die Umgestaltung der»pinnwand«in eine»chronik«die NutzerInnen dazu anleiten, ihre gesamte Biografie (möglichst von Geburt an) bildlich und textlich zu dokumentieren, wobei am Ende jedes Jahres ein Algorithmus die Jahreshighlights der jeweiligen Person errechnet und in einer Rückschau präsentiert. Auch die neuen Paarprofile, die automatisch nach der Eintragung von (Liebes-)Beziehungen generiert werden und auf denen diese Beziehungen durch Bilder und Texte öffentlich präsentiert werden sollen, könnten verändernd in manche Lebenswelt eingreifen. Dabei berühren die möglichen wie auch die hier bereits aufgegriffenen Aspekte etablierte Themenfelder der Europäischen Ethnologie und das nicht nur flüchtig. Es geht um die Fortführung habitualisierter Umgangsformen, um visuelle Repräsentation, um Gesten, Sprache und Jargon, um theatrale Selbstinszenierung, um das öffentliche Aushandeln von Emotionen, um Gaben und Gegengaben, um den Einsatz sozialen Kapitals, um Arbeit, Vergnügung, Gemeinschaft und Identität. In Anbetracht dieser Themenvielfalt wäre das technische Medium Facebook wie es Klaus Schönberger für die ethnografische Auseinandersetzung mit Technik vorgeschlagen hat (Schönberger 2007) als»querschnittsdimension«zu verstehen, nicht als erschöpfend zu behandelnder Gegenstand der Forschung also, sondern als Feld, in dem sich die Transformation konkreter ethnografischer Forschungsgegenstände in einer von Internettechnologien geprägten Lebenswelt nachvollziehen lässt.»transformation«meint nicht, dass alles neu ist, was im Umgang mit dem Internet geschieht auch wenn manch öffentlicher Diskurs scheinbar genau diesen Anschein von Neuartigkeit (sowohl im fortschrittlichen wie im Christoph Bareither u. a. Alltag mit Facebook 43

44 12:16 12:25 Schaue das Interview von Horst Seehofer und Klaus Kleber zur vergangenen Landtagswahl in der zdf Mediathek de/zdfmediathek/beitrag/video/ /seehofer-das-koennen-sie-alles-senden!#/beitrag/video/ /seehofer-das-koennen-sie-allessenden bedrohlichen Sinne) erwecken will. Die Europäische Ethnologie muss im Gegenteil die Aufgabe wahrnehmen, die historische Gewachsenheit von Internet- Praktiken und ihre Einbettung in bereits bestehende Offline -Zusammenhänge immer wieder zu betonen. Das betrifft sicherlich nicht nur den Umgang mit Facebook, sondern auch die Umgangsweisen mit anderen Artefakten und Programmen, wie augmented reality-apps, Online-Foren, Computerspielen oder auch Plattformen wie YouTube. Eine zentrale Herausforderung in diesem Zusammenhang ist die Entwicklung von Methoden und Zugängen, die einen differenzierten und differenzierenden Blick auf die beschriebenen Dynamiken erlauben. Sich einzulassen auf das komplexe Wechselspiel zwischen den technischen Objektpotenzialen der Medien, den durch sie aufgerufenen Nutzungsanweisungen und schließlich der vielfältigen Art und Weise, diese in die Tat umzusetzen, hilft dabei. Literatur Bahl, Anke (1997): zwischen On- und Offline. Identität und Selbstdarstellung im Internet. München. Bareither, Christoph (2012): Ego-Shooter-Spielkultur. Eine Online-Ethnographie. Tübingen. Bausinger, Hermann (1981): Technik im Alltag. Etappen der Aneignung. In: Zeitschrift für Volkskunde 77, Bausinger, Hermann (2001): Vom Jagdrecht auf Moorhühner. Anmerkungen zur kulturwissenschaftlichen Medienforschung. In: Zeitschrift für Volkskunde 97, Bausinger, Hermann (2005 [erstmals 1961]): Volkskultur in der technischen Welt. Stuttgart. Beck, Stefan (1997): Umgang mit Technik. Kulturelle Praxen und kulturwissenschaftliche Forschungskonzepte. Berlin. Beck, Stefan (2000): media.practices@culture. Perspektiven einer Kulturanthropologie der Mediennutzung. In: Ders. (Hg.): Technogene Nähe. Ethnographische Studien zur Mediennutzung im Alltag. Münster, Binder, Beate (1992): Technikstile. Geschlechtsspezifische Aspekte bei der Nutzung technischer Geräte als Gestaltungsmittel im Wohnbereich. In: Bettina Heinrich u. a. (Hg.): Gestaltungsspielräume. Frauen in Museum und Kulturforschung. Tübingen, Bönisch-Brednich, Brigitte (2012): Autoethnografie. Neue Ansätze zur Subjektivität in kultur anthropologischer Forschung. In: Zeitschrift für Volkskunde 108, boyd, danah (2008): Taken Out Of Context. American Teen Sociality in Networked Publics. Berkeley, CA [Diss.]. aufgerufen am Faßler, Manfred (1996): Rätselhafte Abstände oder: Transkulturelle Netzwerke. In: Tübinger Korrespondenzblatt Nr. 46: Medienforschung in der EKW, Frischling, Barbara (2013): Über (Schein)Freiheiten und Kontrollräume. Ambivalenzen im Umgang mit der sozialen Netzwerkseite Facebook. In: Wissenschaft als Leidenschaft. Gedenkschrift für Elisabeth Katschnig-Fasch. Sonderband 5 von Kuckuck. Notizen zur Alltagskultur [im Erscheinen]. Hengartner, Thomas (1998): Telephon und Alltag. Strategien der Aneignung und des Umgangs mit der Telephonie. In: Thomas Hengartner/Johanna Rolshoven (Hg.): Technik, Kultur: Formen der Veralltäglichung von Technik, Technisches als Alltag. Zürich,

45 Hengartner, Thomas (2012):»Technik Kultur Alltag.«Technikforschung als Alltagskulturforschung. In: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 108, Hengartner, Thomas/Johanna Rolshoven (1998): Technik Kultur Alltag. In: Dies. (Hg.): Technik, Kultur: Form der Veralltäglichung von Technik, Technisches als Alltag. Zürich, Herlyn, Gerrit (2008): Computer im Alltag Computer als Alltag. Erzählstrategien und biographische Deutungen im Veralltäglichungsprozess von Technik (Dissertationsschrift). Hamburg. Huber, Birgit (2001): Mediale Intimität und Körperrepräsentationen. Zum Verhältnis von virtueller Welt und Alltagswelt. In: Franz Carmen/Gudrun Schwibbe (Hg.): Geschlecht weiblich. Körpererfahrungen Körperkonzepte. Berlin, Klaas, Franziska/Bernhard Lange (2011): Virtueller Notizen einer Feldfoschungserfahrung in einem Kaffeeforum. In: Victoria Hegner/Dorothee Hemme (Hg.): kulturen 5/2, Koch, Gertraud (2009): Second Life ein zweites Leben? Alltag und Alltägliches einer virtuellen Welt. In: Zeitschrift für Volkskunde 105, Koch, Gertraud (2011): Der Cyberspace als Ende der Ethnografie? Anmerkungen zur Ortsmetapher des Internets in der kulturanalytischen Forschung. In: Victoria Hegner/ Dorothee Hemme (Hg.): kulturen 5/2, Löber, Nils (2011): In den Unterwelten des Web 2.0. Ethnografie eines Imageboards. Tübingen. Miller, Daniel (2012): Das wilde Netzwerk. Ein ethnologischer Blick auf Facebook. Berlin. Nordhus, Lotte (2012): Die Schweizer Minarett-Initiative im Spiegel von Facebook Eine Analyse der Diskussionen vor der Abstimmung In: Nils Zurawski/Jan- Hinrik Schmidt/Christian Stegbauer (Hg.): Phänomen»Facebook«. Sonderausgabe von Jg. 13, o. P. Scharfe, Martin (1990):»Ungebundene Circulation der Individuen«. Aspekte des Automobil fahrens in der Frühzeit. In: Zeitschrift für Volkskunde 86, Scheer, Monique (2012): Are Emotions a Kind of Practice (And Is That What Makes Them Have a History?) A Bourdieuian Approach to Understanding Emotion. In: History and Theory 51/2, Schmidt-Lauber, Brigitta (2007): Das qualitative Interview oder: Die Kunst des Reden- Lassens. In: Silke Göttsch/Albrecht Lehmann (Hg.): Methoden der Volkskunde. Positionen, Quellen, Arbeitsweisen der Europäischen Ethnologie. 2. Aufl., Berlin, Schmidt-Lauber, Brigitta (2007): Feldforschung. Kulturanalyse durch teilnehmende Beobachtung. In: Silke Göttsch/Albrecht Lehmann (Hg.): Methoden der Volkskunde. Positionen, Quellen, Arbeitsweisen der Europäischen Ethnologie. 2. Aufl., Berlin, Schmidt-Lauber, Brigitta (2011): Wege und Irrwege der Forschung über und im Cyberspace. Ein Problemaufriss. In: Victoria Hegner /Dorothee Hemme (Hg.): Feldforschung@cyberspace. kulturen 5/2, Schönberger, Klaus (2000): Internet und Netzkommunikation im sozialen Nahbereich. Anmerkungen zum langen Arm des real life. In: Forum Medienethik 2: Netzwelten, Menschenwelten, Lebenswelten. Kommunikationskultur im Zeichen von Multimedia, Schönberger, Klaus (2006): Online offline. Persistenz Auflösung Rekombination alte und neue Grenzen und Differenzen in der Nutzung neuer Informations- und Kommunikationstechnik. Ein Überblick zum Forschungsstand in der kulturwissenschaftlichen Internet-Forschung. In: Thomas Hengartner/Josef Moser (Hg.): Grenzen & Differenzen. Zur Macht sozialer und kultureller Grenzziehungen. Leipzig, Schönberger, Klaus (2007): Technik als Querschnittsdimension. Kulturwissenschaftliche Technikforschung am Beispiel von Weblog-Nutzung in Frankreich und Deutschland. In: Zeitschrift für Volkskunde 103, Christoph Bareither u. a. Alltag mit Facebook 45

46 12:28 Ein dickes Like für die Sailor Moon Disney Prinzessinen! &type=1&theater Schönberger, Klaus (2009): Doing Gender, kulturelles Kapital und Praktiken des Bloggens. In: Michael Simon u. a. (Hg.): Bilder. Bücher. Bytes. Zur Medialität des Alltags. Münster u. a., Schwibbe, Grudrun/Ira Spieker (1999): Virtuelle Friedhöfe. In: Zeitschrift für Volkskunde 95, Tauschek, Markus (2013):»Castingwahn«Zur Etablierung eines kompetitiven Selbst zwischen Unterhaltung und Leistungsideologie. In: Christoph Bareither/Kaspar Maase/ Mirjam Nast (Hg.): Unterhaltung und Vergnügung. Beiträge der Europäischen Ethnologie zur Populärkulturforschung. Mit einem Vorwort von Hermann Bausinger. Würzburg, [im Erscheinen]. Warneken, Bernd Jürgen (1974): Der Flipperautomat. Ein Versuch über Zerstreuungskultur. In: Jürgen Alberts u. a. (Hg.): Segmente der Unterhaltungsindustrie. Frankfurt a. M.,

47 Flaneure, Fremde und Voyeure Teilnehmende Beobachtungen in Facebook Christian Blumhagen»Die beste Weise, Fische zu beobachten, besteht darin, selber zum Fisch zu werden.«dieser Ausspruch des französischen Meeresforsches Jacques-Ives Cousteau steht sinnbildlich für eines der bedeutendsten Paradigmen in den Ethnowissenschaften: Teilnehmende Beobachtung. So verweist unter anderem Brigitta Schmidt-Lauber darauf, dass diese Methode für eine Kulturanalyse unverzichtbar sei (vgl. Schmidt-Lauber 2007). In frühen Formen jedoch noch ohne methodologische, geschweige denn reflexive Betrachtungen wurde die Teilnehmende Beobachtung im Bereich der deutschen Volkskunde von Wilhelm Heinrich Riehl eingeführt. 1 Im Bereich der Ethnologie gilt Bronislaw Malinowski seit seinem Forschungsaufenthalt vor Papua-Neuguinea als Mitbegründer des Feldforschungsparadigmas. Diese Beschreibungen gehen davon aus, dass es einen Ort, ein Feld der Forschung gibt, das beobachtet wird. Dieser Ort war in aller Regel ein territorialer, ein materieller, haptischer Ort. 2 Was passiert jedoch mit der Kernmethode der Ethnowissenschaften, wenn der Ort der Forschung ausschließlich Online zu finden ist? Überlegungen zum teilnehmenden Beobachten in virtuellen Welten gibt es bereits unter dem Begriff Virtual Ethnography (vgl. Hine 2000; Boellstorf et.al 2012). Was ist jedoch, wenn das Feld nicht mal mehr dem entspricht, was als virtuelle Welt(en) verstanden werden kann? So sparen selbst Pionier_innen auf diesem Gebiet explizit soziale Netzwerke wie Facebook und MySpace aus ihren Überlegungen aus (vgl. Boellstorf et. al 2012, 7). Hier wird versucht für eben das soziale Netzwerk Facebook einen Aspekt teilnehmender Beobachtung zu beschreiben, der ein integraler Bestandteil sein muss: das Verhältnis von Forschenden und Beforschten. Mit Norbert Elias (vgl. 1992, 144) gehe ich davon aus, dass Menschen in Figurationen, also wechselseitigen Interdependenz-Geflechten stehen. Wie kann 3 die Figur/Figuration des_der Beobachtenden in Facebook beschrieben werden? Um mich dieser Frage zu nähern, werde ich zunächst Problematisierungen von Feldforschung im Internet aufgreifen und eine mögliche Perspektive hierauf vorschlagen. Anschließend werde ich die Sozialfiguren des Flaneurs, des Fremden und des Voyeurs vorstellen und daraufhin abklopfen, auf Berliner Blätter Heft 64 / 2013 S

48 welche Aspekte und Probleme des Beobachtens und damit des Wissens sie in diesem Online-Feld verweisen können. Zur Räumlichkeit des Internets 12:30 Folge auf Twitter und freue mich auf guten Input! Die Frage nach der Person des_der Beobachtenden im Internet wirft zugleich die Frage nach dem Feld auf. Ein ethnografischer Forschungsansatz der ja im Wesentlichen auf Teilnehmende Beobachtung als Methode zur Datenerhebung setzt (vgl. u. a. Wittel 2000) definiert ein Feld, das es zu erforschen gilt. Und genau an diesem Punkt wird die klassische Orts- bzw. Feldmetapher ethnografischer Forschung problematisch, denn dieser Zugang setzt auf»körperliche Präsenz im Feld«(Koch 2011, 34). Gertraut Koch spricht provokativ vom»cyberspace als Ende der Ethnografie«und spitzt diese These am Beispiel der nicht-leiblichen Raum- und Örtlichkeitserfahrungen im Internet zu. In ihren Betrachtungen erscheint die Raummetapher auf das Internet übertragen erst dann produktiv zu werden, wenn danach gefragt wird»in welcher Weise die Raumdarstellungen im Internet auf faktische Räume verweisen und mit welchen Prinzipien Imaginationen des Örtlichen und des Räumlichen erzeugt werden«(dies., 36). Somit erscheint das Internet nur ein imaginierter Raum zu sein, der»jenseits dieser Imagination nicht als Raum existiert, sondern nur dann, wenn die Nutzer/innen den medialen Erzählungen mit ihrer Imagination folgen, sie ergänzen, selbst hervorbringen und verbreiten«(ebd.). In eine ähnliche Richtung verweist Andreas Wittel, der sich mit den forschungsparadigmatischen Verschiebungen vom klassischen lokalen Feld über das Ethnografieren von Netzwerken bis hin zu Formen virtueller Ethnografie auseinandersetzt. Er betont, dass Teilnehmende Beobachtung im virtuellen Raum nur»in a rather reduced and limited mode«stattfinden könne denn schließlich ginge es bei dieser»key method«darum,»real people«zu beobachten. Dies ist in seinen Augen jedoch im Internet nicht möglich, denn schließlich gäbe es keine Garantie für die»validity of data on the Internet«(Wittel 2000). 5 Wittel fragt weiterhin, ob es dann noch möglich sei mit einer derart problematisch gewordenen und beschränkten Teilnehmenden Beobachtung die Komplexität»of social situations, everyday routines and embodied practices«(ebd.) zu verstehen? Diese Frage lässt sich vielleicht mit einem Rückgriff auf Michel de Certeau beantworten. Der französische Soziologe und Kulturphilosoph plädiert in seiner Kunst des Handelns (1988) für ein Verständnis von Ort und Raum, welches sich durch Präsenz und Interaktion auszeichnet. Für ihn ist ein Ort»die Ordnung (egal, welcher Art), nach der Elemente in Koexistenzbeziehungen aufgeteilt werden [ ], also eine momentane Konstellation von festen Punkten«(de Certeau 1988, 217f.). Doch wie wird ein Ort zu einem Raum? Entscheidend

49 ist laut de Certeau hierbei die Präsenz und Aktivität (bzw. Interaktion), denn»raum [ist] ein Ort, mit dem man etwas macht.«ein Raum ist somit ein»resultat von Aktivitäten, die ihm eine Richtung geben, ihn verzeitlichen [ ]«(ebd., 218; Hervorhebungen im Original). Am Beispiel des Social Networks Facebook lässt sich zeigen, dass dieses Verständnis von Ort und Raum für Teilnehmende Beobachtung Online produktiv sein kann zumindest für die Startseite nach der Anmeldung. Als User_in verfüge ich hier über sehr wenige Gestaltungsmöglichkeiten, kann also im de Certeau schen Sinn als Konsument nur den Ort der Anderen nutzen (vgl. ebd., 23) 6 Diese Startseite kann also als ein Ort interpretiert werden. Sie hat eine ganz spezifische Struktur und ihre einzelnen Elemente sind in einer eigenen Ordnung platziert, so zum Beispiel Gruppen und häufig genutzte Anwendungen am linken Rand, den Newsfeed zentral in der Mitte, Werbung rechts. Diese Struktur besteht unabhängig von meiner eigenen Präsenz. 7 Zum Raum wird die Startseite dann durch meine Präsenz und Interaktion, ähnlich wie de Certeau am Beispiel des Verhältnisses von Straße und Fußgänger_innen zeigt: sie ist ein geometrisch festgelegter Ort und wird erst»durch die Gehenden in einen Raum verwandelt«(ebd.). Wie ein Fußgänger die Ordnung der Straße individuell gebrauchen kann (zum Beispiel durch ignorieren der Ampelsignale), kann auch ich die Ordnung der Elemente in Facebook auf ganz spezifische Weise nutzen, wenn ich mich beispielsweise dafür entscheide, mich als zum Chatten verfügbar anzeigen zu lassen oder eben nicht. Ein Raumverständnis im Sinne Michel de Certeaus kann es mir ermöglichen, Facebook als Raum und damit ethnografischen Zugängen offen zu konzeptualisieren sofern ich auch für physische Feldforschungen die These teile, dass der Ort der Forschung durch Präsenz und Interaktion zum Raum wird. Wie sich die teilnehmende Beobachtung auf Facebook konkret ausgestalten kann und welche Konsequenzen dabei für den/die Beobachtende entstehen, werde ich nachfolgend die drei Figuren des Flaneurs, des Fremden und des Voyeurs aufzeigen. Der Flaneur Was zeichnet ihn aus, den Flaneur, diese mythische Figur in urbanen Räumen, die von Literaten (u. a. Edgar Allan Poe, Charles Baudelaire) geschaffen wurde? Für Walter Benjamin ist der Flaneur nicht nur Beobachter des Jetzt, vielmehr führt ihn sein Streifzug»in eine entschwundene Zeit, [ ] in eine Vergangenheit, die umso bannender sein kann, als sie nicht seine eigene, private ist«(benjamin 1983, 524). Dieses Wissen um die Vergangenheit lässt den Flaneur dann auch alles, was je in diesem Raum geschehen ist, gleichzeitig wahrnehmen (vgl. ebd., 527) er liest quasi die Spuren im Raum. Dabei verweist der klassische Flaneur Christian Blumhagen Flaneure, Fremde und Voyeure 49

50 12:32 Ein Rezept für veganes Mett erhalten. Freu! nach Benjamin auf eine relative Unabhängigkeit von sozialen Bindungen und einen gewissen Wohlstand, denn wie sonst könne er sich sein ihm so typisches»laisser-faire«leisten? (ebd., 529) 8 Der Flaneur ist eine widersprüchliche und zwielichtige Gestalt; so schreibt Benjamin:»[er ist] einerseits der Mann, der sich von allem und allen angesehen fühlt, der Verdächtige schlechthin, andererseits der völlig Unauffindbare, Geborgene«(Benjamin 1983, 529). Weiter zählt es zu den Charakteristika des Flaneurs, dass er ein Meister der Selbstentfremdung ist. Denn er ist zwar ein»native of the crowded space«(shields 1994, 66; Hervorhebung im Original); gleichzeitig wird ihm aber alles aufgrund seiner sozialen Ungebundenheit zum Konsumgegenstand, selbst»people are mere props ontologically similar to objects on display«(ebd., 76). Somit erscheint auch das besondere Einfühlungsvermögen, das Benjamin dem Flaneur als»virtuose dieser Einfühlung«bescheinigt, in einem sehr konsumistischen Licht, denn»die Einfühlung in die Ware [ist] Einfühlung in den Tauschwert selbst«(benjamin 1983, 562). Sowohl Benjamin als auch Shields weisen daraufhin, dass der Flaneur jedoch immer gefährdet ist, bei dieser Einfühlung jegliches Maß zu verlieren allzu leicht kommt es zur»ivresse der Einfühlung«(ebd.); sprich einer»drunkeness on the spectacle of the city«(shields 1994, 64). Thomas Düllo (2010) wagt den Versuch einer Neubeschreibung der Sozialfigur, die sich von der historischen Figur in einem zentralen Aspekt unterscheidet. Für ihn ist auch der Flaneur der Postmoderne ein Spurenleser, der sich nach wie vor»primär durch den [ ] Raum bewegt, um dessen Bilder zu lesen«(düllo 2010, 122). In diesen Bildern sucht er»das Regelhafte und seine Abweichungen«, ihm geht es um das»auffinden von Bildsplittern und Anekdoten [ ], deren Lesarten wiederum als Verhandlungen mit der Gegenwart zu begreifen sind«(ebd., ; Hervorhebung im Original). Er bedient sich dabei der Methode der Assoziation, er benötigt einen gewissen Spürsinn, um die Gegenstände seines Spurenlesens zu finden (vgl. ebd.). So versucht sich auch der moderne Flaneur in»der Identifizierung und Konstruktion von Ähnlichkeiten [ ], [in der] Markierung der Differenz in der Wiederholung«(ebd.). Jedoch ist er und dies unterscheidet ihn vom historisch-textenden Flaneur auch ein Spurenleger; er wird sichtbarer und tritt häufiger auf (vgl. ebd., ; Düllo verweist hier beispielsweise auf Street Art Künstler oder die so genannte digitale Bohème). Der Flaneur von heute ist also nicht mehr eine singuläre und exponierte Erscheinung in der grauen Masse oder einfach nur der Man in the Crowd; wir begegnen ihm»häufiger, aber auch verkleideter und weniger idealtypisch«(ebd., 130). Wie lässt sich nun die beschriebene Figur des Flaneurs auf die Figur eines Beobachtenden in Facebook übertragen? 9 Zunächst lässt sich festhalten, dass ein Flaneur in diesem Feld in Bezug auf (Un)Sichtbarkeit eine ambivalente Figur ist, denn einerseits kann er potenziell jeden weiteren User beobachten; andererseits ist er für jeden anderen Nutzer beobachtbar. Einen entscheidenden

51 Einfluss darauf, in welcher Intensität er beobachten kann, hat hier jedoch seine Einstellung zur Privatsphäre. So kann jede_r User_in ziemlich genau festlegen, in welchem Ausmaße Informationen zugänglich sind. Die Bandbreite reicht dabei von öffentlichen Profilen, deren Inhalte für alle zugänglich sind, bis hin zur Möglichkeit, diese auch innerhalb des virtuellen Freundeskreises selektiv zu gestalten. Dies verweist unmittelbar auf zwei weitere Aspekte des Flaneurs in Facebbok: erstens die Zugänglichkeit zur Vergangenheit, die ja Benjamin attestierte und zweitens die simultane Wahrnehmung. Wenn ich ein Facebook-Profil als Raum konzeptualisiere, habe ich grundlegend die Möglichkeit alles, was dort potenziell geschehen ist, fast gleichzeitig wahrzunehmen insbesondere durch die Umstellung der Profile auf die sog. timeline (ins Deutsche etwas umständlich mit Chronik übersetzt). Sie ermöglicht es mir auch, zu jedem beliebigen Punkt in der Vergangenheit der Beobachteten zu gelangen; beschränkt auf die von den Nutzer_innen zugänglich gemachten Informationen. Denkbar ist es auch, dass in Facebook forschende Flaneure in Ivresse verfallen, ist es doch ein Leichtes, sich beim endlosen Surfen, Klicken, Scrollen durch Newsfeed, Profile und Bilder zu verlieren. Auch Shields Interpretation des Flaneurs als Meister der Selbstentfremdung lässt sich hier anwenden, kann ich doch in hohem Maße darüber bestimmen, wer welche Informationen von mir als Beobachtendem zu sehen bekommt; ganz zu schweigen von der Möglichkeit, diese Informationen ganz gezielt auszuwählen und so potenziell ein Bild von mir zu konstruieren, das dem realen Ich sehr fremd sein kann. Dies verweist auch auf die zunehmende Bedeutung des Spurenlegens, wie sie Düllo dem post-modernen Flaneur zuschreibt. Ebenso ist einzugestehen, dass dem flaneurhaften Beobachter tendenziell alles zur Ware wird. Denn wie Waren im Schaufenster kann ich auch die Profile der Mitglieder_innen nahezu anschauen. Dies verweist auf ein ethisches Dilemma: wenn ich meine Beobachtungen in meinem Netzwerk mache, dann ist davon auszugehen, dass ich zu diesen Personen auch eine soziale Beziehung habe. Gleichwohl ist durch die Möglichkeiten des Social Networks diese postmoderne Sozialfigur gerade hier vermehrt zu finden. Sie ist jedoch kaum identifizierbar, denn wie soll ich (oder eben die anderen User_innen) wissen, wer gerade durch die Profilwelt flaniert und seine_ihre Beobachtungen macht? Der Fremde Was Walter Benjamin für die Etablierung der Flaneur-Figur war, das ist Georg Simmel zweifellos für die Figur des Fremden. Simmel s Fremder 10 ist»der Wandernde, [ ] der heute kommt und morgen bleibt«(simmel 1992, 764). Er steht in einem besonderen Verhältnis zu dem Raum, in dem er sich niederlässt, denn»seine Position in diesem ist dadurch wesentlich bestimmt, dass er nicht von Christian Blumhagen Flaneure, Fremde und Voyeure 51

52 12:36 12:45 Ich rante (= rege mich auf) wegen eines Positionspapier einiger Abgeordneten meiner Partei, in dem sie eine Einführung einer freiwilligen Kulturabgabe für gemeinnützige Institututionen für Konfessionslose fordern. Das wird natürlich gleich auf Facebook & Twitter verteilt status/ und v.a. auf Facebook diskutiert vornherein in ihn gehört, dass er Qualitäten, die aus ihm nicht stammen und stammen können, in ihn hineinträgt«(ebd., 765). Um dies jedoch überhaupt erst möglich zu machen, ist es einerseits nötig, dass ihm die anvisierte Zielgesellschaft Raum zur Existenz bietet, den er andererseits aufgrund seiner Intelligenz und Beweglichkeit besetzen kann (vgl. ebd., 765f.). Diese Beweglichkeit ist auch Grund dafür, dass der Fremde potenziell mit jedem Mitglied der Gruppe in Kontakt kommt; doch er ist»mit keinem einzelnen durch die verwandtschaftlichen, lokalen, beruflichen Fixiertheiten organisch verbunden«(ebd., 766). Die Nicht-Verbundenheit zu den Mitgliedern der ihn aufnehmenden Gesellschaft steht in einem kausalen Zusammenhang mit der Qualität des Fremden schlechthin, seiner Objektivität. Simmel macht allerdings deutlich, das hiermit jedoch keine Unbeteiligung gemeint ist, sondern vielmehr ein»besonderes Gebilde aus Ferne und Nähe, Gleichgültigkeit [sic!] und Engagiertheit«(ebd., 766f.). Da der Fremde somit auch»das Nahverhältnis wie aus der Vogelperspektive erleb[t] und behandel[t]«, werden ihm»oft die überraschendsten Offenheiten und Konfessionen, bis zu dem Charakter der Beichte, entgegengebracht werden, die man jedem Nahestehenden sorgfältig vorenthält«(ebd., 767). Schließlich ist er durch»keinerlei Festlegungen gebunden, die ihm seine Aufnahme, sein Verständnis, seine Abwägung des Gegebenen präjudizieren könnten«(ebd.). Das bereits angeführte Verhältnis von Nähe und Distanz zieht sich nach Simmel durch die ganze Figur des Fremden auch im Bereich dessen, was er und die anderen Mitglieder der sozialen Gruppe teilen:»der Fremde ist uns nah, insofern wir Gleichheiten nationaler und sozialer, berufsmäßiger oder allgemein menschlicher Art zwischen ihm und uns fühlen; er ist uns fern, insofern diese Gleichheiten über ihn und uns hinausreichen und uns beide nur verbinden, weil sie überhaupt sehr Viele verbinden.«(ebd., 769) Während Simmel den Fremden als eine zentrale Figur für die Moderne konzeptionalisiert, verweist Julia Reuter darauf, dass im heutigen Gebrauch dieses Terminus zumeist auf eine andere Bedeutung 11 verwiesen wird: die des radikal Fremden (vgl. Reuter 2010, 164f.). Gemeint ist:»er weiß nicht, wo er hin gehört, hat keine echte Heimat, ihm fehlt es an moralischer Orientierung, und er droht in den Konkurrenzbeziehungen und Konflikten der heterogenen Bevölkerungsgruppen [ ] unterzugehen«(ebd., 165). Fremd sei er auch, weil in seinem neuen Kontext»seine Vorstellungen von der Wirklichkeit gänzlich ungeeignet sind. Er versteht seine Mitmenschen nicht und wird nicht verstanden, [ ] weil sein Wissen und Denken ins Leere laufen«(ebd., 167). Somit stellen sich zwangsläufig Fragen nach Identität und der Fremde ist gezwungen, sich mit den Spielregeln der Gruppe vertraut zu machen (vgl. ebd., 166f.).

53 Fremde_r kann also sein, wer nicht naturwüchsig mit der Gesellschaft verbunden ist und neue Qualitäten in sie hinein bringt. Das Fremdsein ermöglicht ihm_ihr eine besondere Objektivität. Zudem steht er_sie mit den Anderen in einem Spannungsverhältnis von Nähe und Distanz, welches ihn_sie zu einem Lernprozess zwingt. Ausgehend von diesen Überlegungen lässt sich nun danach fragen, inwiefern ein_e Beobachtende_r bei Facebook Züge des Fremden aufweisen kann. Zunächst scheint es recht eindeutig, dass ein solches Social Network für die meisten Menschen nicht ihr natürlicher Raum ist. Wir sind in familiären, geografischen und beruflichen Räumen verortet, jedoch kaum in einem reinen Online-Raum. Der_die Nutzer_in ganz eigene Qualitäten ein, sowohl durch die Art und Weise der Interaktion mit den anderen User_innen (zum Beispiel durch die Auswahl der kommentieren Beiträge), als auch durch die Dinge, die als teilenswert erscheinen. In diesem Kommunikationsprozess können Missverständnisse und Irritationen entstehen. Deutlich wird dies an der durchaus ambivalenten symbolischen Bedeutung des Anstupsens : innerhalb meines Freundeskreises mag das eine Aufforderung sein, sich mit der anstupsenden Person zu beschäftigen und ihr Aufmerksamkeit zu schenken. Es kann aber auch eine Möglichkeit sein, zu nicht befreundeten Personen Kontakt aufzunehmen und umgekehrt. Die Figuration des Fremden in der teilnehmenden Beobachtung bei Facebook scheint ebenso wie der Flaneur (in diesem Feld), eine hochgradig ambivalente Figur zu sein. Diverse soziale Kontexte und auch Kulturen kommen hier zusammen. Schließlich zählen die meisten Nutzer_innen nicht nur ihre Freunde zu den Mitgliedern ihres Netzwerkes, sondern oftmals auch ehemalige Mitschüler_innen, vergangene und aktuelle Arbeitskolleg_innen, Kommiliton_innen Doch widerspricht dies ganz klar Simmels Behauptung, dass der_die Fremder nicht organisch mit den anderen verbunden sei. Verweist dies nicht auf die moralische Orientierungslosigkeit des modernen Fremden, denn es stellt sich für den_die Beobachtenden immer die Frage, welche Formen von Interaktion im jeweiligen Kontext legitim sind und welche nicht. Erschwert wird dies dadurch, dass die Aktivitäten potenziell von allen anderen Personen im Netzwerk eingesehen werden können, was wiederum wie beim Flaneur stark abhängig von den Einstellungen der Privatsphäre ist. Ebenso erscheint es kaum möglich, die spezielle Objektivität des Fremden dem_der Beobachtenden in Facebook zuschreiben zu können zumindest zu den Mitgliedern im eigenen Netzwerk bestehen ja je spezifische Ein- und Vorstellungen sowie eine persönliche Beziehung, was sich auch auf die Offenheit und die überraschenden Bekenntnisse innerhalb der Interaktion auswirkt. Und dennoch lässt sich das spezifische Verhältnis von Nähe und Dis tanz, welches ja nach Simmel konstitutiv ist für die Position des Fremden, in diesem Feld entdecken. Oftmals lassen sich viele allgemeine Gleichheiten Christian Blumhagen Flaneure, Fremde und Voyeure 53

54 finden, angefangen bei gemeinsamen Freunden, Musikgruppen und Filmen, Lieblingsautoren bis hin zu Orten, die gerne aufgesucht werden. Zu guter Letzt: die Spuren meiner Interaktion und Kommunikation vergehen nicht mit dem Heute, sondern bleiben, solange ich in diesem Social Network ein Profil habe, selbst wenn ich mit den entsprechenden Personen nicht mehr befreundet bin. Der Voyeur 12:48 12:49 Dank der Erinnerung auf Facebook können wir Michael Metzger zum Geburtstag gratulieren Von den hier herangezogenen Sozialfiguren ist die des Voyeurs sicherlich jene, die am stärksten moralisch aufgeladen ist und zwar ausschließlich negativ. Für Markus Schroer ist er der»grenzverletzer par excellence«, denn»[e]r überschreitet die Grenze zwischen öffentlich und privat.«(schroer 2010, 451) Doch was zeichnet ihn neben diesem Grenzübertritt noch aus? Nach Schroer, ist der Voyeur immer ein unbeteiligter Außenseiter (vgl. ebd.; 454). 12 Zum Problem beziehungsweise zur Perversion wird dieses reine, ausschließlich passive Beobachten durch den»verstoß gegen das für alle sozialen Beziehungen geforderte Reziprozitätsprinzip.«(ebd., 455) Diese Grundregel aller Formen der Vergesellschaftung wird vom Voyeur gebrochen, da er sich als Beobachter nicht sichtbar macht, sich so dem Blick der Beobachteten entzieht und»das Beobachten der einzige Zweck seines Handelns«(ebd., 456) ist. Unethisch ist dies, so schreibt Schroer im Anschluss an Michel Foucault, weil der Voyeur somit eine Machtposition einnimmt, in der sich»das Prinzip der Disziplinarmacht«(ebd., 457) zeigt. Aufgrund dieser Charakteristika wäre es möglich, die Figur des Voyeurs als potenzielle Verkörperung des_der teilnehmend Beobachtenden auszuschließen lässt sich dies doch theoretisch 13 nicht mit grundlegenden ethisch-moralischen Anforderungen an diese Methode vereinbaren, wenn nicht gleichzeitig Folgendes festzuhalten ist:»[d]ie gegenwärtige Kultur scheint alle Vorhänge, Schlüssellöcher, Wände und Mauern beseitigt zu haben.«(ebd., 458) Was bedeutet das hier für das konstatierte»end[e] des Privaten«(ebd.)? Unter dem Einfluss von Fernsehen, Internet und digitalen Medien ist es dem_der Beobachter_in einerseits nicht mehr möglich, sich zu verstecken, andererseits wird der Voyeurismus zunehmend von seinen negativen Konnotationen befreit auch weil»wir in einem nie dagewesenen Ausmaß an der Produktion der Bilder selbst beteiligt sind.«(ebd., 458f.) Damit geht das Ende der Passivität und Unsichtbarkeit des Voyeurs einher, denn das»postmoderne Individuum fürchtet nichts so sehr, als unauffällig und unsichtbar zu bleiben.«(ebd., 461) Speziell im Internet verschmelzen daher der Voyeur und sein komplementäres Gegenstück; anders gesagt:»was wir gerade erleben, ist die Geburt des exhibitionistischen Voyeurs, eines sich selbst als Voyeur ausstellenden Subjekt, das andere ganz offen beobachtet.«(ebd., 460f.)

55 Schroers Diagnose des postmodernen Voyeurs trifft auf die Person des_der Beobachtenden in diesem Feld zu und auch wieder nicht. Meine Anwesenheit lässt sich nicht nur nahezu in Echtzeit durch das Sichtbarwerden meiner Kommentare nachvollziehen. Sofern ich meine Beobachtung teilnehmend gestalte, lässt sich die Anwesenheit des_der Beobachtenden sogar rekonstruieren. So erscheinen neben den Kommentaren beispielsweise Zeitmarken, die dies deutlich machen. Ebenso tauchen die Spuren meiner Interaktion auch in meinem eigenen Profil auf unter dem Schlagwort Neueste Aktivität. Noch sichtbarer werde ich jedoch, wenn ich mich direkt als online anzeigen lasse. So bricht ein_e hier forschende_r Voyeur_in nicht mehr mit dem Reziprozitätsprinzip und wird zum beobachtenden und beobachteten Exponat: Durch das Wie und das Was der von mir geteilten Beiträge und Informationen habe ich die Möglichkeit, mein online forschendes Selbst quasi nach meinem Gusto zu konstruieren. 14 Doch sind es eben auch diese Möglichkeiten, die nach wie vor zulassen, vom klassischen Voyeur zu sprechen. Bin ich mir über meine Steuerungsmöglichkeiten bewusst, kann ich sehr wohl passiv und unsichtbar erscheinen. Um dies zu verdeutlichen, möchte ich eine Antwort eines meiner Facebook-Freunde heranziehen. Ich fragte im Rahmen einer empirischen Recherche, die sich mit der Konstruktion von Identitäten im dominanten Social Network befasste, nach der Profilgestaltung und Verwaltung der Freunde. Hier zeigt sich, dass die Schlüsselmomente zur Einnahme einer machtvollen Position in einer als dialektisch zu bezeichnenden Beziehung zwischen der Fähigkeit zur Reflexion und dem Wissen über die Funktionsweisen des Online-Raumes liegen:»bei mir gibt s weder Handynummer, Adresse oder Arbeitgeber noch Geschlecht, Familie oder ähnliches. [ ] Um mein Profil ordentlich zu halten und damit man mir nicht jahrelang in die Vergangenheit folgen kann, lösche ich alle Postings, Verlinkungen und Veranstaltungen nach 24 Stunden. Meine Freunde teile ich bislang in 3 Gruppen ein: Normal, Kommilitonen und eingeschränkt. Erstere können alles sehen, was ich angebe, letztere sehen nur mein Profilbild. Neue Freunde kommen erstmal in letztere Gruppe.«(Anonymous, im Juni 2010) Der_die Forschende Ausgehend von den bisher dargelegten Überlegungen zu den Figurationen des/der Beobachtenden im spezifischen»facebook«-ausschnitt des Online- Raumes möchte ich abschließend den Versuch machen, ein neues (Selbst-)Verständnis des_der Forschenden, im Zeitalter der Digitalisierung zu skizzieren. Konstitutiv für die Teilnehmende Beobachtung im digitalen Feld, ist die spezifische Art und Weise zu wissen und zu reflektieren. Wissen meint hier, zu Christian Blumhagen Flaneure, Fremde und Voyeure 55

56 13:04 Neues Bezeichnung aufgeschnappt:»open-software-extremist« wissen wie dieses Feld funktioniert. Das heißt, ich muss die Eigenlogik Facebooks begreifen sowie die ihm eigentümlichen (Un-)Möglichkeiten von Kommunikation und Interaktion kennen ein Lernprozess, wie ihn auch der Fremde in seiner neuen Umgebung durchlaufen muss. Wissen meint aber auch, gleich dem Flaneur die Spuren der Vergangenheit (sprich: die Chronik eines Profils) lesen zu können und die jeweils neuesten Beiträge jedweder Form als hochgradig situative Verhandlungen der Gegenwart zu verstehen. Wissen meint weiterhin das Bewusstsein über die eigene Aktivität und Sichtbarkeit in diesem Feld wie es für den postmodernen Voyeur kennzeichnend ist. Hier zeigen sich für digitale Felder deutliche Übereinstimmungen zu analogen. Doch verweisen diese Qualitäten der Sozialfiguren des Flaneurs, des Fremden und des Voyeurs nicht nur auf spezifische Arten zu wissen. Viel stärker noch verweisen sie auf ganz spezifische Arten sich selbst als forschendes Individuum zu reflektieren. So muss ich mich in einem verstetigten Reflektionsprozess darüber befinden, wie ambivalent die Resultate von Kommunikation und Interaktion hier sind. Noch mehr Reflektion ist bezüglich der sozialen Beziehungen zu den anderen Mitgliedern im Social Network gefordert. Zwar mag ich zunächst fremd in diesem virtuellen Raum sein, aber die Mitglieder_innen meines/meiner Netzwerke(s) sind über vielfältige, oft auch diffuse und divergierende Wege mit mir verbunden. Ebenso muss ich mir wir in einem realen Feld über die bereits geschehenen [e]und zukünftigen Einflüsse meiner Interaktion im Klaren sein. Wissen und ständige Reflektion müssen in diesem Feld immer in dieser äußerst engen Relation zueinander stehen, denn Teilnehmende Beobachtung in Facebook ist geprägt von einem ihm inhärenten Dilemma: der ethischen Dimension des Beobachtens im Internet. Gerade in Anbetracht des allzu belasteten Erbes von Volkskunde und Ethnologie obliegt dem_der Beobachtenden eine außerordentliche Verantwortung und Sensibilität. Ich muss mir aus diesem Grund ständig die folgenden Fragen stellen: Welche Informationen gebe ich selbst preis und welche Informationen erhebe ich zu Daten? Wie positioniere ich mich im Feld und welche Auswirkungen haben meine bloße Anwesenheit und die diversen Möglichkeiten der Interaktion auf die Praktiken der Akteure? Wie stehe ich zu den Beobachteten und wie sie zu mir? Die Online-Beobachtung in Facebook zeigt Merkmale aller drei hier beschriebenen Figuren auf. Diese sind jedoch nicht scharf voneinander zu trennen, vielmehr überlagern sie sich, liegen quer zu einander, es sind typische Formen des Beobachtens in diesem Feld. Für das Methodenbündel Teilnehmende Beobachtung bedeutet das, sie in einem ersten Schritt zu akzeptieren und im zweiten sie so zum Gegenstand des Reflexionsprozesses zu machen, dass sie analytisch fruchtbar werden.

57 Anmerkungen 1 So interpretiert auch Brigitta Schmidt-Lauber Riehls methodische Überlegungen (vgl. 2007, 225). Zu einer Diskussion über Anspruch und Erfüllung durch Riehl siehe auch Jeggle Auch dieser war und ist nicht unumstritten; siehe dazu auch Schmidt-Lauber Ich verwende in dieser Arbeit den Terminus mensch anstelle des üblichen man, um deutlich zu machen, dass ich mit meinem Text jedes menschliche Individuum anrufe. 4 Es wird allerdings an anderer Stelle danach zu fragen sein, ob eine so strikte Trennung bzw. das Begriffspaar virtuell real produktiv ist. Seit dem Siegeszug von Smartphones und Neuentwicklungen wie Google Glass scheint es mir angemessener von on-/offline und deren Wechselwirkungen und Überlappungen zu sprechen. 5 Die Frage nach der Validität der gewonnenen Daten erscheint mir problematisch. Erweckt sie doch den Anschein, als wenn der_die Forschende den Beforschten skeptisch und misstrauisch gegenüberstehen müsste. Denn schließlich hätte mensch dieser Argumentation folgend als teilnehmend Beobachtende_r auch im physisch existenten Raum nie eine Garantie dafür, dass das was ich beobachte nicht einfach nur eine gelungene Inszenierung ist. 6 Das eigene Profil lässt sich eventuell als eigener Ort konzeptualisieren; dies spielt hier jedoch eine untergeordnete Rolle. 7 Im Übrigen existiert diese Struktur, diese Ordnung der Elemente auch physisch, denn schließlich ist sie kein frei flottierendes Artefakt, sondern ihr Quellcode ist auf real existierenden Servern abgespeichert. Aber ganz frei von meiner Präsenz bzw. Zutun auch nicht, denn je nachdem was für ein Endgerät ich nutze wird der Quellecode ggf. anders angezeigt. 8 Für eine kritische Auseinandersetzung mit dem unsozialen Element des Flaneurs siehe auch Shields Meine Übertragungen dieser Ideen auf facebook beziehen sich auf ein Forscher_innen- Ich. Inwieweit es hier zu Überschneidungen zum facebook-ich kommen kann (und kommen wird) kann leider nicht Bestandteil dieses Artikels sein. Hier böten sich für die Zukunft Reflexionen an, die nach der Angst des Forschers (Lindner 1981) im digitalen/ online-feld fragen. 10 In der vorliegenden Ausgabe wurde der»exkurs über den Fremden«durch Kursivierung typografisch abgesetzt. Für eine bessere Lesbarkeit in diesem Text wird diese bei Zitaten nicht übernommen. 11 Ich dehne hier möglicherweise auch zu weit Julia Reuters Ausführungen, die sie am Beispiel von Arbeitsmigranten darlegt. 12 Dies verweist gleichwohl auf eine beträchtliche Nähe zum Flaneur. Das wird u. a. daran deutlich, dass sich sowohl Walter Benjamin in seinem Flaneur-Konvolut als auch Markus Schroer auf die Erzählung»Des Vetters Eckfenster«von E.T.A. Hoffmann beziehen. 13 Da facto ist der ethisch-moralische Anspruch der Reziprozität und der Forschung auf Augenhöhe in vielen Forschungen nur bedingt eingelöst. 14 Allerdings ist hier auch immer nach dem Verhältnis von Selbst- und Fremdwahrnehmung zu fragen. Siehe dazu u. a. Schondelmayer Literatur Benjamin, Walter (1983). Das Passagen-Werk. Herausgegeben von Rolf Tiedemann. Frankfurt am Main. Boellstorff, Tom u. a. (2012): Ethnography and Virtual Worlds. Princeton und Oxford. decerteau, Michel (1988): Kunst des Handelns. Berlin. Christian Blumhagen Flaneure, Fremde und Voyeure 57

58 13:10 Tweet: Mein Kommentar zur Seehofer Debatte:»Mehr Transparenzrants wagen!« status/ Düllo, Thomas (2010): Der Flaneur. In: Moebius, Stephan/Schroer, Markus (Hg.): Diven, Hacker, Spekulanten. Sozialfiguren der Gegenwart. Berlin, Elias, Norbert (1994): Was ist Soziologie? Weinheim und München. Hine, Christine (2000): Virtual Ethnography. London. Jeggle, Utz (1984): Zur Geschichte der Feldforschung in der Volkskunde. In: Ders.: Feldforschung. Qualitative Methoden in der Kulturanalyse. Tübingen, Koch, Gertraud (2011): Der Cyberspace als Ende der Ethnografie? Anmerkungen zur Ortsmetapher des Internets in der Kulturanalytischen Forschung. In: Kulturen 5 (2/2011). Göttingen, Lindner, Rolf (1981): Die Angst des Forschers vor dem Feld. Überlegungen zur teilnehmenden Beobachtung als Interaktionsprozess. In: Zeitschrift für Volkskunde 77, Reuter, Julia (2010): Der Fremde. In: Moebius, Stephan/Schroer, Markus (Hg.): Diven, Hacker, Spekulanten. Sozialfiguren der Gegenwart. Berlin, Schmidt-Lauber, Brigitta (2007): Feldforschung. Kulturanalyse durch teilnehmende Beobachtung. In: Göttsch, Silke/Lehmann, Albrecht (Hg.): Methoden der Volkskunde. Positionen, Quellen, Arbeitsweisen der Europäischen Ethnologie. Berlin, Schmidt-Lauber, Brigitta (2009): Orte von Dauer. Der Feldforschungsbegriff der Europäischen Ethnologie in der Kritik. In: Hengartner, Thomas u. a.: Kultur Forschung. Zum Profil einer volkskundlichen Kulturwissenschaft. Berlin, Schondelmayer, Sanna (2009): Gedanken zur Kultur der Forschenden im Feld. In: Hengartner, Thomas u. a. (Hg.): Kultur Forschung. Zum Profil einer volkskundlichen Kulturwissenschaft. Berlin, S Schroer, Markus (2010): Der Voyeur. In: Moebius, Stephan/Ders. (Hg.): Diven, Hacker, Spekulanten. Sozialfiguren der Gegenwart. Berlin, Simmel, Georg (1992): Exkurs über den Fremden. In: Ders.: Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. Hg. Von Rammstedt, Otthein. Frankfurt am Main, Shields, Rob (1994): Fancy footwork. Walter Benjamin s notes on flânerie. In: Tester, Keith (Hg.): The Flâneur. London und New York, Wittel, Andreas (2002): Ethnography on the Move: From Field to Net to Internet. Online abrufbar unter: view/1131/2517, aufgerufen am

59 Infogene Lebenswirklichkeit Ein Perspektivwechsel Dennis Eckhardt»Ohne zu erklären, worin die koevolutionären Verwandtschaftsverhältnisse von Leben und unbelebten Erfindungen bestehen, wird man eine einschätzende Beobachtung von Online-Offline-Beziehungen nicht erreichen können.«(faßler 2012, 18) Manfred Faßler spricht hier ein zentrales Problem an: Wie möchten wir die gegenwärtigen Phänomene zu Online-/Offline-Sein beschreiben? Als mediale Nutzung und deren Effekte oder Rekursionen 1 von Kopplungsstrukturen? Als Exteriorisierungen des menschlichen Körpers oder Gehirn-Umwelt-Koevolu tion 2 (vgl. Faßler 2008)? Als Mensch gegen Maschine oder Mensch durch Maschine? Meine These lautet: Die Analyse mittels dualistischer oder dialektischer Konzepte führt immer zu ähnlichen Ergebnissen. Seien es Journalisten, Wirtschaftler, Politiker oder Wissenschaftler: Wer Mediennutzung analysiert, beobachtet Vorteile und Nachteile. Meist steht die Lücke»mind the gap«zwischen Online und Offline zur Debatte. Viele Theoretiker gehen davon aus, dass diese Lücke oder Grenze verschwimmt. 3 Es wird von»blurred«(vgl. Miller 2012) gesprochen und davon, dass Analoges von heute morgen schon digital ablaufen wird. Eine andere Frage der Frankfurter Anthropologie des Medialen 4 ist jedoch die Organisation von Menschen und Menschheit in und durch Medien. Damit steht nicht die zu erforschende»gap«auf der Tagesordnung, sondern der Mensch selbst»[ ] als Durchgangsstadium seiner selbst, als unbeständiges Veränderungswesen«(Faßler 2012, 40), das sich als Epi-Wesen 5 den Einflüssen und Veränderungen, den koevolutionären Wechselwirkungen von Gehirn-Umwelt- Gen stellt (Faßler 2008). Wer so forscht, fragt nach den Zusammenhängen, die Menschen schon immer konstruieren; nach den Verwandtschaftsverhältnissen zwischen biotischen Leben und abiotischen 6 Erfindungen (vgl. Faßler 2012); nach der Genese von Zusammenhängen, von Abstraktionsketten, Programmen, Interaktionszirkularitäten (vgl. Faßler 2012; vgl. Maturana/Varela 2012). Sicherlich kann dieser kurze Beitrag keine abschließende Antwort zu dieser Diskussion liefern. Dieser Beitrag versteht sich als Anregung, die ethnologische Medienforschung zu erweitern: ethnologische Medienforschung muss sich nicht nur mit der Mediennutzung befassen, sie kann auch ansatzweise anthropologische Antworten auf sich immer mehr aufdrängende Fragen liefern: Berliner Blätter Heft 64 / 2013 S

60 13:29 Tweet: Fiona informiert die Internetwelt von unserer Idee, ein medienethnologisches Netzkultur-Seminar als Projekttutorium zu veranstalten Ich RT ihren Tweet dazu Sind gegenwärtige Selbstorganisationsmodelle von Menschen in der Wandlung? Ist der Begriff Gesellschaft noch aktuell? Wie müssen wir heute Kooperation denken? Wie verändern sich unsere Reproduktions- und Ressourcenmodelle von Menschheit angesichts von Vorratsdatenspeicherung, Massenarchivierung, anonymem Altruismus (Crowdfunding), globaler Intelligenzzusammenhänge, Instantaneität7 von Telekommunikation, des Verlusts der Face-to-Face Kommunikation, von Erstmaligkeit als wiederholendes Prinzip von Small-World- Netzwerken (vgl. Watts 2004; Faßler 2012)? Was ist der Mensch? Eine Einheit aus organisierten und organisierenden Teilen wie Medien, Ort, Raum? Ein Auslaufmodell durch Massenautomatisierungen und Expressionsauslagerungen (vgl. McLuhan 1997; Baudrillard 1972)? Wie ändern sich Sozio- und Genexpression, sofern man eine epigenetische Koevolution zwischen biologischen Individuen und deren differentieller und kooperativen Tauglichkeit annimmt (vgl. Faßler 2012, 40)? Oder anders gesagt: Wie verändert uns Menschen die Verbindung von Neuronalität und abiotischen Erfindungen? Natürlich sind dies alles eher anthropologische als ethnologische Fragen. Ich denke aber: Wenn die Ethnologie einen Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion leisten will, sollte sie sich an einer Anthropologie des Medialen orientieren. In diesem Beitrag unterbreite ich den Vorschlag einer infogenen Lebenswirklichkeit. Dieses Konzept ist ein eigener Entwurf und arbeitet mit den ethnologisch bekannten Lebenswirklichen und dem anthropologisch Neuen, der Info genese. Das Konzept soll durch die zentralen Begriffe Information, Programm und Koevolution entwickelt werden. Die Idee dabei ist, die Ethnologie über den Begriff der Lebenswirklichkeit durch eine Anthropologie des Medialen zu erweitern, um sie für die Infogenese der Menschheit zu interessieren. Der Begriff infogen beschreibt die informationelle Kopplung zwischen Menschen und ihren organisierten und organisierenden Teilen. Eine infogene Lebenswirklichkeit ist daher das Produkt einer Infogenese; sozusagen einem Kopplungsmanöver unbestimmten Ausgangs und ohne Lenkung, das Menschen mittels Information organisiert und zu einem Menschen macht. Für diese Überlegungen greife ich zurück auf den Konstruktivismus und die Kopplungskonzepte von H. Maturana/F. Varela, E. von Glasersfeld und H. von Foerster. Dabei beschränke ich mich hier auf zwei wesentliche Kernelemente genannter Theoretiker: (a) Der Konstruktivismus sagt: Die Welt, in der wir leben, ist keine ontische Realität, sondern die erfahrene und erfahrbare Welt jedes Einzelnen. Es mag wohl eine ontische Wirklichkeit geben, diese ist dem Menschen allerdings per se nicht durch Erfahrung zugänglich (vgl. Gumin 1996; Pörksen 2008; von Glasersfeld 1997).

61 (b) Das Kopplungskonzept sagt: Das Leben ist ein interaktionszirkularer Prozess. Es bringt sich durch das Leben selbst hervor. Das Gleichgewicht zwischen Subjekt (Individuum) und Objekt (Welt) drückt sich in einer Kopplung zwischen (biotischem) Menschen und (biotischer) Welt 8 aus. Beide Teile bedingen sich zu gleichen Teilen und haben in gleicher Weise Einfluss aufeinander. Dieser Einfluss aufeinander kann als Perturbation 9, als auslösende Veränderung, die keine Aussage über die Veränderung an sich macht, beschrieben werden. Die Art der Veränderung hängt von der Strukturdeterminiertheit 10 der perturbierten Einheit ab (vgl. Maturana/Varela 2012; Pörksen 2008). 11 Dieser Einstieg ist für die Vermeidung eines (aristotelischen) Dualismus unabdingbar. Bereits mit dieser theoretischen Vorarbeit können viele Fragen der aktuellen Debatte in und um Medien und Medialität gar nicht gestellt werden: Unzulässig ist die Frage, welchen Effekt die Mediennutzung hat, da sie die rekursive Kopplung von Mensch und Umwelt meines Erachtens vernachlässigt. Sie fragt offensichtlich nicht nach der Verwandtschaft von beiden Begriffen, sondern nach der Nutzbarkeit von fremdartigen Strukturen. Eine solche Analyse kann die Frage nach der Strukturdeterminiertheit des Menschen und dessen Organisation sowie die Perturbationen seiner Umwelt nicht beantworten, da sie die Rekursionen nicht beachtet (vgl. Faßler 2004). Für das Konzept einer infogenen Lebenswirklichkeit ist es jedoch unerlässlich, nach den organisierten und organisierenden Teilen von Menschen zu fragen, d.h. nach der Umwelt samt Mitmenschen, Medien, Technik, Räumen und Zeit. 12 Dies gründet sich einerseits in der Aussage der Konstruktivisten, dass die erfahrbare Welt die belebte Welt ist, und andererseits bei den Kopplungstheoretikern, welche diese Erfahrung auf sämtliche Wechselwirkungen zurückführen (vgl. Gumin 1996; Pörksen 2008; Maturana/Varela 2012). Die zugrunde liegende Frage ist: wonach möchte man den Menschen untersuchen? Nach dessen organisierten und organisierenden Teilen oder seiner Anwendungspraxis? Ich habe versucht, dies in folgenden Grafiken zu verdeutlichen. Abbildung 1 Dennis Eckhardt Infogene Lebenswirklichkeit 61

62 14:39 Tweet: Meine Timeline zum Textesammeln angehalten Abbildung 1 stellt das herkömmliche Verständnis von Medienforschung dar. Ein Mensch nutzt Medien, die ethnologische Wissenschaft untersucht deren Auswirkungen, sowie die Nutzung als Praxis (vgl. Miller/Horst 2012; Beck 2000). Allerdings bleiben folgende Fragen dabei offen: Wie entstehen Medien, Medialität, Information? Welche Wechselwirkungen bestehen? Wie erklärt dieses Modell die Änderung von medialer Nutzung und Medien (technisch-strukturell)? Was passiert mit dem Menschen durch die Nutzung? Sofern man davon ausgeht, dass Medien und Technik immer nur Einfluss ausüben, und somit die Wechselwirkbarkeit dieser abstreitet, ist nicht zu ergründen, wie es zu verschiedenen Nutzungsverhalten und Anwendungseffekten kommt. Ausdrücklich gegen das Werkzeugkonzept kann man sich schon mit A. Leroi-Gourhan wenden, der in seinen Ausführungen Hand und Wort darlegte, dass die Hand und das Handwerkzeug beides kognitive Programme sind, ein Gedanke, den Faßler aufgreift:»hand, Fuß, Auge, Materialkenntnis modellieren und experimentieren zusammen, erzeugen Werkzeug, das wiederum Denken und Erfinden verändert. Ohne geistige Fähigkeiten blieb Hand unpraktisch.«(faßler 2012, 57) Und:»In jedem dinglichen Artefakt sind Unterscheidungsketten, Marker, entworfene Operationsketten, Modelle, Kodierungen und Programme anwesend.«(faßler 2012, 59). Damit muss man sich von der Idee lösen, dass mediales Verhalten kollektiv-gleichgerichtete Effekte nach sich zieht (wie etwa»das Internet macht dumm!«oder»uns machen die Medien!«) Das hier vorgeschlagene Konzept fragt nach den Kopplungen von Mensch und Technik/Medien/Umwelt (siehe Abbildung 2). Damit werden Fragen zum Menschen selbst aufgeworfen (Was macht den Menschen aus?). Noch genauer dargestellt findet sich dies in Abbildung 3: Hier werden die Kopplungen des Menschen als organisierte und organisierende Teile des Menschen selbst verstanden. So gesehen gibt es keinen Menschen ohne dessen Wechselwirkungen. Natürlich muss damit erklärt werden, wie es zu den Kopplungen zwischen Abbildung 2

63 biotischen Leben (Mensch) und abiotischen Erfindungen (Technik etc.) kommt (vgl. Faßler 2012), und wie diese Kopplungen genau aussehen; das heißt welche Gestaltungs- und Organisationslogiken sie verwenden, und wie sie den Menschen perturbieren. Die Frage nach der Ausformung der Perturbation ist eine Frage nach der Organisation des Menschen.»Die evolutionären Gewichte des Menschen entstehen also in seinen Organisationsweisen, seinen nahrungs- oder warenwirtschaftlichen, seinen bio-, sozio- oder infotechnischen Systemen. Es sind nicht die Systeme in sich, Abbildung 3 sondern die Anpassungs-, Nutzungs-, Erfindungs-, Gestaltungsentscheidungen, die, regelrecht oder regelbrechend, den Lebensverlauf als Evolutionsverlauf erzeugen.«(faßler 2012, 70) Die Frage nach den Kopplungen zwischen Menschen und erfundener Umwelt soll in diesem Konzept durch den Begriff infogen erläutert werden. Ich folge damit den frühen Kybernetikern, die schon in den 1960er Jahren wussten, dass Information einer der drei wesentlichen Zuströme menschlichen Lebens ist, 13 und wieder einmal dem anthropologischen Ansatz Manfred Faßlers, der durch die Theorie der Zusammenhangsgenese versucht zu erklären, wie es mittels Information, und letztlich der Simulation von Welt Menschen schon immer möglich war, Mensch zu sein: In Häusern zu leben, mit Werkzeugen zu hantieren, sie zu erfinden, zu malen, zu lieben, zu politisieren, zu strafen, etc. Was aber ist Information? Manfred Faßler nutzt in seinen Ausführungen Information als vielfältigen Begriff. Von der konstruktivistischen Theorie ausgehend beobachten bedeutet entwerfen wird dieses Entwerfen durch Unterschiede beschrieben. Konstitutiv für einen Entwurf sind (1) Unterschiede und (2) Unterscheidungen sie können als Daten(zu 1) und Ereignisse (zu Dennis Eckhardt Infogene Lebenswirklichkeit 63

64 2) beschrieben werden. Wenn Daten vorgespeicherte Unterschiede sind, die durch Tradierung, Standardisierung und Verstetigung als normal gesetzt werden und somit für viele andere Menschen kommunizierbar sind, sind Informationen diese Daten selektierende, koordinierende und übersetzende Mittel:»[ ] Information steht nicht als kleinste Eindeutigkeit von Welt, sondern als kleinste Zwei- oder Mehrdeutigkeit auf der Tagesordnung.«(Faßler 2009, 11) Information ist demnach nichts Vorzufindendes im Alltagsverständnis begriffen als Fakten Informa tio nen sind Tätigkeiten (vgl. Faßler 2009, 69). 14:40 14:58 Wieder U-Bahn, wieder Beschallerung durch das Berliner Fenster. Dafür am Handy Zeit-Online lesen Auch ich gehe in meinem Modell von zwei Phasen aus: a)»erzeugung von Information aus den diskreten Unterschiedsangeboten das Gehirn erreichender Daten. Angesprochen ist damit eine gruppierende, im formalen Sinne übersetzende, interpretierende Selektion. In ihrem Verlauf werden Daten auf häufig erlebte, empfundene, gedachte, erwartete Wahrscheinlichkeiten und Muster bezogen.«(faßler 2009, 65) Aus Daten werden Muster (im Gehirn) werden Modelle wenn sie angewendet werden und quasi eine Expression erfahren: b)»erzeugung durch Information im Wege selektiver, entwerfender Variation. Dieser zweite Aktionsstatus löst sich aus der übersetzenden Anpassung und verwendet Information für absichtliche Bestätigung der Anforderungen durch die Datenquelle oder für die Veränderung des Verhältnisses von informationellen Selbstbezug (Persönlichkeit, eigene Wünsche, Werte) und datenweltlichem Fremdbezug. Infogen beschreibt demnach ein ständiges Überkreuzen von (a) bestätigter oder geschwächter Wahrscheinlichkeit (durch sinnlich-kommunikative Daten), deren Prinzip Häufigkeit ist, und (b) Zusammenhangsoptionen/ Zugehörigkeitsoptionen (sich in Beziehung setzen zu, Beziehung halten zu), deren Prinzipien entwerfendes, formatives Verhalten, Expressivität, Bezeichnung und Interaktivität ist.«(ebd.) Eine infogene Lebenswirklichkeit fragt ausdrücklich nach den Zusammenhangsoptionen eben dieses lebenswirklichen Menschen. Dazu gehören die alltäglich neu koordinierten Programme, die sich auf Invarianzerfahrungen 14 stützen, und deren Möglichkeiten für Zusammenhänge (Identität und Handeln, Herkunft und routiniertes Denken, etc.). Die sich hieran anschließende Überlegungen müssen nun darlegen, wie sich Programme, Zusammenhänge und Anwesenheiten konstituieren. Ich gehe davon aus, dass Erfahrung, Kultur, Gesellschaft etc. erst in der Anwesenheit von Menschen entstehen. Der Ansatz dazu liegt im Entwerfen von Information. Faßler beschreibt diesen Vorgang als partizipatorische Information, Unterscheidungen in der Interaktivität, um sich anwesend zu machen:»partizipatorisch

65 beschreibt hier allein das gekoppelte Verfahren, das als Anwesenheitsunterscheidung (=Information) gedacht ist.«(faßler 2009, 167) Und:»[ ] dass Menschen sich [ ] in der kooperativ geteilten Unterscheidung (=Information) wechselseitig anwesend machen. Vereinfacht gesagt: der Mensch macht mittels dieser Fähigkeit der partizipatorischen Unterscheidung aus der (spontanen) Selbstorganisation eine informatio nell gekoppelte. Anwesenheit entsteht demnach erst in der Setzung einer Beteiligungsdifferenz. Und beteiligt ist der Mensch immer am Zustand seiner Unterscheidung.«(ebd.) Eine Anwesenheit wird durch die Kopplung existent. Die Organisationsweise dieser Kopplung basiert auf Koordination von diskreten Teilmengen. Werden sie zusammengeführt, informationell verbunden, entstehen Programme und Zusammenhänge:»[ ] dass die Koordination von diskreten Mengen (Menschen, Dinge, Zustände) zu jenen Programmen führt, mit deren Hilfe Menschen zunehmend abstraktere Lebenszusammenhänge erzeugen. Diese Programme haben die Aufgabe, Informationen (also partizipatorische Unterschiede) zu vernichten, um Zusammenhängendes für längere Zeit, in großen Räumen etc. zu verstetigen. Mit diesen Programmen (Symbole, Normen, Institutionen, Unternehmen, Büros) werden Wahrscheinlichkeitswolken erzeugt und als Ganzheit, Wesen, Einheit angeboten, verkauft, erzwungen. Programme sind kollektive Logiken, die durch manche Parameter der Informationsgewinnung beeinflusst sind; ihre (erfundene) Funktion ist aber, diskrete Zustände (also partizipatorische Unterscheidungsgewinnung) einzudämmen.«(faßler 2009, 168) Was Programme als Konzept bedeuten sind keine Grammatiken, die unsere Abfolge von Handlungen bestimmen, sondern sie sind als änderungssensible Möglichkeitsabfolgen zu verstehen. Es sind einerseits die kleinen Programme des Alltags, die eben seine Bewältigung ermöglichen, und andererseits die großen Programme, die Lebenszusammenhänge darstellen und eine Makroordnung auf die Mikroordnung beziehen. Gesellschaft ist ebenfalls ein Programm, verstanden als ein Makrozusammenhang, der tagtäglich neu ausgehandelt wird. Seine Programmstrukturen werden in Institutionen (Bürokratie), Archiven (Speicher), Gesetzen etc. festgehalten, um sie überhaupt als verstetigtes Konzept nutzbar zu machen. Der Erfolg der Gesellschaft liegt eben vor allem darin, dass dieses Selbstorganisationsmodell die Verstetigung seiner selbst fast perfektioniert hat. Dies schließt auch die oben angesprochene Eindämmung von diskreten Zuständen ein: Ein Dennis Eckhardt Infogene Lebenswirklichkeit 65

66 15:27 Tweet: Ich RT einen wundervollen Beitrag von TheOatmeal zu Nikolai Tesla, den Fiona getweetet hat ratschlagfiona/status/ verstetigtes Programm, wie das der Gesellschaft, funktioniert nur auf Basis der Linearität. Zu viele Informationen schaden dem Programm, führen es in den Stress und setzen es in seiner Tauglichkeit unter Druck. Wir können dies aktuell an mehreren Beispielen beobachten: Die Absatzzahlen der Printmedien fallen seit längerer Zeit. Große Zeitungen wie die Financial Times Deutschland werden geschlossen. Schnell sind Anmerkungen für solche Krisen zur Hand: Die Leute wollen für guten Journalismus nicht mehr zahlen (Kostenloskultur), sie lesen einfach nicht mehr (die entpolitisierte Gesellschaft) und haben kein Interesse an dem Geschehen (die Sorgloskultur). Wie kommt man auf solche Aussagen? Wenn man Medien als vierte staatliche Gewalt in einer Gesellschaft versteht, kann man solche Aussagen nachvollziehen. Wenn man davon ausgeht, dass sich Menschen projektgemeinschaftlich organisieren, Blogs lesen und für diese sehr wohl zahlen, ist das Phänomen Zeitungssterben ein Effekt von Stresssituationen linearer Strukturen. Infogen lebenswirklich organisierte Menschen im Jahre 2013 lesen nicht mehr»ihre Morgenzeitung«und nehmen auch die»gute alte Tagesschau«nicht mehr als Wissensgarant kritiklos wahr. Wie sie ihre Informationen entwerfen überlegen sie sich ganz genau und gehen dabei äußerst reflektiert vor. Die Frage ist nicht: Wie retten wir Zeitungen? Wir müssen uns fragen, ob das Konzept Zeitung, als Teil einer linearen Gesellschaft, noch tauglich ist. Die Gesellschaft scheint noch immer der meist frequentierte Begriff der gegenwärtigen Soziologie zu sein, und dennoch muss die Frage gestellt werden, ob dieses ebenfalls linear organisierte Programm der menschlichen Selbstorganisation noch tauglich ist. Auch hier steht die Gesellschaft (als lineares Programm) gegenüber Small-World-Netzwerken als mikrosoziale verstreute Selbstorganisationsmodelle (vgl. Watts 2004; Faßler 2012/2008). Für die Beobachtung naher Zukunft ist es unabdingbar, diese Konflikte als Stresssituationen menschlicher Selbstorganisationsmodelle zu identifizieren. Abbildung 4 versucht dies darzustellen: 15 Die Gesellschaft (Balken in der Mitte) wird zunehmend von Netzen granularer 16 Sozialität (vgl. Faßler 2012, 11) abgelöst. Sie verliert an Tauglichkeit (abnehmende Farbstärke), und zeigt dennoch eine starke schmale Gruppe, die von Konservativität geleitet versucht, die lineare Fortschreitung aufrechtzuerhalten (siehe zunehmende Gruppenzahl von politischem und religiösem Extremismus). Außerhalb dieser Gesellschaftszeit beginnen sich die Netze zu organisieren, und mit neuen Modellen von Kooperation (anonym, augenblicklich, altruistisch) und Reproduktion (dissipative 17 Speicher, änderungssensitive Sprache, sich wiederholende erstmalige Erzählungen) zu hantieren. Sie stehen in Konkurrenz zur Gesellschaft und müssen ihre Tauglichkeit beweisen.

67 Abbildung 4 Das vorgeschlagene Konzept Lebenswirklichkeit versucht dabei ein solches lebenswirkliches Netz aufzugreifen. Es versteht sich dabei ebenfalls als ein Programmkonzept. Es ermöglicht: (a) mikrosoziale Alltäglichkeiten in Abhängigkeit von Umweltkopplungen zu verstehen (Koevolution) und (b) darin ebenfalls Zusammenhänge makrosozialer Ordnung zu implementieren. Der Logik des Programmkonzepts zu Folge kann man eine Lebenswirklichkeit nur in seiner Gesamtorganisation beschreiben. Die organisierten und organisierenden Teile einer lebenswirklichen Einheit sind immer alle Strukturen, mit denen der entsprechende Mensch in Kopplung steht. Des Weiteren sollte nun geklärt werden, welche Auswirkungen dieser theoretische Hintergrund für das Fach hat. Ich möchte die gesamten theoretischen Überlegungen abschließend an einem Beispiel verdeutlichen, das sich gegenwärtig fast tagtäglich in der Presse wieder finden lässt: Persönliche Vorratsdatenspeicherung und Herkunfts-/Identitäts- und Kulturpolitiken. Beide Thematiken hängen gerade heute auf das Engste miteinander zusammen. Obwohl die persönliche Vorratsdatenspeicherung zumeist negativ bewertet wird, stellt sie den Entwicklungsverlauf von analogen Speichern zu digitalen Speichern dar. Analoge Speicher bedienten lange Zeit (und teilweise noch immer) verschiedene Herkunfts- (Mein Ort, Meine Heimat, Mein Land, Meine Familie: Familiendaten, Stadtwappen, Nationalhymnen, etc.), Identitäts- (Das gehört zu mir, von dort komme ich, dahin gehe ich: Souvenirs, Bilder, Dennis Eckhardt Infogene Lebenswirklichkeit 67

68 15:45 16:01 Musik auf dem Handy gehört Einrichtung, Kleidung, Krankenakte, Einkaufsverhalten, Tagesverläufe (Wecker, Geschirr, Fernseher) und Kulturpolitiken (So sind wir, das sind die anderen, das hat man schon immer so gemacht: Manieren, Gebären, Sprache und Dialekt, Bücher, Musik, kulturvermittelnde Symbole wie Banner, Marken, Farbreihen, etc.). Sie befinden sich in der Transformation zu persönlichen digitalen Vorratsdatenspeichern. Natürlich ist die digitale Form des Speicherns umfassender, da sie augenblicklich angelegt und abgerufen werden kann. Die Paradoxie besteht in der Negation des einen und der Forderung des anderen: Wer die digitale Vorratsdatenspeicherung ablehnt, kann nicht die analoge Speicherung fordern. Inhaltlich stehen wir vor einem Dilemma: Wir wissen nicht, wer wir morgen sein werden, wenn wir beides aufgeben:»[ ] Die Vorratsdatenspeicherung ist ein Indiz für Erhaltungs-, Kontroll-, Reproduktionskrisen, die sich in den Gesellschafts-Containern anreichern.«(faßler 2012, 27). Andererseits kann es auch als ein konstruktivistischer Prozess verstanden werden: Man ist derjenige, der morgens seine Welt erfährt:»so entstehen bewegliche Landschaften und Landkarten der Herkunft und ebenso bewegliche informationelle Netzkarten der Beteiligung, Anwesenheit, Kooperation, der Interaktion.«(Faßler 2012, 76). Dies würde allerdings Logiken der Ziellosigkeit, des Experimentierens und der Kurzweiligkeit folgen. Ich behaupte, dass sich infogene lebenswirkliche Netze gerade mit diesen Logiken konstituieren, dennoch könnte es wohl persönliches Unbehagen dabei geben, diese Logiken zu akzeptieren. Die infogene Lebenswirklichkeit könnte dabei helfen, dieses Dilemma aufzulösen: Die Analyse der Organisation eines lebenswirklichen Menschen würde aufdecken, inwiefern die Herkunfts-, Identitäts- und Kulturpolitiken tatsächlich mit organisierenden (analogen oder digitalen) Medien zur Zusammenhangsgenese von eben diesen drei Politiken arbeiten, und ob diese Makrozusammenhänge überhaupt hinreichend notwendig sind. Schließlich muss sich die Frage bei Konfliktsituationen stellen lassen, inwiefern alte Konzepte, und damit langfristige organisierende Teile des Menschen, gegenwärtig noch aktuell sind sich ihrer Organisation tauglich erweisen oder in ein Narrativ gewandelt wurden und nur noch dem organisierten Menschen dienlich sind. Die Frage richtet sich letztlich nicht nur an eine Meinungsforschung, sondern betrachtet den Menschen in seiner Nische, welche er belebt. Diese habe ich hier in Anlehnung an Faßler infogenes lebenswirkliches Netz granularer Sozialität genannt.

69 Anmerkungen 1 Das sind im Wesentlichen Rückläufe, wechselwirkender Art. 2 Unter Koevolution verstehe ich die wechselwirkende Evolution, d. i. kooperativ, kollaborativ, koexistent (an Anlehnung an M. Faßler). 3 Das Verschwimmen einer dualistischen Grenze hebt diese nicht auf. Am Ende steht entweder eine Teleologie (die Offline- oder Online-Welt wird dominant/verdrängt vorherige Lebenswelten) oder die bereits erwähnte Dialektik: Zum Zweck der Nutzungsoptimierung werden Prozesse werkzeuglicher Nutzung effizienter gestaltet. Es besteht aber immer noch eine Gewichtung der verschiedenen Sphären. 4 Manfred Faßler ist der Gründer der Frankfurter Anthropologie des Medialen. Ich verwende in diesem Beitrag den Begriff Anthropologie bedeutend zu dieser Anthropologie des Medialen. Vgl. 5 Eigener Begriff. Das Präfix Epi bezieht sich hier auf Epigenese:»Mit Epigenese wird der Hypothese nachgegangen, dass Mensch und Mitwelt einen wechselseitigen abhängigen Zusammenhang bilden (System), und sich mit jeder Handlung verändern.«( Faßler, 2012, 81) 6 Biotisch meint hier: mit Lebewesen beteiligt; belebt. Als Gegensatz dazu: abiotisch: ohne Lebewesen beteiligt; unbelebt. 7 Instantan meint hier augenblicklich. 8 Aufgabe der Koevolutionisten und Epigenetiker ist hierbei herauszustellen, dass auch die Kopplung zwischen biotischem und abiotischen vorhanden ist. 9 Perturbation meint hier:»[ ] die Zustandsveränderung in der Struktur eines Systems die von Zuständen in dessen Umfeld ausgelöst (d. h. nicht verursacht [ ]) werden.«( Maturana/Varela, 2012, 27) Perturbieren meint im Wesentlichen eine Zustandsveränderung auslösen, ohne dabei eine Aussage über die Art und letztliche Konsequenz der Veränderung zu treffen. 10 Die Strukturdeterminiertheit eines Lebewesens sind die organisierten und organisierenden Teile der Umwelt im Lebewesen. Eine genaue Trennung von Umwelt-Lebewesen (klassisch: Außen-Innen) ist dabei gar nicht möglich. So sind Bakterien im menschlichen Körper ebenso strukturdeterminierende organisationale Teile des Menschen, wie das Handy in der Hand. 11 Anders gesagt: Wie ein Mensch auf einen Einfluss reagiert hängt davon ab wie er organisiert ist (durch wen oder was) und was er in seiner bisherigen Kopplungsgeschichte (Erfahrungswelt) gelernt und entworfen hat. 12 In diesem Beitrag soll allerdings nur der Fokus auf die generelle Organisation des Menschen gelegt werden und dann am Detail der Medienorganisation verdeutlicht werden. Die menschliche Organisation durch Räume etc. bedingt einer anderen Betrachtung. 13 Ergänzung: Diese drei: Energie, Nahrung, Information (vgl. Faßler 2008, 2009, 2012) 14 Eigener Begriff: unter eine Invarianzerfahrung verstehe ich die Erfahrung von (scheinbarer) Unveränderlichkeit. Darunter sind Phänomene nach häufiger Wahrscheinlichkeit und Erinnerungen nach Häufigkeit zu verstehen. Es sollte klar werden, dass eine Unveränderlichkeit in einem koevolutionären Konzept ein Paradoxon ist. Deswegen liegt die Betonung auf der Erfahrung, welche Programme der Verstetigung bezeichnet. 15 Die Grafik bildet nur das Selbstorganisationsmodell Gesellschaft und eine neue Form der Selbstorganisation ab. Daher tauchen einzelne Individuen im grafischen Balken der Gesellschaft nicht auf. 16 Granular meint hier: feinkörnig, kleingliedrig. 17 Dissipativ mein hier zerstreut. Dieses Konzept geht auf Alan Turing zurück: In den hiesigen Kontext übersetzt wird damit die selbstorganisierende, dynamisch geordnete Struktur in nichtlinearen Systemen bezeichnet. Im Original entspringt die Idee der Thermodynamik. Sie wurde 2010 von Nakao/Mikhailov auf Habitat-Netzwerke übertragen (vgl. Nakao/Mikhailov 2010). Dennis Eckhardt Infogene Lebenswirklichkeit 69

70 Literatur 16:00 17:41 Fotografieren auf dem Tempelhofer Feld (58 Fotos) Baudrillard, Jean (1972): Requiem für die Medien. In: Helmes, Günther/Köster, Werner (Hg.): Texte zur Medientheorie. Stuttgart. Beck, Stefan (Hg.) (2000): Technogene Nähe: Ethnographische Studien zur Mediennutzung im Alltag. Münster. Faßler, Manfred / Hentschläger, Ursula / Wiener, Zelko (2003): Webfictions. Zerstreute Anwesenheiten in elektronischen Netzen. Wien, New York. Ders. (2004): Kulturanthropologie des Medialen. In: Anthropolitan 10/2004, S Ders. (2006): Communities of Projects. In: Ch. Reder (Hrsg.): Projekt Lesebuch, Wien, New York. Ders. (2008): Der infogene Mensch. Entwurf einer Anthropologie. München. Ders. (2009): Nach der Gesellschaft. Infogene Welten anthropologische Zukünfte. München. Ders. (2012): Kampf der Habitate. Neuerfindung des Lebens im 21.Jahrhundert. Wien, NewYork. Glasersfeld, Ernst von (1997): Radikaler Konstruktivismus: Ideen, Ergebnisse, Probleme. Frankfurt am Main. Gumin, Heinz/Meier, Heinrich (Hrsg.) (1992): Einführung in den Konstrukivismus. München. Maturana/Varela (2012): Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln menschlichen Erkennens. Frankfurt am Main. McLuhan, Marshall (1997): Understanding Media. The Extensions of Man. London. Miller, Daniel (2012): Das wilde Netzwerk. Ein ethnologischer Blick auf Facebook. Berlin. Miller, Daniel/Horst, Heather (Hrsg.) (2012): Digital Anthropology. London, New York. Nakao H./Mikhailov, A.S. (2010): Turing patterns in network-organized activator-inhibitor systems, Nature Physics, Mai 2010; DOI: /NPHYS1651. Auszüge: zuletzt aufgerufen am Pörksen, Bernhard (2008): Die Gewissheit der Ungewissheit. Gespräche zum Konstruktivismus. Heidelberg. Watts, Duncan J. (2004): Small Worlds: The Dynamics of Networks Between Order and Randomness. Princeton.

71 med1.de Selbsthilfegruppen im Internet Meret Eikenroth In der heutigen Wissens- und Informationsgesellschaft existiert ein raumgreifendes Angebot an Laien- sowie Expertenwissen zu jedem erdenklichen Thema zwischen Himmel und Erde und weit darüber hinaus. Ob man am Frühstückstisch die Zeitung aufschlägt, auf der Arbeit im Internet recherchiert, in der U-Bahn gedankenverloren auf den Bildschirm seines smartphones starrt oder abends vorm Fernseher faulenzt; der moderne Mensch scheint einer beständigen und nicht endenwollenden Flut von Informationen ausgesetzt, gegen die er sich kaum abschirmen kann oder will. Wissen ist Macht, wusste schon der englische Philosoph Sir Francis Bacon im 16. Jahrhundert und frei nach ebendieser Devise lebt das heutige»smarte«individuum. Es sind dabei, die alltäglichen Wissensfragen, die unser Leben prägen und unser Wohlbefinden beeinflussen können: Welches Shampoo ist das Beste, welche Versicherung ist die Richtige oder welches Auto spart am meisten Sprit? All diese und Tausende weiterer Fragen finden sich in der bunten Mannigfaltigkeit der Medienlandschaft beantwortet und so scheint es nur natürlich jene Tag für Tag zur Optimierung des eigenen Glückes zu nutzen und ebenso für andere nutzbar zu machen. Meine Medien-Forschung habe ich in einem großen Medizinforum im Zeitraum von acht Wochen durchgeführt. Meine allgemeine Forschungsfrage war, ob ein virtuelles Forum durch die Akkumulation und Distribution von praxisrelevantem, das heißt alltäglichem Wissen als Schnittstelle zwischen der Wissensgesellschaft und der virtuellen Vergemeinschaftung von Menschen dienen kann. Spezifischer ging es darum, inwiefern der virtuelle Wissensaustausch innerhalb einer Onlineplattform zu sozialer Nähe der Forenteilnehmer_innen untereinander führt und auf welche Art und Weise dies geschieht. Dazu besuchte ich das Forum fast täglich, manchmal mehrmals täglich, und las Beiträge in sämtlichen Unterforen. Von Relevanz waren dabei sowohl die einzelnen Äußerungen der User_innen, als auch der Verlauf einzelner Fäden und die darin erkennbaren Strukturen der Vergemeinschaftung, etwa durch eine aufkommende Gruppendynamik mit spezifischen Verhaltensweisen wie sozialer Belohnung oder Sanktion. Zunächst werde ich nun das Konzept der Wissensgesellschaft vorstellen und im Anschluss meine Forschungsergebnisse präsentieren. Berliner Blätter Heft 64 / 2013 S

72 »Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum wer nicht fragt bleibt dumm!«die Verortung der Wissensgesellschaft 16:32 Kurzes Telefonat auf dem Smartphone Die westliche Gesellschaft ist geprägt vom Diskurs über Information, Wissen und Effizienz. Der Grund dafür liegt meines Erachtens in der alltäglichen Mediennutzung unserer Gesellschaft. Bereits im Grundschulalter lernen Kinder Medien, allen voran heute das Internet, zur Recherchezwecken zu nutzen und auch im späteren Universitäts- und Berufsleben führt kein Weg daran vorbei. Dabei wird die moderne Gesellschaft gerne mit dem Begriff der Wissensgesellschaft etikettiert, welcher besonders in Abgrenzung zu früheren Begriffen wie Industrie- oder Dienstleistungsgesellschaft Verwendung findet. Im Gegensatz zu dem ebenfalls weit verbreiteten Terminus der Informationsgesellschaft ist die Wissensgesellschaft als Konzept»nicht ausschließlich durch ihre technologische Basis definiert«(heidenreich 2003, 1), sondern nimmt Bezug zu der Relevanz neuartiger Informations- und Kommunikationstechnologien, neuer Formen der Wissensproduktion und -distribution, sowie ökonomischer Systeme. (Heidenreich 2003, 2) Doch was macht unsere Gesellschaft so»wissend«, was genau unterscheidet das heutige Wissen von jenem anderer Epochen der Menschheitsgeschichte? Der Terminus selbst ist als solcher bereits seit den 1960er und 1970er Jahren präsent, erfuhr allerdings im Laufe der letzten Jahrzehnte einige semantische Veränderungen, gekoppelt an die Entstehung und zunehmende Bedeutung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien. Das Medium Internet nimmt in diesem Prozess eine Schlüsselrolle ein. Da in der heutigen Gesellschaft nicht ausschließlich die Aneignung von wissenschaftlichem Wissen Relevanz hat, sondern auch erfahrungsbasiertes Wissen (vgl. Heidenreich 2003, 12 ff.), das heißt wissenschaftsexternes Wissen innerhalb virtueller Organisationen und Netzwerke geteilt und somit für die breite Masse der Internetuser_innen nutzbar gemacht wird, lässt sich zudem von einem Paradigmenwechsel im Bezug auf öffentlich zugängliches Wissen sprechen. Beschreibt man Wissen als»lernbereite Deutungsschemata [ ], die den natürlichen und sozialen Lebensbedingungen der Menschen einen Sinn geben und die ihr praktisches Verhalten regeln«(heidenreich 1997, 177), so wird klar, dass es sich bei dem in der heutigen Zeit primär angestrebten Wissen eben vor allem um ein praxisorientiertes Wissen handelt. Gewiss ist, dass speziell große virtuelle Online Communities über eine sehr hohe Dichte jenes Alltagswissens in Form von kumulativem Laienwissen verfügen, welches den Alltag und die Lebenswirklichkeit ihrer Mitglieder entscheidend prägt, sei es durch freie und interaktive Onlineenzklopädien, diverse Ratgeberseiten oder ein breit gefächertes Angebot an Foren zu verschiedenen Themen aus dem Bereich der Medizin oder Freizeitgestaltung. So profitiert der Einzelne vom Wissen des Kollektivs und umgekehrt. Zwar besitzt auch wissenschaftliches Wissen immer noch eine starke Relevanz innerhalb

73 gesellschaftlicher Systeme, doch ist es besonders der Austausch über alltägliches, zweckgebundenes Wissen, welcher die Menschen im Internet bewegt, was allein durch die schier unendliche Anzahl und Variation themenbezogener Foren und Netzwerke deutlich wird. Es scheint auf den ersten Blick unzweifelhaft, dass sich nicht nur die Form der Wissensproduktion verändert (im Internet ist jeder Mensch zugleich Rezipient_in wie aktive_r Akteur_in von Inhalten), sondern auch ihre Örtlichkeit in die der virtuellen Welt verlagert. In dieser Virtualität handelt der_die Akteur_in zumeist anonym oder pseudonym; dennoch lässt sich in vielen sachbezogenen Foren eine auch über die Sachebene hinweg reichende Kommunikation erkennen, welche teilweise sogar in sehr engen Bindungen der Mitglieder untereinander resultieren kann. Einer für alle, alle für Einen Forum, Netzwerk und soziale Gruppe In meiner Studie, die ich im Rahmen eines Seminars zur ethnologischen Medienforschung betrieben habe, geht es genau um diese Schnittstelle zwischen dem Austausch von Wissen und Erfahrung in Kopplung an die virtuelle Vergemeinschaftung der Mitglieder untereinander. Als ich vor einiger Zeit während meiner Recherchearbeiten zufällig auf das Forum med1.de stieß, hielt ich jenes zunächst für einen virtuellen Ort des Wissensaustausches eine Plattform für Fragensteller_innen, Ratsuchende, Expert_innen und Laien, Erfahrungsberichte und dergleichen. Bald jedoch wurde klar, dass sich mir vielmehr eine sehr starke und kohäsive virtuelle Gemeinschaft darbot, die auf ganz unterschiedliche Pfeiler der Kommunikation und des Austausches gestützt war. Der starke Zusammenhalt der Forenteilnehmer_innen untereinander weckte mein Interesse. Wie konnte allein der Austausch von Laienwissen und Erfahrung zu so viel sozialer Nähe führen? Wie konnte an diesem virtuellen Schauplatz eine derartige Gruppendynamik entstehen? Betrachtet man das Forum allein unter der Perspektive einer virtuellen Plattform, so ist diese Frage kaum zu beantworten. Vielmehr scheint es von Relevanz, sich während der Beobachtungen zusätzlich das Konzept des Netzwerkes vor Augen zu führen und dies in die Analyse des Forums mit einfließen zu lassen. Das Netzwerk an sich stellt eine lose Verbindung verschiedener Menschen dar, die untereinander agieren. Dabei kann es sich sowohl um ein realweltliches, das heißt physisch erlebbares, als auch um ein virtuelles Netzwerk handeln. Bei einem virtuellen Netzwerk kann es sich gleichzeitig um eine soziale Gruppe handeln, bzw. jene kann in dieses integriert sein, sofern bestimmte Bindungen der Mitglieder des Netzwerkes von besonderer Dichte und Intensität, sowie auf einen bestimmten Rahmen begrenzt sind. (vgl. Wellmann 2000, 137) Jene zeichnet sich ihrerseits durch die wechselseitige Einflussnahme ihrer Mitglieder aufeinander, bestimmte Normen und Rollenerwartungen, sowie Meret Eikenroth med1.de 73

74 16:54 Allmende Gärten Instagram d Inklusions- und Exklusionsprozesse hinsichtlich ihrer Außenwelt aus. Interessant in diesem Kontext ist auch, inwiefern die virtuelle Gruppe sich in ihrer Aktivität und Intensität, wie in ihrer spezifischen Struktur von der realphysisch erlebbaren Face-to-Face Gruppe unterscheidet oder dieser ähnelt. Diese Fragen werde ich im Nachfolgenden am Beispiel des med1.de Forums näher beleuchten, um zu klären, inwiefern ein Zusammenhang zwischen dem sachlichen Austausch der Mitglieder und der virtuellen Bildung sozialer Gruppen besteht und was jene Gruppen innerhalb des Forums charakterisiert. Ich bediene mich hierbei der Metapher der virtuellen Praxis, da ich diese als passend erachte; schließlich geht es primär um die Heilung verschiedener Probleme, welche einerseits auf dem Frage- Antwort-Konzept basiert, andererseits aber auch durch das Aufkommen einer Gruppendynamik innerhalb eines Fadens selbst geschieht. Willkommen in der virtuellen Praxis med1.de Bitte tragen Sie hier Ihr Problem in einen neuen Faden ein es wird sich gleich ein User 1 um sie kümmern! So oder so ähnlich geht es also in der»aktivste[n] deutsch sprachige[n] Community zum Thema Gesund heit und Medizin«2 zu. Das Forum selbst widmet sich einer Vielzahl von medizinischen Phänomenen und Teilbereichen und bietet, aufgeteilt in zwölf Hauptforen, die jeweils weitere vier bis acht Unterforen beherbergen, Hilfestellungen und Informationen für Menschen mit gesundheitlichen Problemen (psychischer wie physischer Art) sowie deren Angehörige oder wissbegierige Menschen, die sich zu medizinischen Inhalten informieren oder austauschen wollen, an. Die Beiträge sind für alle Internetuser_innen frei zugänglich; um selbst einen Beitrag verfassen oder auf einen Beitrag antworten zu können, bedarf es einer kostenfreien und anonymen Registrierung. Sprechstunde Zur Verhandlung von Wissen In den unzähligen Fäden, die von User_innen bei med1.de eröffnet wurden, existieren allerdings ganz unterschiedliche Wissensniveaus. Dementsprechend different wird das dort Geschriebene auch verhandelt, diskutiert und bewertet. Die Spannweite reicht dabei von Fäden, in denen Schilddrüsenwerte laborgenauen Auswertungen unterzogen 3 und in denen die speziellen Symptomatiken einzelner User_innen detailgenau analysiert werden, über Fäden, gewidmet dem Austausch über die neuesten und gesündesten Ernährungstipps oder Erkenntnisse hinsichtlich aktuellster Befunde der plastischen Chirurgie. Aber auch wesentlich profanere und augenscheinlich»banalere«themen wie etwa

75 Liebeskummer, Selbstbefriedigung oder Erziehungstipps werden auf med1.de mit einer Sorgfalt verhandelt, die oftmals erstaunen lässt. Als zentrales Motiv ist in diesem Kontext häufig das fehlende Vertrauen in die Schulmedizin und die Mediziner_innen im Allgemeinen zu erkennen. So schreibt etwa Silbermondauge in einem Faden zur Auswertung von Schilddrüsenwerten:»Ja, manche Ärzte bestimmen sogar ft3 und ft4 aber solang die Werte in der Norm liegen ist ja alles ok [Emoticon mit Daumen nach unten] Ultraschall? Wozu, es gibt ja beim Check-up-35 die Tastuntersuchung *hust* (mein Knoten ist 2cm groß, wurde Juli 2007 festgestellt, im Oktober 2006 wurde nix ertastet). Vieles, was du schreibst, kannte / kenne ich auch und dieses Forum hier bestärkte mich, zu suchen, zu suchen und zu suchen «4 Das Forum setzt mit seinem kumulierten Laienwissen als Informationsplattform also genau dort an, wo der Gang zum Spezialisten keine Besserung verspricht oder, wie ebenfalls häufig zu finden, noch bevorsteht. Außerdem liegt es in der Logik der Sache, dass ein Medizinforum als solches eine virtuelle»sprechstunde«rund um die Uhr bietet und es vielen Menschen, insbesondere der Mehrheit der Nine-to-five-Jobber, damit enorm erleichtert, im akuten Fall der Verunsicherung eine erste Diagnose zu erhalten. Macht ein_e User_in allerdings deutlich, den Arztbesuch durch einen virtuellen Besuch bei med1.de ersetzen zu wollen, so wird er_sie darauf hingewiesen, dass dies nicht möglich sei; so äußert sich die Userin tuffarmi in einem Faden über einen möglichen Diabetesbefund:»[Zitat des Fadenstarters] Ich würde ja morgen zum Hausarzt, aber das ganze ist mir irgendwie unangenehm, deswegen frage ich lieber hier [Zitatende] [Antwort von tuffarmi] Ein Laienforum kann sicher nicht den Arztbesuch ersetzen. und was genau ist dir da eigentlich peinlich?«5 Dies geht einher mit den Forenregeln, welche explizit darauf verweisen, dass med1.de»keinesfalls [ ] als Ersatz für medi zi ni sche Be hand lung, Unter suchung oder Beratung durch einen Arzt gedacht [sei].«6 Einen weiteren oftmals diskutierten Streitpunkt bildet der der Zensur von Beiträgen durch einen der Administrator_innen des Forums, die immer dann erfolgt, wenn im Ermessenen jener eine der Forenregeln missachtet wurde und beispielsweise ein»medizinisch bedenkliche[r] Inhalt[ ]«7 gepostet wird. Offensichtlich scheinen weder Virtualität noch Anonymität den zum Teil recht restriktiven und regelbeladenen Charakter des Forums entgegenzutreten beziehungsweise, diese aufheben zu können vielleicht ist aber auch gerade dies der Schlüssel, welcher med1.de eine gewisse Sonderstellung hinsichtlich Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit Meret Eikenroth med1.de 75

76 gegenüber anderen medizinischen Foren verschafft. 8 Allgemein lässt sich auf jeden Fall ein sehr sachlicher Ton in denjenigen Unterforen beobachten, welche sich eher der Analyse von Befunden widmen oder in einem einfachen Frage- Antwort-Stil verlaufen. Ganz anders und wesentlich empathischer, gefühlvoller und freundschaftlicher geht es hingegen in Fäden zu, die entweder eine gewisse Länge überschritten und somit von Zeit zu Zeit vertrauter und persönlicher geworden zu sein scheinen oder in Fäden, an denen sich Viele beteiligen und die primär dem Erfahrungsaustausch individueller Lebenswelten zum Zweck der Kollektivierung hinsichtlich eines bestimmten Zieles dienen, wie etwa Diät-Fäden oder Trauerverarbeitungs-Fäden. Denn Wissen allein ist offenkundig nicht der einzige Grund, weshalb Menschen dem Forum verhaftet bleiben; zwar scheint es fast immer der erste Trigger zu sein, wie ich zahlreichen Beiträgen entnehmen konnte. Zumeist ist es allerdings vielmehr die entgegengebrachte Empathie und Anerkennung bezüglich ihrer Symptomatik, die die Menschen dazu verleitet, auf anonymer Basis Hilfe im Netz zu suchen. Einzeltherapie Symptomatik, Anamnese und Behandlung 18:01 Foto von der Neuköllner Oper gemacht Mit einem Problem, einer bestimmten Symptomatik kamen die meisten User_innen zu med1.de, um vielfach auch nach einer Hilfestellung weiterhin im Forum zu verweilen und Teil der Gemeinschaft zu werden. Zwar erhält man beim Lesen der Titanic-Parodie des Forums (siehe Anhang) nicht unbedingt den Eindruck, dass man als Fragende_r bei med1.de wirklich gut aufgehoben ist und sinnige Tipps zu erwarten hat. 9 Ich will aber nicht bestreiten, dass sich manche Fäden tatsächlich ähnlich»sinnfrei«gestalten, doch scheint das Gros der Antworten den Bedürfnissen der»patient_innen«angemessen zu sein und Linderung oder zumindest eine kurzfristige Beruhigung der Nerven zu verschaffen. Der typische Verlauf eines Fadens gestaltet sich so zunächst im Stile von Frage und Antwort und agiert auf einer primär wissenschaftlichen und sachbezogenen Ebene. Dabei kommt den Fragenden die Existenz so genannter Leitfäden zugute, welche viele der möglichen Fragen bereits vorwegnehmen und ausführlich, aber doch auf den Punkt gebracht, beantworten, wie beispielsweise in den Bereichen der Verhütungsmittel und des Körperschmucks. 10 Fäden des Typs»Einzeltherapie«finden meist ein relativ schnelles Ende, wenn die zu beantwortende Frage hinreichend geklärt ist. Manchmal jedoch kommt es darüber hinaus zum sozialen Austausch und ein_e User_in erfährt über mehrere, manchmal hunderte, Seiten, Rückhalt, Feedback und empathische Anteilnahme. So existiert beispielsweise ein zur Zeit etwa 3200 Beiträge starker Faden 11, in der eine Userin seit fast zwei Jahren über die Hoch- und Tiefpunkte ihrer Magersucht berichtet und dabei von einer handvoll Forenteilnehmer_innen mentalen und seelischen Beistand erhält.

77 Gruppentherapie Katharsis, Zusammenhalt und Feedback Eine soziale Gruppe, wie sie im Medizinforum med1.de erlebbar wird, wird auch als»eigenständiges Aggregat der Vergesellschaftung«(Thiedeke 2000, 7) beschrieben und zeichnet sich vor allem durch die wechselseitige Einflussnahme ihrer Mitglieder aufeinander, spezifische Normen und Rollenerwartungen, sowie Inklusions- und Exklusionsprozesse hinsichtlich ihrer Außenwelt aus. Dabei entsteht häufig der Gebrauch eigener Kommunikationssysteme in Form von Sprache oder Zeichensystemen, welche eine faktische Grenzziehung gegenüber anderen Gruppen oder Individuen bedeuten. Dass dies auch im Internet üblich ist, ist vor allem durch den Gebrauch von Chatrooms hinreichend bekannt geworden. Die räumliche und zeitliche Entgrenzung des Menschen, die in einer schriftlichen und asynchronen Kommunikation resultiert, wird in der virtuellen Gemeinschaft durch die Substitution der Face-to-Face Interaktion erreicht. Diese kann zum einen aus Handlungsbeschreibungen oder parasprachlichen Elementen wie etwa»hurra!«als Zeichen des Ausrufs spontaner Begeisterung bestehen; als weiteres Mittel mimischen und gestischen Ausdrucks existieren in sämtlichen Foren und Chatrooms die so genannten Emoticons, derer es auch auf med1.de eine variantenreiche Palette gibt. 12 Darüber hinaus entwickeln manche Gruppen oder Gemeinschaften mit der Zeit gewisse Neologismen; ein immer wieder beliebtes und im Forum selbst häufig rezitiertes Wort ist das Verb»hibbeln«, welches dem Schwangerschaftsforum entstammt und in etwa soviel wie»ungeduldig und mit einer gewissen Unruhe auf etwas warten«13 bedeutet. Auch bestimmte Abkürzungen bedürfen zuweilen der Aufklärungsbedarf, sofern man nicht eben Stammuser_in bei med1. de ist, (beispielsweise steht»gv«für Geschlechtsverkehr und»ms«für Magersucht). Soziale Gruppen von User_innen entstehen bei med1.de zumeist auf der Basis einer von zweien (manchmal auch beiden) Motiven: Simpler Erfahrungsaustausch oder von vorneherein speziell darauf angelegte kollektive Motivationsfäden. Es existieren jede Menge Fäden, in denen User_innen kollektiv abspecken und ihre Erfolge regelmäßig zur Schau tragen, beziehungsweise in speziell für diesen Zweck angelegte Gewichtstabellen eintragen. Ein solcher Initiationsritus dient dem Inklusionsprozess der Mitglieder in eine soziale Gruppe. Pendant dazu ist es im Schwangerschaftsforum üblich, sich mit einer kurzen Beschreibung vorzustellen und am Ende eines Beitrages die aktuelle Schwangerschaftswoche anzugeben, wie sich exemplarisch in diesem Posting erkennen lässt:»dann will ich mich mal anschließen. Ich heiße Stella, bin 36, bin jetzt im 1. ÜZ 14 für erste Kind schwanger geworden. ET 15 wird wohl der 02. August 2013 sein. FA 16 Termin hab ich in einer Woche bei 6+0 und bin schon soo gespannt. Warst du schon beim FA? LG Stella«17 Meret Eikenroth med1.de 77

78 18:15 RT eines Tweets Die beiden Beispiele verdeutlichen die Motivation und Beruhigung, die eine virtuelle Gemeinschaft dem einzelnen Individuum durch geteiltes Leid, soziale Anteilnahme, Feedback und Unterstützung liefern kann. Wird ein kollektives oder individuelles Ziel nicht erreicht, so kommt es zur verbalen Sanktion, welche wiederum einen Ansporn bedeuten kann. Das Schema, welches dabei greift, ist vom Prinzip her dasjenige einer realen Selbsthilfegruppe; grundlegende Faktoren sind die der Katharsis, der Gegenübertragung und des Zusammenhalts. Diejenigen Fäden auf med1.de, die sich mit Trauer befassen und in denen eine kollektive Trauerverarbeitung stattfindet, zeichnen sich durch eine vergleichsweise noch höhere Anteilnahme der Mitglieder untereinander aus; ein spezieller Faden beinhaltet dabei zum Beispiel nichts weiter als den simplen Post eines Emoticons, welches eine Trauerkerze in der Hand hält; als Zeichen zum Gedenken an eine Userin, die früher im Forum aktiv war und dann ihrer Krankheit erlag. 18 Aber auch profanere Themen werden auf med1.de kollektiv behandelt. Es werden Kochrezepte ausgetauscht, sexuelle Vorlieben diskutiert oder über das beste Shampoo bei trockenem Haar debattiert und auch hier kommt es häufig zu einer gewissen freundschaftlichen Vergemeinschaftung, die bei steigender Intensität jedoch zumeist in andere, persönlichere Internetnetzwerke, wie etwa Facebook ausgelagert wird. Und last but not least: Es existiert sogar ein eigenständiger Faden zur Ehrung besonders aktiver und hilfreicher User_innen des Forums! 19 Abschließende Betrachtung Das Internetforum med1.de bietet als virtuelle Plattform sachkundige Hilfe in allen erdenklichen Bereichen der Medizin an und stellt damit einen Ort des erfahrungsbasierten Wissensaustausches dar. Darüber hinaus lässt sich allerdings eine starke Vergemeinschaftung der Mitglieder untereinander beobachten, welche durch verschiedene Motive wie etwa der kollektiven Anteilnahme, dem Motivationsgewinn oder einfach des geteilten Leides hinsichtlich einer speziellen Symptomatik charakterisiert ist. Wichtige Faktoren, die bei der Vergemeinschaftung eine Rolle spielen sind die Themen der Beiträge, wobei emotional besetzte Themen eine wesentlich höhere Gruppenbildungsrate und dynamik beobachten lassen. Aber auch die Fadenlänge kann zu einer steigenden Vertrautheit der Teilnehmer_innen führen. In Zeiten von Special Turn und stetig wachsender Informationsflut bietet das Internet als Ort und Medium zugleich eine geeignete Plattform, welche die Befriedigung nach Wissen auf die gleiche Weise erfüllt wie den Wunsch nach sozialer Gemeinschaft. Das Beispiel med1. de steht dabei stellvertretend für die soziale Gemeinschaft, welche allein durch den Austausch von Laienwissen entstehen kann und die Lebenswirklichkeit seiner Akteur_innen erheblich zu beeinflussen imstande ist.

79 Aus meiner Studie lässt sich schlussfolgern, dass Internetforen in mehrfacher Hinsicht ein spannendes Forschungsfeld für Ethnolog_innen bieten. Einerseits eignet sich die Analyse eines Internetforums, um Wissensproduktion, -reproduktion und -transfer sowie die Frage der Definition von Wissen zu erhellen, ebenso ergiebig scheint es aber auch, der Frage von Gemeinschaft und Solidarität nachzugehen. Anhang: Auszug aus titanic-parodie 20 [Verdächtige Symptome, bitte helft mir :-( ] Seit einigen Wochen spüre ich nach dem Aufstehen gelegentlich so ein leichtes Kribbeln im Unterarm. Weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich beim Schlafen öfter drauf liege oder ob es was Ernstes ist. Hat jemand eine Idee? Redbullfan Geh bitte sofort zum Experten! Mit solchen Dingen ist nicht zu Spaßen. Mein Onkel hatte das gleiche Problem und letzte Woche ist er von einem Lastwagen überfahren worden!!! DrPepper Ich kann mir vorstellen, dass es dich eine Menge Überwindung kosten wird, damit zum Arzt zu gehen, aber es wird kein Weg daran vorbeiführen. Frag dich, was dir lieber ist: Ein peinlicher Moment oder ein schmerzhafter Tod?!? DaBahr Tut mir wirklich Leid für dich, du hast auf jeden Fall mein Mitgefühl! Kondolisa Danke für eure Antworten, war heute beim Arzt. Diagnose: Bluthochdruck und Diabetes. Leg mich erst mal schlafen Redbullfan Anmerkungen 1 In diesem speziellen Fall habe ich aus stilistischen Gründen bewusst auf die inkludierende, geschlechtsneutrale Sprachwendung»User_innen«verzichtet. 2 Siehe aufgerufen am Ich war immer wieder überrascht davon, wie viele Spezialist_innen es dort tatsächlich gibt, die sich die Mühe machen, die für Laien allenfalls kryptischen medizinischen Formulierungen des Arztbefundes aufzuschlüsseln und verständlich zu machen. Dies geschieht in vielen verschiedenen Unterforen, bei dem Schilddrüsenforum fiel es mir jedoch gehäuft ins Auge. 4 aufgerufen am aufgerufen am aufgerufen am Meret Eikenroth med1.de 79

80 18:16 RT eines Beitrages zur Kirchensteuer-Debatte status/ aufgerufen am Dies entnehme ich zum einen dem Faktum, dass med1.de ein sehr hoch frequentiertes Medizinportal darstellt und zum anderen las ich diese Meinung hin und wieder in einigen Beiträgen, die zum Forum als solchem Stellung bezogen. 9 Das Magazin greift dabei die teilweise auftretende Willkürlichkeit von Lösungsansätzen, welche das medizinische Problem nicht eben zu fokussieren scheinen, auf und parodiert verschiedene»typen«von User_innen, wie ich sie tatsächlich zum Teil überspitzt formuliert im Forum erleben konnte. 10 Das heißt: Tatoos und Piercings. 11 Siehe aufgerufen am Manche der Emoticons verändern sogar ihr Aussehen; so gibt es etwa einen»grinse- Smiley«, der sich jahreszeitabhängig entweder in einen Weihnachtsmann oder einen Karnevalsnarren verwandelt. 13 Zitat der Userin Aleonor, aufgerufen am ÜZ = Übungszyklus. 15 ET = Errechneter (Geburts-)Termin. 16 FA = Frauenarzt aufgerufen am Siehe aufgerufen am aufgerufen am news]=5364&tx_ttnews[backpid]=3&chash=11a0c27014ab47fb1714d448216bf84e, aufgerufen am Literatur Döring, Nicola (2002): Sozialpsychologie des Internet. Die Bedeutung des Internet für Kommunikationsprozesse, Identitäten, soziale Beziehungen und Gruppen, 2. Auflage. Göttingen. Heidenreich, Martin (1997): Zwischen Innovation und Institutionalisierung. Die soziale Strukturierung technischen Wissens. In: Birgit Blättel-Mink und Ortwin Renn (Hg.): Zwischen Akteur und System. Die Organisierung von Innovation, S Heidenreich, Martin (2003): Die Debatte um die Wissensgesellschaft. In: Stefan Böschen und Ingo Schulz-Schaeffer (Hg.): Wissenschaft in der Wissensgesellschaft. Opladen. Kontopodis, Michalis, Niewöhner, Jörg (Hg.) (2010): Das Selbst als Netzwerk. Zum Einsatz von Körpern und Dingen im Alltag. Bielefeld. Kübler, Hans-Dieter (2005): Mythos Wissensgesellschaft. Gesellschaftlicher Wandel zwischen Information, Medien und Wissen. Eine Einführung. Wiesbaden. Niewöhner, Jörg, Kehr, Janina, and Vailly, Jöelle (Hg.) (2011): Leben in Gesellschaft. Biomedizin Politik Sozialwissenschaften. Bielefeld. Rötzer, Florian (1999): Megamaschine Wissen. Vision: Überleben im Netz. Frankfurt am Main. Thiedeke, Udo (2000): Virtuelle Gruppen. Charakteristika und Problemdimensionen. Wiesbaden. Wellmann, Barry (2000): Die elektronische Gruppe als soziales Netzwerk. In: Udo Thiedeke (Hg.): Virtuelle Gruppen. Charakteristika und Problemdimensionen. Wiesbaden.

81 Programmieren ist das neue Latein Fiona Krakenbürger #include <kulturwissenschaften.h> #include <informationswissenschaften.h> Mithilfe der Anweisung #include werden die Headerdateien, welche den Quellcode genutzter Bibliotheken beinhalten, in das Programm aufgenommen. Ich möchte ein Programm schreiben, welches das Wissen aus Informatik und Ethnologie vereint. Ein Programm, das nicht nur von einem Computer, sondern auch von einem akademischen Diskurs interpretiert werden kann. Innerhalb des letzten Jahres erschloss ich Wissen und Praxen eines ursprünglich fremden Feldes, indem ich mit dem Programmieren-Lernen begann. Eine autoethnographische Perspektive auf meine Anfänge als Programmierschülerin soll diese Entwicklung verdeutlichen und eine Reflexion über Methodik und Zuständigkeiten des Faches zulassen. Daran geknüpft ist der Aufruf an die forschende LeserInnenschaft, die bisher gegenübergestellten Disziplinen der Informations- und Kulturwissenschaften in einem interdisziplinären Ansatz zu verbinden. Denn: Ein Aufweichen der akademischen Grenzen ist notwendig, um eine Methodik zu entwickeln, welche den emergenten Phänomenen der digitalen Gesellschaft in ihrer Vielseitigkeit gerecht wird. int flp; Wenn eine Variable verwendet wird, muss ich sie deklarieren, also den Typen und Namen festlegen.»fiona lernt Programmieren«(kurz: FLP) ist ein Projekt, das ich gemeinsam mit zwei Freunden, die bereits programmieren konnten, begann. Das erklärte Ziel war es, mir das Programmieren beizubringen. Die Idee entstand im Januar 2012, als ich nicht ganz zurechnungsfähig es war schon recht spät in einem Chat dem Vorschlag meiner Freunde zustimmte. Der Gründung ging jedoch eine lange Zeit der Bewusstmachung voraus, in der ich verstand, wie viel ich nicht weiß. Durch einen engen Freundeskreis, der vor allem aus so genannten»nerds«1 bestand, lernte ich, was es bedeutet, eine Kontrolle über seinen Computer zu haben und dass ich diese Kontrolle nicht besitze. Ich lernte über ihre Unterhaltungen viele Streitpunkte kennen, die mich interessierten und Berliner Blätter Heft 64 / 2013 S

82 18:19 Bild von einer Eule facebook d &type=1&theater Akku des Handys geht aus </medientagebuch jan schnorrenberg > betrafen. Es waren beispielsweise Diskurse über Datenschutz, Netzneutralität oder Freie Software, die ich nie richtig verstehen, geschweige denn an ihnen partizipieren konnte. Mir wurde klar, dass politisch relevante Diskurse in einer Sprache geführt werden, die exklusiv ist und jene ausgrenzt, die dieser Sprache nicht mächtig sind. Dieselbe Botschaft vermittelte Frank Rieger, als er in der FAZ mehrere Seiten Code des entdeckten und analysierten Bundestrojaners abdrucken ließ 2, der 99% der LeserInnen nichts sagte außer:»ihr versteht mich nicht. Und übrigens: Ich beschneide eure Grundrechte.«Code war das neue Latein 3 geworden und ich wollte diese Sprache lernen. Wir konzipierten unser Projekt für ein Jahr, in welchem ich einen Überblick über drei verschiedene Programmiersprachen bekommen sollte. Wir begannen mit der Sprache Assembler, was eher ungewöhnlich ist, da sie als sehr kompliziert gilt und damit als ungeeignet für Anfängerinnen. Assembler ist eine Maschinensprache, das heißt was im Code geschrieben wird ist nah an den tatsächlichen Geschehnissen auf dem Prozessor des Computers. Deswegen müssen auch noch sehr grundlegende Dinge über den Computer und seine Funktionsweise gelernt werden, was meinem Lernanspruch sehr gelegen kam. Danach wechselten wir eine»abstraktionsschicht«höher zur weit verbreiteten Programmiersprache C und am Ende lernte ich die Skriptsprache Python. Python ist von den drei Sprachen die»höchste«. Das bedeutet, dass ihr Code weiter von den Prozessen auf meinem Computer abstrahiert und grammatikalisch an die menschliche Sprache angenähert ist. Entsprechend war Python etwas schneller zu erlernen, was nicht heißt, dass es leicht war. Das komplette Vorhaben entpuppte sich als sehr viel schwieriger, als ich anfangs geglaubt hatte. Programmieren zu lernen fiel und fällt mir schwer. Trotzdem war ich vom dem Unterfangen überzeugt, hatte Spaß am Lernen und versuchte meine Begeisterung im eigens dafür angelegten Blog zu kommunizieren. { printf(»lernt Programmieren!\n«); printf ist eine Funktion, die der Ausgabe von Daten auf einem Bildschirm dient. Das Blog begleitete meine Fortund Rückschritte und eine große Zahl von LeserInnen begleitete das Blog. Die LeserInnenschaft setzte sich zusammen aus ProgrammierInnen und solchen, die es werden wollten. In den Kommentaren diskutierten, kritisierten, lobten und tauschten sie sich aus. Es wurde anhand der Reaktionen auch schnell offensichtlich, dass einige LeserInnen durch das Blog selber zum Programmieren ermutigt wurden. Die übergeordnete Motivation des Projekts verschob sich entlang des öffentlichen Feedbacks und bald war es mir sehr viel wichtiger, andere Menschen zum Programmieren Lernen zu ermutigen. Ich begann in meinen Arbeiten und Recherchen zu erläutern, weshalb es im Rahmen einer mündigen demokratischen

83 Gesellschaft wichtig ist, technische Werkzeuge zu verstehen und sich anzueignen, weshalb Code eine politische Relevanz hat und was das Ganze mit Emanzipation zu tun hat. Solche Fragestellungen spielten auf FLP neben den technischen Dokumentationen eine zunehmend wichtige Rolle. Das Blog generierte eine große Öffentlichkeit, auch durch Vorträge auf Konferenzen 4 oder durch Interviews für ehemalige Nachrichtenmagazine 5. Diese Öffentlichkeit war nicht immer unproblematisch, sie brachte manchmal auch feindselige und sexistische Kommentare mit sich. Überwiegend war sie aber ein wertvoller Zugang zu Menschen, mit denen ich meine Begeisterung, Erfahrung und Erfolge teilen konnte und dafür Lob, Ratschläge und konstruktive Kritik erntete. return EXIT_SUCCESS; Ein Rückgabewert wie EXIT_SUCCESS kommuniziert, dass ein Programm erfolgreich beendet wurde Was sind eigentlich Erfolge, wenn ich mir vornehme, Programmieren zu lernen? Parallel zur Motivation haben sich meine Erwartungen, Ziele und die damit verbundenen Erfolgserlebnisse verändert. Der Erfolg kann in meinem Fall nicht in Zeilen von Code oder anhand der Anzahl geschriebener Programme gemessen werden. Vielmehr sind es Praxen, die meinen Alltag strukturieren und die sich grundlegend geändert haben. Ich habe drei Objekte herausgesucht, die eine essentielle Rolle in meinem Alltag spielen und anhand derer sich die Erfolge ablesen lassen. Mein Computer ist ein Werkzeug, welches mir Wissensproduktion, Wissensauslagerung und Kommunikation ermöglicht. Er ist schon seit über zehn Jahren ein bedeutsamer Teil meines Alltags. Seit einem Jahr verändert sich allerdings meine Einstellung zum Computer und mein Umgang mit ihm. Durch FLP lernte ich, meinen Computer an meine Bedürfnisse anzupassen. Primär verantwortlich dafür war die Umstellung auf Linux. (Wir sagen dazu:»wir machten meinen Rechner platt und hauten Linux drauf.«). Linux ist ein offenes Betriebssystem, welches eine maximale Modifikation der Prozesse und Programme auf meinem Computer zulässt. Es gibt mir einen Spielraum, in welchem ich die Technik in Abhängigkeit von meinen Ansprüchen modifizieren kann. Durch die Installation der minimalistischen grafischen Oberfläche i3, zwang ich mich selbst dazu, so viele Operationen wie möglich in Form von schriftlichen Befehlen im Terminal meines Computer auszuführen, statt mit der Maus auf bunte Kästchen zu klicken. Ein exemplarisches Erlebnis im Umgang mit meinem Smartphone verdeutlicht diesen Prozess. Mein Android-Handy hatte standardisierte und eigentlich unerträgliche Klingeltöne vorinstalliert, die in meinen Augen und Ohren nur überflüssig viel Speicherplatz belegten. Sie konnten aber nicht deinstalliert Fiona Krakenbürger Programmieren ist das neue Latein 83

84 werden die Option erschien einfach nicht. Mit dem Terminalzugang, den ich auf meinem Handy installierte, konnte ich diese Einschränkung umgehen und mittels Befehlen und ein paar Tricks die grauenhaften Klingeltöne löschen. Die Verwendung eines Terminals öffnet mir als Userin vielfältige Möglichkeiten, meinen Computer manuell und individualisiert zu steuern. Durch das Erlernen des Umgangs mit einem Terminal lernte ich nach und nach vorinstallierte Konfigurationen infrage zu stellen und mich von ihnen zu emanzipieren. Ich mag Computer und ich mag Bücher Und seit zirka einem Jahr mag ich vor allem Bücher über Computer. Ein Blick in mein Bücherregal verrät meine derzeit dominanten Interessenfelder. Es sind Bücher wie»computerphilosophie«,»theorien des Internets«,»C Programmieren für Anfänger«und»Hackers«. Ich habe eine öffentliche Wunschliste auf Amazon 6 und neben einem Ukulelen-Lehrbuch sind dort Bücher wie»what Technology Wants«,»The Ethics and Aesthetics of Hacking«,»Arduino für Einsteiger«und»Ethische Probleme der Informatik«. Bevor ich mit dem Programmieren Lernen begann, positionierte ich mich selbst in einem tradiert»weiblichen«interessengebiet, in welchem Themen wie Mathematik, formale Logik, Computer und Technik keinen Raum hatten. Begegnungen mit Technik waren oft mit einer Angst vor der eigenen Unfähigkeit verbunden der Angst, ich könnte ein Buch nicht verstehen, einen Computer nicht richtig bedienen und zu sehr unter dem Einfluss von determinierten»weiblichen«charakterzügen stehen. Was sich aber in den Büchern widerspiegelt, ist eine grundlegende Veränderung meines Selbstverständnisses. Die Angst wurde von einer Begeisterung für das Feld ersetzt (vgl. Lindner 7 ). Ein Blättern durch meinen Terminkalender von 2012 verrät, wie sehr das Projekt in Form von Veranstaltungen meinen Alltag veränderte. Ein Auszug: <medientagebuch dennis eckhardt > 08:00 Handywecker ignoriert»am 24. April besuchte ich das Hack n Tell in der C-Base, einem Berliner Hackspace. Dort werden einmal im Monat kleine oder große»hacks«vorgestellt kreative Lösungen für konventionelle oder unkonventionelle Problemstellungen aus dem Leben der Nerds. Am 22. September organisierte ich auf dem Geburtstag der Mädchenmannschaft 8 einen Workshop namens»programming the first steps«. Am 15. Oktober nahm ich an der ersten Sitzung des Seminars»Internetethnologie«teil. Vom 27. bis 30. Dezember besuchte ich den Chaos Communication Congress, den jährlichen Kongress des Chaos Computer Clubs zu Technik, Computern und Digitaler Gesellschaft.«Die Kriterien, nach denen ich mir Veranstaltungen aussuche, haben sich innerhalb eines Jahres fast komplett geändert. Mein Kalender ist gefüllt mit Veranstaltungen, die von Technik, Computern und Internet handeln und manchmal bin ich sogar selber die Vortragende, wie auf der SigInt 9 oder auf dem Geburtstag

85 der Mädchenmannschaft. Ich treffe dort Menschen, die ich kennen und schätzen gelernt habe. Den Einstieg in Gespräche bot anfangs oft mein Blog, jedoch hat sich die Bandbreite der Themen, stark erweitert. Es sind Diskurse über Datenschutz, Netzneutralität, Freie Software und viele mehr, die ich mit einem Grundwissen interpretieren, verstehen und aktiv mitgestalten kann. Ich spreche nun die Sprache meines Feldes. Mehr noch: Ich bin selber Teil des Feldes geworden. } /* end main() */ Dass Code ein Politikum ist und Programmieren Lernen eine ganze neue Welt von spannenden Fragen mit sich bringt, ist in meinen Augen Grund genug, um Programmieren zu lernen. Aber ich möchte darüber hinaus einen Appell explizit an die Studierenden, Lehrenden und Forschenden meines Faches richten. Im Verlaufe des Jahres habe ich sowohl als Programmierschülerin, Blogautorin und als Studentin der Europäischen Ethnologie Erfahrungen gesammelt, die mich davon überzeugen, dass es sich auch für unsere Wissenschaft lohnt,»das neue Latein«sprechen zu lernen. Unter den Punkten Relevanz, Interdisziplinarität und Zugang werde ich im Folgenden meine Schlussfolgerungen darstellen. Vorab: Welche Relevanz hat die digitale Technik für unser Fach? Als Wissenschaft, die sich primär für die eigene Alltagskultur interessiert, liegt die Bedeutung aus drei Gründen auf der Hand. Es ist zum einen der große Einfluss, den digitale Technik auf uns (das heißt, Kulturkreise, die weitestgehend Zugang zum Internet haben) nimmt. Kaum ein Tag vergeht, an dem wir nicht selber digitale Technik verwenden und sie in unseren Alltag integrieren. Im Privaten, im Öffentlichen, zu Hause, in der Freizeit, bei der Arbeit überall ist digitale Technik mehr oder weniger direkt präsent. Zum anderen verwenden wir digitale Technik, um unseren Alltag zu exportieren. Auf Foren, in Tweets, auf Blogs oder auf Facebook hinterlassen wir Daten, die wir aus unseren Erfahrungen aus dem Alltag generieren. Andere Menschen können wiederum diese Daten in ihren Alltag importieren und verwenden oder vergessen, aber auch modifizieren und wieder auf Plattformen exportieren. Ich kann beispielsweise einen Text auf einem Blog lesen, mit meinen Freunden darüber sprechen, das Wissen aus diesem Artikel in Konversationen einfließen lassen und anschließend eine Replik angereichert mit Erfahrungen aus meinem eigenen Alltag und aus Gesprächen auf meinem eigenen Blog schreiben. Alltagskultur lässt sich also aus jedem Tweet, jedem Blogartikel und jeder Statusmeldung extrahieren. Es gilt allerdings noch einen geeigneten Vorrat an Methoden zu entwickeln, um diese Daten zu erfassen und zu analysieren. Nicht zuletzt und das ist der dritte Grund, aus dem sich die Relevanz zusammensetzt weil unserem Fach jetzt schon eine schier endlose Zahl an potentiellen Forschungsfeldern aus dem digitalen Kontext gegenüber steht. Verknüpft Fiona Krakenbürger Programmieren ist das neue Latein 85

86 08:10 Fernseher eingeschaltet. PC aufgeklappt und aus Standby geweckt mit der wachsenden Bedeutung von Netzphänomenen und digitalen Werkzeugen wird die Zahl dieser Felder auch weiter wachsen. Zugleich erwächst daraus auch eine zunehmende Notwendigkeit, sich Methoden, Begriffe und Wissen anzueignen, um diese Felder erkennen und erfassen zu können. Das notwendige Wissen geht über theoretische Konzepte von Datenerhebung und Kultur hinaus. Ich denke, dass Forschungsfelder, in welchen technische Strukturen eine große Rolle spielen, sowohl von einer kulturwissenschaftlichen als auch einer informations-wissenschaftlichen Seite beleuchtet werden können und sollten. Gerade netzkulturelle Phänomene geben Anlass, einen interdisziplinären Ansatz zu suchen. Bei der Entwicklung der technischen Protokolle, auf denen das Internet basiert, spielten bestimmte Ideale von Offenheit und Neutralität eine Rolle und tun dies bis heute. Niemand hätte jedoch die Entwicklung des Internets vorhersehen können. Um das Internet zu erforschen und zu analysieren bedarf es längst der Hinzuziehung von kontingenten, kulturellen Faktoren. Gesellschaftliche Kontexte, lokale Bedingungen, Wünsche und Bedürfnisse der UserInnen haben maßgeblich die Ausprägung des Internets mitbestimmt und werden das auch weiterhin tun. Aber genauso bedarf es eines grundlegenden technischen Wissens über die Geschichte und Technik des Internets. Internetplattformen werden zwar mit Daten aus dem Alltag bespielt, trotzdem ist die technische Infrastruktur notwendige Bedingung für das Entstehen von sozialer Interaktion. Sie gibt damit einen Rahmen vor, in dem sich die UserInnen bewegen, den sie modifizieren und womöglich auch unterwandern. Ein technisch geschultes Auge kann Zusammenhänge, Bedingungen und Differenzen von technischen Entwicklungen entdecken und in eine kulturwissenschaftliche Analyse einbinden. Ohne eine technische, informationswissenschaftliche Perspektive wäre sie sonst nicht komplett. Doch jeder Feldforschung geht die Feldsuche voraus. Mein dritter und letzter Punkt handelt vom Zugang zum Feld, den mir FLP in zweifacher Hinsicht ermöglichte. Einerseits verhalf mir die Beschäftigung mit Technik und der Austausch mit technik-affinen Menschen zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit gegenüber kulturwissenschaftlich relevanten Themen aus Technik, Netz und Computerwissenschaft. Andererseits gewährt mir dieses Augenmerk auch das Kennenlernen von Gruppen, die sich verstärkt mit diesen Themen auseinandersetzen und ihre Expertise als Identitätsressource verwenden. Ein Beispiel für ein nicht territorial begrenztes Feld, dessen Kontur die technisch versierten Mitglieder bilden, ist der Chaos Computer Club. Die Prozesse rund um das Programmieren Lernen gewährten mir Zugang und die Affinität zu Themen, Veranstaltungen, Räumen und Menschen, welche mit dem CCC verknüpft sind. Ähnlich wie Christopher M. Kelty, der als Autor von»two Bits The Cultural Significance of Free Software«10 mit seiner Ethnografie einen wichtigen Beitrag zum bisher noch überschaubaren Kanon an ethnologischen Veröffentlichungen über die Praxen von ProgrammierInnen leistete.

87 Kelty hat selbst einen informations- und gesellschaftswissenschaftlichen Hintergrund 11 und über mehrere Jahre verschiedene Menschen getroffen, die sich mit Freier Software 12 beschäftigen oder Teil dieser Bewegung sind. In Berlin hörte er sich 1999 einen Vortrag über Informationstheorie in einem Club an, der an diesem Abend nur von»geeks«besucht wurde. Kelty beschreibt die Situation, nachdem der Vortrag beendet war und er mit den Anwesenden Gespräche führte:»[ ] I still manage to jump deeply into issues that seem extremely familiar: Internet standards and open systems and licensing issues and namespaces and patent law [ ] terms that are nonetheless similar to those of Sean and Adrian, from whom I learned the language that allows me to mingle with the Mikro crowd at WMF. I am now a geek.«der Einblick in Strukturen, Selbstverständnis und Praxen des Feldes birgt aber auch eine Verantwortung gegenüber Feldern die strukturell auf Anonymität beruhen. Die technischen Möglichkeiten des Netzes zur anonymen Aktivität, Vernetzung und Kommunikation produzieren Felder der Interaktion, deren Mitglieder aus sozialen oder politischen Gründen auf Unkenntlichkeit angewiesen sein könnten. Eine Anerkennung der spezifischen Bedürfnisse nach Sicherheit und Anonymität müssen in der Formulierung der Fragestellung und der Gestaltung der Forschung eine Rolle spielen, damit aus einer Erforschung keine Ausforschung wird. Für ein neues ethnologisches Programm Wenn ich vom Programmieren Lernen spreche, meine ich damit weniger die Fähigkeit, Codes zu produzieren und für seine Datenanalyse ein Programm schreiben zu können (auch wenn das furchtbar praktisch wäre), sondern sich die Möglichkeit zu verschaffen, Programmcode und kulturelle Codes der Nerds, Geeks und HackerInnen zu verstehen, sich für den großen Themenkomplex der digitalen Technik zu öffnen und die Menschen, welche Technik ermöglichen, aufrechterhalten und verwenden, kennen zu lernen. Ethnologische Fragestellungen über dieses Feld kann ich jedoch nicht formulieren, wenn ich»das neue Latein«nicht spreche, und die Begriffe, Themen und Diskurse nicht verstehe. Ich formuliere diesen Aufsatz und seinen Appell aus einer größtenteils wissenschaftlichen Perspektive und den damit verbundenen Interessen. Aber auch auf persönlicher Ebene gibt es Anlass zur Reflexion. Schaue ich nach vorne, sehe ich die durch FLP entstandenen Vorteile für meine Pläne als Studentin der Europäischen Ethnologie. Schaue ich zurück, sehe ich, wie sehr das Betreten des Feldes mein eigenes Leben bereichert hat. Die Rede ist hier nicht von einer Fiona Krakenbürger Programmieren ist das neue Latein 87

88 08:15 s checken / schreiben. Gayromeo Nachrichten checken, durch Profile klicken. Facebook Status von Freunden durchsehen. Queer.de Nachrichten der schwulen Welt lesen. Moodle-Kurse nach Nachrichten durchsehen. Im eigenen Chor-Forum nach Nachrichten sehen Sprache die so trocken ist wie das Latein aus der Schule. Im Gegenteil: Es handelt sich um eine faszinierende, bunte, intelligente und manchmal blinkende Welt voller Antworten und vor allem ethnologischen Fragen. Anmerkungen 1 Nerds: Gesellschaftliches Stereotyp, das Menschen mit einer meist überdurchschnittlichen Intelligenz, einem ausgeprägten Fachwissen in einem bestimmten Gebiet und mit spezifischen sozialen Schwierigkeiten beschreibt. 2 (aufgerufen ). 3 Zum ersten Mal öffentlich gehört von Jens Ohlig auf der»spack0«-konferenz. Er bezog sich nach eigenen Angaben auf (aufgerufen ). 4 Beispielsweise»Hallo Welt in Assembler«auf der SigInt 2012, com/watch?v=pj3dwakrxos (aufgerufen ). 5 Beispielsweise in Spiegel Online, : netzpolitik/ digitale-selbsthilfe-drei-berliner-lernen-das-programmieren-a html (aufgerufen ). 6 (aufgerufen ). 7 Lindner, Rolf: Die Angst des Forschers vor dem Feld. Überlegungen zur teilnehmenden Beobachtung als Interaktionsprozess. In: Zeitschrift für Volkskunde 77 (1981), S Ein Blog das sich mit feministischen Themen im Netz auseinandersetzt (aufgerufen ). 9 Die SigInt ist eine jährlich vom Chaos Computer Club Köln ausgerichtete Hacker- Konferenz. 10 Kelty, Christoph M. (2008) : Two Bits. The Cultural Significance of Free Software. Durham, London (aufgerufen ). 12 Software, die es den UserInnen erlaubt, die Funktionsweise des Programmes zu modifizieren und anzupassen.

89 Urban Games Die Stadt als Spielfeld Michael Metzger Obwohl das Magazin der Berliner Sparkassen nicht unbedingt bekannt ist für seine besonders avantgardistische oder subkulturelle Berichterstattung, 1 hat es im Frühjahr 2011 mit seiner Titelgeschichte»Berlin spielt. Die Stadt wird zum Spielfeld«2 ein sehr junges popkulturelles Phänomen auf sein Cover gehievt. Auf vier Seiten wird hier ein Spiel-Genre beschrieben, das im Internet und dem physisch gebauten, städtischen Raum zugleich stattfindet, mitunter hunderte Spieler 3 begeistert und sich über einen Zeitraum von Wochen oder gar Monaten erstreckt. Das Titelthema des Sparkassen-Magazins ist die Spitze des Eisberges: Rückblickend können die Jahre 2011 und 2012 generell als Beginn der deutschsprachigen medialen Rezeption dieses neuen Genres von Spielen gelten. Zahlreiche Online- und Printmedien von Spiegel Online bis zur Zeit, aber auch TV-Sender wie arte entdeckten das Thema für sich. 4 Auch in der Selbstwahrnehmung der Akteure handelt es sich bei diesen Spielen, die irgendwie realen und virtuellen Raum vermischen, um ein neues Genre. Eine wachsende Anzahl an Fans wächst zu einer Community heran, welche sich auf neu gegründeten, periodisch stattfindenden Festivals wie dem Come out & Play Festival (New York, seit 2006) 5, Hide and Seek (London, seit 2007) 6, oder You are Go (Berlin, seit 2011) 7 trifft und über neue Entwicklungen austauscht. Der Erfolg dieser Festivals ist ein Indiz für die Formierung einer Szene, ein anderes ist die Internetplattform ludocity.org, auf der Spieledesigner ihre Regelwerke untereinander austauschen und neue Konzepte diskutieren. Ludocity.org existiert seit 2008 und wurde seitdem über Mal aufgerufen. 8 Die akademische Literatur hingegen hat dieses Forschungsfeld noch kaum für sich entdeckt. Englischsprachige Fachmagazine wie Games and Culture oder Game Studies beleuchten den Themenkomplex größtenteils aus informationsund kommunikationstechnischen Gesichtspunkten. Standard-Werke wie das Gamification Handbuch (Hunter 2011), Rules of Play (Salen und Zimmerman 2003, 67) oder, im deutschsprachigen Raum, der Sammelband Space Time Play (von Borries et al. op. 2007) haben eher lexikalischen Charakter. In ihren Konsequenzen auf Raumwahrnehmung und neue Formen der Kartographie interessiert sich die deutschsprachige Humangeografie seit 2013 für die Urban Games (Gryl et al. 2013). In dem Sammelband geo@web beschreibt Fischer (2013, 128) das Genre so:»in Spielen dieser Art werden Informations- und Berliner Blätter Heft 64 / 2013 S

90 Kommunikationstechnologien eingesetzt, um den physischen Raum mit dem digitalen Raum zu verknüpfen.«was aber ist das Alleinstellungsmerkmal der Urban Games? 9 Was macht den Reiz, das Besondere des Spielens aus? Und wie geht die tatsächliche Praxis des Spielens vonstatten, was passiert während eines Spieles, wie fühlt sich ein Spieler und was erlebt er? Ausgehend von den Forschungen meiner Magisterarbeit zum Urban Game»Spreezone«soll dieser Beitrag einen Einblick in dieses neue Genre von Spielen gewähren. Im Folgenden wird zunächst das von mir beforschte Spiel Spreezone vorgestellt. Im Vergleich mit anderen Spielformen werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet; Grundlage der Analyse ist dabei das in der Spieleforschung interdisziplinär weit verbreitete Konzept des Magic Circle. Es wird gezeigt, welchen Einfluss digitale Spiele auf das Genre der Urban Games ausüben auch und vor allem über den Einsatz technischer Hilfsmittel hinaus. Am Beispiel von Spreezone wird diskutiert, in wieweit sich das etablierte Konzept des Magic Circle auch auf die Urban Games anwenden lässt. Abschließend werden einige Wechselwirkungen mit aktuellen Entwicklungen in der Nutzung von öffentlichen, urbanen Räumen diskutiert sowie eine Zukunftsprognose über die Ausdifferenzierungen im Genre gewagt. Forschungsobjekt 09:20 Online-Banking Umsätze durchsehen Für meine Magisterarbeit habe ich das Urban Game»Spreezone«beforscht. 10 Das Spiel fand im Sommer 2011 statt und dauerte drei Wochen. Während dieser Zeit arbeiteten über 400 registrierte Spieler daran, ganz Berlin in einen Vergnügungspark zu verwandeln. Eingeteilt waren die Spieler in vier miteinander wetteifernde Schausteller-Clans. Ein großer Teil des Spieles bestand darin, im physischen Stadtraum so genannte»attraktionen«für sich selbst, die Mitspieler oder die nichtspielenden Passanten aufzubauen, sich mit anderen Schaustellern aus dem eigenen»clan«zusammenzutun und gegen vier weitere Clans im Wettbewerb um Punkte anzutreten. Bei der Bewältigung ihrer Aufgabe wurden die Spieler von so genannten»rangern«unterstützt, Kooperationspartner, welchen am jeweiligen Ort die Rolle eines Door-Openers mit Spezialwissen zukam. Zentrale Schnittstelle des Spieles war die Online-Plattform spreezone.de, 11 Auf einer interaktiven Berlin-Karte konnten Spieler und Nicht-Spieler verfolgen, wie der Berliner Stadtraum Schritt für Schritt in einen Vergnügungspark verwandelt wird. Spieler konnten unter ihrem Spiele-Pseudonym ein eigenes Profil einrichten, über dieses mit den anderen Spielern kommunizieren und zu Ak tionen aufzurufen. Auf der Online-Plattform wurden darüber hinaus sowohl von Spiele-Designern als auch den Spielern selbst Fortschrittsmeldungen, Videos und Fotoserien veröffentlicht. Die Verknüpfung von virtueller, imaginierter und physisch gebauter Spielewelt sowie der lange Spielezeitraum von drei Wochen

91 führte zu einem omnipräsenten Spieleerlebnis: Während das Narrativ und das Spielenetzwerk über digitale Technologien und spezifische Artefakte latent über volle drei Wochen aufrecht gehalten wurde, fanden die aktiven Spielephasen in Bars und Clubs, in einem Hostel und auf öffentlichen Straßen und Plätzen statt. Gespielt wurde quasi überall. Der Magic Circle Eine Zeit, in der quasi überall gespielt wurde, gab es schon einmal, doch das liegt lange zurück: Es war in der eigenen Kindheit. Schon im 16. Jahrhundert hat der Maler Peter Bueghel einen ganzen öffentlichen Platz voll spielender Kinder in Öl verewigt (Mühlberger 1993, 15 16). Manche Kinder spielen dort Fangen oder Wettlaufen, andere reiten auf Steckenpferden oder werfen mit Bällen. Allein das simple Versteckspiel unterzieht den umgebenden Raum einer faszinierenden Verwandlung: So wird die Hecke temporär zur Höhle umfunktioniert, und die Parkbank lädt auf einmal dazu ein, sich darunter zu legen und mit Laub zu bedecken um nicht gefunden zu werden (Opie und Opie 1984). Allerdings endet das freie Spiel der Kinder da, wo es Erwachsene stört. Chudacoff (2007) zeigt, wie das erwachsene Bedürfnis nach Kontrolle sowie nach pädagogischer Aufsicht des kindlichen Treibens die Entwicklung von klar definierten und räumlich begrenzten Flächen nach sich zieht (Chudacoff 2007). Der Spielplatz mit seinem Sandkasten, der Rutsche, Schaukel und Wippe ist der Magic Circle für Kinderspiele. Dieser Magic Circle, der Zauberkreis des Spielens, ist ein Raumkonzept des Kulturhistorikers Johan Huizinga. Er gilt als einer der ersten Spieleforscher und hat in den 1930er Jahren in seinem zentralen Werk»homo ludens«den Ursprung der menschlichen Geschichte aus dem Spiel heraus beschrieben. In diesem Zusammenhang bezeichnet er mit dem Terminus des Magic Circle jenen Möglichkeitsraum (Salen und Zimmerman 2003, 67), innerhalb dessen»zeitweilige Welten innerhalb der gewöhnlichen Welt«erschaffen werden (Huizinga 2004, 19). 12 Spätere bedeutende Spieleforscher beziehen sich immer wieder auf Huizinga, beziehen teilweise auch kontrovers Stellung, doch das Konzept des Magic Circle bleibt weitgehend unangetastet. 13 In der Regel grenzt ein Zauberkreis das Spiel vom nichtspielenden Umfeld ab. Innerhalb des Magic Circle entsteht eine neue Welt,»a world independent of the everyday real world«(lin und Sun 2007, 336), die von der Außenwelt geschützt wird. Unbehelligt von externen Störfaktoren können sich nun die komplexesten Spielewelten entwickeln. Manchmal existieren Würfel mit Augen oder Farben, Spielekarten werden mit Motiven gedruckt und auf Spielfeldern sind mitunter komplexe Labyrinthe aufgemalt. Im sportlichen Wettstreit markieren Fahnen und Feldmarkierungen einen Magic Circle, beim technikgestützten digitalen Spiel ist es eine Wechselwirkung aus Michael Metzger Urban Games 91

92 Bildschirm, Hebeln und Knöpfen. Wirkmächtigkeit erreicht der Magic Circle aber erst durch die Wechselwirkung der Spiele-Artefakte mit den Spieleregeln, dem Spielziel, dem Narrativ und natürlich den Spielern selbst. So entsteht ein Zauberkreis mit eigenen Handlungsroutinen, Wahrnehmungskanälen, Erwartungen und Selbstverständlichkeiten. 14 Neben dem Magic Circle ist die Freiwilligkeit ein weiterer zentraler Aspekt der Spieleforschung (Huizinga 2004, 18). Genauso freiwillig, wie ein Spieler ins Spiel eingestiegen ist, kann er auch jederzeit wieder aussteigen. Solange der Spieler aber innerhalb des Magic Circles bleibt, erlebt er die besonderen Mechanismen, die im und durch das Spiel ausgelöst werden. Er kann im Sinne einer Eskapismus-Theorie der Wirklichkeit entfliehen, wie das schon der Historiker Herodot im 5. Jahrhundert vor Christi bei hungerleidenden Jugendlichen beobachtet hat (zitiert nach Rawlinson 1861). Er kann in neue Rollen schlüpfen und neue Handlungen ausprobieren, also wie in einer Simulation»so tun als ob«. Und er kann die mitreißenden Auswirkungen von Flow und Fiero erfahren, zwei Termini, die speziell in der Spieleforschung große Bedeutung haben:»fiero is what we feel after we triumph over adversity. You know it when you feel it and when you see it. That s because we almost all express fiero in exactly the same way: we throw our arms over our head and yell.«(mcgonigal 2011, 33) Der Aufstieg der digitalen Spiele 10:35 Amazon.de Literaturtipps recherchieren David Sudnow staunte nicht schlecht, als er Anfang der 1980er Jahre süchtig wurde. Schuld daran war ausgerechnet das digitale Spiel Breakout, bei dem es lediglich darum ging, ping-pong-artig einen Ball immer wieder gegen eine Wand aus Klötzen zu schießen und diese damit zum Verschwinden zu bringen. Das Spielprinzip war simpel, die Grafik in dieser Anfangsphase digitaler Spiele recht pixelig. Und doch war Sudnow so mitgerissen, dass der Soziologe sich inspiriert fühlte, seine Erfahrungen in dem Buch»Pilgrim in the Microworld«niederzuschreiben die erste Autoethnografie über Erfahrungen mit digitalem Gameplay (Sudnow 1983). Sudnow beschreibt detailliert, wie ihn das Geschehen im Spiel nicht mehr loslässt auch nicht dann, wenn der Bildschirm längst ausgeschaltet ist:»when I wasn t at the TV, I was practicing the sequence in my imagination, walking down the street, sitting in a cafe twirling a salt shaker, looking up during dinner in a Japanese restaurant at a bamboo and rice paper trellis with Breakout-like rectangles on the ceiling just waiting to get back to the game.«(sudnow 1983, 35)

93 Dass Sudnow ausgerechnet einem digitalen Spiel verfallen ist, war kein Zufall. Zwar beflügeln Spiele seit jeher die Fantasie der Menschen. 15 Eine echte Sogwirkung entfalten Spiele mit ihrer Wirkung von Flow und Fiero, der allmählich wachsenden und nur durch stetiges Training zu bewältigenden Herausforderung und den wohl dosierten Belohnungsmechanismen erst dann, wenn das Spiel potentiell ständig verfügbar und nur einen Knopfdruck entfernt ist. Digitale Spiele und die Rolle, die sie in der Gegenwartskultur spielen, sind daher in vielerlei Hinsicht einzigartig und neu (Huhtamo 2007). Ihre schiere Verbreitung ist eng verknüpft mit der Tatsache, dass die meisten Menschen heute ohnehin einen Multimedia-PC und ein Smartphone besitzen und sich zum Spielen nicht zwangsläufig ein zusätzliches Device kaufen müssen. 16 Das Konzept des Magic Circle lässt sich auf die digitalen Spiele nur auf den ersten Blick anwenden. Zwar formen Spieler, Display und Eingabegerät scheinbar einen Magic Circle. Doch wo findet das Spielegeschehen statt? Der eigentliche Möglichkeitsraum des Digitalen Spieles ist der Cyberspace, ein Begriff, der von Romanautor William Gibson Anfang der 1980er Jahre geprägt wurde (Gibson 1984). In Videospielehallen beobachtete Gibson damals Kids, die»mit hoher körperlicher Intensität«(Ramm , 134) an ihren Konsolen spielten, ganz so, als wäre da»etwas hinter den Bildschirmen«(ebd.). Manchmal spielen die Menschen mit oder gegen computergesteuerte Non- Player-Characters (NPOs), die, abhängig von der ihnen einprogrammierten künstlichen Intelligenz (KI), tatsächlich ein Eigenleben zu entwickeln scheinen. Manchmal handelt es sich auch um menschliche Mitspieler, die dasselbe Spiel spielen obwohl sie sich an unterschiedlichen Orten befinden oder sogar zeitversetzt agieren. Das internetgestützte vernetzte Spiel ist ein weiterer Schritt in die Richtung des omnipräsenten Spielens: In Massive Multiplayer Online Games (MMOs) sind hunderte oder gar tausende Spieler, die sich meist noch nie im wirklichen Leben begegnet sind, global vernetzt. In Spielewelten wie»world of Warcraft«werden ständig Planeten zerstört und Drachen getötet (Kunz). Und auf den gepflegten Rübenäckern von»farmville«17 breitet sich Unkraut aus, egal, ob sich der Einzelne aktuell aktiv am Spiel beteiligt oder nicht. Dass solche Spieledesigns den Spieler auch jenseits von Monitor und Joystick fesseln, ist einleuchtend. Fischer (2013, 136) konstatiert:»jeder Moment, in dem der Spielende sich nicht dem Spiel widmet, kann für seine Konkurrenten von Vorteil sein.«) Der Magic Circle ist für die Analyse solcher Art von Effekten nur noch bedingt geeignet. Die bislang harscheste Kritik am Konzept des Zauberkreis erklingt folgerichtig auch aus der digitalen Spieleforschung. Consalvo (2009) stellt provokativ fest:»there is no magic circle.«und Lehdonvirta schreibt:»the world of players does not respect the boundaries of an MMO server, as it frequently flows over to other sites and forums. At the same time, Michael Metzger Urban Games 93

94 other social worlds, such as families and workplaces, penetrate the site of the MMO and are permanently tangled with the players, world.«( Lehdonvirta 2010). Mobile Gaming und Urban Games 11:40 Eigene Homepage bearbeiten (Noten hochladen, Texte verändern) Die endgültige Befreiung des Spieles aus den Grenzen des Magic Circles hängt eng zusammen mit einigen technologischen Entwicklungen im Bereich der digitalen Spiele. Eingabegeräte wie der Controller bei Nintendo Wii oder die Sensorik von Microsofts X-Box Kinect erlauben es, das Geschehen auf dem Bildschirm durch die bloße Bewegung der Hand oder des ganzen Körpers zu steuern. Der Einsatz von GPS- und Bewegungssensoren sowie die Kamerafunktion von Handys ermöglicht die Entwicklung neuer Spielekonzepte, die darauf reagieren, wo sich der Spieler gerade aufhält und wie die physische Umwelt gestaltet ist. Bei der internetgestützten Schatzsuche Geocaching zieht der Spieler zwar alleine los, um in der physischen Welt einen versteckten Gegenstand zu entdecken. Den genauen Standort erhält er allerdings über ein Internetportal, wo auch der MMO-Gedanke aufgegriffen wird, weil online alle anderen Schatzsucher auf der ganzen Welt die Suche mitverfolgen können. Smartphone-Applikationen wie Foursquare oder World of Fourcraft vergeben beispielsweise Punkte für häufiges Besuchen bestimmter Locations einer Stadt (Fischer 2013, 127). Und auch MMOs wie Ingress 18 oder Shadow Cities 19 verlangen vom Spieler Aktionen in seiner alltäglichen Umgebung, um das Spielziel zu erreichen. Je nach dem Grad der technologischen Durchdringung solcher Spiele werden dem Spieler teilweise spezielle Fähigkeiten der location awareness abverlangt, das heißt, er benutzt sein Display wie ein Radar, um seinen eigenen Standort, den seiner Mitspieler und Gegner im Laufe des Spieles immer wieder neu einzuschätzen, während er scheinbar alleine durch den urbanen Raum navigiert (Grüter et al. 2011). Der Einsatz solcher Technologien spielten bei Spreezone eine untergeordnete bzw. gar keine Rolle. 20 Spielfeld Berlin Das Spielfeld von Spreezone war Berlin sowohl real als auch virtuell. In einem einführenden Schulungsvideo wurde uns Spielern eine Version der Stadtgeschichte präsentiert, in deren Lesart die Umwandlung in einen Vergnügungspark nur konsistent erscheint. Der entsprechende Eintrag in meinem Feldtagebuch beschreibt die Umdeutung.

95 »Eine Vogelperspektive zeigt den historischen Lunapark am Halensee reißen wir den Park ab und konzentrieren uns auf Germania, heißt es im Schulungsvideo. Der Bau der Berliner Mauer: Lediglich Aussichtsplattformen für einen Probelauf von Spreezone, aber: Die einsehbare Zone erweist sich jedoch als zunehmend unkontrollierbar. Der Mauerfall habe dann endlich den Weg frei gemacht für die nächste Attraktion namens Stadtschloss. Der Bundestag beschließt nach ersten Beta-Tests 2002 den Bau als Zentrum des kommenden Parks, so die Texteinblendung. Eine Vision wird entworfen, in der überall in Berlin Vergnügungs-Attraktionen aus dem Boden sprießen. Dann der Hinweis: Doch ohne Sie wird nichts davon Wirklichkeit! [ ] Denn nur Sie, als ausgebildete Schausteller der Spreezone, verfügen über das Know-How und die Findigkeit, Attraktionen zu entwerfen, zu realisieren und dann auch Besucher dorthin einzuladen.«21 In dem Narrativ des Spiels wird die Berliner Stadtgeschichte umgedeutet in einen Prozess mehrerer Versuche, einen Vergnügungspark zu errichten. Beim Spielfeld handelt es sich nicht um eine abstrakte Konstellation von farbigen Strichen und Formen oder um eine fiktive Welt, sondern um das kartographische Abbild von Berlin, basierend auf dem Kartenmaterial von GoogleMap. 22 Aus der Perspektive der kritischen Geographie stellen Karten einen Teil von Diskursen, symbolischen Ordnungen und Machtverhältnissen dar. Karten»sind Produkte privilegierten Wissens und zugleich selbst Produzentinnen und Stabilisatorinnen von Machtverhältnissen, indem sie beanspruchen, Gegebenes abzubilden und dieses zugleich naturalisieren. (Harley 2009) Mit Kartenmaterial zu spielen und es umzudeuten heißt also auch, mit Machtverhältnissen zu experimentieren. 23 Die Berlin-Karte im Internet fand ihre Entsprechung im urbanen Stadtraum. Wer als Spieler innerhalb der dreiwöchigen Spielphase durch die Stadt navigiert ist, befand sich immer zugleich in seiner alltäglichen Umgebung und der Spielewelt von Spreezone. Diese Überlagerung von Alltag und Spiel wurde gleich zu Beginn deutlich, wenn einem Spieler seine Spiele-Identität auf den Personalausweis geklebt worden ist. Spielerin Bettina berichtet im Interview:»Gleich zu Spielbeginn wurde ja jedem Spieler so ein Sticker mit der eigenen Rollenidentität auf den Perso geklebt, genau über das eigene Passfoto. Wenn ich jetzt außerhalb des Spieles meinen Ausweis mal vorzeigen musste, bei Behörden oder so was, dann wurde ich durch diesen Aufkleber sofort wieder in die Spielewelt zurückgeholt. Jetzt, wo das Spiel vorbei ist, hab ich gemerkt dass der Aufkleber total schwer wieder abgeht! Ich lasse ihn einfach auf meinen Perso kleben, dann erinnert er mich immer an Spreezone.«24 Michael Metzger Urban Games 95

96 12:00 Gayromeo Nachrichten checken, durch Seiten klicken. Moodle: Texte runterladen und ausdrucken. Nachrichten in Foren beantworten Der auf diese Weise verfremdete Personalausweis wurde nunmehr zu einem Spieleartefakt, den der Spieler als Eintrittskarte und Erkennungsmerkmal gegenüber den anderen Spielern benutzen konnte oder, vor allem nach Ende des Spieles, als Trophäe. Um dem Spieler das Jonglieren zwischen Alltagsund Spielerolle zu erleichtern, waren an den großen»themenwelten«portale angebracht, deren Durchschreiten verglichen werden kann mit Initiationsriten: Nicht die Umgebung verändert sich, sondern dem Spieler selbst wird signalisiert, dass nun seine im Personalausweis und in der virtuellen Welt bereits latent vorhandene Spieler-Identität neu»aktiviert«wird und eine aktive Spielephase beginnt. Im urbanen Raum wurden dafür Elemente aus der virtuellen Karte wieder aufgegriffen: So schwebten etwa die Schriftzüge»Casino Sozial Hellersdorf«aus Styroporbuchstaben gebastelt derart über einer Wiese in der Nähe des S-Bahnhofes, dass sie aussahen wie die dreidimensionale Straßenbenennung des virtuellen Navigationsdienstes von Google Street- View. Auf eben dieser Wiese habe ich selbst solch ein Portal durchschritten, um die Welt von Spreezone zu betreten. In meinem Feldtagebuch habe ich vermerkt:»hier stehe ich nun, mitten auf einem Brachland in Marzahn. Um mich herum nichts außer vertrockneten Grashalmen, in der Mitte des Feldes ist ein improvisiert zusammen gebasteltes Tor aus Plastikstangen und Karnevals-Girlanden etwas erhöht auf einer Art Holzpodest aufgebaut. Langsam nähere ich mich dem Aufbau. Zwei Ranger stehen daneben und feuern mich an, während ich den holzbrückenartigen Zugang hinauflaufe. Als ich das Tor durchschreite, erklingt aus einer mir nicht sichtbaren Soundanlage eine Hymne. Es ist die Titelmelodie von Jurassic Park, und genau wie die Forscher und Abenteurer in dem bekannten Dinosaurier-Film durch ein riesiges Eingangsportal eine ihnen unbekannte, wilde Welt betreten haben, so lasse auch ich nun das mir bekannte Berlin hinter mir. Wie auf einer Safari fühle ich mich, als ich auf der anderen Seite der Pforte die Treppe wieder hinabschreite. Und obwohl ich mich noch immer auf der Brache in Marzahn befinde, bin ich nun ein Entdecker. Hallo neue Welt!«25 Irritationen und Provokationen 400 Spieler haben über einen Zeitraum von drei Wochen sowohl im Internet als auch im urbanen Stadtraum gespielt. Sie haben sich einen Vergnügungspark innerhalb der Stadtgrenzen Berlins erschaffen, imaginär, virtuell und haptisch. Wo es aber kein»drinnen«und kein»draußen«gibt und alles Spielfeld ist, da greifen weder das Konzept des Magic Circles noch dessen schützende

97 Funktionen. Zu Konflikten und Irritationen kam es immer dann, wenn Spieler von Spreezone im Spieleverlauf mit ihrer Umgebung in Interaktion traten. Beim Monsterschaukampf im Stadtteil Halensee positionierten sich beispielsweise einzelne Spieler in Monsterkostümen auf Holzpodesten. Diese so genannten»avatare«mussten nun von vorbeilaufenden Passanten gesteuert werden. Es waren meist Kinder aus der Nachbarschaft, die großen Spaß daran fanden, in den mit Kreide auf den Boden gemalten»steuerungseinheiten«box- und Trittbewegungen auszuführen, welche sodann von den Monstern nachgeahmt wurden. Die Reaktionen von Erwachsenen fielen anders aus. In meinem Feldtagebuch habe ich notiert.»die Kinder aus den umliegenden Häusern strömen in Scharen zu unserem Monsterkampf, ganz so, als wäre es das erste Mal, dass in dieser wohlhabenden Wohngegend mal etwas Spannendes auf der Straße geschieht. Weniger erfreut scheinen die erwachsenen Anwohner zu sein. Vor allem vorbeifahrende Autofahrer strafen uns mit grimmigen Blicken und warnenden Hupen, obwohl wir die Fahrbahn überhaupt nicht versperren. Im schwarzen Mercedes wird ein Vater von seinem Kind immer wieder am Weiterfahren gehindert, weil der Kleine vom Rücksitz aus unser Schauspiel bestaunen möchte. Aussteigen und Mitspielen darf das Kind aber nicht. ( ) Eine besorgte Mutter findet ihr Kind bei unserem Monsterkampf. Der Kleine hat sich offenbar ohne Abmeldung aus dem Haus geschlichen. Obwohl wir alle zusammen einen Riesenspaß am Spiel haben, droht die Mutter damit, die Polizei zu verständigen.«26 Auch bei der Themenwelt Grafoti-Motion-Bingo wurden die Spieler von Spreezone dazu angehalten, mit der nicht-spielenden Umgebung zu interagieren. Anders als beim Monsterschaukampf stand hier aber nicht das Kreieren einer neuen Attraktion im Zentrum der aktiven Spielephase, sondern das Fokussieren des Blickes auf etwas, das in der alltäglichen Wahrnehmung meist untergeht. Die Aufgabe der Spieler bestand darin, verschiedenste Graffitis im Stadtviertel Moabit abzufotografieren. Die auf diese Weise entstandenen Bilder, im Spiele-Jargon Grafotis genannt, wurden nach einem Punktesystem bewertet, das stark an Scrabble oder auch Poker erinnerte: Eine bestimmte Wortlänge gab Sonderpunkte, ebenso wurden gleiche Anfangs- und Endbuchstaben oder ein bestimmtes Farbpärchen beziehungsweise trio oder quartett mit Prämien goutiert. Auf der Suche nach möglichst großen und bunten Graffitis beim»grafoti-motion-bingo«überwanden die Spieler, allesamt einem akademischen und kreativen Milieu entstammend, Grenzen ihrer sozialen und kulturellen Zugehörigkeit, und forderten spontan jugendliche Sprayer osteuropäischen Migrationshintergrunds auf, ihnen ihre besten Kunstwerke zu präsentieren. Michael Metzger Urban Games 97

98 Als letztes Fallbeispiel für Raumdurchdringungseffekte in Spreezone seien die beiden Stationen Kabinett der lebenden Wachsfiguren und kollektiver Elektrisierautomat angeführt. Die Lokalitäten, ein Fetisch- und SM-Lokal in Kreuzberg und ein Swinger-Club in Tempelhof dürfte den meisten Teilnehmern eher fremd gewesen sein. Das Wachsfiguren-Spiel fand während einer regulären SM- Performance statt und bestand aus der Annahme, dass alle anderen Lokalbesucher keine Menschen seien sondern Wachsfiguren, deren Lebensgeschichte ein als Geschichtenerzähler definierter Spieler jeweils erfinden und zum Besten geben musste. Die Spielerunde im Swingerclub erinnerte stark an eine Schnitzeljagd: Nach und nach mussten bestimmte Figuren wie der Türsteher, der Weiße Ninja oder der Clubbesitzer ausfindig gemacht werden, sodass mit deren Hilfe weitere Aufgaben gelöst werden konnten. Das Erreichen des Spielziels war aber nicht das einzige, was den Spielern in Erinnerung geblieben ist. Im Interview zieht Spielerin Anne ihr Resümee:»Da hab ich mich gefragt, hallo, wer sind denn jetzt hier die Exoten? Sind das immer noch die anderen Gäste, weil die alle eine andere Art von Sex praktizieren als ich? Oder bin das jetzt nicht vielmehr ich, weil ich hier so gar nicht reinpasse? Da kam stark die Frage durch: Warum bin ich jetzt hier. Und dann der Anspruch: Jetzt sollte ich das mal als Realität wahrnehmen, die nun mal auch existiert in meiner Stadt.«27 Jenseits des Zauberkreises 12:05 Handy-Rechnung über Anbieterseite runterladen Es ist das Wechselspiel zwischen Kontinuität und Bruch, welches kulturelle Vorgänge kennzeichnet (Huhtamo 2007). Bei den Raumdurchdringungseffekten des Spielens handelt es sich keineswegs um genuin neue Phänomene der letzten Jahre. Norbert Elias und Eric Dunning (2003) haben beschrieben, wie in einer sehr frühen Form des Fußball ganze Dörfer Großbritanniens vom Spielfieber erfasst wurden und auf dem freien Feld gegeneinander um die gefüllte Blase eines Schweins rangen. In süddeutschen Regionen ist es seit Langem Brauch, dass Jugendgruppen durch benachbarte Dörfer ziehen, um dort den Maibaum zu klauen. Und im rheinischen Karneval befinden sich Köln, Bonn, Düsseldorf und alle dazwischen liegenden Dörfer für Wochen und Monate im Ausnahmezustand. Beim analytischen Vergleich von Phänomenen ist es immer fruchtbar, nach Gemeinsamkeiten zu bereits Dagewesenem zu suchen. Doch beim kollektiven Dörfer-Fußball, dem Karneval oder dem Maibaumklau ist allen beteiligten und auch nicht-beteiligten Personen bewusst, dass es sich um einen temporären Ausnahmezustand handelt. Ein Reiz des Urban Games besteht hingegen darin, dass die Spieler eine eingeschworene Gemeinschaft bilden und die nicht-spielende Umwelt nicht wissend und bestenfalls irritiert zurücklassen.

99 Ein anderer Reiz des Urban Games ist die Größenordnung. Wie bei einem MMO sind hunderte nicht miteinander bekannte Spieler dezentral über die ganze Stadt mehrere Wochen lang miteinander vernetzt. Dieses Element unterscheidet ein Urban Game von Projekten wie dem»dérive«, einer spielerischen Technik der Stadtwahrnehmung, die in den 1960er Jahren von der Situationistischen Internationalen um Guy Débord entwickelt wurde, allerdings nur mit einer kleinen Gruppe in einem Zeitfenster von maximal ein paar Stunden durchgeführt wird. 28 Die zeitliche und räumliche Dimension des Gameplays und die damit verbundene Problematik der Verknüpfung einer Masse an potentiellen Mitspielern sowie das Aufrechterhalten des Spielenarrativs werden erst durch Etablierung und Verbreitung von digitaler Technik möglich. Erfahrungen mit digitalen Spielen senken zudem die Vorbehalte gegenüber einer Kooperation mit unbekannten Mitspielern sowie gegenüber der Durchdringung von Alltag und Spiel und den damit verbundenen Risiken. Sowohl aus einer akteurszentrierten als auch aus einer gesellschaftswissenschaftlich-analytischen Perspektive kann daher festgestellt werden: Auch wenn zahlreiche Elemente der Urban Games nichts genuin Neues sind, erhebt die Art des Remixens und der Einfluss aus digitalen Spielen dieses Genre zu einem Spielen von neuer Qualität. Diese Art von neuen Spielen lässt sich mit dem Huizingas Konzept des Magic Circle, das den Wirkungsradius eines Spieles an eine räumliche Abgrenzung zur Außenwelt koppelt, analytisch nicht mehr erfassen. In der englischsprachigen Spieleforschung hat die Suche nach alternativen Theoriemodellen schon begonnen. 29 Für die Forschung meiner Studie greife ich auf das Konzept der Rahmenanalyse (englisch»frame Analysis«) von Erwing Goffman zurück, der sich, aus einer ähnlichen Denkrichtung kommend, ebenfalls mit subjektiv erfahrbaren Realitäten beschäftigt.»in Erving Goffman s Frame Analysis, the claim is made that social frameworks enable the people operating within them to understand actions of other participants. In addition, multiple social frameworks may be applied at one time, with different events, actions, and items of information fitting into the appropriate frame, and all frames taken together forming a structure within which a participant may make sense of a situation.«(wanenchak 2010) Mit dem Konzept der Frame Analysis ist zu erklären, auf welche Weise die Spieler eines Urban Games flexibel und immer wieder zwischen ihren Alltags- und Spielerollen sowie zwischen urbanem Raum und damit identischer Spielewelt wechseln können. Analytisch lässt sich das Spielen so von seinem räumlich abgesteckten Raum lösen und stattdessen akteurs- und handlungszentriert definieren. Die Zugehörigkeit zu einer eingeschworenen Gemeinschaft spielt bei Goffman ebenfalls eine zentrale Rolle. Der Rahmen eines Handelns wird Michael Metzger Urban Games 99

100 12:30 Buchcover per Scanner einscannen. Angebote bei booklooker bearbeiten und online einstellen bestärkt und lässt sich nur dann aufrechterhalten, wenn er von einem Gegenüber gestützt wird, welcher die jeweilige Weltsicht und die subjektiven Sinnzusammenhänge teilt und bestätigt. (Goffman 2000, 43). Dieses»Miteinander«kann auch darin bestehen, dass sich andere Mitspieler jederzeit via SMS, oder Social Media in kommunikativer Nähe befinden. Feine Nuancen lassen sich mit Hilfe der Frame-Analysis herausarbeiten. Im Spiel Spreezone beispielsweise ist wohl zu keinem Zeitpunkt irgendein Spieler dem Spielenarrativ derart verfallen, dass er sich wahrhaftig für einen Schausteller gehalten hat. Goffman erklärt mit dem Begriff der Rollendistanz, dass Menschen gleichzeitig eine kritische Distanz zu ihren Rahmungen halten und dennoch die ihnen innewohnende Eigenlogik als Legitimation für bestimmte Handlungen heranziehen können (Goffman 1966). Diese Handlungen wiederum haben durchaus reale Konsequenzen. Einprägsam hat es der Soziologe William Isaac Thomas in dem nach ihm benannten Thomas-Theorem auf den Punkt gebracht:»if men define situations as real, they are real in their consequences«(thomas 1928, ). Forschungsperspektiven An den Schnittstellen von Spiel und Alltag ergeben sich für die kulturanthropologische und ethnologische Forschung zahlreiche Fragestellungen. Das Urban Game trifft auf einen öffentlichen Raum, der sich, geprägt durch Globalisierung, Privatisierung und die Selbstkulturalisierung der Städte (Reckwitz 2011), einem rasanten Wandel ausgesetzt sieht und seit den 1980er Jahren immer mehr zurückgedrängt oder reglementiert wird (ebd). Seit dem Anfang des 21. Jahrhunderts ist jedoch eine neue»neue Lust auf Stadt«(Keller und Ruhne 2011) zu beobachten. Die Zivilbevölkerung drängt, oftmals unterstützt durch digitale Werkzeuge und technikgestützte Kommunikationskanäle, in den öffentlichen Raum zurück. Phänomene wie Flash-Mobs, Smart Mobs, Parking Days oder Guerilla Knittings enthalten ebenfalls spielerische Elemente, gleichzeitig spielen sie mit scheinbar gesetzten Grenzen von Privatheit und Öffentlichkeit, von Alltag und Ausnahmezustand (Rheingold 2002). In den Urban Games kulminieren solche Entwicklungen derart, dass manche Autoren aus dem omnipräsenten Spielen ein Alltag umfassendes Konzept für ein besseres Leben extrahieren (Kane 2004, McGonigal 2011, 6). Der urbane Raum selbst, nach lefebvrescher Lesart ohnehin ein soziales und konstruiertes Produkt (Lefebvre 2006, 330), wird von einer spielenden Zivilbevölerung nach und nach in einen»playful space«transformiert (de Souza e Silva und Hjorth 2009). Wer solcherlei Aktivitäten nur als»party«begreift, bleibt an der Oberfläche (Kaschuba 2009). So harmlos Spiele auf den ersten Blick aussehen mögen, können sie»immer auch als eine neue symbolische Qualität gelesen werden: als Schritte hin zu einer Rück-Eroberung des öffentlichen Raumes«(ebd).

101 Anmerkungen 1 Als Kundenmagazin der Berliner Sparkassen liegt Berliner Akzente kostenlos in jeder Filiale der Hauptstadt aus und beschäftigt sich in der Regel eher mit massenkulturtauglichen Themen. Schlagzeilen sind etwa»berlin blüht«zum Frühlingsbeginn,»Gut gelaufen«für einen Jogging-Ratgeber oder»keine Lust auf Ruhestand«für Aktivitäten im Rentenalter. 2 Berliner Akzente Ausgabe 2/2012, herausgegeben von der Berliner Sparkasse. 3 Aus sprachästhetischen Gründen wird im weiteren Verlauf auf das generische Maskulinum zurückgegriffen. Gemeint sind immer alle Geschlechter. 4»Street Gamer [ ] verlegen Spiele-Klassiker ins richtige Leben [ ]«, heißt es in einer Reportage bei Spiegel Online (Wenzel).»Mit ihren Aktionen machen sie die Stadt zum Spielfeld und irritieren Passanten.«Auf der Homepage von Zeit Online wird das Thema unter einem internationalen komparativistischen Schwerpunkt aufgegriffen (Rittmann 2012). Und die Berliner Zeitung berichtet über das Spiel Spreezone (Seidler 2012), ein Spiel, das auch den Fokus der im Folgenden skizzierten Forschung darstellt. Den Journalisten scheint es schwerzufallen, das soeben gefundene neue Genre greifbar zu machen.»eine Spielanleitung kann hier nicht referiert werden; die beunruhigende Vision besteht irgendwie darin, dass die graswurzelhafte Spielgemeinschaft die Dienstleistungsrealität der Stadt unterwandert und Berlin zum Spielplatz aushöhlt«, schreibt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung. Und im Voiceover des Videobeitrags»Daddeln für Offliner«für den Kultursender arte heißt es nicht minder blumig:»zu Hause hocken und Computerspielen war gestern. Die neue Gamerszene geht wieder raus auf die Straße. ( )»Pervasive Games«nennen sich diese neuen Spielformen für Liebhaber sozialer Retrotrends. Es geht um Interaktion und Teamgeist.«( videos/daddeln_fuer_offliner_die_neue_strassenspielbewegung_ html, aufgerufen am ). 5 aufgerufen am Vgl. aufgerufen am Vgl. aufgerufen am aufgerufen am 20. Januar Die Begrifflichkeiten befinden sich derzeit im Fluss.»Street Game«,»Urban Game«und»Pervasive Game«werden teils willkürlich und austauschbar als Termini gebraucht, teils verweisen sie auch auf unterschiedlich akzentuierte Unterkategorien im Game-Design. Der Einfachheit halber, und weil die feldinternen Ausdifferenzierungsprozesse noch längst nicht abgeschlossen sind, werden in diesem Aufsatz sowohl das Spiel Spreezone als auch die Oberkategorie des gesamten Genres als Urban Game bezeichnet. Fischer (2009) identifiziert im Gameplay die Schwerpunkte»Wettstreit«,»Verfolgung«und»Schatzsuche und Entdeckung«, Schwerpunkte, die ich in den verschiedenen Spielephasen von Spreezone allesamt in wechselnder Ausprägung ebenfalls identifizieren konnte. Souza e Silvia (2009) versucht unter Berücksichtigung des Einsatzes digitaler Technik im Spiel eine Einordnung in die Kategorien»urban«,»location-based«und»hybrid«vorzunehmen. Um selbst einen Überblick über die verschiedenen sich andeutenden Sub-Genres zu erhalten, habe ich zahlreiche weitere Spiele mit teilnehmender und nicht-teilnehmender Beobachtung untersucht. Ausschlaggebende Faktoren, die sich nachhaltig auf Raumwahrnehmung und Gameplay auswirken, sind meiner Meinung nach die Höhe des Zeitaufwandes, die Anzahl der Spieler, die Größe des Spielfeldes, sowie die Dominanz der eingesetzten technischen Hilfsmittel, des Narratives und der Kompetitivität. 10 Der Hauptteil meiner empirischen Forschung fand während der eigentlichen Spielephase in einer beobachtenden Teilnahme sowie verschiedensten Kurz-Interviews statt. Michael Metzger Urban Games 101

102 13:20 Mail-korrespondenz zur Planung einer konzertanten Veranstaltung Im Anschluss daran habe ich mehrere leitfadengestützte qualitative Interviews mit anderen Spielern geführt sowie ein ausführliches Experteninterview mit dem Spieledesigner Sebastian Quack von der Agentur Invisible Playground, welche maßgeblich für Konzeption und Durchführung von Spreezone verantwortlich war. Seitdem bewege ich mich weiter im Feld, besuche Konferenzen und Podiumsdiskussionen zuletzt aufgerufen am Da Huizinga starke Parallelen zwischen Spielen, Ritualen und sakralen Handlungen ausmacht, nennt er als Beispiele für solche Magic Circle den Spieltisch, den Tempel, die Bühne, die Filmleinwand oder den Gerichtshof als solcherlei magic circle (Huizinga 2004, 18). 13 Diskutiert wird beispielsweise die grundsätzliche Frage, ob es sich beim Spiel tatsächlich um eine produktive Tätigkeit handele oder doch nur um Zeitverschwendung (vgl. Caillois und Barash 2001, Suits 2005, Sutton-Smith 1997 und Juul 2005). 14 Nicht immer ist es das Spiel, welches durch den Magic Circle von der Außenwelt geschützt wird. Mitunter verhält es sich auch umgekehrt. Lastowska (2009) argumentiert aus einer juristischen Perspektive, weshalb weltliche Gerichtsbarkeit nur bedingt bei Vorfällen innerhalb eines Magic Circle greift:»when a sumo wrestler enters the»magic circle«of the dohyo or the professional boxer enters the space and time of the bout, the rules of what social behaviors are desirable and forbidden are suddenly, radically changed. Violent and powerful physical attacks against another person, which are normally forbidden by law and social norms, become the obligatory mode of conduct.«lastowska 2009, Johan Huizinga selbst zählt im gesamten zweiten Kapitel des»homo Ludens«anhand zahlreicher Beispiele auf, wie allgegenwärtig das Spiel in der Sprache ist (Huizinga 2004, 9 37). Geflügelte Worte wie jemanden»schach-matt«setzen,»ein Ass im Ärmel zu haben«oder das englische»playing a game on someone«zeugen allerdings eher von einer Imaginationskraft auf der Ebene von Allegorien und Metaphern. 16 In einer Studie aus dem Jahr 2010 gab bereits ein rundes Drittel aller Deutschen an, digitale Spiele zu benutzen. Die Zielgruppe erweitert sich stetig: Vier von fünf Jugendlichen spielen digitale Spiele, aber auch 30 Prozent der 40- bis 49jährigen und jeder Sechste in der Altersgruppe 50 bis 59. Bitkom Bei Farmville handelt es sich um eines der ersten Social Games, die, eingebettet in das Social Network Facebook, zu einem Massenphänomen avancierten. Zeitweise waren über 75 Millionen Spieler damit beschäftigt, virtuelles Gemüse anzubauen und Schafe zu hüten. Vgl. zuletzt aufgerufen am aufgerufen am aufgerufen am Aus Kostengründen, und um die Hürde für einen Spieleinstieg niedrig zu halten, wurde in Spreezone größtenteils auf den Einsatz solcherlei digitaler Technologie verzichtet. Jeder Spieler benötigte lediglich ein SMS-fähiges Telefon und Zugriff auf einen internetfähigen Computer. Seine technikreduktionistische Konzeption lässt das Spiel in die Nähe der Head-Up-Games (HUG) rücken, eine Unterkategorie, innerhalb derer eine zu starke Technikdominanz als Gefahr für ein intensives und unmittelbares Spieleerlebnis betrachtet wird (Soute et al. 2010). Dieser Umstand erweist sich für die durchgeführte Forschung als Glücksfall: Statt sich allzu lange am technisch Machbaren oder Details von Interface und Programmierung aufzuhalten, konzentriert sich die Analyse auf die Handlungspraxen und Verhaltensroutinen, die zunächst in digitalen Zusammenhängen etabliert und nun in spielerischem Kontext in den urbanen Raum transferiert werden. 21 Feldtagebuch, Eintrag vom 29. Mai Das Schulungsvideo ist abrufbar unter zuletzt aufgerufen am

103 Das Umbenennen markanter Orte in Themenwelten wie beispielsweise»casino Sozial Hellersdorf«für den Bezirk Marzahn-Hellersdorf,»Magic Kingdom Hostelworld«für Stadtmitte oder»schatzinseln Halensee«für das Westberliner Villenviertel sind weitere Formen des Anspruches auf Deutungshoheit, die innerhalb des Spieles erhoben wird. 24 Blitzinterview mit Spielerin Bettina, 33 Jahre alt, im Rahmen des Spreezone Auswertungstreffens am 26. Juli 2011.Beim Überkleben des Personalausweises handelt es sich um eine besonders nachdrückliche Art der Zuschreibung: Der Personalausweis als standardisierte Identifizierungsvorrichtung versichert, dass jemand existiert, tatsächlich erkannt ist und eine Legitimation für seine Anwesenheit besitzt (Scheffer 1997, 183). Das Lichtbild ist ein herausragendes Merkmal des Ausweises: Es ist das optische Signalelement, welches andere Einträge im Ausweis eindeutig und auf den ersten Blick zuordenbar machen soll mit dem tatsächlichen Ausweisinhaber (ebd.). Ein Überkleben dieses Signalelementes mit dem Aufkleber von Spreezone stört den Alltag des Ausweisinhabers innerhalb und außerhalb des Spieles. 25 Feldtagebuch, Eintrag vom 11. Juni Feldtagebuch, Eintrag vom 5. Juni Interview mit Spielerin Anne vom Débord zusammenfassend heißt es bei Knabb, dérive sei eine»technique of rapid passage through varied ambiences«, inklusive»playful-constructive behavior and awareness of psychogeo- graphical effects«knabb Consalva verweist auf den historischen Kontext, in welchem der Homo Ludens veröffentlicht wurde:»when Huizinga (1950) wrote about the magic circle, our sense of space and place was radically different from what it is now. In suggesting a place set apart from everyday life, that space could be envisioned as geographic space fairly easily.«(consalva 2009, 410) In heutigen Zusammenhängen, so Consalva, sollte das Konzept des»place set apart«auf imaginierte Räume erweitert werden. Lehdonvirta und andere Autoren empfehlen zur Erklärung von Raumdurchdringungseffekten das Konzept der»social worlds«von Anselm Strauss, wo»social reality as a whole is seen as con- sisting of numerous social worlds of varying size which overlap, intersect and segment into sub- worlds. [ ] On the other hand, the degree of authenticity of one s membership and activities can be under constant debate and negotiation«(strauss 1978, 123). Literatur Bitkom (2010): Computerspiele kommen aus der Nische. Online verfügbar unter Borries, Friederich von; Walz, Steffen P.; Böttger, Matthias (Hg.) (op. 2007): Space time play. Computer games, architecture and urbanism : the next level. Basel: Birkhäuser. Caillois, Roger; Barash, Meyer (2001): Man, Play, and Games: University of Illinois Press. Chudacoff, Howard P. (2007): Children at play. An American history. New York: New York University Press. Consalva, Mia (2009): There is no magic circle. In: Games and Culture 4 (4), Consalvo, Mia (2009): There is no Magic Circle. In: Games and Culture (4), Online verfügbar unter Elias, Norbert; Dunning, Eric (2003): Volkstümliche Fußballspiele im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen England. In: Norbert Elias, Eric Dunning und Detlef Bremecke (Hg.): Sport und Spannung im Prozess der Zivilisation. 1. Aufl. [S.l.]: Suhrkamp (7). Michael Metzger Urban Games 103

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106 Privatheit in digitalisierten Zeiten Jan Schnorrenberg Tagebücher. Die Bastion der privaten Informationen, sie zu öffnen und gar zu lesen: Ein Sakrileg. Aber ein öffentlich einsehbares Tagebuch? Nahezu alle Einträge in einem digitalen Tagebuch sind nachprüfbar im Internet zu finden. Die Grenzen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit sind unscharf geworden, Privates wird öffentlich und Öffentliches wird privat. Für die empirischen Kulturwissenschaften und die ethnologische Forschung in digitalen Kontexten ist der Wandel im Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit von zunehmender Bedeutung. Die Forschungsfelder verändern sich und machen folgende Fragen notwendig: In welche Richtung entwickeln sich die gegenwärtigen (westlichen) Vorstellungen und Praxen von Privatheit? Was sind die Folgen für Feldforschungen und ihr Erschließen von digitalen Forschungsfeldern? Und welche Rolle spielt die eigene Privatsphäre der Forscher*innen? 1 Nachfolgend werden diese Fragen reflektiert. Bei der Forschung handelt es sich um ein Feldtagebuch, in welchem ich meine individuelle Mediennutzung an einem Tag im Sommer 2012 protokolliert habe und dort Einblick in meine eigenen Praxen der Privatheit gewinnen konnte. Privatheit: Räume des Authentischen und der Definitonsmacht 14:00 Youtube Videos durchgeklickt»[privacy] has been hailed as an integral part of our humanity, the heart of our liberty, and the beginning of all freedom. Privacy, however, is a concept in disarray. Nobody can articulate what it means.«(solove 2008, 1) Versuchen wir Privatheit beziehungsweise Privatsphäre idealtypisch zu greifen, stochern wir schnell in einem begrifflichen Nebel herum. Als kulturwissenschaftliche Analysekategorie eignet sich ein so diffuser Begriff nicht. Um trotzdem mit Privatheit arbeiten zu können, müssen wir schnell dazu übergehen, lediglich Normen, Funktionen und Praxen des Privaten zu betrachten. Welche Rolle nimmt Privatheit in Lebenswirklichkeiten ein und welche gesellschaftlichen (Macht)Verhältnisse sind in welchem Maße von ihr betroffen?

107 Der Soziologe Richard Sennett stellte diese Fragen in»the Fall of Public Man«und arbeitete die Funktionen und Versprechungen der Idee von Privatheit heraus:»wir [ ] suchen in der Privatsphäre [ ] nach einem Spiegelbild, nach dem, was an unserer Psyche, an unseren Gefühlen authentisch ist. Wir versuchen, Privatheit, das Alleinsein mit uns selbst, mit der Familie, mit Freunden, zum Selbstzweck zu machen.«(sennett 2008, 22) Sennetts Definition von Privatheit stellt»authentizität«und»wahrheit«ins Zentrum. Die Privatsphäre sei dabei der Ort, an dem Menschen das»authentische«an sich selbst und an anderen zu finden erhoffen. Dieser Raum ist mit nahen und intimen menschlichen Beziehungen angereichert und bildet mit der öffentlichen Sphäre ein Gegensatzpaar. Ausgeglichen sei diese Konstellation aber nicht, werde doch der private Raum zunehmend mit moralischen Kategorien überhöht. So bilde sich eine Herangehensweise heraus, der gemäß sich»sämtliche Mißstände der Gesellschaft auf deren Anonymität, Entfremdung, Kälte zurück führen lassen«(sennett: 2008, 453). Im Umkehrschluss heißt das: Privatheit kann unter Berücksichtigung von Sennett als eine Verortung zwischenmenschlicher Wärme, Sicherheit und moralischen Verhaltens gelesen werden (Sennett 2008, ). Der Aspekt der Sicherheit ist auch das, was Wolfgang Sofsky zum Verfassen seiner Streitschrift»Verteidigung des Privaten«veranlasst hat. Entstanden ist diese Schrift im Kontext der Auswirkungen von Praxen der Digitalisierung und den Auswirkungen der Anti-Terror-Gesetze auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Sofsky kritisiert darin, wie die technischen Möglichkeiten zur vollständigen informationellen Überwachung unseres Alltags persönliche Schutzräume abbauen und damit Eingriffe in die Privatsphäre von Individuen zum neuen Standardzustand staatlichen Handelns machen würden (Sofsky 2007, 13 16). Laut Sofsky gehöre es»zu den Errungenschaften der Zivilisation [ ], gewisse Dinge über andere nicht wissen zu wollen«(sofsky 2007, 114). Diese Kategorie der Privatheit drückt sich darin aus, dass solche»gewissen Dinge«, seien es nun Details aus dem Liebesleben oder die letzte Medikamentenrechnung, für Sofsky normalerweise vor externen Zugriffen geschützt sind, da auf sie nur innerhalb der eigenen Privatsphäre zugegriffen werden kann. Gleichzeitig haben sich Normen herausgebildet, die das Interesse an dem Zugänglichmachen dieser»gewissen Dinge«von Dritten reduzieren. Nur wer Urheber*in dieser Informationen ist, dürfe auch die Macht haben, über die Verbreitung dieser Informationen zu bestimmen. Sofsky nennt den privaten Raum dabei»besitzreservat«(sofsky 2007, 49) und illustriert durch die Wortwahl, dass Privatheit eng mit Eigentums(konzepten) gedacht werden muss 2. Diese Privatheit ist rein informationell und individualistisch. Sie verteilt Besitzansprüche Berliner Blätter Heft 64 / 2013 S

108 und Deutungshoheiten im Bezug auf bestimmte, personenbezogene Informatio nen. Damit ist Privatheit auch eine ganz gezielte Verhandlung von Kompetenzen zwischen den Akteur*innen, was den Umgang mit sowie die Interpretation von Informationen angeht. Damit werden zwei Ebenen des Definitionsbereiches von»privatheit«skizziert: Zuerst haben wir Privatheit als etwas idealtypisches, welches in einer hierarchischen Anordnung über der Öffentlichkeit verortet und über welches authentisches Verhalten verhandelt wird. Diese Privatheit ist vollkommen vom Einflussbereich der Öffentlichkeit getrennt. Zweitens funktioniert diese Privatheit als»besitzreservat«, über welches Eigentumsrechte über immaterielle Güter, nämlich (personenbezogene) Informationen, ausgeübt werden können. Diese hervorgehobenen Dimensionen der Authentizität und Macht sind als idealtypische Begriffe nur als Teile eines diffusen Konzeptes zu begreifen, sie bieten aber einen Ausgangspunkt, von dem aus wir uns»privatheit«als Feldphänomen nähern können. Gerade Sofskys Beitrag ist jedoch vor allem im Kontext einer öffentlichen Debatte und Verhandlung von Privatheit zu sehen, die Strukturen einer digitalisierten Gesellschaft zum Anlass genommen haben. Deshalb ist es lohnenswert, sich gerade auch mit Privatheits-Debatten die innerhalb des Netzes laufen, auseinander zu setzen. Eine Thematisierung des»post-privacy«diskurses scheint viel versprechend. Post-Privacy? 14:35 Anzeigen bei ebay.kleinanzeigen eingestellt und verändert Post-Privacy bezeichnet als Begriff eine Zeit»nach der Privatsphäre«und ist ein verhältnismäßig neuer Oberbegriff für einen viel älteren Diskurs, der auch schon bei Sennet angeklungen ist. Als seine Geburtsstunde gilt der Vortrag»Embracing Post-Privacy. Optimism towards a future where there is Nothing to hide «von Christian Heller auf dem 24. Chaos Computer Congress Ende Hellers These: Privatsphäre befindet sich gegenwärtig in einem unaufhaltsamen Auflösungsprozess, und das nicht nur, aber eben auch durch die Digitalisierung unserer Lebensrealitäten. Daraus ist in den nachfolgenden Jahren gerade im deutschsprachigen Raum eine größere Debatte entstanden, welche technikphilosophische Reflexionen über Repräsentation, Identität und Kontrolle(beziehungsweise Kontrollverlust) des Individuums in einer verdateten Gesellschaft umfasst. Eine Art»Think-Tank«des Post-Privacy stellte dabei die»datenschutzkritische Spackeria«4 dar und schon ihr Name offenbart: Die Auseinandersetzung mit der Privatsphäre ist unweigerlich mit digitalen Kommunikationstechnologien und ihrem Einfluss auf Kulturpraxen des Alltags verknüpft. Sofskys Definition von Privatheit baut darauf auf, dass nur das Individuum bestimmen solle, welche Informationen aus der Intimität des Privaten heraus

109 in die Öffentlichkeit gelangen dürfen. Nun argumentiert aber Heller: Sind Informationen erst einmal Daten, und damit definiert er für Computer lesbar gemachte Informationen, entziehen sich diese Daten den klassischen Mitteln der individualisierten Informationsregulierung (Heller 2011, 47 74). Nahezu alle Informationen, die über eine Person existieren können, sind potenziell verdaubar. Hat sich die Verdatung erst einmal vollzogen, kann theoretisch jeder Computer und jede Schnittstelle diese Daten übersetzen, teilen und kopieren. Die Dezentralität des Netzes höhlt damit den Anspruch auf die unabdingbare Informationskontrolle aus. Die Beschaffenheit von Daten, ihre beliebige Vervielfältigung und die Dezentralität der (Informations)Netze basieren auf kaum zu überbrückenden, weil strukturellen Eigenschaften von Internettechnologien. Die Architektur des Internets macht aus statischen, rechtlich wie individualisiert kontrollierbaren Informationen dynamische, unkontrollierbare Datenströme. Advokat*innen der Post-Privacy argumentieren, dass eine Gesellschaft ohne Privatsphäre funktionieren könne; schon alleine, weil ihrer Ansicht nach die Möglichkeiten zur wirklichen Privatheit, dem»alleinsein mit sich selbst«(sennett 2008, 22) nicht umsetzbar sei. So führt Heller beispielsweise an, wie 2009 am Massachusetts Institute of Technology ein Verfahren entwickelt wurde, mit dem die Sexualität von männlichen Facebook-Nutzern ermittelt werden konnte, ohne dass die eingetragenen Informationen der untersuchten Profile zu Rate gezogen wurden. Einzig und allein der Anteil von männlichen, sich als homosexuell bezeichnenden Kontakten bei Facebook reichte aus, um die Sexualität eines mit diesen Menschen vernetzten Benutzers zu ermitteln. Dieses Beispiel illustriert, dass jede personenbezogene Verknüpfung von Informationen potenziell auswertbar ist. Es ist nicht einmal mehr notwendig, selbst personenbezogene Informationen preis zu geben schon alleine durch die digitale Interaktion mit anderen Menschen entstehen lesbare Datenbündel (Heller 2011, 11 14). In der Spackeria wird dafür der Begriff»Kontrollverlust«5 ins Spiel gebracht. Dieser Diskurs hat neben der technik-philosophischen eine die empirischkulturwissenschaftliche Forschung interessante gesellschaftliche Dimension. Denn die Sichtbarkeit von Daten führt unweigerlich zu einer Konfrontation mit diesen. Praxen, die über die soziale Aneignung von Kommunikationstechnologien entstehen, und sei es nur das zum stehenden Begriff gewordene»peinliche Partyfoto«bei Facebook, können in einem Widerspruch mit bestimmten Vorstellungen von Privatheit gesehen werden. Der Grundzustand, oder, um Netzjargon zu bedienen, der Default-Zustand von Internettechnologien ist die relative Regulationsfreiheit. Das bedeutet für Praxen der Privatheit, dass jedes Ausüben von Informationskontrolle ein erhöhter Zeitaufwand für die Personen und die Weitergabe bestimmter Informationen zur Gewohnheit werden kann. Gleichwohl macht diese starke Präsenz von Praxen aus Privatheit nicht einfach Jan Schnorrenberg Privatheit in digitalisierten Zeiten 109

110 nur eine soziale Konstruktion, sondern auch um ein performatives Konzept, und diese Performance wird durch Medientechnologien unschlüssig. Wir sind als Kulturwissenschaftler*innen durch die Unvermitteltheit der Informationsverdatung vor neue soziale Praxen gestellt, welche teils erheblichen Einfluss auf die alltägliche Präsenz von Privatheit in zwischenmenschlichen Umgang haben. Diese Praxen stellen Grundannahmen und Funktionsmuster der informationellen Privatheit von Individuen in Frage. Privatheit und Feldforschung 15:40 Koordination einer Gruppenarbeit via Mail Die empirischen Kulturwissenschaften haben den Anspruch, Alltagskulturen zu erforschen. Sie sehen im Alltäglichen die Artikulationen von Herrschaftsverhältnissen, Normen und sozialen Aneignungspraxen von Technologien (Kaschuba 1999, 235). Es erscheint zunächst müßig, extra darauf hinzuweisen, dass sich natürlich auch Konzeption und Praxis der Privatheit in Alltagspraxen widerspiegelt. Doch gerade im Bezug auf die ethnographische Methodik der Feldforschung offenbaren sich zwei wichtige Problemfelder: Das Private des Beforschten und das Private des Forschenden. Wolfgang Kaschuba illustriert in seiner»einführung in die Europäische Ethnologie«, dass die Beforschten ein grundsätzliches»recht auf Nicht-Erforscht-Werden«haben. In diesem Recht, welches sich»nur in der sozialen Beziehung mit den Beforschten definieren lässt«(kaschuba 1999, 207) erscheint die Vorstellung der Privatsphäre als Schutzraum und die aus den Privilegien als Forscher und der Reichweite der Methodik erwachsene Verantwortung, persönliche Grenzen der Beforschten zu achten. Ethnografisch nutzbar wird dieses Vorgehen dadurch, dass auch die Kartografie von Tabus, Intimität und Grenzen eine Annäherung an das Forschungsfeld darstellt und zu seiner Erfassung beiträgt. Auf der Forscher*innenseite führt das dazu, dass von keinem Recht auf das Nicht-Darlegen-Müssen gesprochen werden kann. Denn gerade die Reflexion der eigenen Forschungspraxis, der Beeinflussung des Feldes durch die (Re)Präsentation des Forschenden und der persönlichen Empfindungen, (Vor)Urteilen und Wahrnehmungsmuster nehmen einen großen Stellenwert ein und machen die sich in er Forschung abspielenden Machtverhältnisse sichtbar und damit die Forschungsergebnisse nutzbar. Es ist nicht von der Hand zu weisen: Wer ethnografieren will, dem hilft ein gewisser Hang zum Exhibitionismus. Was ein»professionelles«verhältnis zur eigenen Arbeit aus macht, welches oft eine Trennung von Privatsphäre und Beruf voraussetzt, scheint vor diesem Hintergrund in der Ethnografie zumindest zur Debatte gestellt zu werden. Wie es in einer autoethnografischen Medienforschung aussehen könnte, illustrieren die Ergebnisse und Beobachtungen aus meinem Feldtagebuch:

111 Mein Medientagebuch vom 15. Mai 2012 An den 15. Mai 2012 kann ich mich sehr gut erinnern. Nicht weil an damals irgendetwas Besonderes in meinem Leben passiert ist, sondern weil ich an diesem Tag ein Medientagebuch geführt habe. In diesem Tagebuch erklärte ich die Medialität meines Alltags zum Forschungsfeld (siehe auch Beitrag: Anja Zeutschel.«Medien-Tagebuch 2.0). Auffallend ist, dass der Grad des Einblickes in meinen Tag signifikant ist. Der Umfang, in dem ich mir Internettechnologien angeeignet habe, in der ich meinen Alltag mit und durch sie organisiere, ist sehr hoch, und ihre große Präsenz hat aus einem Tagebuch mit einer sehr spezialisierten Fragestellung eine Übung im Exhibitionismus gemacht. Es ist damit nicht nur ein Beispiel für eine kleine Autoethnografie, sondern auch ein persönliches und detailliertes Tagesverlaufsprotokoll. Jede*r Leser*in kann darin genau nachvollziehen, wann ich während eines Uniseminars auf Facebook war (ich hoffe mir wird an dieser Stelle dafür vergeben!), dass ich an diesem Tag den Entschluss fasste, zusammen mit einer Kommilitonin ein Projekttutorium zu Netzkulturen zu planen (es wurde inzwischen angenommen) und von Mitternacht an drei Stunden noch an einem MMORPG (Massively Multiplayer Online Role-Playing Game ) saß. Als Digital Native mögen meine Nutzungsstatistiken nicht generalisierbar sein, jedoch sehe ich diese Beobachtung durchaus auf eine größere Zahl von Menschen übertragbar, die wie ich Teile ihres Alltags über digitale Kommunikationstechnologien organisieren. Auto-Ethnografierte Privatheit Als ich meine Feldforschung dem Feld eröffnete, fragte mich ein Bekannter nicht ganz ernst, ob ich denn jetzt ein»überwachungsschnorri«(vgl. Medientagebuch, 10:05) geworden sei. Diese Frage ist tatsächlich sehr treffend. Denn dieses Tagebuch war nicht nur mein Tagebuch. Es protokollierte ebenso die Knotenpunkte, an denen sich meine Präsenz mit den anderer Feldteilnehmer*innen überlagert hat. Wenn eine autoethnografische Forschung durch die bloße Nutzung von Medien in private, fremde Räume eindringt, dann hat das eine neue Dimension und zeigt auf, dass die Grenzen von Ethnografie und Autoethnografie, was digitale Meiden und Forschungsfelder angeht, ebenso vermischen wie die Grenzen von Öffentlichkeit und Privatheit. Und es macht die Frage notwendig, ob wir in digitalen Feldern überhaupt angemessen Privatsphären achten können. Ich gebe mehr oder weniger großzügig Informationen nach Kontext heraus. Die Information an sich hat weniger Einfluss auf ihre Weitergabe, sondern eher ihr relativer Nutzen für mich oder für ein Gespräch. In gewisser Weise Jan Schnorrenberg Privatheit in digitalisierten Zeiten 111

112 15:45 Bilder von zu verkaufenden Artikeln per Handy gemacht, und via Bluetooth auf PC geladen. Anzeige auf ebay erstellen wird die Weitergabe bestimmter, persönlicher Informationen zur Banalität gemacht. Noch eine weitere Sache war auffällig: Forschungsfelder definieren sich normalerweise über einen bestimmten Kraftaufwand, über die der Feldzugang ermöglicht wird. Das Internet hingegen ist für jede Person mit einem Internetzugang betretbar und solange die Privatsphäreeinstellungen locker eingestellt sind, sind fast alle Äußerungen von Menschen innerhalb dieser Netzwerke sichtbar. Das Internet umgibt uns als Forschungsfeld permanent. Es ist ein Meta-Feld, welches spätestens in naher Zukunft mit einer überwältigenden Zahl unserer Forschungsfelder in der empirischen Kulturwissenschaft verwoben sein wird. Eigentlich ist es auch falsch, vom»internet als Feld«zu sprechen; es ist lediglich ein Gerüst, in welchem sich soziale Verhältnisse und damit auch Forschungsfelder äußern können und sich Kommunikationsformen aneignen. Ethnografie Eine post-private Methodik? Aus dieser autoethnografischen Forschung lassen sich damit auch Aussagen für das ethnografische Forschen in digitalen Kontexten machen. Je nach Forschungsfrage ist es uns nicht anders möglich, als in die Privatsphäre von Akteur*innen innerhalb unseres Forschungsfeldes einzugreifen. Dabei hat das Fach bereits Strategien entwickelt, die Privatsphäre und unter Umständen auch die Sicherheit der Beforschten zu hüten: Die Codierung und Anonymisierung von Interviews und Feldforschungsberichten beispielsweise. Diese Praxen zeigen: Das Bewusstsein für den potenziellen Missbrauch von Wissen ist im Fach zweifelsohne vorhanden, bis hin zum bewussten Nicht-Vertiefen von Informationen. Allerdings betreffen gerade diese Techniken erst den Zeitraum nach der Forschung. Während der Forschung sind Eingriffe in die Privatheit der Beforschten jedoch ganz anders verhandelt. Es mag zwar ein relatives Recht auf das»nicht-beforscht-werden«existieren, aber dieses Recht bleibt höchstens ein grober Orientierungspunkt. Wie ist vor diesem Hintergrund mit der Privatheit des Forschenden umzugehen? Diese Frage hat auch eine fachgeschichtliche Ebene, wie der Aufstieg und Fall des»nestors der Feldforschung«(Schmidt-Lauber 2001, 6), Bronislaw Malinowskis, zeigt: Seine Feldstudie auf den Trobriand-Inseln machte 1922 unter dem Titel»Argonauten des westlichen Pazifik«die Methode der Teilnehmenden Beobachtung zum neuen Paradigma der Ethnologie (Kaschuba 1999, 65 70). Sein vorgelebtes Verinnerlichen des spezifischen Rhythmus, der Kulturtechniken des Alltags fremder Kulturen welche mittels bestimmter Kriterien zu objektiven, wissenschaftlich nutzbarer Erkenntnis transformiert wurden, war lange Zeit bestimmend für die Ethnologie.

113 Umso mehr wirkte die posthume Veröffentlichung seiner Tagebücher rund ein halbes Jahrhundert später wie eine Zäsur. Plötzlich konnte jede*r den sexuellen Frust des in Folge des ersten Weltkrieges im Pazifik verharrenden Malinowskis nachlesen, jede*r konnte Dokumentationen seiner rassistischen Ressentiments und kolonialer Überlegenheitsgefühle finden. Der objektive Malinowski war durch die Diskrepanz zwischen seiner öffentlichen Darstellung und seiner privaten Äußerungen entzaubert worden. Diese Veröffentlichungen sorgten nicht nur für eine kritische Betrachtung seines Rufes, sondern befeuerten zusätzlich die objektivitätskritischen Stimmen innerhalb der Ethnologie und führten zu einer Neubewertung der Subjektivität von Forschenden während ihrer Feldforschung (Schmidt-Lauber 2001, ). Mittlerweile ist Malinowski ein beliebtes Beispiel für Erstsemester, um den Mythos der objektiven Wissenschaft zu thematisieren. Es mag ironisch klingen, dass ein Fach, welches sich sehr um die Wahrung der Privatsphäre ihrer Beforschten bemüht, doch gerade beflügelt durch das Eingreifen in die (posthumen) Persönlichkeitsrechte eines Forschenden eine reflexive Wende befeuern konnte. Und auch diese neue Reflexivität greift in Bereiche unserer eigenen Privatheit ein: Im Idealfall müssen wir fortwährend die eigene Forschungspraxis, die (Vor)Eingenommenheit dem Feld und dessen Akteur*innen gegenüber sowie den Einfluss unserer Handlungen und Präsenz reflektieren und dokumentieren. Ein Zurückhalten persönlicher Einschätzungen, Vorurteile und Gedanken während der Feldforschung kann oft nur die Illusion von Objektivität erzeugen und sich letzten Endes negativ auf die Qualität meiner Forschung auswirken. Während der Feldforschung muss auf einen größeren Teil der eigenen Privatsphäre verzichtet werden. Dies gilt gerade bei Forschungen, die sich mit Medialität auseinander setzen, denn gerade dort wird die Differenz von Ethnografie und Autoethnografie zur Disposition gestellt. Feldforschung erzwingt die Immersion im Feld, seien es persönliche Kontakte, Freundschaftlichkeit, emotionale Bindungen oder auch mal ganz plump (aber im Hinblick auf unseren Ruf nicht allzu häufig): Sex (Newton 2000, Schwenzer 1997). Ethnografie nimmt einen Großteil der eigenen Stärke aus Transparenz. Die Methoden der Ethnologie sind im Idealfall eine Performance der Offenheit, die das Zugänglichmachen privater Informationen und die Konfrontation mit den eigenen Gedanken, (Vor)Urteilen und Positionen an eine zentrale Stelle rückt. Gleichzeitig ist ein Alleinsein der Beforschten während einer Feldforschung nur unter erschwerten Bedingungen möglich und jede Reaktion und Form von Präsenz im Feld kann und wird von der Ethnologie zur Beantwortung oder Problematisierung der Forschungsfrage verwendet werden können. Post-Privacy und Ethnographie sind sich in den Grundannahmen und daraus resultierenden Praxen nicht unähnlich. Oder anders: Die ethnologische Praxis kann kritisch zur Privatsphäre stehen. Jan Schnorrenberg Privatheit in digitalisierten Zeiten 113

114 16:45 Koordination einer Gruppenarbeit via Mail. Queer.de Nachrichten der schwulen Welt lesen. Bearbeitung eines Verkaufs über booklooker.de Ist noch ethnografisches Alleinsein möglich? Digitale Felder lassen sich über Schriftlichkeit und Maschinenlesbarkeit sozialer Präsenz und Interaktion charakterisieren. Dies macht Informationen die Akteur*innen über sich preisgeben für Ethnolog*innen oftmals auch ohne den Aufbau persönlicher Beziehungen zugänglich. Der Default-Zustand, dem gemäß die Zugriffsrechte zu diesen Informationen erst durch aktives Handeln der Akteur*innen verliehen werden können, ist eine Antithese zu den in den Theorien der Privatheit hallenden Immanenz der Persönlichkeitsrechte. Die Architektur des Internets sorgt damit, über ihre individuelle soziale Aneignung und daraus entstehender Praxen, für eine Aushöhlung dieses Privatheitskonzeptes durch die Akteur*innen selbst und zur Notwendigkeit des Aushandelns neuer Ideen von Privatheit. Unter diesen Bedingungen muss sich die Ethnologie damit auseinander setzen, wie sie künftig mit Privatheit und Schutzräumen in ihren Forschungsfeldern umgehen kann und ob aus unserer Position eine Advocacy notwendig wird. Dabei ist wichtig hervorzuheben, dass die Präsenz von Akteur*innen und deren Daten (und das Gleiche gilt für Forscher*innen!) eher in Ausnahmefällen aufgrund von eiskalter Kalkulation und bewussten Interventionen in Normen der Privatheit zu beobachten sein wird. Ihrer Intentionalität beraubt, zeigen diese Äußerungen, welche Informationen in öffentlichen Räumen sichtbar und damit auch wirksam werden. Um Felder, in welchen diese Informationen wirken, beschreiben und wissenschaftlich verwerten zu können, ist eine Dokumentation dieser Informationen essentiell. Will die ethnologische Feldforschung also digitale Lebensrealitäten abbilden, so müssen alle Äußerungen innerhalb dieser Felder von uns zu Rate gezogen werden. Darunter gehören auch Informationen, die»fahrlässig«ins Internet gestellt werden. In solchen Situationen nicht mit der ethnographischen Kamera drauf zu halten und die Reaktionen innerhalb des Feldes und die eigenen festzuhalten, kann im Zweifelsfall einige wertvolle Erkenntnisse über wirkmächtige Normen und der Präsenz von beispielsweise Körperlichkeit innerhalb des Forschungsfelder behindern. Digitale Felder machen aus Privatheit eine Frage jenseits von Gut und Böse. Felder, deren Architektur traditionelle Formen der Privatheit in Frage stellt, können grundsätzlich nicht mit eben diesen Vorannahmen durchwandert werden. Dazu kommt: Wir müssen immer mehr davon ausgehen, dass ein going native bei der Feldforschung vor dem Bildschirm schon zu einem hohen Maße vor der Forschung erfolgt ist. Viele Forscher*innen können auch selbst Teil dieser Felder sein, und aus diesem Grunde werden die Privatheits- Techniken der Forschenden möglicherweise den gleichen Paradoxien unterworfen sein wie im übrigen Feld. Würde der Forschende dann einen anderen Maßstab ansetzen, stellt sich die legitime Frage, ob seine Präsenz im Feld nicht zu größeren Unruhen und Irritationen führen würde. In der klassischen

115 ethnografischen Sprache müsste es daher heißen: Forsche ich im Internet, so muss ich meine Privatsphäre ähnlich achten wie es mein Umfeld tut. Ich muss Kulturtechniken des Feldes mit womöglich einem nicht unerheblichen Einfluss auf meine eigene Privatheit verinnerlicht und reflektiert haben, um Teil des Feldes zu werden oder bereits von mir angewendete Techniken überprüfen. Auf den Punkt gebracht geht es letztendlich um die Frage: Wie reflektiere ich als Forschender meine alltäglichen digitalen Kulturpraxen und welchen Einfluss nehmen sie auf meine Forschungspraxis? Fazit Privatheit transformiert sich nicht nur, aber auch durch die wachsende Präsenz von Internettechnologien. Diese konstituieren ein Meta-Feld, welches in immer mehr Forschungsfelder und die Alltagskulturen von Feldakteur*innen und Forscher*innen gleichermaßen hineingreift. Und wäre dies nicht genug, sind auch alle, eben auch Forschende und Beforschte, inner- und außerhalb der akuten Forschungsarbeit, fleißig damit beschäftigt, sich diese Technologien gemäß ihrer Architektur anzueignen. Diese Interaktion macht aus der Transformation der Privatheit ein feldübergreifendes Phänomen und das Abschätzen von persönlichen Grenzen für Ethnolog*innen schwieriger. Erschwerend kommt dazu, dass die Präsenz von Akteur*innen (und Forscher*innen!) in digitalen Feldern nicht unbedingt kalkuliert ist. Informationskontrolle, und damit eine bestimmte Vorstellung von Privatheit durchzuführen ist nun das, was einen höheren Arbeitsaufwand erfordert. Doch gerade diese Unklarheit definiert digitale Forschungsfelder. Diesem Transformationsprozess muss in ethnografischer Forschung Rechnung getragen werden. Was auch immer mit der Privatsphäre passiert, der aktuelle Zustand ist nicht nur eine Folge der Struktur von Kommunikationstechnologien, sondern auch Ergebnis komplexer sozialer Aneignungs-Praxen und Aushandlungen und damit ein Forschungsfeld der empirischen Kulturwissenschaften und ethnologischen Forschung. Denn letzten Endes ist auch der Post-Privacy Diskurs eine Reaktion auf bestimmte Veränderungen, und gerade diese Veränderungen wirken in unsere Forschungsfelder hinein. Hier liegt eine große Chance: Die empirischen Kulturwissenschaften haben nicht nur die Werkzeuge, um diese gravierenden Veränderungen unserer Alltagskulturen zu protokollieren, zu kontextualisieren und für weitere Diskurse fassbar zu machen, sondern auch eine Ausgangsposition, die das Fach im Zwischenraum von Öffentlichkeit und individualisierter Privatheit verortet. Jan Schnorrenberg Privatheit in digitalisierten Zeiten 115

116 Anmerkungen 1 In diesem Text verwende ich einen Gender-Stern, um die Unzulänglichkeiten des generischen Maskulinums in der deutschen Sprache sichtbar zu machen. 2 Bezüglich dem»eigentum«in der Debatte ist interessant darauf hinzuweisen, dass gerade in Debatten über privatökonomische Unternehmensgeheimnisse oft Verweise auf das Urheberrecht eine zentrale Funktion einnehmen, in der Debatte um die informationelle Privatheit von Individualpersonen aber kaum. 3 (aufgerufen am: 19. Januar 2013). 4 (aufgerufen am: 19. Januar 2013). 5 Vgl. die Verwendung des Begriffes unter anderem durch Michael Seemann: (letzter Auruf: 20. Januar 2013). 17:50 Erstellung eines Textes mit Word. Facebook Status von Freunden durchsehen. Chat über Facebook Literatur Heller, Christian (2011): Post Privacy. Prima leben ohne Privatsphäre. München. Kaschuba, Wolfgang (1999): Einführung in die Europäische Ethnologie, München. Newton, Esther (2000): My Best Informant s Dress: The Erotic Equation in Fieldwork. In: Dies. (Hg.): Margaret Mead made me gay. Personal Essays, Public Ideas, Durham Schmidt-Lauber, Brigitta (2007): Feldforschung. Kulturanalyse durch teilnehmende Beobachtung. In: Silke Göttsch, Albrecht Lehmann (Hg.): Methoden der Volkskunde. Positionen, Quellen, Arbeitsweisen der Europäischen Ethnologie, Berlin Schwenzer, Victoria (1997): Bei Bohne. Einblicke in ein dörfliches Industriearbeitermilieu. In: Skizzen aus der Lausitz. Region und Lebenswelt im Umbruch. Köln, Weimar, Wien Sennett, Richard (2008): Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität. Berlin. Sofsky, Wolfgang (2007): Verteidigung des Privaten. Eine Streitschrift. Bonn. Solove, Daniel J. (2008): Understanding Privacy. Cambridge.

117 Medien-Tagebuch 2.0 Anja Zeutschel 10 Uhr Zuhause Augen auf, Handy an, Laptop auf: s checken, Facebook-Neuigkeiten lesen, nebenbei frühstücken. So in etwa würde ich vielleicht meinen Start in den Tag beschreiben, sollte ich ein Tagebuch über meine Mediennutzung führen. 1 Genau das haben nämlich Studierende 2 in Berlin getan: Einen Tag lang sich selbst beobachtet und dokumentiert, wie sie Medien nutzen. Diese pragmatische Art, sich dem Thema Medien in der Europäischen Ethnologie zu nähern, möchte dieser Beitrag vorstellen: das Medientagebuch (MTB) 3. Leider gibt es nur wenige methodologische Überlegungen und praxisorientierte Hinweise zu Feldprotokollen oder Forschungstagebüchern. 4 Lediglich über die Anfertigung von Feldnotizen wird informiert. 5 Die Ethnografie-Debatten liefern kaum Erkenntnisse für die Forschungspraxis und»vor allem keine erkennbaren Antworten auf die brennende Frage, wie man denn nun am besten Protokolle erstellen sollte, welche Informationen sie enthalten und welche Struktur sie aufweisen müssten«(flick 2000, 398). Die genaue Umsetzung bleibe»bis heute jedem Ethnographen selbst überlassen«(ebd.). Auch Wolfgang Kaschuba geht in seiner Einführung in die Europäische Ethnologie nur sehr knapp auf die Funktion des Feldtagebuchs als»werkstattbericht des Forschungsprozesses«(Kaschuba 2003, 208) ein. Er erklärt, die Niederschrift desselben müsse»parallel zum Feldaufenthalt täglich oder zumindest in kurzem zeitlichen Abstand zum Erlebten«(ebd.) erfolgen. Eine allgemeine Regel besagt, dass pro Stunde Beobachtungszeit mit mindestens einer Stunde zur Niederschrift von Feldnotizen gerechnet werden muss. Flick rät»hierfür ein Ritual zu entwickeln«(flick 1991, 192) und zum Beispiel direkt im Anschluss an eine Beobachtung im Feld ein stichwortartiges Protokoll zu verfassen, welches man später aber möglichst noch am gleichen Tag zu ausführlichen Feldnotizen ausformuliert. Im Forschungstagebuch soll das»nachträglich noch Erinnerte«(Flick 2000, 396), inklusive Handlungszusammenhängen und wörtlicher Rede, protokolliert werden. Zudem sollte es vor allem auch Missverständnisse, Affekte, Assoziationen, Phantasien, eigene (kulturelle) Irritationen, Vorstellungen, Perspektiven, persönliche Hypothesen und Gefühle des Forschenden enthalten. Es dient zur Dokumentation der Feldforschung»als subjektive[r] Erfahrungs-, Verunsicherungs- oder Lernprozess«(Kaschuba 2003, 208). Wie der Forschende diese Anforderungen umsetzt, ist wie jede Vorgehensweise in Berliner Blätter Heft 64 / 2013 S

118 der Europäischen Ethnologie abhängig von der Forschungsfrage und dem Forschenden selbst. 14 Uhr Uni Seminarmitschrift am Laptop, Begriffe googlen, Lektürenotizen im pdf-dokument vergleichen 00:12 Facebook Status von Freunden durchsehen. Mails durchsehen, beantworten. gayromeo Mails durchsehen </medientagebuch dennis eckhardt > Im Seminar»Ethnologische Medienforschung«ging es um den geringen Stellenwert der Medienforschung im Fach Europäische Ethnologie und darum, was eine ethnologische Medienforschung leisten könne. Dabei stand anfangs die Frage nach dem eigenen Medienkonsum im Raum. Die Dozenten forderten die Seminarteilnehmenden auf, an einem Tag ein Medientagebuch zu führen, um die individuelle Mediennutzung zu dokumentieren. Die abgegebenen Aufzeichnungen sind mit verschiedenen Überschriften versehen: Viele benutzen zwar den Begriff»Medientagebuch«, aber auch die Bezeichnung»Mediennutzungstagebuch«ist weit verbreitet. Daneben gibt es noch die Überschriften»Feldtagebuch Mediennutzung«,»Digitales Tagebuch«oder auch»protokoll der Mediennutzung«. Außer dem festgelegten Datum (Erster Durchgang: ) gab es keine Vorgaben zu Umfang, Aufbau und Inhalt. Umso erstaunlicher ist, dass sich die meisten abgegebenen Medientagebücher (im Folgenden MTB) sehr ähneln: Sie umfassen in fast allen Fällen nur eine DINA4-Seite, sind tabellarisch geführt, beinhalten zumeist die Uhrzeit und die jeweilige Tätigkeitsbeschreibung. Einige Tagebücher geben einzelnen Tagesabschnitten noch Teilüberschriften mit einer Ortskennung (zum Beispiel»zuhause«,»in der Uni«) oder fügen nach der Spalte»Uhrzeit«noch eine Gerätebezeichnung (zum Beispiel»Smartphone«,»Laptop«) vor der Tätigkeitsbeschreibung ein. Die Tätigkeiten werden häufig nur stichpunktartig und in einem eher nüchternen Schreibstil formuliert. Diese Form des Medientagebuchs möchte ich aufgrund seiner protokollartigen Struktur eher als Mediennutzungsprotokoll (im Folgenden MNP) bezeichnen. In einigen Protokollen findet sich auch ein emotional-persönlicher Stil, in einem Fall sogar eine Art poetisch-literarische Schreibweise. Diese sind jedoch eher die Ausnahme. Die zweite vorgefundene Art des Medientagebuchs möchte ich als das eigentliche Mediennutzungstagebuch (im Folgenden MNT) bezeichnen, was streng genommen nur drei der 17 MTBs erfüllen: Sie sind in Textform, also in Fließtext, verfasst, wie wir Ethnologen das aus Feldtagebuch und Feldnotizen kennen. Hierzu zählt zum Beispiel die Dokumentation der Medien-Diät von Lina Ewert, deren Reflexion auch in diesem Band zu finden ist. Daneben sei hier auch auf das Tagebuch von Ludovica Zonzini verwiesen, weil es eine Besonderheit darstellt: Sie entschied sich als einzige bewusst dafür, ihr MTB mit der Hand zu schreiben und nicht mit dem Computer. Zonzini erklärte, dass sie

119 das Handschreiben so stark verlernt habe, weil sie alles nur noch mit dem PC schreibe, dass sie gerade bei dem Tagebuch diese Routine durchbrechen wollte. Neben diesen zwei klar erkennbaren Formen des MTBs dem Mediennutzungsprotokoll und dem Mediennutzungstagebuch finden sich unter den abgegebenen Beiträgen der Studierenden auch Mischformen: Protokolle, denen eine kurze oder auch lange textuelle Reflexion folgen, Protokolle, die eingebettet sind in gedankliche Vorüberlegung und Nachbesprechung, oder auch Twitter- und Facebook-Posting-Auflistungen mit mehr oder weniger Erklärung und Einordnung. Die Verwendung von MNPs und MNTs hat in beiden Fällen Vor- und Nachteile. Die tabellenförmigen und stichpunktartigen Protokolle sind beispielsweise übersichtlicher und vergleichbarer, wohingegen die Textform vor allem mehr Zusammenhänge erkennbar macht. Mein Vorschlag selbstverständlich ohne momentane Kenntnis der einzelnen Forschungsfrage, die ein anderes Vorgehen praktikabler erscheinen lässt wäre eine Verbindung beider Formen: Das Nutzungsprotokoll während des Tages, das Tagebuch am Tagesende. Darüber hinaus erscheint mir die Konzentration in den MTBs nur auf die Mediennutzung mittlerweile diskutabel. Zum einen fehlen dadurch in den betrachteten MTBs bestimmte Zusammenhänge wie zum Beispiel Orte und Geräte oder die genaue Dauer der Mediennutzung. Daher sollte jeder Forschende, der diese Methode nutzen möchte, die Verwendung von Orts- und Gerätebezeichnungen zumindest für die MNPs als verpflichtend betrachten. Zum anderen werden dadurch mittlerweile tatsächlich gesamte Tagesabläufe erkennbar, was sich unter anderem in Unbehagen bei den Forschenden und sogar wie in einem Fall geschehen in Auslassungen äußert. Vor allem letzteres ist für Forschende höchst problematisch! Hier greifen auch ethische und moralische Fragen ein, die zwar jeder einzelne für sich beantworten muss, die aber auch in der Forschungsgemeinschaft an sich diskutiert werden sollten. 6 In zwei der MTBs wurden zudem Facebook-Postings und Tweets verwendet statt einer Bezeichnung wie»facebook checken«. Allerdings könnte das zu unübersichtlichen und ausufernden MTBs führen. Deshalb sollten folgende Fragen erlaubt sein: Ist es notwendig, jeden Tweet und jedes Posting in ein MTB aufzunehmen? Welche Perspektive gewinnen wir durch deren Verwendung? Und was geht uns möglicherweise verloren, wenn wir sie nicht aufnehmen? Aber müssten wir dann nicht auch jede , jede Chat-Kommunikation und den gesamten Browserverlauf einbeziehen? Und»wann ist ein MTB vollständig?«, wie Jan Schnorrenberg sich in seiner MTB-Reflexion fragt. Die Antworten auf diese Fragen kann vermutlich wieder nur jeder einzelne Forschende geben, je nach seiner eigenen Forschungssituation. Schließlich ist die Lebenswelt vieler, vor allem junger, Menschen so stark von ihrer Dynamik im Netz abhängig, dass jedes Weglassen zum Verlust wertvoller Erkenntnisse führt. Doch da es sich um die Betrachtung des Forschenden selbst und seine persönliche Mediennutzung dreht, mag diese umsichtige Materialfülle eventuell etwas übertrieben sein. Anja Zeutschel Medien-Tagebuch

120 18 Uhr Zuhause Texte lesen für die Uni (digital + analog) <medientagebuch gerhild quitsch > 6:15 Handywecker (= Vögelgezwitscher) reißt mich aus dem Schlaf Ich habe die theoretischen Überlegungen zu Feldnotizen und die technischen Details der Methode»Medientagebuch«nicht ohne Grund vorangestellt und ausführlich dargelegt. Ich appelliere hiermit an alle Forschenden nicht nur im Bereich Internet und Neue Medien selbst ein MTB zu führen. Jeder, der heute und in Zukunft die Lebenswirklichkeit von Menschen erforschen möchte, wird zwangsläufig mit Mediennutzung in Berührung kommen, selbst wenn er glaubt, dass ihn das nicht beträfe oder sein Fokus auf ganz anderen Themen liege. Die Frage nach der Bedeutung der Mediennutzung für unsere Forschung lautet schon lange nicht mehr, ob wir in/mit/über das Internet forschen sollen, sondern nur noch wie wir das tun können. Die von den Studierenden erprobte Methode»Medientagebuch«bietet dabei meiner Ansicht nach eine Orientierung, auch und gerade für Forschende ohne expliziten Medienhintergrund. Eine weitere Motivation für das Führen eines MTBs ist die schlichte Notwendigkeit der eigenen Reflexivität in unserem Forschungszweig 7 : Wie will jemand über Mediennutzung forschen, wenn er sich seiner eigenen gar nicht bewusst ist? So führte die Beschäftigung mit der eigenen Mediennutzung bei vielen der MTB-Schreibenden auch zu einer Reflexion oder zumindest einem Nachdenken über ihren Medien-Begriff. Es tauchten beispielsweise Fragen auf, ob die digitale Anzeige des ÖPNV, der Papier-Terminkalender oder die blinkenden Lichter der Stereoanlage zu Medien zu zählen seien. Am anschaulichsten formulierte diese Auseinandersetzung Jan Schnorrenberg, als er in seinem zweiten MTB überlegte, ob der Badezimmer-Spiegel als»kommunikation mit uns selbst«gelten könne. Hinzu kommt bei einigen das Erstaunen über eine enorme»passive«mediennutzung, wie beispielsweise das Schielen auf die Zeitung anderer U-Bahn-Fahrgäste oder die erst nach mehreren Stunden des MTB-Führens einsetzende Wahrnehmung von Werbeplakaten als Medien. Selbst bei den MTB-Schreibenden, die sich nicht mit dem Begriff»Medium«auseinandergesetzt haben oder während des Tages auf bestimmte Unsicherheiten in Bezug auf die Mediendefinition stießen, ist zumeist erkennbar, was sie für sich als Medien ansehen. Die Klärung des Medien-Begriffs für sich persönlich ist eine angenehme»nebenwirkung«des MTBs und eine essenzielle Vorraussetzung für die Erforschung von Neuen Medien. Wie ich im Folgenden zeigen möchte, besteht eine weitere, von den Studierenden weniger angewandte Möglichkeit in der zeitlichen und personellen Vergleichbarkeit (auch Daten- und Forschertriangulation).

121 Zeitliche Vergleichbarkeit (Datentriangulation eines Forschenden) 8 In mehreren MTBs wurde auf eine untypische Mediennutzung am Tag der Dokumentation verwiesen. Da es sich hierbei eher um ein subjektives Empfinden handelt, muss diese Erkenntnis validiert werden. Am besten gelingt dies, indem der Forschende an mehreren Tagen hintereinander (gegebenenfalls über ein bis zwei Wochen) ein MTB, in diesem Falle zur besseren Vergleichbarkeit eher ein MNP, führt. Es sollte sich an allen betreffenden Tagen in Aufbau, Schreibstil und Führungsart gleichen. So ist es dem Forschenden möglich, Einblicke über wiederkehrende Muster zu erlangen und den Umfang der eigenen Mediennutzung besser einzuschätzen. Zudem kann das Protokollieren der Mediennutzung über längere Zeiträume hinweg zu Einsichten über Veränderungsprozesse führen. Längere Zeiträume meint in diesem Fall das Führen des MTBs an mehreren verschiedenen Tagen (nicht aufeinanderfolgend) über Monate oder sogar Jahre. Zum Beispiel könnte man jeden Montag/jeden ersten Montag im Monat ein MTB erstellen. Beispiele für solche Tagebücher finden sich wohl eher in der Literaturlandschaft, unter anderem bei Christa Wolfs Ein Tag im Jahr: , welches aus Tagebucheinträgen vom 27. September aller Jahre besteht. Es erfordert ein gewisses Maß an Disziplin, ein MTB über lange Zeiträume hinweg zu führen. Es sollte daher auch eher in längerfristige Forschungsvorhaben eingebettet sein. Trotzdem stellt das MTB auch für kürzere Projekte ein hilfreiches Instrument dar. Personelle Vergleichbarkeit (Datentriangulation mehrerer Forschender/ Forschertriangulation) Neben dem Vergleich mehrerer MTBs eines einzelnen Forschenden ist es auch möglich die MTBs mehrerer Forschender zu vergleichen, wie ich es auch mit diesem Beitrag versuche. Diese»multiperspektivische Zugangsweise«(Flick 2000, 399) liefert nicht nur Ansatzpunkte für weitere Forschung. Sie kann vor allem auch Irritationen aufzeigen, wenn einer der Forschenden zum Beispiel Bezug auf Praktiken nimmt, die sich der Kenntnis der anderen entziehen. Gerade in diesem schnelllebigen Medium Internet tauchen immer wieder neue Trends auf und verschwinden teilweise ebenso schnell wieder. In einer Gruppe mehrerer Forschender kann das Wissen über solche Trends und Methoden ausgetauscht und damit fruchtbar für alle Beteiligten werden, ohne dass ein einzelner von der Kommunikationsflut überfordert wird. Ein MTB liefert dafür eine anregende Grundlage. Der Vergleich der eigenen Mediennutzung mit der von anderen Forschenden gibt beispielsweise Hinweise auf andere Kommunikationsarten, macht Unterschiede und Gemeinsamkeiten Anja Zeutschel Medien-Tagebuch

122 6:20 Schlaftrunkend mein Telefon suchen, um meine Schwester anrufen und zum Geburtstag gratulieren. Sie geht nicht ans Festnetz, also schnell auf dem Handy anrufen geklappt deutlich, lässt uns die eigene Nutzung relativieren, zeigt Dinge, über die wir nichts wissen, macht es möglich gezielt nachzufragen, hilft vielleicht auch Forschungserkenntnisse besser einzuordnen und Praktiken der Beforschten besser zu verstehen. All das kann sich nur positiv auf unsere Forschung auswirken. Die Methode»Medientagebuch«kann darüber hinaus ähnlich wie bei herkömmlichen Tagebüchern und Tagesprotokollen auch in der Forschung selbst eingesetzt werden. 9 Beforschte können gebeten und angehalten werden, ein eigenes MTB zu führen. Hier sollte der Forschende allerdings detaillierte Vorgaben machen und gegebenenfalls vorformatierte Dokumente bereitstellen. Die mögliche zeitliche und/oder personelle Vergleichbarkeit sowie die angeführten Probleme und Fragen finden hier ebenfalls Anwendung. 20 Uhr zuhause Fernsehen über Live-Stream am Laptop Ein Vergleich der MTBs Ansatzpunkte für die weitere Forschung. Im Folgenden möchte ich darstellen, was mir bei der Betrachtung der 17 MTBs der Berliner Studierenden aufgefallen ist. Ein zentrales Motiv der MTBs ist die immer wiederkehrende Meinung, dass man bei Fehlen des Computers mehr Dinge erledigen und schaffen würde. Diese Ansicht vertritt zum Beispiel Lina Ewert aufgrund ihres freiwilligen Medienentzugs oder auch Carolin Jehn, da sich ihr Laptop zum Zeitpunkt des MTBs in Reparatur befand. Zudem begegnet mir dieses Motiv auch immer wieder in anderen Gesprächen, meist im Zusammenhang mit unfreiwilligem Computerentzug durch Nichtfunktionieren des Geräts. Immer wieder schildern die Menschen, mit dem Computer (respektive mit dem Internet) würden sie einfach weniger erledigen. Hier stellt sich mir die Frage, ob dies der Realität entspricht oder sich nicht bloß um subjektives Empfinden handelt. Der Laptop ist eine Art Multi-Ablenkung durch Gleichzeitigkeit mehrerer offener Anforderungen: dienstliche und private Kommunikation durch verschiedene Kanäle ( , Facebook, Twitter, ICQ, Skype, ), aktuelle Aufgaben in unterschiedlichen Dienstprogrammen (Web-Browser, -Dienst, Dokumente ), und so weiter. Alle Anforderungen wollen und sollen möglichst parallel erfüllt werden (zum Beispiel durch automatisches Öffnen von Chatfenstern, Tonsignale für Terminerinnerungen oder neue Nachrichten). Mit dem Laptop liegt die Aufmerksamkeit niemals ungeteilt auf den zu erledigenden Dingen. Dadurch wird gegebenenfalls die Wahrnehmung verzerrt, weil man das Gefühl hat, nie wirklich fertig zu sein und deshalb auch»nichts«zu schaffen. Dieses subjektive Empfinden könnte durchaus ein Anlass für tiefere Forschung sein. Das Thema Aufmerksamkeit spielt auch in einem anderen Zusammenhang eine Rolle. In mehreren MTBs existiert der Hinweis auf eine reduzierte Mediennutzung während bestimmter Tätigkeiten, zum Beispiel außergewöhnlich viel

123 unterwegs sein oder Aktivitäten mit Freunden. Auch hier gibt mir das subjektive Empfinden stark zu denken: Ist die Mediennutzung tatsächlich reduziert oder wird ihr einfach nur weniger Aufmerksamkeit geschenkt? Oder ist man eventuell weniger aufmerksam für das Führen des MTBs während solcher Aktivitäten und lässt daher den schnellen Blick aufs Smartphone und die kurze Antwort bei WhatsApp in der Dokumentation weg? Diese möglicherweise schwindende Aufmerksamkeit sollte im MTB vermerkt und reflektiert, wenn nicht sogar irgendwie vermieden werden, da sie deutlich zu Verzerrungen im MTB führt. Zudem ist das Thema der Nebenbei-Mediennutzung ein möglicher Ansatz für weitere Forschungen und könnte beispielsweise auch die Frage aufwerfen:»sind/ Werden wir eine Nebenbei-Kultur?«Ein weiteres auftauchendes Moment in den MTB-Aufzeichnungen ist die Allgegenwärtigkeit von Medien, wie bereits in der Beschäftigung mit dem Medienbegriff dargestellt. Hier könnte gerade die Europäische Ethnologie eine vielfältigere und tiefergehende Perspektive liefern. Jan Schnorrenberg stellte sich in seiner MTB-Reflexion so beispielsweise auch die Frage nach der Rolle von Smartphone-Fotografien als»raumaneignungspraxen«oder warf die These auf, dass Twitter aufgrund der Zeichenknappheit das Sprachgefühl eher fördere als zur Sprachverdummung beizutragen. Und Ludovica Zonzini erwähnt im MTB während ihrer Arbeit in einem Restaurant ganz nebenbei ihre Wahrnehmung des Handyklingelns von Chef und Gästen. Sie selbst nimmt hieran keinen Anstoß. Mir aber fiel dabei auf, dass es doch bisher als unhöflich galt, im Restaurant den Ton des Mobiltelefons anzulassen. Heute liegt das Smartphone wenn auch eventuell lautlos oder im Vibrationsmodus meist von Beginn an auf dem Restauranttisch. Ich sehe hierin eine Verschiebung und daher auch einen Hinweis auf die Veränderung von Praktiken, Gewohnheiten und gesellschaftlichen (Anstands)Regeln also einen Ansatzpunkt für kulturwissenschaftliche Untersuchungen. Das MTB von Eric Caselles ist in einem sehr nüchternen Ton verfasst, erhält aber durch die Technik-Probleme eine persönliche Note. Caselles beschreibt die Vorbereitung einer Veranstaltung und seine Rückschläge beim Aufbau der Geräte, sowie seine Lösungsversuche, die sogar darin münden, dass letztendlich alles komplett neu aufgebaut werden muss. Diese Anekdote zeigt nicht nur, dass trotz strenger Sachlichkeit des Schreibstils die Lektüre eines solchen MTBs auch amüsant sein kann. Es wirft auch Fragen für mögliche Forschungen auf: Was passiert, wenn Menschen, die sich eigentlich nicht mit einer Technik auskennen, diese Technik trotzdem nutzen? Was passiert, wenn die Technik versagt? Welche Praktiken treten dann ein? Ein Paradoxon wirft Jan Schnorrenberg in der Reflexion seines ersten MTBs auf: Er meint zunächst, dass er sich selbst bei seinem Mediennutzungsverhalten (unter anderem Tweets) nicht die Frage stelle»wen interessiert das eigentlich?«. Gleich darauf beschreibt er aber Tweets und Postings als»einträge [ ], Anja Zeutschel Medien-Tagebuch

124 6:30 Laptop an, Musik an: SWR3 Internetradio im Wohnzimmer, Kiss FM läuft parallel auf dem Küchenradio denen die Nutzer*innen einen persönlichen oder (bedingt durch die Öffentlichkeit) sozialen Wert beimessen«. Letzteres weist deutlich auf das Bewusstsein eines Publikums hin. Die Überzeugung, Beiträge für niemand bestimmten zu publizieren, ja sogar nicht einmal auf eine Öffentlichkeit angewiesen zu sein, ist hingegen trotzdem weit verbreitet. Diese Ungenauigkeit im Nutzungsverhalten sollte gerade Kulturanthropologen interessieren. Sie führt unter anderem zur Veränderung in Haltung und Wahrnehmung von Privatem und Öffentlichem, wie Jan Schnorrenberg dies auch mit seinem Beitrag in diesem Band darstellt. Wie bereits beschrieben, stellte ich bei fast allen MTBs fest, dass ganze Tagesabläufe anhand der beschriebenen Mediennutzung rekonstruiert werden können. Diese starke Strukturierung des Tages durch die Mediennutzung führte mich zu einer Henne-Ei-Problematik: Bestimmt mein Tagesablauf die Me diennutzung oder bestimmten nicht vielmehr die Medien meinen Tagesablauf? Hieran anschließend möchte ich auch noch einmal das Thema des Auslassens bestimmter Aktivitäten im MTB thematisieren. Jan Schnorrenberg erwähnte beispielsweise, dass er von 47 nur 39 Notizen»im Sinne der Zielsetzung des Tagebuchs zugelassen«habe und»bereits viele flüchtige Websiten-Aufrufe oder Blicke ins Mailpostfach unter den Tisch fallen«lasse. Andere verstecken sich hinter ungenauen Formulierungen wie»im Internet«dies und das tun,»facebook checken«oder»lesen des Nachrichtenfeeds«. Die konkrete Mediennutzung in diesen Zeiträumen bleibt so bereits im Dunkeln, obwohl es zunächst wirkt, als sei alles dokumentiert worden. Ehrlicher geht Anita Loorbeer in ihrem MTB damit um. Sie reflektiert im Anschluss, dass sie ihren Mediengebrauch angepasst beziehungsweise nicht alle Details in die Auflistung aufgenommen habe, weil sie es zu persönlich fand. Sie schreibt:»ich wollte nicht jeden kleinen Schritt meines Tages nachvollziehbar machen«. Das ist mutig und gibt einen wesentlichen Hinweis, was beim Führen eines MTBs beachtet werden muss sei es als Forschender selbst oder im Falle der Anwendung der MTB-Methode auf Beforschte: Handlungen werden von Menschen bewusst oder unbewusst verändert, wenn es mit dem Wissen geschieht, beforscht zu werden. Bestimmte Dinge werden weggelassen, andere eventuell sogar hinzugefügt, um die Konsistenz im Selbstbild und der Selbstrepräsentation zu erhalten. Jan Schorrenberg überlegt dies auch kurz als er schreibt:»[ ] ich stelle mir trotzdem die Frage, ob und wie das Bewusstsein jetzt ein Medientagebuch zu führen zu Bemühungen, besonders kreativ zu sein/zu wirken, geführt hat.«trotz aller Schwierigkeiten und Fragen, die bei der Methode»Medientagebuch«noch auftreten und wodurch sie sich nicht von anderen Methoden der Europäischen Ethnologie unterscheidet, ist es wichtig, einfach damit anzufangen. Das MTB kann der erste Schritt zu mehr kulturanthropologischer Forschung in Bezug zu neuen Medien sein und viele interessante Forschungsansätze liefern. Diese Vorteile sollten wir nutzen. 23 Uhr zuhause Laptop zu, Handy aus, Augen zu.

125 Anmerkungen 1 Die Zwischenüberschriften des Textes beziehen sich auf dieses fiktive Medientagebuch der Autorin. 2 Dieser Text versucht geschlechtsneutrale Formulierungen zu verwenden. In jedem Fall sind immer alle Geschlechter gemeint. 3 Dieser Text bezieht sich im Wesentlichen auf 17 verschiedene Medientagebücher von 16 Studierenden des Instituts für Europäische Ethnologie an der Humboldt-Universität zu Berlin im Seminar»Ethnologische Medienforschung«bei Falk Blask und Joachim Kallinich im Sommersemester 2012 und Wintersemester 2012/ In diesem Beitrag werden die Begriffe Forschungs- und Feldtagebuch synonym verwendet. Zudem werden auch Feldnotizen und jegliche protokoll- und tagebuchartigen Feld-Aufzeichnungen darunter verstanden. 5 Es sei hier auf ein Online-Angebot der Uni Wien verwiesen, das unter anderem erklärt, wie man Feldnotizen schreibt: qualitative-titel.html, aufgerufen am Vergleiche hierzu auch Jan Schnorrenbergs Überlegungen zur:»privatheit in digitalen Zeitalter«in diesem Band. 7 Vgl. Flick 1991, , sowie Flick 2000, 22 f. 8 Triangulation bezieht sich auf die sozialwissenschaftliche Typologie von Norman K. Denzin von 1970, wie sie im entsprechenden wikipedia-artikel org/wiki/triangulation_%28sozialwissenschaften%29, aufgerufen am , dargestellt ist: Daten-, Forscher-, Theorie- und Methodentriangulation. Zudem wird der Begriff der Triangulation auch in Flicks»Qualitative Foschung Ein Handbuch«von 2000 an mehreren Stellen verwendet. 9 Siehe unter anderem Flick 1991, 295. Literatur Auf Basis der Medientagebücher von (in alphabetischer Reihenfolge): Christian Blumhagen, Eric Caselles, Dennis Eckhardt, Meret Helma Eikenroth, Lina Ewert, Johanna Jagoda, Carolin Jehn, Adriell Kopp, Anita Loorbeer, Michael Metzger, Gerhild Quitsch, Ursula Reinecke, Michael Sacher, Jan Schnorrenberg (Mai + November 2012), Ludovica Zonzini, Louise Zwirner Flick, Uwe u. a. (Hg.) (1991): Handbuch Qualitative Sozialforschung: Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen. München. Flick, Uwe/von Kardoff, Ernst/Steinke, Ines (Hg.) (2000): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek bei Hamburg. Halbmayer, Ernst/Salat, Jana: Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie. Eine E-Learning-Plattform der Uni Wien, qualitative/qualitative-titel.html, aufgerufen am Kaschuba, Wolfgang (2003): Einführung in die Europäische Ethnologie. München. wikipedia: Triangulation (Sozialwissenschaften), tion_%28sozialwissenschaften%29, aufgerufen am Anja Zeutschel Medien-Tagebuch

126 7:00 s checken und beantworten, Facebook, Wikipedia-Artikel durchlesen (»Ernst Thälmann«,»KPD«) als Vorbereitung für mein DEFA- Filmseminar Auf Medien-Diät Ein Selbstversuch Lina Ewert Auf Diät gehen Menschen mit Übergewicht. Um vom Medienübergewicht abzuspecken, habe ich mir eine Medienschlankheitskur verordnet. 1 Im Sommer 2012 führte ich einen Selbstversuch durch: Ich verzichtete eine Woche lang auf alle elektronischen Medien, die es mir ermöglichen, mit anderen Menschen Kontakt aufzunehmen, ohne sie persönlich treffen zu müssen. Folglich verzichtete ich auf mein geliebtes Handy, denn ein Festnetz besitze ich nicht, den PC und auch auf das Internet. Natürlich hatte ich einige Vermutungen bezüglich der zu erwartenden Auswirkungen. Beispielsweise erwartete ich mehr Freizeit und einen verkleinerten Kreis sozialer Kontakte zu haben. Ich startete den Versuch jedoch ohne konkrete Fragestellung. Alles, was mir auffiel, notierte ich in meinem Forschungstagebuch. Roger Silverstone schreibt in Television and everyday life:»[ ] [I]t is only in our capacity [ ] to understand the process of that incorporation the interweaving of television and everyday life that we can begin to think critically about it.«(silverstone 1994, 160). Genau das war mein Ziel: Mit Hilfe meiner Erlebnisse zu verstehen, auf welche Weise Medien mit meinem Alltag verwoben sind und auf welche Bereiche meines Lebens sie sich auswirken. Ich wollte Tendenzen herausarbeiten und mich so an das Thema Mediennutzung heranpirschen. Ein Bekannter fragte mich während dieser Zeit, wozu ich diesen Selbstversuch durchführe, der Einfluss der Medien sei doch allgemein bekannt. Im ersten Moment gab ich ihm insgeheim recht. Alles, was ich aufschrieb, was ich erlebte, hatten doch sicherlich schon viele andere erfahren. War mein Vorhaben überhaupt sinnvoll? Am Ende der Woche notierte ich:»ich glaube ja. Denn erst so wurde ich sensibel für meine eigene Medien nutzung, habe erst so wahrgenommen, wie viel Raum Medien in meinem Leben einnehmen«(feldtagebuch, 9). Mein Medienalltag Als Studentin ist arbeiten ohne Medien nicht mehr sinnvoll, denn die Organisation von Lehrveranstaltungen und Prüfungen findet heutzutage hauptsächlich Online statt. Pflichttexte werden herunter geladen und eigene Arbeiten hoch.

127 Ohne Internetzugang ist eine angemessene Teilnahme nicht mehr möglich. Meine Aufgabe wäre es in dieser Woche gewesen, Texte zu redigieren.»wenn ich z. B. Texte kürzen wollte, müsste ich extra die Seitenzahlen und Anfangswörter raus schreiben, anstatt per copy und paste die entsprechenden Passagen zu kopieren. Außerdem könnte ich die digitale Version gleich per an meine Kommilitonin weiterleiten; das ist schneller und günstiger als mit der Post oder bei einem Treffen. Zudem könnte sie sich dann sofort damit befassen und z. B. Änderungen vornehmen.«(feldtagebuch, 6) Wie ich feststellte, hängen die Effektivität und Zeitersparnis, die durch das Internet, PCs und Smartphones möglich sind, alle herkömmlichen Arbeitsweisen ab. Ich quälte mich durch den ersten Text und entschied mit einem schlechten Gewissen, die Texte auf die kommende Woche zu verschieben. Es hatte einfach keinen Sinn. Aufwand und Nutzen standen in keinem Verhältnis. Die Kehrseite des medialen Vormarsches ist die schleichende Vermischung von Arbeit und Freizeit. Diskutiert wird dies zurzeit häufig im Zusammenhang mit dem Burnout-Syndrom, in der Politik ist gar eine Anti-Stress-Verordnung im Gespräch. 2 Es ist Montagmorgen.»Ich bin zuversichtlich! Heute Morgen gab s zu meinem Tee weder Internetradio noch das Drama einer Serie, sondern nur eine Musik-CD.«(Feldtagebuch, 1) Hier erkenne ich: Ich bin ein Produkt meiner Generation. Wir schauen kein Fernsehen mehr; es ist zu teuer (Anschaffung, GEZ und Kabelgebühren), zu festgelegt und als Zimmereinrichtung wenig ästhetisch. Wir streamen 3 stattdessen. Spontan und ungebunden können wir unsere para-sozialen 4 Interaktionspartner jederzeit und kostenlos ins Haus holen. Die Strukturierung des Tagesablaufes durch das Fernsehprogramm, wie sie von Andreas Ziemann in Soziologie der Medien (2006) beschrieben wird, trifft auf mich und viele meiner Freunde nicht mehr zu (vgl. Ziemann 2006, 91). Insofern scheint das Leitmedium Fernsehen an Dominanz verloren zu haben. Die Strukturierung des Alltags obliegt wieder dem Individuum. Einsam in Neukölln»Ich hatte erwartet, dass ich mich nach einigen Tagen Medien-Abstinenz einsam fühlen würde. Aber nicht schon jetzt! Am Nachmittag des ersten Tages.«(Feldtagebuch, 3) Berliner Blätter Heft 64 / 2013 S

128 Nie hätte ich gedacht, dass ich so stark von der potentiellen Möglichkeit sozialer Kontakte abhängig bin. Durch mobile Telefone ist man jederzeit in der Lage, seinen sozialen Akku ein wenig aufzuladen ohne wirklich jemanden treffen zu müssen. Jeder kann also eine gewisse Zeit mit kurzen Telefongesprächen überleben 5. Das fehlte mir jetzt. Der Montag war der schlimmste Tag dieser Woche. Weil ich meine Freunde nicht anrufen konnte, musste ich andere Praktiken zur Kontaktaufnahme entwickeln. So fuhr ich beispielsweise mehrmals zur Wohnung meiner beiden Freundinnen Greta und Luise, um an ihrer Haustür zu klingeln. 7:15 Bücher online im Grimm-Zentrum vorbestellen, Moodle-Texte für die Uni ausdrucken»bin eben bei Greta & Luise vorbeigefahren. Voller Freude sah ich ihre Räder. Die würden sie bei diesem Wetter doch sicher benutzen, wären sie ausgegangen. Falsch gedacht. Die zwei waren ausgeflogen und ich musste allein Mittagessen. [Wie sich herausstellte, waren die Mädels einfach nur auf ihrem Dach. Ich hätte also bloß schreien müssen. Aber wer macht das schon, ohne Anhaltspunkt und mitten in Neukölln?]«(Feldtagebuch, 3) Außerdem entdeckte ich meinen Unternehmungsgeist wieder.»ich bin doch noch mal vor die Tür gegangen. Die Wahrscheinlichkeit dort jemanden zu treffen scheint mir um Hundert Prozent höher als zu Hause. Ich wollte zum Tempelhofer Feld gehen und habe dabei einen Umweg zum Haus von Greta & Luise gemacht. Erfolglos. Nachdem ich einige Zeit lesend auf dem Feld verbracht hatte, entschloss ich mich, noch einmal zur Hasenheide zu fahren, in der Hoffnung auf ein Open Air 6 zu stoßen.«(feldtagebuch, 3) Der lonesome Monday endete dann doch noch mit einem sozialen Happy End. Nachdem ich mich gerade mit dem Gedanken an ein Glas Wein und das spannende Finale meines Romans angefreundet hatte, traf ich zufällig meine Freundinnen.»Auch sie hatten versucht mich zu erreichen. Wenn auch ihre Motivation nicht bis zu meiner Wohnungstür reichte [Die Klingel an meiner Haustür ist kaputt. Um mich zu sehen hätten sie also bis in den fünften Stock laufen müssen]. Stattdessen bedienten sie sich des guten alten Telefons und riefen meinen Freund an. Der wusste nicht, wo ich steckte. Sie ließen sich sogar die Nummer meines Mitbewohners geben, der dann nicht abnahm. Bei meinem Stammvietnamesen aßen sie zu Abend, wahrscheinlich in der Hoffnung mich dort anzutreffen.«( Feldtagebuch, 4)

129 Ich verbrachte den Abend bei ihnen. Greta sagte dazu später in einem Interview:»Da hab ich nur erlebt, dass es dir gar nicht gut ging. Du warst sehr gestresst und hattest einen Hang zum Depressiven. Ich dachte: Oh, Oh sind das Entzugserscheinungen?. [ ] Du warst auch reizbar und gedanklich abwesend. Wir haben erfolglos versucht dich über [deinen Freund] zu erreichen. Aber ich hatte trotzdem das Gefühl, dass ich dich noch treffen werde.«(interview mit Greta und Luise, 1) Mein Resümee des ersten Tages lautete:»der erste Tag ohne Telefon und Internet, ohne ipod und Serien war anstrengend. Zwar fühlte ich mich auch gut dabei, ich hatte es ja schon einen Tag lang durchgehalten, aber die Unplanbarkeit des Tages geht mir auf die Nerven.«(Feldtagebuch, 4) Während dieser Woche war ich darauf angewiesen, meinen Tagesablauf längerfristig zu planen. Das wäre mit Medien nicht nötig gewesen, denn kurze Telefonate ersetzen häufig das Planen im Voraus. Ohne sie war Planen leider fast unmöglich. Befreiung von Zwängen Im Vorfeld habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie ich meine Freunde antreffen kann, ohne sie über Medien zu kontaktieren. Ich kam zu dem Schluss, dass man für ein spontanes Treffen zwei Bedingungen erfüllen muss:»nähe: Man muss in ihrer Nähe wohnen, um spontan vorbeifahren zu können, ohne bei ihrer Abwesenheit zu viel Zeit zu verlieren. Gewohnheiten: Man muss die Gewohnheiten seiner Freunde kennen, um sie zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten antreffen zu können.«(feldtagebuch, 1 2) Zu einigen Freunden war die räumliche Nähe gegeben, zu anderen nicht. Meine Freundin Anna habe ich während dieser Woche leider gar nicht gesehen. Sie wohnt in Rudow, definitiv zu weit, um auf gut Glück bei ihr klingeln zu gehen. Ich habe das Gefühl, meine Freunde besitzen kaum noch Gewohnheiten, die sie mir in die Arme treiben könnten. Verwöhnt durch die ständige Möglichkeit sie zu erreichen, bin ich vielleicht unaufmerksam für solche Gepflogenheiten geworden. Zu meinem Glück arbeitet Greta in einem Café im nahen Kreuzberg.»Habe mich arrangiert. Es ist eine große Erleichterung, dass Greta heute arbeitet und ich deshalb weiß, wo ich in den Genuss sozialen Kontaktes komme.«(feldtagebuch, 5) In dieser Woche hatte sie dort zwei Schichten. Ich habe an beiden Tagen viele Stunden im Café in Kreuzberg verbracht. Dankbar über jede Abwechslung, Lina Ewert Auf Medien-Diät 129

130 habe ich mich selbst zur Praktikantin ausgerufen, Wachs von den Tischen gekratzt und Stühle herumgeschleppt. Es war herrlich!»habe heute Nachmittag in der sozialen Sicherheit des Cafés in Kreuzberg verbracht. [ ] Nach der gestrigen, unfreiwilligen sozialen Enthaltsamkeit brauchte ich heute wohl einen extra Portion.«(Feldtagebuch, 5) Um mir Kontakt zu sichern, war ich auf längerfristige Verabredungen angewiesen. Leider war es nicht immer so leicht meine Freunde auf bestimmte Termine festzuklopfen. Sich festzulegen scheint kein modernes Erfordernis mehr zu sein. Stattdessen kommuniziert man fröhlich hin und her, bis man gegebenenfalls einmal gleichzeitig nichts anderes vorhat. Die Spontaneität wird zum zwanglosen Zwang und wir ihre fröhlichen Sklaven.»Mit einem Handy kann man die Pläne mehrerer Leute gleichzeitig abfragen. Ich hingegen muss mich entscheiden, welcher Person ich mich an die Fersen hefte. Das zeitliche Risiko einer Fehlentscheidung ist gewaltig.«(feldtagebuch, 2) 8:00 Tagesspiegel (von gestern) zum Frühstückskaffee Auch mit meinem Freund Paul habe ich über die Bedingungen der räumlichen Nähe und der Gewohnheiten gesprochen. Er meinte, dass es früher stattdessen Stammkneipen gegeben habe. Das waren Treffpunkte bestimmter Freundeskreise und Orte regen Austausches. Durch die ständige Erreichbarkeit aller haben nun Mobiltelefone diese Austauschfunktion übernommen. Auch für mich ist das Café in Kreuzberg eine Art Stammkneipe. Ich stelle jedoch normalerweise durch Telefonate sicher, dass Freunde von mir da sind, bevor ich mich selbst auf den Weg mache. Zeit und Aufmerksamkeit Wie erwartet, hatte ich während der Medien-Diät jede Menge Freizeit. Wo ich mich früher meinem PC, Serien, Facebook oder dem Handy gewidmet hatte, klaffte nun ein großes Loch.»Fühle mich wie im Urlaub. Urlaub von meinen Medien bedeutet Urlaub von der Organisation meines Lebens. Ich kann nichts im Internet nachschauen, keine s beantworten oder die Zukunft planen. Also lese ich den ganzen Tag.«(Feldtagebuch, 6) Der Wert meiner Zeit wurde mir durch die viele Freizeit und die endlosen Umwege zu meinen Freunden erst bewusst und es wurde deutlich, wie viel Zeit

131 ich normalerweise in sozialen Netzwerken oder beim Anschauen von Serien verbrachte.»wie kostbar Zeit ist, merkt man auch erst, wenn man sie verschwendet. Gerade der Gebrauch von Medien, die eigentlich Zeit einsparen sollten, verleitet oftmals zur Zeitverschwendung. Die Affektkontrolle, wie sie Norbert Elias in Über den Prozess der Zivilisation (vgl. Elias 1982, 338) beschreibt, scheint bei der Mediennutzung keine Gültigkeit zu haben.«(feldtagebuch, 9) Im Interview mit Greta stellte sich heraus, dass ich nicht nur mehr Zeit für meine Freunde hatte, sondern auch Verabredungen mit mir qualitativ höherwertiger waren.»du warst so präsent! Das ist der Unterschied, man ist mit seinen Gedanken nur an einem Ort. Mit dem Handy bist du immer mit verschiedenen Menschen gleichzeitig in Kontakt und nie Hundert Prozent bei einer Person. Das ist schon ein anderes Gefühl.«(Interview mit Greta und Luise, 2) Ich gebe zu: Ich habe geschummelt. Beispielsweise als eine sehr gute Freundin nach mehrmonatigem Auslandsaufenthalt nach Berlin zurückkam. Ich ließ ihr über gemeinsame Freunde Nachrichten übermitteln. Somit profitierte ich von deren medienbasiertem Austausch. Diese Art der indirekten Kommunikation brachte eine ordentliche Portion Zeitverschwendung mit sich.»habe Ina über Greta ausrichten lassen, dass ich um 18 Uhr auf der Brücke auf sie warten werde. Da ich nicht erreichbar war, konnte Ina mir nicht mitteilen, dass sie erst um 19 Uhr Zeit hatte. Ich wartete also allein und mein mittlerweile drittes Buch lesend in der Abendsonne.«(Feldtagebuch, 10) Wie Georg Franck in Ökonomie der Aufmerksamkeit (1998) treffend feststellt, scheint die Aufmerksamkeit neben Zeit und Geld eine dritte Ressource zu sein (vgl. Franck 1998, 73). In den letzten Jahrhunderten war die Zeit des Gegenübers ein wertvolles Geschenk. Um es mit Bourdieu zu sagen: Die Geste des Zeitschenkens diente der Pflege und Akkumulation sozialen Kapitals (vgl. Bourdieu 1983, 193). Im Augenblick der Verabredung gehörte die alleinige Aufmerksamkeit allein dem Gesprächspartner. Mit den mobilen Medien kam die Veränderung. Zwar schenken uns unsere Freunde immer noch ihre Zeit, ihre Aufmerksamkeit teilen wir jedoch durch SMS oder Anrufe mit unsichtbaren Dritten. Lina Ewert Auf Medien-Diät 131

132 9:00 Noch ein schneller Blick auf das Wetterradar von wetter-online.de: Brauche ich eine Regenjacke heute morgen beim Fahrradfahren? Nein, sieht gut aus. Laptop aus Diätetische Erfahrungen Mein Anliegen bestand darin, allgemein bekanntes, jedoch unreflektiertes Alltagswissen durch eigene Erfahrungen bewusst zu machen. Durch den Wegfall der Medien wurde mir beispielsweise ihre zeitsparende Effektivität bewusst. Die zunehmende Vermischung von Arbeit war eine weitere Erkenntnis meines Selbstversuches. Überraschend und ein wenig erschreckend waren jedoch die extremen Auswirkungen von Medien auf meine sozialen Interaktionen. Vor dem Selbstversuch hätte ich dem Mobiltelefon zwar eine gewisse Wichtigkeit zugestanden, aber niemals eine solch essentielle Notwendigkeit. Tatsächlich ist mein soziales Leben entscheidend von der potentiellen Möglichkeit sozialer Kontakte sowie der spontanen Planbarkeit on demand abhängig. Beides kann nur durch die ständige Erreichbarkeit über ein Handy oder ähnliches gewährleistet werden. Sie ist zur Tugend unserer Zeit geworden. Mediale Abwesenheit wird zu einem nicht normalen Zustand degradiert. Aus einer utilitaristischen Perspektive ist auch die paradoxe Wirkung von elektronischen Medien auf meinen Alltag interessant. Einerseits ermöglichen sie effektives Arbeiten, wirken also zeitsparend. Auf der anderen Seite schaffen sie durch Computerspiele, Serien oder auch Soziale Netzwerke zahlreiche Verlockungen, Zeit zu verschwenden. Meine Medien-Diät war eine einzigartige Erfahrung. In meinem Umgang mit Medien habe ich mir vorher unbewusste Angewohnheiten aufgedeckt. Meiner Meinung nach sind Medien kein Teufelswerk, denn ihre Nützlichkeit ist offensichtlich. Im Umgang mit ihnen ist mir jedoch bewusst geworden, dass man immer Werte gegeneinander abwägt. Letztlich entscheidet jeder selbst, ob er seine Aufmerksamkeit einem Freund allein schenkt oder sie mehreren gleichzeitig widmet. Nach dieser Woche nehme ich mir jedenfalls vor, öfter mal das Risiko der Zeitverschwendung in Kauf zu nehmen, indem ich Freunden überraschend einen Besuch abstatte. Natürlich werde ich versuchen, ihnen dabei nicht nur meine Zeit, sondern auch meine ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken. Der Selbstversuch als ethnologische Methode Als Ethnologen interessieren wir uns für den Alltag und das Gewöhnliche. Ähnlich den Krisenexperimenten Garfinkels, in denen er das implizite Alltagswissen in der Gesellschaft aufzeigen wollte, habe ich das Gewöhnliche im Bezug auf Medien durch Irritation meiner eigenen Mediennutzung zum Vorschein gebracht. Als ethnologische Methode bietet der Selbstversuch vor allem eins: Einen Einstieg in das Forschungsfeld und Einblicke in mögliche Schwierigkeiten und Erkenntnisse.

133 Die Methode besticht durch ihre Einfachheit: Als Forscher kann man die Forschung flexibel gestalten und erhält einen relativ unkomplizierten Zugang zum Feld. Die eigene Erfahrung birgt die oben genannten Vorteile und könnte unter anderem zu einem stärkeren Vertrauensverhältnis zwischen Forscher und Beforschten in anschließenden Untersuchungen führen. Da der Forscher in den Fokus rückt, erfordern autobiografische Methoden wie der Selbstversuch ein Höchstmaß an Selbstreflexivität. Wichtig dabei ist es, den Fokus bei der Datenanalyse vom Forscher weg zu lenken und sich nicht in Emotionalitäten zu verstricken. Beispielsweise ist die Frage, wie der Selbstversuch dem Forscher gefallen hat, nicht Bestandteil der Analyse. Stattdessen sollte man sich seines eigenen Kontextes, seiner Vorannahmen und anderen einflussreichen Faktoren bewusst werden. Der größte Nachteil ist zu gleich der offensichtlichste: Die Ergebnisse eines Selbstversuchs sind alles andere als allgemeingültig. Sie spiegeln lediglich das stark einfärbte Bild eines einzigen Individuums wider. Daneben unterliegt auch der Selbstversuch, je nach Dauer, den üblichen Hindernissen längerfristiger ethnografischer Forschungen hinsichtlich des Zeitaufwands und der Kostspieligkeit. Zudem besteht die Gefahr, zukünftige Forschungen zum Thema nur noch durch die Brille der eigenen Erfahrungen wahrzunehmen. Ähnlich der theoretischen Lektüre vor der Forschung, können auch durch den Selbstversuch Blinde Flecken entstehen und Feldspezifika übersehen werden. Sollten die Ergebnisse des Selbstversuches, wie in meinem Fall, publiziert werden und nicht bloß als Orientierung dienen, kommt noch der Präsentierteller-Aspekt hinzu; der Forscher persönlich steht im Mittelpunkt und setzt sich selbst der Kritik Dritter aus. Im Vergleich zu anderen autobiografischen Methoden (vgl. Böhnisch- Brednich 2012) ist der von mir durchgeführte Selbstversuch keine Beschreibung von wichtigen Ereignissen meines Lebens. Auch ist er keine Analyse der Arbeitsweisen unseres Faches. Gemeinsam ist den Methoden lediglich der Fokus auf den Forscher als Subjekt. Jedoch ist der Selbstversuch eine Art Experiment. Die Umstände des eigenen Lebens sind künstlich verändert, in meinem Fall durch die Nicht-Nutzung elektronischer Medien. Als Forscher beobachtete ich Veränderungen hinsichtlich meiner Arbeit als Studierende und meines Kontakts mit Freunden, die durch die Medien-Abstinenz bedingt waren. Ob es sinnvoll ist, den Selbstversuch als Methode anzuwenden, hängt, wie bei allen anderen Methoden, vom Feld ab. Gerade wenn es an Referenzforschungen fehlt, besteht seine Nützlichkeit in der relativ einfachen Durchführung und der ersten Auslotung des Feldes. Lina Ewert Auf Medien-Diät 133

134 Anmerkungen Uni 9:30 Grimm-Zentrum: Bücher ausleihen, schnell im 7. Stock noch ein paar Filmdaten aus einem Präsenzexemplar rausschreiben 1 Vergleiche dazu auch: Sei doch mal still! Anleitung zu einer digitalen Diät. In: Der Spiegel, Nr. 27/ und Paul Miller: I m still here: back online after a year without the internet ( aufgerufen am Vgl. ( ). 3 Streamen meint das Anschauen von Sendungen und TV-Serien im Internet. 4 die soziale Distanz zwischen dem Interaktionspartner im Fernsehen und dem Zuschauer wird bewusst überwunden sodass ein Gefühl der Intimität entsteht (»Intimacy at a distance«) (Vgl. Ziemann 2006: S. 96f.). 5 Anschaulich lässt sich dies am Beispiel des Pc-Spiels Die Sims erklären. Auch dort laden die Sims Interaktionsenergie durch Kontakt zu anderen Sims auf. Der Bedüfnis-Balken soziale Interaktion wird grün und der Sim kann einige Zeit ohne weitere soziale Interaktionen auskommen, bis er diese Reserve aufgebraucht hat und sich einsam fühlt. 6 Ein Open Air ist eine Party, die meist illegal in Parks oder auf verlassenen Grundstücken stattfindet. Literatur Böhnisch-Brednich, Brigitte (2012): Autoethnographie Neue Ansätze zur Subjektivität in kulturanthropologischer Forschung. In: Zeitschrift für Volkskunde, Nr.108 1/2012. Bourdieu, Pierre (1983): Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: Kreckel, Reinhard (Hg.): Soziale Ungleichheiten. Sonderheft 2 der Zeitschrift»Soziale Welt«. Göttingen Elias, Norbert (1982): Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen, Bd. 2. Franfurt/Main. Franck, Georg (1998): Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf. München/Wien. Silverstone, Roger (1994): Television and everydaylife. London. Ziemann, Andreas (2006): Soziologie der Medien. Bielefeld.

135 Abschied von der Visuellen Anthropologie? Michael Westrich Einleitung Meine Forschung schien zum Scheitern verurteilt. In dem unscheinbaren Hinterhaus einer Kirche in Algeciras, in der Flüchtlinge und prekär Lebende temporären Schutz fanden, verstand ich, dass die Reise an die Grenze eine»grenz-erfahrung«im doppelten Sinne transportieren würde: nicht nur politgeographisch, sondern auch, weil sie mich ständigen Irritationen über die Bilder, die ich mir von der Welt machte, aussetzte. Aktivist_innen, die aus Nächstenliebe oder politischer Überzeugung Migrant_innen halfen, konfrontierten mich in Nebensätzen mit ihren schlummernden Rassismen, Migrant_innen mit der Notwendigkeit, den Kategorisierungen des Grenzregimes zu entsprechen und die Migrationsforschung mit Kategorien, die all das aus dem Auge verloren. Die Frage, wie sich diese Verstrickungen querlesen lassen und welche Rolle meine Person dabei spielt, habe ich versucht, in einem essayistischen Film zu bearbeiten, aus dem ich im vorliegenden Essay drei Bilder erzähle, die auf jeweils verschiedene theoretische Anschlüsse verweisen. Ein erstes adressiert die»sensory ethnography«als aktuellen Trend der visuellen Ethnologie. Der jahrzehntealten Skepsis der Ethnologie an audiovisuellethnografischem Arbeiten setzt ein zweites Bild das postkoloniale Unbehagen an der ethnologischen Wissensproduktion im Allgemeinen entgegen, woran sich einige Notizen zu einem essayistischen Impuls für audiovisuelle Arbeiten im dritten und letzten Bild anschließen. Weil der Artikel anlässlich des neugegründeten Medienlabors am Institut für Europäische Ethnologie verfasst wird, nutze ich die Gelegenheit, um auf die Wichtigkeit von Freiräumen hinzuweisen, die erlauben, über methodische Routinen hinaus zu denken und die methodische und theoretische Ordnung, die wir wissenschaftlich einzuhalten versuchen, in Unruhe zu versetzen.»what the map cuts up, the story cuts across«, schreibt Michel de Certeau: abstraktes, theoretisches und verkörpertes, praktisches Wissen durchkreuzen sich ständig (vgl. Conquergood 2002, 145). Audiovisuelle Medien bieten sich als Instrumentarium an, um dem nachzugehen, sofern sie nicht als Gegenstand der Forschung betrachtet, sondern als Teil ihrer Forschungspraxen und Repräsentationen eingesetzt werden. Berliner Blätter Heft 64 / 2013 S

136 Bild eins: Von Sinnen 10:05 SMS an N.: Komme ein bisschen später zum Kaffeeklatsch Im Bild: Der erwähnte Kirchen-Hinterhof. Eine Fläche mit Betonplatten, ein Haus mit bemalter Vorderseite, auf roten Plastikstühlen sitzen Menschen verschiedenen Alters und unterschiedlicher Hautfarbe, wortkarg. Im Esszimmer dudelt das Radio vor sich hin, die Vorhänge hinter den schlichten, abgewetzten Tischen wiegen sich im Wind. Die Zeit vergeht langsam, wenn nichts zu tun, wenn es kein Ziel gibt, auf das man wartet. Zeit, die mit Beschäftigung gefüllt wird, um sie totzuschlagen. Um darin Handlungen zu sehen, so lehrte mich das sinnliche Erleben, müssen letztere in den Kontext des Wartens eingepasst werden, in die Machtverhältnisse, die seiner Produktion zu Grunde liegen, aber auch in die emotionalen, körperlichen, affektiven Dimensionen, die daran beteiligt sind. Kurz: in die Beziehung des ethnografischen Selbst mit der Welt. Auf der Suche nach einem theoretischen Anschluss gelangte ich zur»sensory ethnography«, die die Engführung analytischer Forschung kritisiert, in der die Sinne keine Rolle spielen. Vor allem Paul Stoller stach mir ins Auge, denn stärker als andere rückt er das ethnografische Selbst in den Mittelpunkt. Er fordert nicht weniger, als den Körper der Forscher_in, der seit der Aufklärung aus der Wissenschaft verschwunden sei, wieder zum Leben zu erwecken. Anhand seiner Arbeit bei den Songhai und am Beispiel von Jean Rouch, dem er»embodied sensuous images«zuschreibt, kritisiert er die Textzentriertheit der Wissenschaft und ihren Eurozentrismus. Als Gegenentwurf dazu zeige ein»sensuous scholarship«, wie»the fusion of the sensible and the intelligible can be applied to scholarly practices and representations«(stoller 1997, XV). Dem Versuch, die Beziehung zwischen Mensch und Welt in die kulturwissenschaftliche Debatte einzuführen, liegt ein phänomenologischer Erfahrungsbegriff zugrunde, der Maurice Merleau-Ponty und seine Idee des In-die-Welt-geworfen-Seins zurückgeht (Merleau-Ponty 1966). Unklar bleibt aber, wie damit systematisch ethnografisch gearbeitet werden kann. Ein Zweig der Visuellen Anthropologie, der sich in eine erfahrungsbezogene Ethnografie der Sinne einschreibt, argumentiert, dass genau darin eine Stärke von Film bzw. Video liege. Zu einem wichtigen Ort in diesem Diskurs gehört beispielsweise das»sensory Ethnography Lab«der Harvard-University (SEL), das ein Kontext sein möchte für Forschung, die, über textliche Wissensproduktion hinaus, darauf abzielt»to explore the bodily practice and affective fabric of human condition ( ) (using) audio-visual practices as method for conducting ethnographic research«(sel Mission Statement, zitiert in Galeucia and Appel 2011). Demnach soll die Kamera zum einen als Feldforschungsinstrument in den Methodenapparat eingehen, als eine Art digitales Notizbuch, das Bild und Sound nutzt, um die Welt in ihrer Materialität und Körperlichkeit wahrzunehmen und aufzuzeichnen. Wie die Daten verlässlich verarbeitet werden könnten, bleibt zwar offen, die Forderung ist jedoch, zum anderen, daraus

137 audiovisuelle Ethnografien oder zumindest digitale Elemente von Forschungsarbeiten zu verfassen. Die Kamera avanciert also zum Mittel, mit dem soziale Phänomene erforscht und als ethnologisches Wissen ausgedrückt werden können ( MacDougall 1998, 63). Aus diesem Grund siedelt Sarah Pink eine»sensorial ethnography«an der Schnittstelle von Wissenschaft und künstlerischen Praxen an. Ausgehend davon, dass Erfahrung, Wahrnehmung, Wissen und Praxis multisensorial informiert sind, argumentiert sie dafür, die Sinne in die ethnografische Forschung und ihre Repräsentationen einzubeziehen, wofür sie audiovisuellen Medien eine wichtige Rolle zuschreibt (Pink 2009). Einer der Gründe dafür bestehe in ihrer Qualität als pädagogisches Werkzeug, das über Zeigen anstatt über Erklären funktioniert und die Freiheit lässt, Bedeutungen und Interpretationen abzuleiten, indem es sinnliche Eindrücke in ihrer Verwobenheit transportiert. Wie umstritten der Erfahrungsbegriff und die Reichweite einer phänomenologischen Forschung sind, spiegelt die Debatte zwischen David Howes, Sarah Pink und Tim Ingold recht anschaulich (Ingold 2011). Les Back (2011) kritisiert darüberhinaus in einem Artikel über Rassismus als affektive Struktur, dass die Sinne stärker konfligieren als die Phänomenologie nahelegt und man ihnen nicht immer trauen kann. Und auch Pink selbst räumt im Anschluss an eine empirische Forschung ein, wie schwierig es sei, mit audiovisuellen Mitteln Forschungserfahrungen gezielt und unmissverständlich an ein weniger informiertes Publikum weiterzugeben (Pink 2006). Folgenreicher als diese scheint mir jedoch eine andere, innerfachliche Kritik zu sein. Der australische Anthropologe und Filmemacher David MacDougall geht davon aus, dass der Ethnologie lediglich eine geeignete Sprache fehle und plädiert für neue Prinzipien audiovisueller Forschung (MacDougall 2006). Gerade das aufkommende ethnologische Interesse an Orten, Emotionen, Zeit, Gender oder Identität spreche für Film als Mittel, um sich im Rahmen einer erweiterten Ethnografie mit der sinnlichen und verkörperten Erfahrung der Forscher_in auseinanderzusetzen (MacDougall 1997, 287). Im Diktum einer»sensory ethnography«formuliert er, dass ethnologische Filme und nicht Filme über Ethnologie Zukunft haben. Damit wiederholt er eine Forderung aus dem Jahre 1975 (Ruby 1975). MacDougall schlägt den Bogen über knapp vier Jahrzehnte, in der die Visuelle Anthropologie vor allem damit beschäftigt war, sich gegen die fachinterne Kritik zu wehren, die daran zweifelte, inwieweit Film/ Video oder Sounds überhaupt akademisch beziehungsweise theoretisch anschlussfähig sein könnten (vgl. Crawford 1992). Die Diskussion darüber ebnete den Weg für Argumente, die unter Bezug auf die Qualitäten von Film/Video eine audiovisuelle Bearbeitung sinnlicher Ethnografien fordern, gleichzeitig festigte sie aber auch die randständige Position der Visuellen Anthropologie: Erstens, indem sie ihre Kompetenz stark auf das Reflektieren von Bildern und Repräsentationen reduzierte und zweitens, weil auf diese Weise die ständige Bearbeitung Michael Westrich Abschied von der Visuellen Anthropologie? 137

138 10:30 Redaktionsbüro Zeitschrift für Germanistik: Handy auf»lautlos«. Wie muss ein Manuskript endformatiert werden, bevor es an den Verlag geschickt werden kann eine kurze Einführungsstunde am Computer mit der Chefin der Unterschiede zwischen Film und Text zu ihrer Arbeitslegitimation wurde. Zugespitzt formuliert bedeutet das, dass die Visuelle Anthropologie insoweit ihre größte Kontrahentin in ihrer eigenen Disziplin findet. Um dieser Dynamik zu entgehen, rate ich einem ambitionierten Medienlabor davon ab, sich in diesen Diskurs einzuschreiben und lege vielmehr nahe, sich von einer Visuellen Anthropologie zu verabschieden, die sich im Wettstreit mit ihrer Mutterdisziplin befindet was nicht bedeutet, dass die geführten Debatten nicht berücksichtigt werden sollten. Produktiver scheint mir jedoch, auszuarbeiten, wie genau ethnografische Filme aussehen sollen, wie sie aktuelle, zum Beispiel postkoloniale Kritiken, berücksichtigen und welche Ästhetik, welche Form sie (nicht) haben können. Bild zwei: Visuelle Anthropologie und postkoloniale Kritik Im Bild: Wir. Eine Gruppe von Menschen, die sich Geschichten von Flucht und Abenteuer erzählt. Ich bin Teil einer Gemeinschaft auf Zeit geworden, ich komme und gehe, ich filme oder filme nicht. Ich bin präsent, wenn ich soll und blende mich aus, wenn ich muss. Im Bild sind nicht wir, sondern alle außer mir. Bis jemand sich direkt an mich wendet, an mich hinter der Kamera. Schon während des Filmens habe ich mich gefragt, wie ich damit umgehen werde. Soll der Forscher sprechen? Und wenn ja, was hat er außerhalb seines akademischen Diskurses eigentlich zu sagen? Das Bild, von dem ich erzähle, skizziert ein Grundproblem ethnologische Feldforschung, ob mit oder ohne Kamera. Denn im ethnografischen Narrativ verschwindet die Autor_in für gewöhnlich im Prozess der Objektivierung, und der schmale Grat, der zwischen Subjektivität und analytischer Distanz verläuft, ruht meist nur auf den Sockeln der Reflexivität. Worauf ich verweise, ist nicht die beinahe zur Pflichtübung verkommene Situierung der Forschung während des Schreibprozesses, sondern die körperliche Präsenz der Forscher_in im Feld, wie sie die»sensory ethnography«stark macht. Unsere Einstellungen, Geschichte(n), Habitus, Mimik, Emotionen und Affekte sind Ausdruck und Koproduzente_innen der Beziehungsgeflechte, in denen wir uns bewegen, und des Wissens, das wir generieren. Während die Anthropologie und ihre visuelle Subdisziplin über Jahrzehnte ihre Unterschiede und Abgrenzungen diskutierten, denkt ausgerechnet eine grundlegende Kritik an ihnen sie zusammen. So weist die lateinamerikanische Arbeitsgruppe Tronkal der Visuellen Anthropologie nach, Teil der»kolonialität des Sehens«zu sein (vgl. Barriendos 2010), also einer aus der kolonialen Verflechtungsgeschichte erwachsenen und davon geprägten Wissensproduktion. Trinh Min-Ha, eine prominente Vertreterin des feministischen und postkolonialen Diskurses, kritisiert die visuelle Anthropologie aus einer ähnlichen Perspektive. Speziell dem sozial orientierten, dokumentarischen Film wirft sie vor, zum meist männlich-paternalistischen

139 Stimmgeber zu werden, der die Position des Autors untermauert, solange seine Mission als ehrenwert erachtet wird (Minh-Ha 1990, 84). Zu Grunde liegen ihm, so Minh-Ha weiter, eine Kamera, die Bilder im Kopf des Ausführenden und jene Mechanismen, die sich aus der Erwartungshaltung des Publikums speisen. So isoliere ein Dokumentarfilm Fakten, setze sie neu zusammen und sei somit ähnlich realistisch oder fiktiv wie ein nicht-dokumentarischer Film:»There is no documentary film«(minh-ha 1990).»Ethnologisch«wird ein Film demnach, indem im Laufe seiner Produktion die theoretischen und methodischen Alleinstellungsmerkmale der Disziplin auf ihn angewendet werden. Während manche ethnologischen Filmemacher_innen daraus noch heute ihren Expertenstatus ableiten, konstatiert Minh-Ha, dass damit die Logik des kolonialen Datensammelns filmisch fortgeschrieben wird. Mehr als eine natürliche soziale Umwelt, gibt ein Film daher die Ideologie wieder, mit der sie erforscht wird:»what the camera in fact grasps is the natural world of the dominant ideology«(johnston, zitiert in Minh-Ha 1990, 96). Unschwer lassen sich die angedeuteten Argumente einordnen in einen postkolonialen und feministischen Diskurs, der in diesem Kontext auch deshalb aufschlussreich ist, weil er die Unterscheidung von visueller und nicht-visueller Anthropologie mit der Forderung verknüpft, die im Blick der Kamera gespiegelten Diskurse zu einem»speaking nearby«(minh-ha and Chen 2000) zu dezentrieren. Minh-Has Kritik an der kolonialen Verwurzelung der anthropologischen Wissensproduktion ist zwar in den Selbstverteidigungsstrategien (Ruby 1991) und Schlusskapiteln (Crawford 1992) der Visuellen Anthropologie angekommen, als anschlussfähig für»sensory ethnography«wurde sie bisher aber meines Wissens nicht erachtet- was sie für ein europäisch-ethnologisches Medienlabor um so interessanter macht. Bild drei: Zur Form des produktiven Scheiterns Das Bild: nicht entscheidend. Im Off spricht Y. davon, wie er»still«nach Europa gekommen sei, und wie heute die Zeit gegen ihn läuft. Wie eingangs erwähnt, sind die drei Bilder, die ich hier erwähnt habe, Teil eines Films, den ich im Rahmen meiner Forschung an der EU-Außengrenze produziere, ein audiovisueller Essay, aus dem heraus ich theoretische, schriftliche Anschlüsse entwickle. Die Bildsprache des Essays verspricht Authentizität, die Einstellungen sind zum Teil verwackelt, die Schnitte wirken unsauber, der Ton variiert. Eine weitere Dokumentation zu Illegalität, so scheint es. Für Irritation sorgen Kleinigkeiten, zum Beispiel Lesefehler und Rückfragen im Off-Text, aber auch Fragmente von Unterhaltungen über den Film im Off. Solche Momente unterbrechen das geradlinige gedachte Narrativ und lenken die Aufmerksamkeit darauf, dass Fakten nur über die Bedingungen der Produktion erfragt werden können, aus denen die Michael Westrich Abschied von der Visuellen Anthropologie? 139

140 11:30 Schnell SMS an P., Treffen um 12 Uhr bestätigen Autor_in sich nicht wegdenken kann. David MacDougall spricht von körperlichen Bildern:»Corporeal images are not just the images of other bodies; they are also images of the body behind the camera and its relations with the world«(macdougall 2006, 3). Damit betont er, was nach meinem Eindruck in der»sensory ethnography«oft zu kurz kommt: Filme werden nicht nur über Protagonist_innen oder die Forscher_in gedreht, sondern v.a. über die Beziehung der Autor_in zur Welt. Der Körper der Person hinter Kamera oder Tonband ist Teil des Bildes oder des Interviews, auch wenn er nicht sichtbar ist. In meinem Film tauche ich nur einmal körperlich auf, versehentlich, im Spiegel. Aber trotzdem bin ich präsent, als Ansprechpartner, als Fragender, als Subjekt, das mit Kamera handelt. Als jemand, der versucht, in der Tradition Minh-Has»nearby«zu sprechen; als jemand, der nicht zu dem»stamm ethnografischer Cineasten«gehören möchte, die denken, dass sie unsichtbar sind (Eliot Weinberger in Barriendos 2010, 133). Diese autoethnografische, persönliche Note bezeichnet Michael Renov als»essayistischen«impuls (Russell 1999, 277), weil es das ethnographische Selbst, seinen Blick und seine Spekulationen offenlegt, anstatt universalistische, wissenschaftliche Ansprüche zu stellen. Der ethnographische Essayfilm wird damit zum»antidocumentary«, zu einem»total breakdown of the colonialist precepts of ethnography«(ibid.). Das Spekulative, Autoethnographische, das Oszillieren zwischen der eingangs erwähnten abstrakten Landkarte und der verkörperten Geschichte de Certeaus ist fruchtbar, wenn man daran interessiert ist, die Grenzen der theore tischen Kategorien auszuloten und gleichzeitig die Forschungspraxis theore tisch zu informieren. Die Suche nach diesem»dazwischen«ist in meiner Forschung audiovisuell gestützt, und sie findet ihre formale Entsprechung im filmischen»essay als Form«, wie man in Anlehnung an Adorno formulieren könnte : Ein audiovisueller Essay, der in eine umfangreichere, schriftliche Arbeit eingebettet ist und das ethnografische Selbst bzw. seine Widersprüche in verschiedenen Hinsichten in seiner Umwelt situiert. Das Potential dessen liegt für meine Begriffe darin, die Irritationen mit der Welt, die aus der körperlichen Anwesenheit der Forscher_in, der Konkretheit der Situation und ihrem Wechselspiel mit postkolonialen und anderen kritischen Theorien resultieren, thematisieren zu können anstatt sie unauffällig aufzulösen. Und zwar auf unterschiedlichen sinnlichen Ebenen. Dazu braucht es Freiräume des Experimentierens, in denen die audiovisuelle Alphabetisierung der Forscher_innen geübt, die Stärken und Schwächen einer»sensory ethnography«auf den Prüfstand gestellt und die Auseinandersetzung mit dem ethnografischen Selbst angeschlossen wird: Räume des Dialogs und des möglichen und möglicherweise produktiven Scheiterns. Ein Medienlabor könnte der Ort dafür sein.

141 Literatur Back, Les (2011): Trust your senses. War, memory, and the racist nervous system. Senses&Society 6 (3), Barriendos, Joaquín (2010): La colonialidad del ver. In: Desenganche. Visualidades y sonoridades otras, edited by L. Tronkal. Quito. La Tronkal. Conquergood, Dwight (2002): Performance Studies. interventions and radical research. The Drama Review 46 (2), Crawford, Peter Ian (1992): Film as discourse: the invention of anthropological realities. In: Film as ethnography, edited by P. I. Crawford and D. Turton. Manchester. Manchester University Press. Galeucia, Megan/Ariel Appel (2011): The intelligence of the senses. The movement to bring human experience into academia. The McGill Daily ( ), mcgilldaily.com/2011/01/the-intelligence-of-the-senses/. Ingold, Tim (2011): Worlds of sense and sensing the world: a response to Sarah Pink and David Howes. Social Anthropology 19 (3), MacDougall, David (1997): The Visual in Anthropology. In: Rethinking Visual Anthropology, edited by M. Banks and H. Morphy. New Haven&London. Yale University. Merleau-Ponty, Maurice (1966): Phänomenologie der Wahrnehmung. Berlin (West). De Gruyter. Minh-Ha, Trinh T. (1990): Documentary is/not a name. October 52 (Spring, 1990), Minh-Ha, Trinh T./Nancy N. Chen (2000): Speaking nearby. In: Feminism and film, edited by E. A. Kaplan. Oxford ; New York. Oxford University Press. Pink, Sarah (2006): The future of visual anthropology. Engaging the senses. London/N.Y. Routledge. Repeated Author (1998): Transcultural cinema. Princeton, New Jersey: Princeton University Press. Repeated Author (2006): The corporeal image: film, ethnography, and the senses. Princeton, N. J.: Princeton University Press. Repeated Author (2009): Doing sensory ethnography. London. Thousand Oaks, CA, SAGE. Ruby, Jay (1975): Is an ethnographic film a filmic ethnography? Studies in the Anthropology of Visual Communication 2 (2), Russell, Catherine (1999): Experimental ethnography: the work of film in the age of video. Durham. Duke University Press. Stoller, Paul (1997): Sensuous scholarship. Philadelphia: University of Pennsylvania. Michael Westrich Abschied von der Visuellen Anthropologie? 141

142 Fotografie als Gegenstand und Methode der Ethnologie Fabio Santos 14:15 DEFA-Filmseminar: Wir schauen»ernst Thälmann Sohn seiner Klasse«auf der Leinwand im Medienraum von DOR24»Now, more than ever before, ethnographers are using visual and digital images and technologies to research and represent the cultures, lives and experiences of other people.«(pink 2004, 1) Mit diesem Statement verortet Sarah Pink führende Vertreterin der Visuellen Anthropologie und Professorin in Loughborough (UK) visuelles Arbeiten im Kanon ethnowissenschaftlicher Methoden und Repräsentationsformen des 21. Jahrhunderts. Tatsächlich sind Fotografie, Digitalisierung des Alltags und Medien insgesamt verstärkt Thema in Forschung und Lehre des Vielnamenfachs Europäische Ethnologie. 1 Im meinem Beitrag möchte ich die international vorherrschende Perspektive der anglophonen Visual Anthropology mit der noch immer diffusen und wenig diskutierten Beziehung von Fotografie und Ethnografie im deutschsprachigen Raum verbinden. Erst jüngere Beiträge von Thomas Overdick (2009, 2010) und Ulrich Hägele (2001, 2005, 2007, 2011) rückten visuelle Verfahren der ethnografischen Forschung und Repräsentation in ein neues Licht und schrieben die Fachgeschichte der Europäische Ethnologie in Teilen neu. Meine Arbeit sehe ich als weiteren Beitrag zur Thematisierung und Reflexion der fotografischen Methode und Repräsentationsform. Sie bietet einen überblickartigen Exkurs in die Wissen(schaft)sgeschichte der fotografierenden Ethnografie bzw. der ethnografierenden Fotografie, trägt zentrale Ideen visuell-anthropologischen Arbeitens zusammen und verweist auf die Möglichkeiten reflektierter Nutzung von Kamera und Fotografie. Somit ist sie als klares Plädoyer für die reflexive Integration (audio-)visueller Medien in das Repertoire an Methoden und Repräsentationsformen der Ethnowissenschaften zu verstehen. Fotografie nach unserem heutigen Verständnis ist nicht rein subjektiv; noch viel weniger aber liefert sie ein objektives Abbild von Realität (»The claim of photography to represent the real has gone.«, Mirzoeff 1999, 65). 2 Sie bleibt immer nur ein Ausschnitt einer Situation; eine Inszenierung, die möglicherweise auch im Nachhinein bearbeitet wurde. Trotzdem handelt es sich hierbei um ein anschauliches Medium, das Teile unserer Lebenswirklichkeiten abbilden und verständlich machen kann. Daher bewegt sich Fotografie immer im Spannungsfeld zwischen Objektivität und Subjektivität:»Objektive Beschreibung und subjektive Interpretation, realistische Abbildung und abstrakte

143 Konstruktion, konkrete Eindeutigkeit und offene Vieldeutigkeit sind in der fotografischen Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit untrennbar miteinander verwoben.«(overdick 2010, 292) Überlegungen zum Einsatz von Fotografien im wissenschaftlichen Kontext kreisten von Beginn an um die Auffassung der Fotografie als objektiv-realistisches oder subjektiv-abstraktes Medium und somit auch als wissenschaftliches Aufzeichnungssystem 3 einerseits und Kunstform andererseits (Mirzoeff 1999, 67). Tatsächlich könnte man die fotografische Auseinandersetzung in Overdicks Zitat auch mit der ethnografischen Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit ersetzen bzw. erweitern. Denn auch ethnografische Forschung und Wissensproduktion sind in das Spannungsfeld von objektivem Wissen und subjektiven Erfahrungen eingebunden:»some authors view anthropology as a science and ethnography as the tool that helps it deliver objective representations of society. For others, ethnographic writing is akin to literature and art, and introspection and self-reflection should predominate over the search for objectivity. Yet others attempt to find a middle ground, stressing the subjectivity of their accounts but nonetheless trying to produce communicable knowledge of particular social and cultural worlds.«(gay y Blasco & Wardle 2007, 1 2) Gerade Ethnologie und Fotografie verliefen in ihrer Entstehungsgeschichte parallel (vgl. Pinney 1992 & Pinney 2011, 17 62) und konnten einander unterstützen und legitimieren: 1839 wurde in Paris nicht nur die weltweit erste Société Ethnologique gegründet; auch stellte Louis Daguerre dort der Akademie der Wissenschaften das erste fotografische Verfahren die Daguerrotypie vor.»mit der Erfindung der Fotografie schien man im 19. Jahrhundert endlich ein geeignetes Instrument an der Hand zu haben, mit dem ein authentisches wahres Abbild der Welt festgehalten werden konnte«so fasst Overdick (2010, 129) die allgemeine Fotoeuphorie ab 1839 zusammen. Sie hielt lange an und erklärt die Nutzung fotografischer Vorgehensweisen in den sich institutionalisierenden Ethnowissenschaften, denen es gerade im Kontext einer in koloniale Strukturen eingebundenen physischen Anthropologie (vgl. ebd., 24; Theye 2004, 50 53) darum ging, Körperstrukturen und materielle Kultur realgetreu abzubilden und zu vermessen (Wirz 1982, 50) prägt diesbezüglich den passenden Begriff der»anthropologischen Vermessungsfotografie«. So schufen die ersten anthropologischen Unternehmungen in Frankreich und Großbritannien mithilfe der Fotografie als vermeintlich exaktem Aufzeichnungssystem»facts about which there is no question«, wie es 1899 in dem Handbuch Notes and Queries on Anthropology hieß (vgl. Pinney 15/25). 4 Bei den Bildern, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Rahmen von (Reise-)Berichten 5 und ersten anthropologisch-anthropometrischen Berliner Blätter Heft 64 / 2013 S

144 16:00 Blick auf mein Handy: Wie lange dauert der Film denn noch? Mittlerweile fast 2 Stunden Projekten (vgl. Alsheimer 2011, Poignant 1982, 14 21, Spencer 1992) gemacht wurden, handelt es sich eindeutig um Bilder, die koloniale Strukturen widerspiegeln (vgl. Hägele 2011, 70ff, Pinney 2011, 38/48). Diese Hierarchien im Bild wurden auch von Schlüsselfiguren einer sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts institutionalisierenden anglo-frankophonen Ethnologie (re-)produziert. Hägele (2007, 73) analysiert Bronislaw Malinowskis Fotografien des frühen 20. Jahrhunderts und deutet seine»attitüde [ ] körpersprachlich als gebieterische Inbesitznahme eines Raumes«(siehe auch Lindner 1984). 6 Fast alle großen Namen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nutzten die Fotografie als Methode und Repräsentationsinstanz, darunter Margaret Mead mit Gregory Bateson (Balinese Character, 1942, siehe auch Engelke 2007, 47 93) sowie Claude Lévi-Strauss in Traurige Tropen (2008 [1955]) und später Saudades do Brasil (1995). 7 Umso verwunderlicher ist es, dass (audio-)visuelle Verfahren im ethnografischen Arbeiten bis in die 1980er Jahre hinein wenig diskutiert wurden und zumindest als Medien des Wissenstransfers und somit als Repräsentationsformen eine marginale Stellung besaßen. Auch für die deutsche Volkskunde der Jahrhundertwende 1900 war die Fotografie ein willkommenes Mittel. Diese wissenschaftlich noch nicht etablierte Volkskunde, die gesellschaftlichen Umbrüchen und Tendenzen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts Verstädterung, industrielle Moderne, Verschwinden tradierter Lebensweisen zum Teil kulturkritisch und nostalgisch-verklärend begegnete, sah in der Fotografie eine adäquate Methode zur realitätsgetreuen Abbildung verschwindender (bäuerlicher) Lebensformen:»Die im Museum deponierten Objekte werden in einer Zeit rasanten und kulturellen Wandels der alltägliche Lebensverhältnisse zu Garanten der Erinnerung und vermitteln Vertrautheitserlebnisse und neue Identitäten. Bei der Rettung kultureller Objektivationen sahen die frühen Museumsvolkskundler in der Fotografie eine Verbündete. Gleichzeitig ergaben sich über das museale Sammeln von Fotografien zum Thema populärer Kultur Möglichkeiten zur Sinnstiftung, die im regionalen oder nationalen Kontext wirken konnte. Nach und nach entstanden so große nationale und regionale Fotosammlungen, mit deren Hilfe sich visuelle Identifikationen mit der vergehenden Volkskultur ergeben konnten und umgekehrt Abgrenzungsstrategien zur modernen Industriegesellschaft möglich wurden.«(hägele 2007, 11) Dieses Selbstverständnis der jungen Volkskunde mündete nicht unweigerlich, aber angesichts der vertretenen Themen und Einstellungen nahe liegend in einem Fach, das auch für das NS-Regime interessant wurde. 8 So besetzte Adolf Spamer 1936 unter nationalsozialistischen Vorzeichen den ersten Lehrstuhl für Volkskunde an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität. Einhergehend mit

145 bzw. parallel zu der akademischen Institutionalisierung der Volkskunde wurden vor allem Bildmedien in der NS-Propaganda eingesetzt. Sie nahmen, wie Hägele (2001, 295) hervorhebt,»die wichtigste Rolle bei der Verbreitung der nationalsozialistischen Ideologie ein.«eine für Ethnolog_innen interessante Figur dieser Zeit ist Erna Lendvai-Dircksen, die mit ihrem Band Das deutsche Volksgesicht von 1930 eine Art Typologie der deutschen Physiognomik aufstellte (siehe auch Blask & Friedrich 2005, Hägele 2005). Nicht zuletzt aufgrund dieser Nutzung von Fotografien für Propagandazwecke distanzierten sich Volks- und Völkerkunde nach 1945 von der Fotografie als Teil ihres Methoden- und Repräsentationsspektrums. Genauer gesagt, sie wurde totgeschwiegen und trotzdem genutzt:»bemerkenswert [ ] ist das beinahe vollständige Entschwinden der Fotografie aus den Methodendiskursen der Volkskunde, auch wenn der Einsatz des Fotoapparats nach dem Krieg nie abgebrochen ist.«(overdick 2010, 67) Erst in den 1970er Jahren wurden visuell-ethnografische Verfahren im deutschen wie im internationalen Kontext stärker in den Blick genommen angestoßen vor allem durch Margaret Meads Plädoyer für eine Visual Anthropology in a Discipline of Words (1975). Verschwindende Lebenswelten vor Augen fragt Mead, weshalb sich große Teile der Ethnowissenschaften (audio-)visueller Methoden verwehren. Sie kritisiert das»clinging on words when so many better ways of recording many aspects of culture have become available.«(ebd., 5) Sie macht sich für den Einsatz von Medien primär Film stark, der ihrer Meinung nach durch reflexiv-kooperative Herangehensweisen auch dem Dilemma des Othering 9 entkommen kann. Damit macht sie implizit schon auf ein Thema aufmerksam, das erst ein Jahrzehnt später in Bezug auf ethnografisches Schrei ben in dem von James Clifford und George Marcus herausgegebenen Band Writing Culture: The Poetics and Politics of Ethnography (1986) zu jahrelangen Diskussionen im Fach führte. Die Autor_innen stellten die Vorstellung einer wirklichkeitsgetreuen Abbildung vonseiten der Ethnograf_innen in Frage; ihnen zufolge handele es sich bei ethnografischem Wissen über Andere immer um ein Konstrukt, das Realitäten zwar partiell wiederzugeben vermag, aber keinesfalls Vollständigkeit für sich beanspruchen könne. Die Formel»ethnographic truths are inherently partial committed and incomplete«(1986, 6) ist heute weitgehend in den ethnowissenschaftlichen Fächern angekommen (vgl. Pink 2001: 121). Obwohl Wolbert (1998, 208) einerseits herausstellt,»wie wenig Beachtung die Writing-Culture-Debatte der photographischen Konstruktion ethnographischer Autorität und der Grundlage der Lesbarkeit von Photographien geschenkt hat«, kann andererseits gesagt werden, dass die Debatte durch ihre Kritik an ethnografischen Repräsentationsformen (und somit am geschriebenen Wort) sowie in ihrem Streben nach multiperspektivischen, polyphonen, kooperativen Formen zugleich den Weg für die Aufnahme alternativer, (audio-) visueller Methoden in den Kanon ethnowissenschaftlicher Forschungs- und Repräsentationspraktiken ebnete (vgl. Pink 2001, 1). Denn letztlich ist»[a]ll Fabio Santos Fotografie als Gegenstand und Methode der Ethnologie 145

146 Zu Hause 18:15 Telefon blinkt Anrufe in Abwesenheit. Schnell die Rückrufe erledigen. Computer an. Fernseher an:»daily Soap«zum Abendessen ethnography [ ] moulded by the inevitability of dealing with the gap between life and text, and between local and anthropological perspectives. And all ethnographers need to make decisions as to how to represent these gaps and how to bridge them«(gay y Blasco & Wardle 2007, 9) die Fotografie ist dabei eine von vielen Optionen. Dies wurde gerade in Großbritannien und Nordamerika schnell erkannt; dort entwickelte sich die Visual Anthropology in den 1990er Jahren rasch zu einer festen (Unter-)Disziplin der Social Anthropology. Eigene Studiengänge wurden gegründet und eine Welle an neuer Literatur zum Thema sensibilisierte auch die Mainstream-Ethnowissenschaften für den Umgang mit (audio-)visuellen Arbeitsweisen (dazu zählen unter anderem Edwards 1992, Hockings 1995, Morphy & Banks 1997 und die Beiträge von Pink ab der Jahrtausendwende). Im deutschsprachigen Raum wurden diese Diskussionen der 1990er Jahre, wie eingangs erwähnt, weniger intensiv geführt (beispielsweise von Wolbert 1998) und erst im neuen Jahrtausend aufgegriffen, zum Beispiel durch die Gründung der Kommission Fotografie in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde im Jahr 2001 (vgl. Overdick 2010, 14 & 74) und die erwähnte Literatur von Hägele und Overdick. In den anglophonen Ethnowissenschaften ist die visuelle Anthropologie fester Bestandteil, für den Standort Deutschland gelten Pinks Worte aus dem Eingangszitat (2004, 1) noch immer mit Einschränkungen: Zwar gibt es mittlerweile den eigenständigen, kostenpflichtigen Master-Studiengang Visual and Media Anthropology an der Freien Universität Berlin und auch in Göttingen kann mit dem Curriculum Visuelle Anthropologie ein klarer Studienschwerpunkt gelegt werden, doch sind Phänomene und Praktiken des Visuellen als Gegenstand und Methode in der deutschsprachigen Ethnologie wirklich fest verankert? Meine Einschätzung nach intensiver Fachlektüre, Recherchen zahlreicher Vorlesungsverzeichnisse und Forschungsprojekte sowie einem Rückblick auf mein eigenes Studium an der Humboldt-Universität lautet, dass Fotografien und Bilder im Allgemeinen selbstverständlich manchmal jedoch wenig reflektiert Gegenstand ethnografischer Analysen sind. So werden beispielsweise bildbasierte Selbstinszenierungen in Online-Portalen erforscht (vgl. Ritter et al oder in der Lehre Sanna Schondelmayers Seminar»Facebook-Freunde, Paarship-Beziehungen, Online-Spielkameraden: Welche Wechselwirkungen entstehen zwischen virtuellen und realen Räumen?«, SoSe 2011, HU Berlin). Insgesamt wird im Seminarangebot des Instituts für Europäische Ethnologie an der HU in den letzten Semestern ein kleiner, aber deutlicher Trend zur Rolle der Medien im Alltag erkennbar. 10 Fotografie und auch Video als Methoden jedoch werden nach wie vor stiefmütterlich behandelt. Dabei könnten sie doch etwa einen kleinen Platz in den Einführungskursen an den ethnologischen Instituten finden; doch mangelt es vermutlich an finanziellen wie personellen Ressourcen. Damit manifestiert sich hier die Feststellung Overdicks (2010, 291):

147 »Volkskundliche Fotoforschung ist im weiteste Sinne eine kulturwissenschaftliche Fotogeschichte. Es geht um die Forschung über Bilder, nicht jedoch um die Forschung mit Bildern.«11 Ähnlich wie Thomas Overdick sehe ich den Medieneinsatz in den ethnowissenschaftlichen Forschungs- und Repräsentationspraktiken alles in allem als»eine Ergänzung und Erweiterung der sprachlichen Beschreibung um einen sensuellen Erfahrungsmodus im Falle der Fotografie dem Modus der Anschaulichkeit.«(Overdick 2009, 181) Die Kamera kann und sollte nicht jede Forschung begleiten; sie kann uns kulturelle Wirklichkeiten aber anschaulich erfahrbar machen hierin liegt das besondere Erkenntnispotential von Fotografien. Obwohl oder indem sie zunächst tendenziell eher assoziative Gefühle als logisch-stringente Gedanken evozieren, kurbeln sie in einem parallelen oder zweiten Schritt eine intellektuellere Beschäftigung mit den ethnografischen Fotografien an:»our intellectual interest is aroused because our emotions are challenged.«(gay y Blasco & Wardle 2007, 88) In ihrer Deutungsvielfalt ist die Fotografie ein Medium, das»auf subtile und effektive Weise ethnografische Autorität untergraben kann«(wolbert 1998, 201) und verschiedene Versionen sozialer Wirklichkeiten anbietet. Die Verschränkung von Fotografie und Ethnografie bei der Wissensproduktion fordert und fördert das von Overdick (2010: 16) geprägte anschauliche Denken, das sinnliches Wahrnehmen und rationales Denken zusammenbringt. Ihre erkenntnistheoretische Bedeutung erlangt die Fotografie daher in der Sinneswahrnehmung des Sehens selbst: Wahrnehmen und Denken gehen Hand in Hand, sind fest aneinander gekoppelt. Daher fordern und fördern Misch-Medien besonders die»schöpferische [ ] Tätigkeit eines Lesers«(Clifford 1993, 150) so kann er Text und Bild mit Bedeutung aufladen. Dies impliziert zugleich die Unmöglichkeit, zu wissen wie die sehr individuelle und persönliche Praxis des Lesens von Anderen erfahren wird. 12 Vieldeutige Offenheit und plurale Lesarten müssen daher zentral im Umgang mit der fotografisch-textuellen Repräsentation sozialer Realitäten sein. Für uns als Lesende bzw. Betrachtende bedeutet das:»new forms of representation imply new practices of reading ethnography and innovative uses of photography in printed text will also make new demands on readers/viewers.«(pink 2001, 127). Aufgabe der visuell-affinen Ethnowissenschaften muss es daher sein, Bilder kritisch zu betrachten sowie sorgfältig und durchdacht zu produzieren. Ein Anfang ist getan und die Fotografie hat ebenso wie Video und die sensory ethnography (vgl. Pink 2009) eindeutig das Potential und gute Chancen, langfristig fester Teil des breiten Repertoires an Methoden und Repräsentationsformen der Ethnowissenschaften zu werden. Fabio Santos Fotografie als Gegenstand und Methode der Ethnologie 147

148 Anmerkungen 19:00 s checken und beantworten, Facebook, Online-Banking: Überweisungen tätigen 1 In meiner Arbeit verwende ich Europäische Ethnologie, Ethnologie, (Sozial- und Kultur-)Anthropologie wie auch die Empirische Kulturwissenschaft der Einfachheit halber weitestgehend synonym und subsumiere sie manchmal unter dem Oberbegriff Ethnowissenschaften. Trotz inhaltlicher Unterschiede verbindet alle Nachbardisziplinen der Rückgriff auf ein gemeinsames methodisches (qualitatives) Repertoire und einen geteilten Fundus an (Kultur-)Theorien. 2 Auch Gernot Böhme findet es in seiner Theorie des Bildes (2004, 124)»erstaunlich, dass wir, ein Foto betrachtend, davon überzeugt sind, dass es uns die Dinge und die Welt so zeigt, wie wir sie sehen«vor allem da es ihm zufolge»gar keine eindeutige Art gibt, wie wir Realität sehen.«(119). 3 Es ist ebenfalls Böhme (2004, 123), der treffend formuliert, dass es der Wissenschaftspraxis»um die Gewinnung von Bildern [geht], die möglichst interesse- und vorurteilsfrei den Informationsgehalt reproduzieren, den man aus dem Anblick einer Realität gewinnen kann. Die Stellung der Wissenschaft in unserer Gesellschaft und die Verwissenschaftlichung vieler Bereiche [ ] hat diesen Bildtyp weiter favorisiert.«elizabeth Edwards (1992, 11) hingegen betont die fortlaufende Dominanz der Schriftsprache in der scientific community:»it is often through text that an image is finally legitimated within the scientific and disciplinary domain.«4 Zum Verständnis der Fotografie als objektiv-realgetreues Abbildungsmedium siehe auch Overdick 2010, 129ff, Hägele 2007, 8/10, Hägele 2011, 71 72, Pink 2001, 49, Sontag 2010, 33. 5»Die frühen Bilder waren gar nicht unbedingt Aufnahmen von akademisch ausgewiesenen Anthropologen. Sie stammten in der Hauptsache von Reisenden, Missionaren und Kolonialbeamten.«(Wolbert 1998, 202). Dazu gehören die Kolonialadministratoren Edward Horace Man, Sir Everard im Thurn und Charles Hose, der Marineoffizier Henry B. T. Somerville, der Agent der belgischen Handelsgesellschaft Emil Torday sowie die Sammler und Ethnografen W. L. Hindburgh, Melville William Hilton-Simpson und Charles Gabriel Seligman, deren Biografien Roslyn Poignant (1982, 22 41) kurz und bündig darlegt. 6 Fairerweise darf eine interessante Gegenthese von Thomas Hauschild (2002) nicht fehlen: Er verweist auf lange Zeit übersehene oder ignorierte Fotobeschriftungen von Malinowski also einen Text,»der die Aufnahmen ins rechte Bild rückt«(ebd., 19) und in ihnen eine sinnvolle Visualisierung seiner interessanten Ergebnisse erkennen lässt. 7 Siehe auch Pinney 2011, Pinney verortet Traurige Tropen an einer zentralen Schnittstelle bzw. Übergangszeit von der vermeintlich objektiv-realgetreuen Abbildung zu einem sich verbreitenden Misstrauen gegenüber dem Bild von Wirklichkeit:»Tristes Tropiques brings us full circle from a nineteenth-century anthropology, uncertain about the reliability of speech and seeking in photography the stability and fixity of writing. In the nineteenth-century the photographic image offered facts about which there could be no question. By the mid-twentieth-century (Tristes Tropiques was published in 1955), many viewed these facts, as dead external manifestations of a cultural complexity that demanded different modes of engagement.«(105). 8 Diese zweifelsohne verkürzte Darstellung zu dem»schwierigsten Kapitel aller Wissenschaftsgeschichte in Deutschland«(Kaschuba 2006, 70) bedarf einer breiteren Kontextualisierung, wie sie maßgeblich von Wolfgang Jacobeit, Hannjost Lixfeld und Olaf Bockhorn (1994) produziert und zum Beispiel von Wolfgang Jacobeit und Leonore Scholze-Irrlitz (2008) fortgesetzt wurde. 9 Vgl. Fabian 1993, 337:»Othering bezeichnet die Einsicht, dass die Anderen nicht einfach gegeben sind, auch niemals einfach gefunden oder angetroffen werden sie werden gemacht.«

149 10 Darunter Seminare von Sanna Schondelmayer (z. B.»Ist Offline-Sein der neue Punk? Praxen und Narrative von Internetnutzer*innen«, SoSe2012), Falk Blask und Joachim Kallinich (z. B. Ethnologische Medienforschung, WS2011/12-WS2012/13, im Übrigen Grundlage für die vorliegende Publikation) sowie Nurhak Polat und Sarah Jurkiewicz (»Internetethnografie«, WS2012/13). Auch wurde offenbar der Versuch unternommen, einen dezidiert visuell-anthropologischen Ansatz in das Lehrveranstaltungsangebot zu integrieren doch fielen diese Seminare unglücklicherweise aus (»Der ethnographische Film Ethnographie im Film«von Ingrid Oswald im SS2011,»Visual Anthropology Seminar«von Iban Ayesta Aldanondo im SoSe 2011 und»visuelle Anthropologie zwischen Theorie und Praxis«von Peter Anton Zoettl im SoSe 2012). Einzusehen unter oder 11 Auch ich habe in meiner Abschlussarbeit, aus der große Teile dieses Beitrags stammen, über und nicht mit Bildern geforscht. So seien den interessierten Leser_innen noch zwei Ethnografien ans Herz gelegt, die stark reflexiv, dialogisch und fotografisch arbeiten: Vita: Life in a Zone of Social Abandonment (2005) und Will to Live: AIDS Therapies and the Politics of Survival (2007) von dem Sozialanthropologen João Biehl und dem Fotografen Torben Eskerod zeigen meiner Auffassung nach, wie ethnografisches Arbeiten in Forschung und Repräsentation über das geschriebene Wort hinaus sinnvoll um visuelle Herangehensweisen erweitert werden kann. 12 Vgl. auch Roland Barthes, der in: Die helle Kammer. Bemerkungen zur Fotografie (1989 [1980]) sein Konzept des punctum vorstellt. Es enthält bezogen auf die Betrachtung von Fotos eine Form des sinnlichen Erlebens und des persönlichen Berührt-Seins, die sich aus mehr oder weniger zufälligen Elementen im Bild und auch durch den individuellen Erfahrungshorizont der Rezipierenden speist. Literatur Barthes, Roland (1989 [1980]): Die helle Kammer. Bemerkungen zur Fotografie. Frankfurt am Main. Biehl, João (2005): Vita. Life in a Zone of Social Abandonment. Berkeley/Los Angeles/ London. Biehl, João (2007): Will to Live. Aids Therapies and the Politics of Survival. Princeton. Blask, Falk/Friedrich, Thomas (Hg.) (2005): Menschenbild und Volksgesicht. Berlin, Berliner Blätter 36. Böhme, Gernot (2004 [1999]): Theorie des Bildes. München. Clifford, James/Marcus, George (Hg.) (1986): Writing Culture. The Poetics and Politics of Ethnography. Berkely. Clifford, James: Introduction: Partial Truths. (1986) In: Clifford, James & Marcus, George (Hg.): Writing Culture. The Poetics and Politics of Ethnography. Berkely, Clifford, James (1993): Über ethnographische Autorität. In: Eberhard Berg & Martin Fuchs (Hg.): Kultur, soziale Praxis, Text. Die Krise der ethnographischen Repräsentation. Frankfurt am Main, Edwards, Elizabeth (Hg.) (1992): Anthropology and Photography. New Haven/London. Fabian, Johannes (1993): Präsenz und Repräsentation: Die Anderen und das anthropologische Schreiben. In: Berg, Eberhard & Fuchs, Martin (Hg.): Kultur, soziale Praxis, Text. Die Krise der ethnographischen Repräsentation. Frankfurt am Main, Gay y Blasco, Paloma/Wardle, Huon (2007): How to Read Ethnography. Abingdon & New York. Fabio Santos Fotografie als Gegenstand und Methode der Ethnologie 149

150 19:15 Bibliotheks-Bücher anlesen, Literaturverzeichnis über Zotero erstellen, Lit.-HA weiterschreiben Hägele, Ulrich (2001): Volkskundliche Fotografie In: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde 104, Hägele, Ulrich (2005): Fotografische Konstruktion des Ländlichen. Dorothea Lange und Erna Lendvai-Dircksen zwei Karrieren zwischen Pathos und Propaganda. In: Blask, Falk & Redlin, Jane (Hg.): Lichtbild Abbild Vorbild. Berlin, Berliner Blätter 38. Hägele, Ulrich (2007): Foto-Ethnographie. Die visuelle Methode in der volkskundlichen Kulturwissenschaft. Tübingen. Hägele, Ulrich (2011): Forscher im Fokus der Fotografie. Zur visuellen Konstruktion ethnografischer Wissenschaft. In: Ulrich Hägele/Irene Ziehe (Hg.): Visuelle Medien und Forschung. Über den wissenschaftlich-methodischen Umgang mit Fotografie und Film. Münster. Hockings, Paul (Hg.) (1995): Principles of Visual Anthropology. Berlin/New York. Jacobeit, Wolfgang/Lixfeld, Hannjost/Bockhorn, Olaf (Hg.) (1994): Völkische Wissenschaft: Gestalten und Tendenzen der deutschen und österreichischen Volkskunde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wien. Jacobeit, Wolfgang/Scholze-Irrlitz, Leonore (2008): Volkskundliche Kulturwissenschaft. In: Elvert, Jürgen/Nielsen-Sikora, Jürgen (Hg.): Kulturwissenschaften und Nationalsozia lismus. Stuttgart, Kaschuba, Wolfgang (2006 [1999]): Einführung in die Europäische Ethnologie. München. Lévi-Strauss, Claude 2008 [1978]: Traurige Tropen. Berlin. Lévi-Strauss, Claude (1995): Brasilianisches Fotoalbum. Saudades do Brasil. München/ Wien. Lindner, Rolf (1984): Zur Ikonographie der ethnographischen Situation. In: Jeggle, Utz (Hg.): Feldforschung. Qualitative Methoden in der Kulturanalyse. Tübingen, Mead, Margaret (1995): Visual Anthropology in a Discipline of Words. In: Paul Hockings (Hg.): Principles of Visual Anthropology. Berlin/New York, Mirzoeff, Nicholas (1999): The age of photography ( ). In: Ders.: An introduction to visual culture. London/New York, Overdick, Thomas (2009): Martin Rosswog: ein visueller Ethnograph des ländlichen Europas. In: Michael Simon et al. (Hg.): Bilder. Bücher. Bytes. Zur Medialität des Alltags. Münster, Overdick, Thomas (2010): Photographing Culture. Anschauung und Anschaulichkeit in der Ethnografie. Zürich. Pinney, Christopher (1992): The Parallel Histories of Anthropology and Photography. In: Edwards, Elizabeth (Hg.): Anthropology and Photography. New Haven/London, Pinney, Christopher (2011): Photography and Anthropology. London. Pink, Sarah (2001): Doing Visual Anthropology: images, media and representation in research. London. Pink, Sarah (2004): Introduction: situating visual research. In: Pink, Sarah/Kürti, László/ Alonso, Ana Isabel (Hg.): Working Images. Visual Research and Representation in Ethnography. London/New York, Pink, Sarah (2006): The Future of Visible Anthropology: engaging the senses. London. Pink, Sarah (Hg.) (2007): Visual Interventions. Applied Visual Anthropology. New York/ Oxford. Pink, Sarah (2009): Doing Sensory Ethnography. London. Poignant, Roslyn (1982): Frühe ethnographische Fotografie. In: Brauen, Martin (Hg.): Fremden-Bilder. Frühe ethnographische Fotografie. Die exotische Bilderflut. Zürich, Ritter, Christian/Muri, Gabriela/Rogger, Basil (Hg.) (2010): Magische Ambivalenz. Visualität und Identität im transkulturellen Raum. Berlin. Sontag, Susan (2010 [2003]): Das Leiden anderer betrachten. Frankfurt.

151 Spencer, Frank (1992): Some Notes on the Attempt to Apply Photography to Anthropometry during the Second Half of the Nineteenth Century. In: Edwards, Elizabeth (Hg.): Anthropology and Photography. New Haven/London, Theye, Thomas (2004): Ethnologie und Photographie im deutschsprachigen Raum ( ). Frankfurt am Main. Wirz, Albert (1982): Beobachtete Beobachter: Zur Lektüre völkerkundlicher Fotografien. In: Brauen, Martin (Hg.): Fremden-Bilder. Frühe ethnographische Fotografie. Die exotische Bilderflut. Zürich. Wolbert, Barbara (1998): Der Anthropologe als Photograph. Bemerkungen zu einem blinden Fleck der visuellen Anthropologie. In: Richard von Dülmen et al. (Hg.): Historische Anthropologie. Kultur, Gesellschaft, Alltag. Köln, Internetquellen (Stand vom 19. Dezember 2012) (Stand vom 19. Dezember 2012) (Stand vom 19. Dezember 2012) Fabio Santos Fotografie als Gegenstand und Methode der Ethnologie 151

152 Log-out Autor_innenverzeichnis Christoph Bareither M. A. (hier im Band gemeinsam mit den Seminarteilnehmer_innen Maria-Elisa Blenich, Maximilian Böhm, Lara Büchel, Luisa Däuwel, Frederik Efferen, Laura Esser, Marina Schulz, Lisa Stoll und Valerie Wacker) arbeitete von vor allem im Bereich Regie bei Film und Fernsehen, von 2006 bis 2012 Studium der Empirischen Kulturwissenschaft und Neueren deutschen Literaturwissenschaft in Tübingen und von Tätigkeit als Teaching Assistant an der University of North Carolina at Chapel Hill (USA); promoviert derzeit im Fach Empirische Kulturwissenschaft an der Universität Tübingen über den Umgang mit Computerspielen. Zuletzt: Ego- Shooter-Spielkultur. Eine Online-Ethnographie. Tübingen Prof. em. Dr. Hermann Bausinger war von 1960 bis 1992 Leiter des Ludwig- Uhland- Instituts für Empirische Kulturwissenschaft an der Universität Tübingen. Sein bleibendes Verdienst ist es, das Fach Volkskunde aus überholten Traditionen gelöst und in eine moderne, alltags- und kulturwissenschaftlich orientierte Disziplin überführt zu haben. Falk Blask Fotograf, Museologe und Ethnologe. Arbeitete in verschiedenen Museen und kulturellen Einrichtungen. Seit 1991 ist er am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin tätig. Seine Lehr- und Forschungsfelder sind: Nationalsozialismus, Rechtsextremismus, Visuelle Anthropologie, Suizidalität, Grenzthemen, Alpinismus und Ethnologische Medienforschung. 20:00 Tagesschau im Fernsehen Christian Blumhagen studiert Europäische Ethnologie und Gender Studies an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist Mitglied der dgv-kommission Digitalisierung im Alltag und engagiert sich im Medienlabor und der Forschungswerkstatt Berlin am Institut für Europäische Ethnologie. Seine Schwerpunkte sind Fragen nach den Auswirkungen der fortschreitenden Digitalisierung des Alltags, deren Wechselwirkungen mit der Stadt und ihren Bürger_innen sowie methodologische Überlegungen in diesen Bereichen.

153 Dennis Eckhardt studierte von 2009 bis 2011 Kulturanthropologie mit Europäischer Ethnologie und Politikwissenschaften an der Goethe-Universität zu Frankfurt am Main, und seit 2011 Europäische Ethnologie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit Beginn seines Studiums beschäftigt er sich mit der Frankfurter Anthropologie des Medialen, indem er versucht diese nachzuvollziehen und weiter- bzw. eigenzuentwickeln. Das leidenschaftliche Interesse liegt bei veränderten Selbstorganisationsformen, Anpassungsfähigkeiten des Menschen, Koevolution, Infogenese und der Medialität des Menschen. Meret Eikenroth studiert seit dem Wintersemester 2009/10 Europäische Ethnologie, zunächst an der Universität Göttingen und aktuell an der Humboldt- Universität zu Berlin. Sie sammelte studientechnisch bereits Erfahrungen auf verschiedenen geistes- und naturwissenschaftlichen Gebieten und absolvierte im letzten Jahr ein achtwöchiges Praktikum im Archiv der Jugendkulturen in Berlin. Das Thema der Medienethnologie beschäftigte sie bereits in zwei Seminaren, in denen sie mithilfe diverser ethnologischer Zugänge das Sozialverhalten und den Wissenstransfer in Internetforen untersuchte. Lina Ewert studiert seit 2010 Europäische Ethnologie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Nachdem sie sich zunächst mit dem Thema Medien und Internet im Fachbereich Ethnologie intensiver auseinandergesetzt hat, bildet nun die Europäische Migrationspolitik ihr Interessensschwerpunkt. Für ihre Bachelorarbeit beabsichtigt sie in Portugal vor Ort über Asylbewerber und Flüchtlinge zu forschen. Prof. Dr. Joachim Kallinich Lehre und Berufstätigkeit als Schaufensterdekorateur, Lehrer an Grund- Haupt- und Realschulen, Fachlehrer an der Päd. Hochschule, Studium der Empirischen Kulturwissenschaft, Promotion, Oberkonservator am Museum für Technik und Arbeit in Mannheim, Direktor des Museums für Kommunikation Berlin, Beratung zahlreicher Museums- und Ausstellungsprojekte, Honorarprofessor am Institut für Europäische Ethnologie Berlin mit den Schwerpunkten Theorie und Praxis der Museen und Medien. Fiona Krakenbürger, geboren 1990 in Berlin, ist seit 2011 Studentin am Institut für Europäische Ethnologie in Berlin. Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit netzkulturellen Phänomenen und wie diese ethnologisch betrachtet werden Log-out Autor_innenverzeichnis 153

154 können. Seit 2012 versucht sie auch selber Programmieren zu lernen, um Computer und Programmierpraxen besser zu verstehen. Michael Metzger studiert Europäische Ethnologie, Soziologie und Politikwissenschaft. Seine Schwerpunkte sind Stadtforschung, Digitalisierung und Kreativwirtschaft, an deren Schnittstellen er derzeit seine Magisterarbeit schreibt. Teile seiner Forschung hat Michael bereits auf verschiedenen Konferenzen vorgetragen und darüber hinaus auf diversen Science Slams einem breiten, interdisziplinären Publikum präsentiert. Zudem arbeitet der 29jährige als Dozent für den privaten Träger Lexia, wo er undergraduated students in den Modulen urban studies und research methods unterrichtet, und ist als freier Journalist und Medienberater tätig. 23:00 Handywecker stellen, Computer aus, Festnetz-Telefon auf»lautlos«</medientagebuch gerhild quitsch > Fabio Santos studierte von 2009 bis 2013 Europäische Ethnologie und Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und sammelte währenddessen Praxiserfahrungen an den Goethe-Instituten in Berlin und Madrid, beim Auswärtigen Amt sowie bei einer NGO in Quito. Neben alternativen Repräsentationsformen in den Kulturwissenschaften interessiert er sich insbesondere für (Auswärtige) Kulturpolitik, Wissenschaftsgeschichte, Transnationalisierungsund Europäisierungsprozesse. Dr. Sanna Schondelmayer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Ethnologie mit Forschungsschwerpunkten und Arbeitserfahrungen an interdisziplinären Schnittstellen der Europäischen Ethnologie wie Interkultureller Kommunikation, Oral History, Osteuropaforschung, Migrationsund Wissenschaftsforschung sowie Digitalisierung des Alltags. Ein besonderes Augenmerk liegt zudem auf der Reflexion und Erweiterung des methodischen Repertoires der Europäischen Ethnologie sowie der Auseinandersetzung mit der eigenen Forscherinnen-Position. Jan Schnorrenberg studiert an der Humboldt-Universität zu Berlin Europäische Ethnologie, Geschichte und Kulturwissenschaft, wo er sich gerade auf seine Bachelor-Arbeit vorbereitet. Seine Interessenschwerpunkte liegen bei Kulturphänomenen der Digitalisierung und ihrer gesellschaftlichen Wirkung und Wahrnehmung. Er engagiert sich ehrenamtlich in der Grünen Jugend in netzpolitischen Zusammehängen und bloggt hauptsächlich unter spektrallinie.de.

155 Michael Westrich Nach Ausbildung und Akademiestudium zum Fernsehjournalisten, studierte Michael Westrich Afrikastudien und Migrationsforschung in Bayreuth, Osnabrück, Kairo und Coimbra. Seine Dissertation trägt den Arbeitstitel:»Migration als kosmopolitische soziale Bewegung? Versuch einer dekolonial informierten Ethnographie der Grenze«und ist als Projekt mit audiovisuellen Elementen angelegt. Anja Zeutschel studierte von 2006 bis 2010 Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Währenddessen absolvierte sie Praktika im PR-Bereich in Dublin und Nürnberg und war Marketing-Leiterin beim Studentischen Motorsportteam. Nach ihrem Bachelorabschluss ging sie für ein FSJ Kultur in die Brandenburgische Provinz. Seit 2011 ist sie Quereinsteigerin im Master Europäische Ethnologie an der Humboldt-Universität Berlin und konzentriert sich auf Medien, Kommunikation und Digitalisierung. Log-out Autor_innenverzeichnis 155

156 PANAMA VERLAG Falk Blask (Hg.): ich glaube glaube ich Religiöse Bekenntnisse und Lebensanschauungen Das Thema Religion hat in letzter Zeit eine überraschende Renaissance erlebt. Doch über den persönlichen Glauben vieler Menschen wissen wir eher wenig. Dabei ist angesichts der Diskussionen, etwa über Islam und Islamismus, der Austausch und das Wissen über religiöse Werte und Vorstellungen in unserer pluralen Gesellschaft von eminenter Bedeutung. Dieser Band eröffnet daher Einblicke in die Glaubenswelten unterschiedlicher Religionen und stellt in prägnanten Kurztexten einige der 360 Glaubensgemeinschaften Berlins vor. Die Porträts führen dabei nicht nur in die Vielfalt der Weltanschauungen ein, sondern zeichnen auch ein differenziertes Bild religiöser Praktiken. Inklusiv dem Hörfeature»Die fünf Sinne als Einfallstore für das Geheimnis der Religion«auf CD Berliner Blätter 56/2010 ISBN Seiten, 14,90 (D) Mit Beiträgen von Falk Blask, Maria Dörpholz, Janina Findeisen, Franck Gelhausen, Tatjana Grundei, Aliki Kaiser, Dominik Scholl und Andrea Vetter Erhältlich im Buchhandel oder direkt über

157 PANAMA VERLAG Friedrich von Bose, Kerstin Poehls, Franka Schneider und Annett Schulze (Hg.): Museum X Zur Neuvermessung eines mehrdimensionalen Raumes Welcher Logik folgen Museen? Ein Blick in den Museumsführer und der Weg durch die Ausstellungsräume scheint ausgemacht. Museum X befragt aus ethnografischer Perspektive diese etablierte Logik und thematisiert die räumlichen Dimensionen des Musealen auch jenseits der Vitrinen. Vom Garten ins Café, durchs Schaudepot weiter in die Verwaltung, den Museumsshop und den Ausstellungssaal: Auf ungewohnten Routen lotet Museum X einen klassischen Raum der Repräsentation neu aus. Die Beiträge erkunden das Museum als sozialen und kulturellen Raum, sie widmen sich den Aufmerksamkeitsstrukturen, Blickregimen und Materialitäten in verschiedenen Museumskontexten. Inklusiv dem Film»Museumsaufsichten Stehen zur Kunst«von Lysette Laffin auf DVD deutsch english ISBN Seiten, 19,90 (D) Mit Beiträgen von Victoria Bishop Kendzia, Friedrich von Bose, Alexandra Bounia, Patricia Deuser, Diana Dressel, Udo Gößwald, Joachim Kallinich, Lisa Knüpfer, Lysette Laffin, Sharon Macdonald, Andrea Meza Torres, Jennie Morgan, Kerstin Poehls, Franka Schneider, Leonore Scholze- Irrlitz, Annett Schulze, Anthony Shelton und Elisabeth Tietmeyer Erhältlich im Buchhandel oder direkt über

158 PANAMA VERLAG Stefan Zahlmann (Hg.): Wie im Westen nur anders Medien in der DDR Die DDR wird zusehends zur Fußnote der Geschichte, die dem Kontrast zur Geschichtsschreibung der BRD dient. Diese Perspektive aber verkennt die kulturellen Gemeinsamkeiten und Verflechtungen beider deutscher Staaten. Der Band stellt daher eine These zur Diskussion, die nicht nur den klassischen Medienbegriff erweitert, sondern zugleich betont, dass der Westen in zahllosen Ausprägungen der DDR-Medienkultur erkennbar gewesen ist: in Fernsehen, Radio und Zeitung, aber auch auf Schellackplatte, beim Glücksspielautomaten oder im Computerspiel. Persönliche Erinnerungen, fotografische Eindrücke und Ergebnisse wissenschaftlicher Studien schreiben gemeinsam ein Kapitel Mediengeschichte als deutsch-deutsche Kulturgeschichte neu.» Wie im Westen, nur anders bietet nicht nur kluge Analysen, sondern auch einen unterhaltsamen Einblick in die Kultur der Medienproduktion und Mediennutzung in der DDR, die sich zwar unter den Bedingungen einer Diktatur, aber keineswegs losgelöst von westdeutschen und europäischen Medienentwicklungen abspielte.«deutschlandfunk, Studiozeit Aus Kulturund Sozialwissenschaften, ISBN Seiten, 29,90 (D) Erhältlich im Buchhandel oder direkt über

159 PANAMA VERLAG Magdalena Taube und Krystian Woznicki (Hg.): Modell Autodidakt Die»Bildungsrepublik Deutschland«ist in Bewegung. Reformen tragen die Namen italienischer Städte, aber wir verstehen nur Spanisch. Bildung wird nur mehr als möglichst genaue Passförmigkeit an den Arbeitsmarkt verhandelt. Doch welche Alternativen dazu gibt es? Wie können wir Bildung selbst in die Hand nehmen, inwieweit sind wir dazu gezwungen? Modell Autodidakt präsentiert und problematisiert unterschiedliche Ansätze einer in Eigenregie verwirklichten Bildung. Alain de Botton, Helmut Draxler, Thomas Krüger, Ruth Sonderegger, Mark Terkessidis und andere geben Einblicke in ihren persönlichen Bildungsweg. Sie schreiben darüber, welche Menschen, Medien und Erfahrungen sie geprägt haben, und wie sie dazu kamen, autodidaktisch zu lernen.»nur eine subjektive und zufällige Auswahl aus der Fülle, die Vieles weglassen muss. Sie zeigt aber bereits, wie existenziell hier über eines der wichtigsten Themen unserer Gegenwart diskutiert wurde. Die Zukunft in ihrer umfassendsten Form hat in diesem Buch bereits begonnen. Wen dürfte das nicht interessieren? Auf dieser Ebene weisen alle Fakten nach vorn. Der Titel mag selbstgestrickt klingen und vielleicht sogar missverständlich sein. Die Inhalte der Beiträge sind es nicht.«freitag.de, ISBN Seiten, 12,00 (D) Erhältlich im Buchhandel oder direkt über

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