Leitfaden Wertschöpfung aus Maschinendaten 4.0
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- David Boer
- vor 4 Jahren
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1 Leitfaden Wertschöpfung aus Maschinendaten 4.0 Einführung und Motivation in Kooperation mit Elektrische Automation
2 EDITORIAL 1 Editorial Maschinen erzeugen Daten und Informationen, die im Zeitalter von Industrie 4.0 immer wertvoller werden. Den Rohstoff Daten aus den Tiefen der Maschinen zu fördern und zu nutzbringenden Informationen zu veredeln, ist ein bedeutender Wertschöpfungsvorgang. Allen voran hat die IT-Branche diesen lukrativen Markt für sich entdeckt und die großen Unternehmen versuchen, diesen federführend zu besetzen. Claus Kühnl Für Hersteller und Betreiber von Maschinen sowie die Hersteller von Automatisierungskomponenten bedeutet die Nutzung der Maschinendaten weit mehr als ein gewinnversprechendes neues Geschäftsfeld: Ohne Datenhoheit besteht die Gefahr, Alleinstellungsmerkmale und Lösungsfähigkeiten zu verlieren. Wer nicht mitmacht oder versucht sich abzuschotten wird vom internationalen Wett bewerb überrollt. Das gilt für alle Beteiligten, aber insbesondere für Maschinen betreiber und Maschinenhersteller. Der Wettbewerbsvorteil durch qualitativ hochwertige und effiziente Maschinen mit hoher Ausbringung und Verfügbarkeit existiert nur, wenn die Maschinen auch richtig eingesetzt werden. Maschinendaten können hier die Lösung sein. Rötger Sander Andererseits stellt die Eigenverwertung von Maschinendaten gerade kleine und mittlere Maschinenhersteller in der Praxis vor große Herausforderungen: Welches Daten-Nutzungsszenario passt zu meinem Unternehmen? Wie finde ich Hilfestellung bei der Umsetzung, ohne meine Datenhoheit preiszugeben? Von der individuell selbstbestimmten Risikoabwägung bis zur vertraglichen Gestaltung gilt es, viele Fragen zu bedenken und eigenverantwortlich zu klären. An diesem Punkt setzt der Leitfaden an: Kleine und mittlere Unternehmen des Maschinenbaus sollen Hilfestellungen bei der partnerschaftlichen Wert schöpfung aus Maschinendaten erhalten. Der vorliegende erste Teil gibt eine Orientierung zum Einstieg in das Thema. Claus Kühnl Vorsitzender Automatisierungstechnik 4.0 im VDMA Arbeitskreis Steuerungstechnik Rötger Sander Vorsitzender VDMA Arbeitskreis Steuerungstechnik
3 2 LEITFADEN WERTSCHÖPFUNG AUS MASCHINENDATEN 4.0 Management Summary Die gewinnbringende Eigenverwertung von Maschinendaten ist eine beträchtliche Herausforderung. Maschinenbetreiber, Maschinenhersteller und Automatisierungshersteller können nur gemeinsam den maximalen Nutzen aus Maschinendaten realisieren. Die erforderliche enge Kooperation auf Augenhöhe ist bisher nicht etabliert. Dazu bedarf es großen Vertrauens und einer gemeinsamen, partner schaftlichen Herangehensweise für alle Beteiligten in der Wertschöpfungskette. Die Technologien zum Teilen der Daten und des Know-hows sind vorhanden. Aber Technologien allein reichen nicht aus. Die beteiligten Firmen und Personen brauchen eine Vertrauensbasis und klare Regelungen zum Umgang mit dem gemeinsamen Gut. Jeder Geschäftspartner muss einen Nutzen haben und ein ausgewogenes Aufwand-Nutzen-Verhältnis bei vertretbarem Risiko erreichen. Der Weg: Von der Idee bis zur Umsetzung Das Konzept: Partnerschaft anstatt Kunden-Lieferanten-Verhältnis Die digitale Vernetzung innerhalb einer Maschine bietet die Möglichkeit, immer mehr detaillierte Daten aus den Automatisierungskomponenten und über den Prozess zu erfassen. Diese Daten müssen für verschiedene Nutzer in verwertbare Informationen gewandelt werden. Dazu ist vielfältiges Know-how und Expertenwissen notwendig: Über den Maschinenprozess, die eingesetzten Automatisierungs komponenten, die Produkte und den Einsatz der Maschine. Dieses Know-how ist entlang der Wertschöpfungskette und über Unternehmensgrenzen hinweg verteilt und muss gemeinsam genutzt werden (Abbildung 1). Die effiziente Nutzung von Maschinendaten ist nur dann möglich, wenn alle beteiligten Firmen ihren Anteil an der Wandlung der Daten in Informationen erbringen. Wenn jeder sowohl Daten erhält als auch Daten liefert, entsteht ein vollständiger Wertschöpfungskreis (Abbildung 1). Der Leitfaden zeigt einen Weg auf, wie die potenziellen Geschäftspartner in einem gemeinsamen Projekt zur Wertschöpfung aus Maschinendaten gelangen. Gemeinsame Beratung anhand des Leitfadens: 1. Auswahl eines Anwendungsszenarios 2. Bestimmung der relevanten Maschinendaten 3. Einschätzung von Nutzen und Aufwand 4. Einschätzung der Risiken 5. Umsetzung des Projekts = Handlungsfelder Daten Daten Maschinenbetreiber Automatisierungshersteller Verbesserungen Dienstleistungen Verbesserungen Dienstleistungen Abbildung 1: Win-win-Situation durch Partnerschaft Maschinenhersteller Im Ergebnis erarbeiten die Beteiligten ihre eigenen Einschätzungen und stellen diese gegenüber, um eine Entscheidungsgrundlage zu erhalten, welche Anwendungsszenarien sinnvoll realisiert werden können. Der Leitfaden hält dazu eine Auswahl möglicher Anwendungsszenarien, Vorschläge zur Einschätzung von Nutzen, Aufwand und Risiko sowie Unterstützung in den wichtigsten Handlungsfeldern bereit.
4 LEITFADEN WERTSCHÖPFUNG AUS MASCHINENDATEN Innovationen & Services Enterprise Resource Planning Fabrik Management / MES Cloud Daten & Informationen Sammeln und Analysieren Kommunikation & Netzwerk Datengenerierung Steuerungsebene Feldebene Komponentendaten Maschinendaten Prozessdaten Abbildung 2: Datenpyramide der Automatisierungstechnik - Erfassung, Übergabe, Verarbeitung, Wertschöpfung aus Maschinendaten Die Partner Um Wertschöpfung aus Maschinendaten zu erreichen, müssen alle Beteiligten ihren Beitrag leisten: Der Maschinenbetreiber und der Maschinenhersteller bestimmen gemeinsam die Anwendungsszenarien und die Projektumsetzung. Sie entscheiden, welche Daten wofür verwendet werden. Automatisierungshersteller sind Partner bei der Informationsgewinnung Der Automatisierungshersteller muss seine Komponenten so gestalten, dass diese die benötigten Daten liefern und passend vernetzbar sind. Mittels Analyse der Komponentendaten kann er die Informationen bereitstellen die es erlauben, Maschinen und Komponenten zu optimieren und besser an den Einsatzfall anzupassen. Datengenerierung und Weitergabe Um Wertschöpfung aus Maschinendaten zu erreichen, braucht die bestehende Automatisierung einer Maschine nicht verändert werden (Abbildung 2). Die Rohdaten entstehen in den Komponenten der Automatisierungstechnik, werden gegebenenfalls noch vorverarbeitet und anschließend weitergegeben: Entweder über die Steuerungsebene oder über neue parallele Kommunikationswege direkt in die IT-Welt (z.b. eine Cloud). Die passende Lösung gemeinsam finden und individuelle Interessen berücksichtigen Schwerpunkt des Leitfadens ist die Datengenerierung und die Datenweitergabe an den bzw. die Projektpartner. Durch das im Leitfaden vor gestellte Vorgehen soll bei positivem Aufwand-Nutzen-Verhältnis und vertretbarem Risiko eine Win-win-Situation für alle beteiligten Geschäftspartner entstehen.
5 4 LEITFADEN WERTSCHÖPFUNG AUS MASCHINENDATEN Anwendungsszenarien Die nachfolgenden Anwendungsszenarien sind konkrete Beispiele aus dem unternehmerischen Alltag. Maschinenhersteller und Betreiber können sich an diesen Anwendungsszenarien orientieren und daraus sinnvolle und Nutzen bringende Szenarien für ein gemeinsames Projekt auswählen. Condition Monitoring Produktivität erhöhen Zustandsdaten erfassen und gegen Produktqualität und Ausbringung bewerten Ursachen für Stillstände erkennen und beheben Maschine muss Zustände melden und einfach diagnostizierbar sein Selektion der Daten ist entscheidend Predictive Maintenance Stillstandszeiten reduzieren Wartung zum prognostizierten Zeitpunkt geplant durchführen Idealen Zeitpunkt für die Wartung ermitteln durch Abgleich mit Auftragsdaten und Laufzeiten Kunden erwarten höchste Verfügbarkeit der Maschine (OEE) Risiken, wenn die Datenbasis für Vorhersagen nicht ausreicht Smarte Prozessregelung Effizienz steigern Dynamische Reihung von Aufträgen unter Berücksichtigung von Störgrößen bei der Prozessregelung und Produktionssteuerung Fertigungsflexibilität bis Losgröße 1 Abgrenzung zwischen lokaler Regelung und Ferneingriff Möglichkeit der Prozessregelung von außerhalb der Anlage Intelligentes Ersatzteil- und Wartungsmanagement Zusätzliche Wertschöpfung Kontinuierliche Überwachung von Firmware- und Hardwareständen Plagiatschutz schützt sowohl den Betreiber als auch den Maschinen- und Automatisierungs hersteller vor gefälschten Ersatzteilen sowie dadurch verursachte Schäden an der Maschine Automatische Ersatzteilbestellung senkt Reparatur- und Wartungskosten und stellt die rechtzeitige Verfügbarkeit sicher Darstellung einer Win-win-Situation für alle beteiligten Parteien Balance zwischen Abhängigkeiten und Potentialen finden
6 LEITFADEN WERTSCHÖPFUNG AUS MASCHINENDATEN Zielgerichtete Produktentwicklung Zuverlässigkeit erhöhen Umwelt-, Verschleiß- und Maschinendaten werden im Detail erfasst Entscheidungen in der Entwicklung und Konstruktion werden abgeleitet aus datenbasierten Standzeiten und spezifischen Nutzeranforderungen Zugriff auf Daten des Maschinenbetreibers Entwicklung spezifischer Datenanalyse- Methoden Leistungsversprechen Bessere Absicherung von Gewährleistungszusagen Online Protokollierung vertraglich vereinbarter Performance-Parameter Absicherung von Ansprüchen, Reduktion der Kosten Abwägung zwischen Transparenz und Gewährleistungsanspruch Messbare Leistungszusagen Performance Benchmarking Anwendungsszenarien als Ideenpool für ein gemeinsames Projekt Digitaler Zwilling Entwicklungszeit durch Abgleich von Modell und Realität verkürzen Genaue Erfassung der Ausgangs- und Ergebnisparameter eines realen Prozesses Entwicklung von Prozessen mit Simulationstest vor der Realisierung Aufwand bei der Umsetzung des Konzepts, wobei der Mehrwert oft nicht direkt ersichtlich ist Fragmentierte Systeme entlang des Lebenszyklus einer Maschine Gezielte Maßnahmen zur Effizienzsteigerung Standortübergreifender Vergleich von Produktionslinien Wirksamkeit von Verbesserungs - maßnahmen prüfen Optimierungspotential für den Maschinenbetreiber ableiten Datenschutz und Transparenz gegenüber Dritten Vergleichbarkeit des Einsatzes einer Maschine in verschiedenen Kontexten Gegenseitiges Vertrauen und ein gemeinsam gewähltes Anwendungsszenario sind Basis für den Erfolg
7 6 LEITFADEN WERTSCHÖPFUNG AUS MASCHINENDATEN Einschätzung von Nutzen, Aufwand und Risiko Die im ersten Kapitel beschriebenen Anwendungsszenarien stellen die Grundlage für die folgenden Einschätzungen dar. Durch das gemeinsame Herangehen soll eine Einschätzung des Nutzens im Verhältnis zu Aufwand und Risiko erreicht werden. Ziel ist die Entscheidungsfindung unter gleichberechtigter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten. Die individuellen Bewertungen des Anwendungsszenarios sind die Basis für die anschließende gemeinsame Einschätzung von Nutzen, Aufwand und Risiko. Eine grafische Darstellung der Bewertungen macht diese sichtbar. Damit können Korrekturen oder ein Interessensausgleich vorgenommen werden. Der Vergleich der Einschätzungen der Projektpartner schafft ein besseres Verständnis für die Interessen und Anforderungen der anderen Beteiligten. Es ist dabei unerheblich, ob die Partner denselben Nutzen haben. Wichtig ist ein ausgeglichener Gesamtnutzen für jeden der Partner. Abbildung 3 zeigt schematisch das beispielhafte Ergebnis einer gemeinsamen Einschätzung der wichtigsten Nutzenaspekte. Vergleichbare Tabellen für Aufwände und Risiken sind erforderlich, aber werden hier nicht dargestellt. Die grafische Darstellung schafft Transparenz und deckt Ungleichgewichte auf Mit dem Ziel einer langfristigen, stabilen, auf Win-win ausgerichteten Geschäftsbeziehung wird es möglich, einen Kompromiss bzw. einen adäquaten Ausgleich (mittels Sach- oder Geldwerten) zwischen den Parteien zu erreichen. Die getroffene Entscheidung ist damit auch im Sinne der unternehmensinternen Kommunikation schlüssig dokumentierbar. Unterschiedliche Bewertungen können auch Lern- und Verbesserungspotentiale aufzeigen, wenn diese offen diskutiert und die Gründe für die Einschätzung aufgedeckt werden. Anwendungszenario: Condition Monitoring Einschätzung und Bewertung der Nutzenaspekte für Ausfälle minimieren Verfügbarkeit optimieren Produktivität verbessern Effizienz erhöhen Verschleiß reduzieren Kundenanforderungen optimal erfüllen Qualität verbessern Zeit und Kosten für Inbetriebnahme reduzieren Gewährleistungskosten minimieren Projektpartner 1 z.b. Maschinenhersteller Projektpartner 2 z.b. Maschinenbetreiber Abbildung 3: Beispielhafte schematische Darstellung einer gemeinsamen Einschätzung und Gegenüberstellung des Nutzens für die beteiligten Projektpartner zu einem bestimmten Anwendungsszenario.
8 LEITFADEN WERTSCHÖPFUNG AUS MASCHINENDATEN Ausfälle minimieren Verfügbarkeit optimieren 1,33 1,37 Produktivität verbessern 1,65 Effizienz erhöhen Verschleiß reduzieren 1,85 1,91 Kundenanforderungen optimal erfüllen Qualität verbessern Zeit und Kosten für Inbetriebnahme reduzieren Gewährleistungskosten minieren 2,11 2,17 2,21 2,43 Abbildung 4: Durchschnittliche Priorität der Nutzenaspekte, Quelle: VDMA Technik-im-Dialog Wertschöpfung aus Maschinendaten [1] Nutzenaspekte Ausfälle minimieren Das Reduzieren von Stillstandszeiten und Ausfällen durch frühzeitiges Erkennen und beseitigen von Problemen bietet das höchste Wertschöpfungs- und Sparpotential. Die Kosten von ungeplanten Stillständen kann der Betreiber beziffern und den Return on Invest gegen die Aufwände rechnen. Verfügbarkeit optimieren Die geforderten Verfügbarkeiten der Maschinen sind oft nur durch gezielte Überwachung und sofortige Reaktion auf sich abzeichnende Probleme erreichbar. Die Weitergabe von Maschinendaten an den Hersteller oder dritte Partner zur Analyse kann die Reaktionsfähigkeit auf Probleme verbessern und Kosten einsparen durch gezielte anstatt turnusmäßiger Wartung. Produktivität verbessern Der Einsatz von Maschinen beim Betreiber ist oft nicht optimal. Für die Verringerung von Ausschuss sowie die Minderung von Rüst- und Ausfallzeiten und die Optimierung der Maschinenabläufe, müssen Daten aus laufenden Maschinen erfasst und analysiert werden. Effizienz erhöhen Maschinendaten liefern den Input für die Prozesssteuerungssoftware des Betreibers (Digitalisierung der Fertigung). Mit Hilfe dieser Informationen kann der Betreiber seine Maschinen zielgerichtet einsetzen. Verschleiß reduzieren Die Daten von bereits vorhandenen Sensoren und die Analyse von Veränderungen (Motorströme, zeitliche Verläufe, etc.) können rechtzeitig Aufschluss über den Verschleiß geben und ermöglichen eine zustandsorientierte Wartung. Kundenanforderungen optimal erfüllen Durch zielgerichtete Nutzungsanalysen der Maschinen beim Kunden können Anforderungen vorweggenommen oder technisch konkretisiert werden. Verbesserungsvorschläge durch die Automatisierungshersteller erhöhen Kundenbindung und Partnerschaft. Qualität verbessern Die Qualität der produzierten Produkte steigt, wenn Toleranzparameter der Maschine überwacht und rechtzeitig reagiert wird. Zeit und Kosten für Inbetriebnahme reduzieren Die Erfassung von Maschinendaten schon bei der Inbetriebnahme ermöglicht die einfache und schnelle Einbindung von Experten aller Beteiligten. Der Vergleich von realen Daten mit Simulationsergebnissen vereinfacht die Fehlersuche. Gewährleistungskosten minimieren Die Erfassung von Maschinendaten vereinfacht die Ursachenfindung bei Problemen und ermöglicht den Nachweis über die Erfüllung der vertraglich vereinbarten Ziele
9 8 LEITFADEN WERTSCHÖPFUNG AUS MASCHINENDATEN 4.0 Engineering Vertragsgestaltung Marketing / Vertrieb Risikomindernde Maßnahmen Technologiepflege / Updates Betrieb und Wartung 1,65 1,74 1,88 2,12 2,21 2,39 Know-how-Verlust 2,00 Erkennbarkeit von Schachstellen / Sabotage 2,23 2,23 Rechtliche Gefahren 2,36 2,36 Finanzielle Gefahren 2,53 2,53 Erpressbarkeit Marktwert der beteiligten Firmen sinkt 2,96 3,28 2,96 3,28 Abbildung 5: Durchschnittliche Priorität der Aufwände, Quelle: VDMA Technik-im-Dialog Wertschöpfung aus Maschinendaten [1] Abbildung 6: Durchschnittliche Priorität der Gefahren, Quelle: VDMA Technik-im-Dialog Wertschöpfung aus Maschinendaten [1] Aufwände Gefahren Engineering Vorhandene Maschinensoftware muss erweitert werden, Schnittstellen sind zu schaffen, eine Infrastruktur ist herzustellen, Security-Maßnahmen sind zu ergreifen sowie der Aufbau von neuem Know-how und die Qualifikation neuer Lieferanten ist erforderlich. Vertragsgestaltung Wem gehören die Maschinendaten? Wer darf welche Maschinendaten wie nutzen? Klare Vereinbarungen und vertragliche Regelungen sind zu schaffen, damit jeder Beteiligte rechtssicher agieren kann. Marketing / Vertrieb Bei den Kunden ist Vertrauen aufzubauen und der Mehrwert ist zu vermitteln. Vertrieb und Marketing des Maschinenherstellers müssen mit dem Maschinenbetreiber zusammen erarbeiten, wie der Nutzen aus Maschinendaten geschaffen wird. Risikomindernde Maßnahmen Daten und Schnittstellen müssen geschützt werden. Personenbezogene Daten dürfen nicht erhoben werden. Wartung, Technologiepflege, Updates Mehr Software bedeutet mehr Pflege und Updates, besonders für IT-Security. Know-how-Verlust Maschinen enthalten z.b. Rezepturen, Prozessabläufe und Qualitätsdaten, die für Wettbewerber interessant sind. Alle Daten müssen gemeinsam auf die Gefahr von Know-how-Verlust bewertet werden. Erkennbarkeit von Schwachstellen / Sabotage Durch die Herausgabe von Daten und das Vorhandensein von Online-Schnittstellen könnten Dritte ungewollt die Möglichkeit zur Schwachstellen-Analyse und Sabotage bekommen. Rechtliche Gefahren Datenschutz ist rechtlich geregelt, in verschiedenen Ländern auch unterschiedlich. Bei nicht sach- oder vereinbarungsgemäßem Gebrauch oder unzureichendem Datenschutz drohen Klagen. Finanzielle Gefahren, Erpressbarkeit Sollten Dritte Zugriff auf die Daten bekommen, zum Beispiel Hacker, ist die Gefahr der Erpressung sowie eine sich daraus ergebende negative Reputation möglich. Marktwert der beteiligten Firmen sinkt Sogenannte Datenleaks führen in der Regel zu Schlagzeilen. Insbesondere großen Unternehmen bereitet dies Sorgen. Ebenso kann das Rating der Unternehmen sinken.
10 LEITFADEN WERTSCHÖPFUNG AUS MASCHINENDATEN Entscheidungsfragen Zur Einschätzung des Risikopotentials bei der Weitergabe von Maschinendaten ist es erforderlich, die folgenden Fragestellungen zu untersuchen (Abbildung 7). Bei den Fragen 1 bis 3 handelt es sich um K.O.-Kriterien. Wird eine dieser Fragen negativ beantwortet, schränkt dies die Möglichkeiten zum Daten austausch und damit den Wertschöpfungs spielraum ein. Daten austauschen und gemeinsam nutzen ja, aber nicht um jeden Preis Das Projekt muss gegebenenfalls zu Gunsten der Sicherheit modifiziert werden. Beispielsweise könnten Daten anonymisiert oder das Anwendungsszenario verändert werden. Die positive Beantwortung der vierten Frage ist besonders für mittelständische Maschinenhersteller wichtig: Damit kann der Nutzen maximiert und dafür gesorgt werden, dass auch kleine und mittlere Maschinenhersteller bei neuen Dienstleistungen für ihre Kunden wettbewerbsfähig sind. Mittelständische Maschinenhersteller sind mit der Datenanalyse und Informationsgenerierung oft überfordert. Gerade diese Unternehmen müssen dann die Dienste Dritter, wie Datenanalysten oder Automatisierungslieferanten nutzen, um wettbewerbsfähig bleiben zu können. Deshalb muss für sie das Ziel sein, alle Fragen positiv beantworten zu können. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen oft auch Daten zur Verarbeitung an Dritte weitergegeben werden Bewertung der Daten Besteht eine Gefahr für den Maschinenbetreiber durch die Weitergabe dieser Daten? nein Wird das Datenschutzgesetz durch die Weitergabe dieser Daten verletzt? nein Verhindern andere Verträge die Weitergabe dieser Daten? ja ja ja Daten stehen nur dem Maschinenbetreiber zur Verfügung Daten stehen dem Maschinenbetreiber und Maschinenhersteller zur Verfügung nein Dürfen diese Daten durch Maschinenhersteller an Dritte weitergegeben werden? nein ja Daten stehen dem Maschinenbetreiber, Maschinenhersteller und Dritten (z. B. Automatisierungshersteller oder Analysten) zur Verfügung Abbildung 7: Diese Fragen entscheiden über die Nutzung der Daten. Die letzte Frage ist für kleine und mittlere Maschinenhersteller entscheidend für ihre Wettbewerbsfähigkeit, da sie Kooperationspartner für die Datenverwertung brauchen.
11 10 LEITFADEN WERTSCHÖPFUNG AUS MASCHINENDATEN Handlungsfelder Von der Idee zur Umsetzung. Die im ersten Kapitel beschriebenen Anwendungsszenarien und die in Kapitel 2 eingeführten Werkzeuge und Vorgehen zur Einschätzung von Nutzen, Aufwand und Risiko bilden die Grundlage für den Start eines Vorhabens zur Wertschöpfung aus Maschinen daten. Im vorliegenden Kapitel 3 wird ein erster Blick auf die zu beachtenden Themenfelder in der Umsetzung geworfen. Sie dienen der Standortbestimmung und bieten praktische Hilfestellung bei der selbstbestimmten Realisierung. Handlungsfeld: Vertragliche Regelungen Maschinendaten sind nicht-personenbezogene Daten. Sie entstehen während des produktiven Betriebs von Maschinen in den jeweils eingesetzten Automatisierungskomponenten, wie Sensoren, Aktoren, Steuerungen und PCs. Maschinendaten sind dabei gesetzlich nur einem fragmentarischen Schutz unterworfen. Deshalb ist es unerlässlich, die Nutzung und die Verwertung vertraglich zu regeln. Der VDMA Leitfaden Datennutzung Eine Orientierungshilfe zur Vertragsgestaltung für den Mittelstand bietet dazu die Grundlage. Maschinen- und Anlagenhersteller sowie ihre Geschäftspartner werden bei der Entwicklung und Verhandlung von Vereinbarungen über die Nutzung von Maschinendaten unterstützt. Die Handlungsfelder dienen der Standortbestimmung und bieten praktische Hilfestellung Vertragliche Regelungen zur Datenhoheit sind aus Industriesicht wichtig und ermöglichen einen fairen Interessenausgleich. Dazu wurde ein praxisorientierter Ansatz gewählt, der die wesentlichen für eine Datennutzungsvereinbarung charakteristischen Regelungsbereiche abdeckt und für den Kernbereich der Zuordnung und Nutzung von Maschinendaten Formulierungsvorschläge vorsieht. Die Ziele vertraglicher Regelungen zur Datenhoheit sind: Die Förderung der Herausbildung von Best-Practice-Standards, eine Orientierungshilfe durch eindeutige Parameter, die Entwicklung einer Strategie und die Etablierung strukturierter Prozesse für die Datennutzung voranzutreiben und rechtssicher umzusetzen. Handlungsfeld: Industrial Security-Betrachtung Zu Beginn der Security-Betrachtung steht die Risikoanalyse, optimalerweise als integraler Bestandteil des Entwicklungsprozesses. Die frühe Einbindung der Risikoanalyse in den Entwicklungs- und Konstruktionsprozess bedeutet oftmals einen ungewohnten anfänglichen Mehraufwand. Dieser lässt sich jedoch durch strukturiertes, wiederholbares Vorgehen auf ein überschaubares Maß reduzieren. Vor allem zahlt sich der frühe Mehraufwand im weiteren Verlauf der Entwicklung aus, wenn Security ein funktionaler Bestandteil der Maschine ist und deshalb nicht nachträglich teuer nachgerüstet werden muss.
12 LEITFADEN WERTSCHÖPFUNG AUS MASCHINENDATEN Schutzziele für die Übertragung von Maschinendaten sind: Vertraulichkeit Verfügbarkeit Integrität Authentizität Zum Erreichen der Schutzziele müssen entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden. Hilfestellung bieten zum Beispiel: VDMA Leitfaden Industrie 4.0 Security Handlungsempfehlungen für den Mittelstand VDMA Leitfaden Informationssicherheit Teil 3 DIN IEC : Systemanforderungen zur IT-Sicherheit und Security-Level Die frühzeitige Einbindung von Security zahlt sich später aus Handlungsfeld: Beschreibung der Daten Um Maschinendaten für Dritte nutzbar zu machen, müssen diese verständlich und eindeutig beschrieben sein: Um was für Daten handelt es sich? Wie ist das Datenformat? Im VDMA Leitfaden Interoperabilität durch standardisierte Merkmale für Industrie 4.0 wird dieses Thema behandelt und es werden Hinweise zur sinnvollen Beschreibung der Daten gegeben. Der Leitfaden stellt die wesentlichen Voraussetzungen für eine horizontale und vertikale Datenintegration in Anlehnung an das Konzept Industrie 4.0 dar. Aspekte der Beschreibung: Eindeutige Identifizierung eines Assets Eindeutige Kennzeichnung eines Assets bezüglich seiner strukturellen Einordnung Eindeutige Beschreibung der Merkmale und Eigenschaften eines Assets Handlungsfeld: Wert der Daten Der Wert von Maschinendaten spiegelt sich zum Beispiel in einer Produktivitäts- oder Qualitätssteigerung, die ein Maschinen- und Anlagen betreiber gewinnen kann, oder in den Produktverbesserungen von Maschinenund Automatisierungsherstellern wider. Nur eindeutig beschriebene Daten können zu Informationen verarbeitet werden Eine Anleitung zur individuellen und bilateralen Betrachtung bietet der VDMA Leitfaden Investitionsrechnung für Digitalisierungsprojekte und Industrie 4.0 Vorhaben. Der VDMA hat mit Industriepartnern und Experten aus dem Kapitalmarkt im Arbeitskreis Investitionsrechnung 4.0 ein Online-Tool entwickelt, welches zentrale Aussagen über Amortisationsdauer und Kosten konkreter Digitalisierungsvorhaben als Ergebnis liefert. Handlungsfeld: Geschäftsmodelle Wertschöpfung aus Maschinendaten kann bedeuten, neue Services und damit auch neue Geschäftsmodelle zu etablieren. Verschiedene Leitfäden des VDMA bieten Hilfestellung, wie zum Beispiel: VDMA Leitfaden Industrie 4.0 Orientierungshilfe zur Einführung in den Mittelstand. Die Lösungsansätze von Industrie 4.0 bieten das Potential, durch Digitalisierung und Vernetzung von Produkten und Produktion neue Geschäftsmodelle zu etablieren. VDMA-Whitepaper Plattformökonomie im Maschinenbau Praktische Tipps und Erfahrungen von Anwendern. Es werden Chancen und Möglichkeiten sowie Art, Umfang und der richtige Zeitpunkt zum Einstieg in Plattformbasierte Applikationen beschrieben.
13 12 LEITFADEN WERTSCHÖPFUNG AUS MASCHINENDATEN 4.0 Weitere Handlungsfelder: Kommunikationsarchitekturen und Anforderungen an Übergabetechnologien Wie sollen die Daten übertragen werden? Welche Protokolle und Mechanismen sind zukunftssicher? Diese Fragen beantwortet unter anderem der VDMA Leitfaden Industrie 4.0 Kommunikation mit OPC UA. Ausführlich beschreibt er die Migrationsschritte hin zu einer Industrie 4.0-fähigen Kommunikation. Der VDMA Leitfaden Sensorik für Industrie 4.0 zeigt Wege zu kostengünstigen Sensorsystemen. Anhand von Leitfragen und Werkzeug kästen unterstützt er die Anwender und Hersteller bei der Anforderungsdefinition und Entwicklung. Ein partnerschaftliches Projektverständnis ist der Ausgangspunkt für ein erfolgreiches Wertschöpfen aus Maschinendaten Zusammenfassung und Ausblick Auf einen Blick Worauf muss bei einem Projekt zur Wertschöpfung aus Maschinendaten geachtet werden? Gemeinsame, partnerschaftliche Herangehensweise für Maschinenbetreiber, Maschinenhersteller und Automatisierungshersteller Win-win für alle Beteiligten schaffen Auswahl des Anwendungsszenarios Einschätzung von Nutzen, Aufwand und Risiko Umsetzung der Handlungsfelder, beispielsweise: Vertragliche Basis schaffen, Security als integraler Bestandteil Fragen, Anregungen, Interesse an der Mitarbeit? Sprechen Sie uns an. Der vorliegende Leitfaden Teil Einführung und Motivation gibt einen ersten Einblick in die Wertschöpfung aus Maschinendaten. In weiteren Ausgaben soll die Thematik mit einer ausführlichen Schritt-für-Schritt-Anleitung praxistauglich konkretisiert und auf die Darstellung von Best Practices eingegangen werden. VDMA Arbeitskreis Steuerungstechnik Die Interessengruppe Automatisierungstechnik 4.0 erarbeitet einen Leitfaden, um den fairen und rechtlich einwandfreien Umgang mit Maschinendaten zu ermöglichen. Sie ist eine Ausgründung des Arbeitskreises Steuerungstechnik im VDMA-Fachverband Elektrische Automation zum Thema Wertschöpfung aus Maschinendaten. Die branchenübergreifende Zusammenarbeit ist für alle Beteiligten der Wertschöpfungskette ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Im Mittelpunkt stehen sachlich-technische Gespräche und der konstruktive Dialog im Maschinenbau. Die Plattform VDMA wird von Maschinenherstellern, Maschinenbetreibern und Automatisierungsherstellern genutzt, um zum gegenseitigen Vorteil als Partner in der Wertschöpfungskette zusammenzuarbeiten. Kontakt: VDMA Elektrische Automation Birgit Sellmaier
14 LEITFADEN WERTSCHÖPFUNG AUS MASCHINENDATEN Projektpartner Impressum VDMA Elektrische Automation Lyoner Straße Frankfurt am Main Telefon Internet ea.vdma.org EurA AG NL Zella-Mehlis Am Köhlersgehäu Zella-Mehlis Internet Projektleitung Birgit Sellmaier, VDMA Elektrische Automation Inhaltliche Beiträge Ingo Baumgardt, Leuze electronic GmbH + Co. KG Philipp Echteler, Balluff GmbH Christian Knoop, Hans Turck GmbH & Co. KG Thomas Kramer-Wolf, Wieland Electric GmbH Claus Kühnl, Phoenix Contact GmbH & Co. KG Rötger Sander, Delta Electronics (Netherlands) B.V. Marius Stöckmann, EurA AG NL Zella-Mehlis Armin Wallnöfer, ABB Automation Products GmbH Beteiligte Firmen ABB Automation Products GmbH ArcelorMittal Auto Processing Deutschland GmbH B&R Industrie-Elektronik GmbH Balluff GmbH Benninghoven GmbH & Co. KG Contrinex Sensor GmbH Delta Electronics (Netherlands) B.V. EurA AG NL Zella-Mehlis Festo AG & Co. KG Hans Turck GmbH & Co. KG HOMAG GmbH Lenze Automation GmbH Leuze electronic GmbH + Co. KG Phoenix Contact GmbH & Co. KG Pilz GmbH & Co. KG Schneider Electric GmbH TE Connectivity Germany GmbH TRUMPF Laser- und Systemtechnik GmbH TTTech Computertechnik AG TÜV Süd Product Service GmbH WAGO Kontakttechnik GmbH & Co. KG Weidmüller Interface GmbH & Co. KG Wieland Electric GmbH Design und Layout VDMA DesignStudio / VDMA Verlag GmbH Verlag VDMA Verlag GmbH Lyoner Straße Frankfurt am Main Internet Druck Druck- und Verlagshaus Zarbock Erscheinungsjahr 2019 Copyright VDMA, EurA AG Bildnachweise Titelbild: shutterstock Grafiken EurA AG / CORBEAU VDMA Quellenverzeichnis [1] VDMA Technik-im-Dialog-Veranstaltung Wertschöpfung aus Maschinendaten, 8. November 2018 Hinweis Die Verbreitung, Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe dieser Publikation bedarf der Zustimmung des VDMA und seiner Partner. Auszüge der Publikation können im Rahmen des Zitatrechts ( 51 Urheberrechtsgesetz) unter Beachtung des Quellenhinweises verwendet werden.
15 VDMA Elektrische Automation Lyoner Straße Frankfurt am Main Telefon Internet ea.vdma.org EurA AG NL Zella-Mehlis Am Köhlersgehäu Zella-Mehlis Internet ea.vdma.org
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